Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.718/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_718/2015

Urteil vom 27. Januar 2016

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Bovey,
Gerichtsschreiber Buss.

Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Kristina Tenchio,
Beschwerdeführerin,

gegen

B.A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marco Ettisberger,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Verweigerung der Sistie rung (Ehescheidung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, II. Zivilkammer,
vom 13. Juli 2015.

Sachverhalt:

A. 
Mit Entscheid vom 14. April 2011 schied das Kreisgericht
Werdenberg-Sarganserland die Ehe zwischen A.A.________ und B.A.________ und
regelte die Scheidungsfolgen. B.A.________ legte am 6. September 2011 Berufung
ein, A.A.________ am 23. November 2011 Anschlussberufung. Der prozessleitende
Richter befragte am 28. Mai 2013 und am 4. November 2013 insgesamt acht
Zeuginnen bzw. Zeugen.

B. 
Im Nachgang zu diesen Befragungen reichte A.A.________ am 8. Februar 2014
Strafanzeige ein wegen mehrfacher Urkundenfälschungen und vollendeter
Prozessbetrugsversuche. Gleichentags stellte sie für das Berufungsverfahren
einen Sistierungsantrag, welcher am 5. März 2014 abgewiesen wurde. Mit Eingabe
vom 12. Juni 2015 stellte A.A.________ namentlich folgendes Begehren:

"Es sei das rubrizierte Verfahren gestützt auf das Novum der impliziten
Anerkennungen von (Anstiftungen zu) Urkundenfälschungen und deshalb mit hoher
Wahrscheinlichkeit vorliegenden Versuchen des Prozessbetrugs in vorliegendem
Scheidungsverfahren durch den Berufungskläger und Anschlussberufungsbeklagten
anlässlich seiner Einvernahme vom 1. April 2015 im Strafuntersuchungsverfahren
xxx bis zum Vorliegen eines Strafurteils zu sistieren und es sei den Parteien
nach Vorliegen des rechtskräftigen Strafurteils Frist zur Stellungnahme hierzu
einzuräumen."
Mit Entscheid vom 13. Juli 2015 wies der verfahrensleitende Richter auch dieses
Sistierungsbegehren ab.

C. 
A.A.________ (Beschwerdeführerin) gelangt mit Beschwerde in Zivilsachen vom 14.
September 2015 an das Bundesgericht und erneuert ihr vor Kantonsgericht
gestelltes Gesuch um Sistierung des Berufungsverfahrens.
Das Bundesgericht hat die Akten beigezogen, hingegen keine Vernehmlassungen
eingeholt.

Erwägungen:

1.

1.1. Einziger Gegenstand des angefochtenen Entscheids ist die Verweigerung der
von der Beschwerdeführerin beantragten Sistierung des Berufungsverfahrens. Der
Entscheid, mit dem eine Sistierung des Verfahrens ausgesprochen oder verweigert
wird, ist aus Sicht des BGG als Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 Abs. 1
BGG zu qualifizieren (BGE 137 III 522 E. 1.2 S. 524). Der Rechtsweg des
Zwischenentscheids folgt jenem der Hauptsache. Diese beschlägt ein
Scheidungsverfahren und damit eine Zivilsache im Sinn von Art. 72 Abs. 1 BGG.
Soweit darin vor Kantonsgericht ausschliesslich vermögensrechtliche Fragen
strittig sind, ist der Streitwert von Fr. 30'000.-- (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG)
erreicht.
Der angefochtene Entscheid betrifft weder die Zuständigkeit noch ein
Ausstandsbegehren (Art. 92 BGG). Es liegt somit ein anderer Zwischenentscheid
im Sinne von Art. 93 BGG vor, so dass eine sofortige Beschwerde an das
Bundesgericht nur unter den in dieser Bestimmung festgelegten Bedingungen
möglich ist. Es ist offensichtlich, dass ein gegenteiliger Entscheid (die
Sistierung des Verfahrens) das Verfahren nicht beenden würde, so dass die
Voraussetzung von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG sogleich verworfen werden kann. Die
Beschwerde steht daher nur unter der Voraussetzung offen, dass der angefochtene
Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann.

1.2. Die selbständige Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden bildet aus
prozessökonomischen Gründen eine Ausnahme vom Grundsatz, dass sich das
Bundesgericht mit jeder Angelegenheit nur einmal befassen soll (BGE 141 III 80
E. 1.2 S. 81). Die im vorliegenden Fall relevante Ausnahme nach Art. 93 Abs. 1
lit. a BGG durchbricht den besagten Grundsatz mit Rücksicht auf die Interessen
der beschwerdeführenden Partei. Beim nicht wieder gutzumachenden Nachteil im
Sinne dieser Bestimmung muss es sich um einen Nachteil rechtlicher Natur
handeln. Das setzt voraus, dass er sich auch mit einem späteren günstigen
Endentscheid nicht oder nicht gänzlich beseitigen lässt (BGE 141 III 395 E. 2.5
S. 399 f.; 137 III 522 E. 1.3 S. 525; je mit Hinweisen). Die blosse Möglichkeit
eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils rechtlicher Natur genügt. Dagegen
reichen rein tatsächliche Nachteile wie die Verfahrensverlängerung oder
-verteuerung nicht aus (BGE 134 III 188 E. 2.1 und 2.2 S. 191). Es obliegt der
beschwerdeführenden Partei darzutun, dass die Voraussetzungen von Art. 93 Abs.
1 BGG erfüllt sind, soweit deren Vorliegen nicht offensichtlich in die Augen
springt (BGE 141 III 80 E. 1.2 S. 80 f.).

1.3. Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, die strafrechtliche
Beurteilung des Prozessverhaltens des Beschwerdegegners sei von präjudizieller
Bedeutung für den Ausgang des Scheidungsverfahrens; es drohe ohne Sistierung
ein materiell falscher Sachentscheid zu strittigen Nebenfolgen der Scheidung
gestützt auf eine "unrichtige" Aktenlage. Die allfällige Möglichkeit der
Revision sei unsicher und biete deshalb keinen hinreichenden Schutz.
Dem ist entgegenzuhalten, dass die Vorinstanz, wie sie im angefochtenen
Entscheid bereits ausgeführt hat, die strittigen bei ihr gemachten (Zeugen-)
Aussagen unabhängig würdigen wird, wobei die Aussagen des Beschwerdegegners im
Strafverfahren nach unbestrittener vorinstanzlicher Feststellung in das
Berufungsverfahren eingebracht sind. In der gegenwärtigen Phase des Verfahrens
steht es mithin keineswegs fest, dass kein für die Beschwerdeführerin günstiger
Berufungsentscheid ergehen wird. Hinzu kommt, dass die Ausführungen der
Beschwerdeführerin zu den Schwierigkeiten eines allfälligen Revisionsverfahrens
ins Leere zielen, steht ihr doch gegen einen zukünftigen kantonalen
Endentscheid, der zu ihren Ungunsten ausfällt, das ordentliche Rechtsmittel der
Beschwerde in Zivilsachen offen. Soweit sich der vorliegend angefochtene
Zwischenentscheid vom 13. Juli 2015 auf den Endentscheid auswirkt, kann er
zusammen mit dem Endentscheid beim Bundesgericht angefochten werden (Art. 93
Abs. 3 BGG). Damit legt die Beschwerdeführerin keinen rechtlichen Nachteil dar,
der sich im weiteren Verfahren nicht mehr beheben liesse. Ein solcher ist auch
nicht ersichtlich. Folglich kann auf die Beschwerde gegen den Zwischenentscheid
nicht eingetreten werden.

2. 
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Gegenseite ist kein
entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, II.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. Januar 2016
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Buss

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