Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.699/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_699/2015

Urteil vom 2. Mai 2016

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Marazzi, Bovey,
Gerichtsschreiberin Griessen.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,

gegen

B.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Elisabeth Schönbucher Adjani,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Postulationsfähigkeit (Ehescheidung),

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, vom 10. August 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. A.________ (geb. 1960) und B.________ (geb. 1967) sind die Eltern von
C.________ (geb. 2004) und D.________ (geb. 2007). Sie trennten sich rund ein
halbes Jahr nach der Geburt des zweiten Kindes.

A.b. Mit Eheschutzentscheid vom 20. Dezember 2007 regelte das Bezirksgericht
Hinwil das Getrenntleben.

A.c. Am 27. Juli 2009 reichte A.________ beim Friedensrichter Illnau-Effretikon
(Sprengel Bezirksgericht Pfäffikon/ZH) ein Schlichtungsgesuch betreffend die
Scheidung ein. Dasselbe tat B.________ am 30. Juli 2009 beim Friedensrichter
Bäretswil (Sprengel Bezirksgericht Hinwil). Das Bezirksgericht Pfäffikon wies
die Scheidungsklage von A.________ am 30. November 2010 ab, da dieser vor
Ablauf der zweijährigen Trennungsfrist nach Art. 114 ZGB geklagt habe. Eine von
A.________ dagegen erhobene Berufung zog er später zurück. In der Folge nahm
das Bezirksgericht Hinwil das Scheidungsverfahren mit Verfügung vom 29. Januar
2010 (wieder) auf. Die am 3. Oktober 2011 abgehaltene Hauptverhandlung wurde
abgebrochen.

A.d. Mit Verfügung vom 6. Oktober 2011 bestellte das Bezirksgericht Hinwil
A.________ eine notwendige Vertreterin im Sinne von § 29 Abs. 2 ZPO/ZH. Nachdem
am 4. April 2012 die Fortsetzung der Hauptverhandlung stattgefunden hatte und
am 10. September 2013 die Replik eingegangen war, verlangte A.________ mit von
seiner Vertreterin eingereichten bzw. weitergeleiteten Eingaben vom 15. März
2014 und 19. März 2015 die Abweisung der Scheidungsklage seiner Ehefrau bzw.
einen Entscheid betreffend die Zuständigkeit und die Überweisung des Prozesses
an das Bezirksgericht Pfäffikon.

A.e. Mit Verfügung und Vorurteil vom 20. Mai 2015 wies das Bezirksgericht
Hinwil den Antrag von A.________ um Überweisung des Verfahrens an das
Bezirksgericht Pfäffikon ab, trat auf das Scheidungsbegehren von B.________ ein
und erkannte, dass eine ausdrückliche Zustimmung von A.________ zur
Scheidungsklage im Sinne von aArt. 116 ZGB vorliege und dass B.________ die
Scheidungsklage nach Ablauf der zweijährigen Trennungsfrist i.S.v. Art. 114 ZGB
rechtshängig gemacht habe.

B. 
Dagegen erhob A.________ persönlich am 22. Juni 2015 Berufung an das
Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer. Er beantragte, das
Scheidungsverfahren vor dem Bezirksgericht Hinwil sei wegen nicht abgelaufener
Trennungszeit abzuweisen. Die Scheidungsklage sei "auf gemeinsames Begehren hin
dem erstangerufenen Scheidungsgericht, also dem Bezirksgericht Pfäffikon,
zuzuweisen" und das "gesamte bisherige Scheidungsverfahren vor dem
unzuständigen Bezirksgericht Hinwil sei aufzuheben".
Die Vorinstanz ist mit Beschluss vom 10. August 2015 auf die Berufung nicht
eingetreten.

C. 
Gegen diesen Beschluss hat A.________ (Beschwerdeführer) mit Eingabe vom 10.
September 2015 Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht erhoben. Er
beantragt, es sei der Beschluss des Obergerichts Zürich vom 10. August 2015
aufzuheben (Ziff. 1) und die Angelegenheit an die Vorinstanz zur materiellen
Behandlung der Berufung vom 22. Juni 2015 zurückzuweisen (Ziff. 2).
Eventualiter sei sogleich das Scheidungsverfahren vor dem Bezirksgericht Hinwil
wegen nicht abgelaufener Trennungsfrist abzuweisen, die vorliegende
Scheidungsklage auf gemeinsames Begehren hin dem erstangerufenen
Scheidungsgericht, also dem Bezirksgericht Pfäffikon, zuzuweisen und das
Scheidungsverfahren vor dem unzuständigen Bezirksgericht Hinwil aufzuheben
(Ziff. 3). Zudem beantragt der Beschwerdeführer, es sei der Beschwerde die
aufschiebende Wirkung zuzuerkennen (Ziff. 4) und ihm die unentgeltliche
Rechtspflege zu gewähren (Ziff. 5), alles unter Kostenfolgen zu Lasten von
B.________ (Beschwerdegegnerin) oder der Gerichtskasse (Ziff. 6).
Mit Verfügung vom 11. September 2015 sind die Beschwerdegegnerin und die
Vorinstanz zur Stellungnahme hinsichtlich des Gesuchs um aufschiebende Wirkung
eingeladen worden. Die Vorinstanz hat am 22. September 2015 auf eine
Vernehmlassung verzichtet. Die Beschwerdegegnerin hat mit Eingabe vom 23.
September 2015 beantragt, der Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zu
erteilen.
Mit Verfügung vom 6. Oktober 2015 hat der Präsident der II. zivilrechtlichen
Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde die aufschiebende Wirkung
zuerkannt.
Aufgrund einer Eingabe des Beschwerdeführers hat der Präsident der II.
zivilrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts das Bezirksgericht Hinwil mit
Schreiben vom 29. Oktober 2015 darauf hingewiesen, dass die Weiterführung des
Scheidungsverfahrens gestützt auf die Verfügung vom 6. Oktober 2015 bis zum
Abschluss des bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahrens zu unterbleiben hat.
Es sind die vorinstanzlichen Akten, in der Sache jedoch keine Vernehmlassungen
eingeholt worden.

Erwägungen:

1.

1.1. Die fristgerecht (Art. 100 BGG) eingereichte Beschwerde richtet sich gegen
den Entscheid einer letzten kantonalen Instanz (Art. 75 BGG). In diesem ist die
Vorinstanz gegen die Berufung des Beschwerdeführers nicht eingetreten, mit der
Begründung, es fehle ihm an der Postulationsfähigkeit.

1.2. Der Beschwerdeführer richtete sein Rechtsmittel vor der Vorinstanz
einerseits gegen die Verfügung des Bezirksgerichts Hinwil, worin dieses die
Überweisung des Verfahrens an das Bezirksgericht Pfäffikon abgewiesen hatte und
auf das Scheidungsverfahren eingetreten war. Anderseits berief er sich vor der
Vorinstanz darauf, dass die Voraussetzung für eine Scheidungsklage gestützt auf
Art. 114 ZGB (zweijährige Trennungsfrist) nicht erfüllt seien und (auch) aus
diesem Grund nicht das Bezirksgericht Hinwil, sondern das (von ihm zuerst
angerufene) Bezirksgericht Pfäffikon zuständig sei.

1.2.1. Der angefochtene Nichteintretensentscheid qualifiziert als
Zwischenentscheid, da das Scheidungsverfahren mit diesem Entscheid nicht
abgeschlossen wird. Dass der angefochtene Rechtsmittelentscheid auf ein
Nichteintreten lautet, ändert nichts an dieser Qualifikation, beendet er doch
lediglich den Streit um die erstinstanzliche Zwischenverfügung, nicht aber das
Hauptverfahren (BGE 137 III 380 E. 1.1 S. 382).

1.2.2. Die Vorinstanz qualifizierte den angefochtenen Entscheid als
Zwischenentscheid im Sinne von Art. 92 BGG. Beschränkt sich das
Scheidungsgericht jedoch vorerst auf die Frage, ob die zweijährige
Trennungsfrist gemäss Art. 114 ZGB erfüllt ist oder nicht, prüft es nicht seine
Zuständigkeit, sondern eine (materiell-rechtliche) Voraussetzung der
Scheidungsklage nach Art. 114 ZGB. Somit qualifiziert der angefochtene
Entscheid diesbezüglich als Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG (vgl.
Urteil 5A_472/2007 vom 12. November 2007 E. 1), der nur unter eingeschränkten
Voraussetzungen vor Bundesgericht angefochten werden kann (dazu E. 2). Was
ferner die Verfügung betrifft, das Scheidungsverfahren nicht an das
Bezirksgericht Pfäffikon zu überweisen, handelt es sich auch hierbei nicht um
einen Zwischenentscheid über die Zuständigkeit im Sinne von Art. 92 BGG: Der
Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass das nun mit der Scheidung befasste
Bezirksgericht aufgrund einer bundesrechtlichen Zuständigkeitsregelung
zuständig sei. Er verlangt vielmehr die Überweisung an das von ihm zuerst
angerufene Gericht mit der Begründung, die Klagefrist sei nicht eingehalten
worden. Dies beschlägt, wie soeben ausgeführt, nicht die Zuständigkeit, sondern
eine materiell-rechtliche Voraussetzung der Scheidungsklage. Ferner verlangt er
die Überweisung des Scheidungsverfahrens mit dem Argument, dass das (von ihm)
zuerst angerufene Bezirksgericht Pfäffikon damals seine Scheidungsklage nicht
hätte abweisen dürfen, sondern das Scheidungsverfahren aufgrund der von seiner
Ehefrau am Bezirksgericht Hinwil eingereichten Scheidungsklage als Scheidung
auf gemeinsames Begehren hätte fortführen müssen. Die Abweisung sei zu Unrecht
erfolgt. Hierzu ist vorab zu bemerken, dass der Beschwerdeführer sein
Rechtsmittel gegen das Urteil des Bezirksgerichts Pfäffikon zurückgezogen hat
(vgl. Sachverhalt A.c) und diese Entscheidung vorliegend nicht mehr
Prozessgegenstand ist. Ob vor dem Bezirksgericht Pfäffikon ein
Verfahrenswechsel hätte stattfinden sollen respektive die Abweisung der
Scheidungsklage zu Recht erfolgt ist oder nicht, betrifft nicht die
Zuständigkeit des Gerichts, sondern die materiellen Voraussetzungen der
Scheidung und das Scheidungsverfahren. Somit wendet sich der Beschwerdeführer
nicht gegen die Zuständigkeitsnormen, auf die sich das Bezirksgericht Hinwil
stützt, sondern bemängelt vielmehr das Verhalten des Bezirksgerichts Pfäffikon,
welches die Scheidungsklage aus den genannten Gründen abgewiesen - und die
Scheidung nicht als Scheidung auf gemeinsames Begehren fortgeführt - hatte. Die
im vorliegenden Verfahren angefochtene Verfügung des Bezirksgerichts Hinwil
respektive der diesbezügliche Nichteintretensentscheid der Vorinstanz ist daher
nicht als Zwischenentscheid im Sinne von Art. 92 BGG zu qualifizieren.

2.

2.1. Gegen selbständig eröffnete Zwischenentscheide nach Art. 93 Abs. 1 BGG ist
die Beschwerde nur dann zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden
Nachteil bewirken können (lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde
sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an
Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b).
Bei dem nicht wieder gutzumachenden Nachteil nach lit. a muss es sich um einen
solchen rechtlicher Natur handeln. Das setzt voraus, dass er sich auch mit
einem späteren günstigen Endentscheid nicht oder nicht gänzlich beseitigen
lässt (BGE 141 III 80 E. 1.2 S. 81; 140 V 321 E. 3.6 S. 326; 139 IV 113 E. 1 S.
115; 139 V 604 E. 3.2 S. 607; 138 III 46 E. 1.2 S. 47, 333 E. 1.3.1 S. 335; 137
III 380 E. 1.2.1 S. 382). Rein tatsächliche Nachteile wie die Verlängerung oder
Verteuerung des Verfahrens reichen nicht aus (BGE 141 III 80 E. 1.2 S. 80; 140
V 321 E. 3.6 S. 326; 138 III 190 E. 6 S. 192; 137 III 380 E. 1.2.1 S. 382).

2.2. Nach der Rechtsprechung obliegt es dem Beschwerdeführer darzutun, dass
eine dieser beiden Voraussetzungen erfüllt ist (BGE 137 III 324 E. 1.1 S. 328
f.; 134 III 426 E. 1.2 in fine S. 429), es sei denn, deren Vorliegen springe
geradezu in die Augen (BGE 141 III 80 E. 1.2 S. 81; 133 III 629 E. 2.4.2 S.
633), was hier nicht zutrifft (vgl. auch Urteil 5A_472/2007 vom 12. November
2007 E. 2). Der Beschwerdeführer äussert sich überhaupt nicht zu diesen
Voraussetzungen, weshalb auf die Beschwerde nicht einzutreten ist.

3. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig
(Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet. Da die
Beschwerde als von Anfang an aussichtslos bezeichnet werden muss, kann dem
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren
nicht entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. 
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege für das
bundesgerichtliche Verfahren wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, und dem Bezirksgericht Hinwil, Einzelgericht in Zivil- und
Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 2. Mai 2016
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Die Gerichtsschreiberin: Griessen

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