Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.676/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_676/2015

Urteil vom 5. Januar 2016

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Marazzi, Schöbi,
Gerichtsschreiber Möckli.

Verfahrensbeteiligte
1. A.A.________,
2. B.A.________,
3. C.________,
4. D.________,
5. E.________,
alle vertreten durch Rechtsanwalt Flurin von Planta,
Beschwerdeführer,

gegen

1. F.________,
2. G.________,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marco Toller,
3. Stiftungsaufsichtsbehörde,
4. H.________,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Stiftungsaufsicht,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts von Graubünden, I.
Zivilkammer, vom 19. Juni 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die I.________ ist eine 1986 von J.A.________ gegründete Stiftung mit Sitz in
U.________. Ihr Zweck ist gemäss Stiftungsurkunde die Erhaltung, der Ausbau und
die Erschliessung des Sammelgutes. Dieses zeigt Land und Leute Graubündens,
insbesondere im Spiegel der darstellenden Kunst und Grafik.
Im Jahr 2009 verstarb J.A.________ und im Jahr 2010 dessen Ehefrau. Gesetzliche
Erben sind ihre beiden Töchter A.A.________ und B.A.________.
In Art. 7 der Stiftungsurkunde ist den Familienmitgliedern ein lebenslänglicher
Sitz im Stiftungsrat eingeräumt. A.A.________ amtet als Präsidentin des
Stiftungsrates. B.A.________ war ebenfalls Mitglied des Stiftungsrates; sie
trat aber am 21. Dezember 2009 aus und wurde im Handelsregister gelöscht.
Bald nach dem Tod von J.A.________ entstanden zwischen den beiden Töchtern als
Erbinnen und den anderen Stiftungsräten Meinungsverschiedenheiten bezüglich der
Eigentumsverhältnisse am Sammelgut. Erstere liessen eine Teilungsvereinbarung
ausarbeiten, wonach der überwiegende Teil der Kunstwerke zum Nachlass gehören
soll, während sich die Stiftungsräte K.________, F.________ und G.________ auf
den Standpunkt stellten, dass der grösste Teil der gesammelten Objekte bereits
im Eigentum der Stiftung stehe.

B. 
Am 8. September 2013 teilte B.A.________ dem Stiftungsrat schriftlich mit, dass
sie wieder Einsitz in dieses Gremium nehme. Am 15. September 2013 erklärte
K.________ seinen Rücktritt aus dem Stiftungsrat "auf den nächstmöglichen
Termin". Den in der Folge von A.A.________ vorbereiteten Zirkularbeschluss, mit
welchem vom Rücktritt von K.________ Kenntnis genommen sowie die Funktion und
Zeichnungsberechtigung von B.A.________ geregelt werden sollte, lehnten
F.________ und G.________ ab.
Mit Zirkulationsbeschluss von 10./14. Oktober 2013 kamen K.________, F.________
und G.________ überein, eine Feststellungs- und Herausgabeklage gegen die
beiden Erbinnen einzureichen, und sie beauftragten Rechtsanwalt Marco Troller
mit der Einleitung und Führung des Prozesses.
Am 4. November 2013 führte A.A.________ in Zürich-Flughafen eine
ausserordentliche "Stiftungsratssitzung" zwecks Regelung von Funktion und
Zeichnungsberechtigung von B.A.________ durch, an welcher sie und ihre
Schwester B.A.________ anwesend waren. Gemäss Sitzungsprotokoll wurde der
einstimmige "Beschluss" gefasst, B.A.________ als Mitglied des Stiftungsrates
im Handelsregister einzutragen. A.A.________ veranlasste in der Folge die
Eintragung von B.A.________ per 6. November 2013 und liess gleichzeitig
K.________ im Handelsregister löschen.
Mit Schreiben vom 20. November 2013 lud A.A.________ die
Stiftungsratsmitglieder zu einer ordentlichen Stiftungsratssitzung auf den 13.
Dezember 2013 ein. Gemäss Traktandenliste wurde unter Ziff. 5 das Tranktandum
"Wahl Stiftungsrat" angekündigt.
Gemäss Sitzungsprotokoll waren an der Sitzung vom 13. Dezember 2013
A.A.________ und B.A.________, K.________, F.________ und G.________ sowie ein
Vertreter der Revisionsstelle und die Geschäftsführerin L.________ anwesend.
G.________ bestritt zu Beginn des Traktandums "Wahl Stiftungsrat" die Stellung
von B.A.________ als Stiftungsrätin. Ohne auf diesen Einwand einzugehen, schlug
A.A.________ darauf C.________, D.________ und E.________ als neue
Stiftungsräte vor, welche sogleich den Sitzungsraum betraten. Nach kurzer
Diskussion, bei welcher G.________ gegen das Vorgehen protestierte, schritt
A.A.________ zur Abstimmung. Sie und ihre Schwester stimmten für die drei
Kandidaten, während F.________ und G.________ gegen deren Zuwahl votierten.
K.________ gab - nachdem ihn G.________ zur Stimmabgabe aufgefordert,
A.A.________ seine Stimmberechtigung aber verneint hatte - keine Stimme ab.
Unter Berufung auf den ihr bei Stimmengleichheit zukommenden Stichentscheid,
den sie zugunsten der drei Kandidaten ausübe, stellte A.A.________ die "Wahl"
von C.________, D.________ und E.________ in den Stiftungsrat fest. G.________,
F.________ und K.________ verliessen darauf gemeinsam mit L.________ und dem
Revisor den Sitzungsraum. Die verbliebenen Personen behandelten in der Folge
die weiteren Traktanden, wobei sie zunächst über die Konstituierung des
Stiftungsrates und die Zeichnungsberechtigung der neuen Mitglieder "Beschluss"
fassten. Unter dem Traktandum 11 "Vermächtnis J.A.________" wurde sodann im
Ausstand von A.A.________ und B.A.________ beschlossen, Rechtsanwalt Troller
das Mandat zur Klage gegen die beiden Erbinnen mit sofortiger Wirkung zu
entziehen. Unter dem Traktandum 12 "Varia" wurde festgehalten, dass das
Vertrauensverhältnis zur Geschäftsführerin L.________ als Folge ihres
Verhaltens an der Sitzung zerstört sei und ihr mit sofortiger Freistellung
gekündigt werde.

C. 
Am 19. Dezember 2013 reichten F.________ und G.________ bei der
Finanzverwaltung des Kantons Graubünden eine Stiftungsaufsichtsbeschwerde ein
mit welcher sie namentlich die Aufhebung des Beschlusses betreffend Zuwahl von
C.________, D.________ und E.________, eine Handelsregistersperre, die
vorübergehende Suspendierung aller Stiftungsräte und die Einsetzung eines
Sachwalters verlangten.
Mit Verfügung vom 20. Dezember 2013 wurden sämtliche Stiftungsratsbeschlüsse
vom 13. Dezember 2013 ab dem Traktandum Nr. 5 aufgehoben, die Stiftungsräte für
vier Monate suspendiert, diesen die Entfernung der im Archiv deponierten Werke
und Stiftungsunterlagen verboten sowie H.________ für die Dauer von vier
Monaten als Sachwalter ernannt.
Mit Beschwerde verlangten A.A.________ und B.A.________ sowie C.________,
D.________ und E.________ die Aufhebung dieser Verfügung sowie die Anweisung an
das Handelsregisteramt, H.________ und L.________ zu löschen und B.A.________,
C.________, D.________ und E.________ als Mitglieder des Stiftungsrates
einzutragen. Mit Entscheid vom 28. Februar 2014 wies das Departement für
Finanzen und Gemeinden Graubünden die Beschwerde ab.
Dagegen wurde mit den gleichen Begehren eine Berufung an das Kantonsgericht von
Graubünden erhoben. Zwischenzeitlich verlängerte die Finanzverwaltung die
Sachwalterschaft auf unbestimmte Zeit. Mit Entscheid vom 19. Juni 2015 stellte
das Kantonsgericht fest, dass der Beschluss vom 4. November 2013 betreffend
Eintragung von B.A.________ als Mitglied des Stiftungsrates im Handelsgeister
nichtig ist, unter Beauftragung des Handelsregisteramtes mit der Löschung, und
wies die Berufung ab, soweit es darauf eintrat.

D. 
Gegen diesen Entscheid haben A.A.________ und B.A.________ sowie C.________,
D.________ und E.________ am 2. September 2015 eine Beschwerde erhoben mit den
Begehren um dessen Aufhebung und Anweisung des Handelsregisteramtes, den
Sachwalter zu löschen und B.A.________ sowie C.________, D.________ und
E.________ als Mitglieder des Stiftungsrates einzutragen. Es wurden keine
Vernehmlassungen eingeholt.

Erwägungen:

1. 
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid auf dem Gebiet der
Stiftungsaufsicht (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 4, Art. 75 Abs. 1 und Art. 90
BGG), bei welchem es um Fragen der Organisation bzw. der gültigen Wahl von
Stiftungsratsmitgliedern und damit um eine nicht vermögensrechtliche
Angelegenheit geht. Die Beschwerde steht somit offen.
In materieller Hinsicht sind alle Rügen gemäss Art. 95 f. BGG zulässig und das
Bundesgericht wendet in diesem Bereich das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG), was heisst, dass es behauptete Rechtsverletzungen (Art. 42 Abs. 2
BGG) mit freier Kognition prüft. Dagegen ist es an den festgestellten
Sachverhalt grundsätzlich gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann einzig eine
offensichtlich unrichtige, d.h. willkürliche Sachverhaltsfeststellung gerügt
werden, wobei hierfür das strenge Rügeprinzip gilt; auf ungenügend
substanziierte Rügen und rein appellatorische Kritik am Sachverhalt tritt das
Bundesgericht nicht ein (Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 139 II 404
E. 10.1 S. 445; 140 III 264 E. 2.3 S. 266).

2. 
Umstritten ist zunächst die Frage, ob B.A.________ aufgrund ihrer Erklärung vom
8. September 2013 Mitglied des Stiftungsrates ist.

2.1. Das Kantonsgericht hat festgehalten, dass B.A.________ aufgrund von Art. 7
der Stiftungsurkunde an sich lebenslänglich ein Sitz im Stiftungsrat zustehe.
Sie sei aber am 21. Dezember 2009 aus dem Stiftungsrat ausgetreten und es
bedürfe für die Wiederaufnahme einer Wahl im Sinn von Art. 8 der
Stiftungsurkunde. Eine solche habe am 4. November 2013 nicht stattfinden
können, weil gemäss Art. 9 der Stiftungsurkunde der Stiftungsrat nur bei
Anwesenheit der Mehrheit der Mitglieder beschlussfähig sei. Als
stimmberechtigtes Mitglied des Stiftungsrates habe aber ausschliesslich
A.A.________ teilgenommen. Der "Beschluss" leide an einem derart gravierenden
Mangel, dass er als nichtig anzusehen sei. Ferner sei B.A.________ auch durch
den am 6. November 2013 erfolgten Handelsregistereintrag nicht zur
Stiftungsrätin geworden. Sie sei mithin am 13. Dezember 2013 nicht
stimmberechtigt gewesen.

2.2. Wie bereits im kantonalen Verfahren machen die Beschwerdeführer auch vor
Bundesgericht geltend, angesichts der Regelung in Art. 7 der Stiftungsurkunde
und der Organisationsfreiheit im Stiftungsrecht habe B.A.________ Anspruch auf
Einsitznahme im Stiftungsrat. Hierfür könne nicht stur ein formeller Beschluss
verlangt werden, zumal keine Gründe gegen ihre Wiederaufnahme im Stiftungsrat
bestünden; sie habe sich immer für die Stiftung eingesetzt und es bestehe auch
kein Interessenkonflikt, zumal es für die Stiftung sinnvoller wäre, sich mit
den Erbinnen aussergerichtlich zu einigen statt einen teuren Prozess zu führen.

2.3. Die Wahl und Zusammensetzung des Stiftungsrates bestimmt sich in erster
Linie nach der Stiftungsurkunde. Diese sieht vor, dass der Stiftungsrat aus
mindestens drei Mitgliedern besteht (Art. 5 Abs. 1), wobei ein Mitglied der
Familie A.________ im Stiftungsrat vertreten sein sollte (Art. 5 Abs. 2), dass
sich der Stiftungsrat selbst konstituiert und ergänzt (Art. 6), wobei die
Amtsdauer drei Jahre beträgt, eine Wiederwahl möglich ist und der Stifter,
seine Ehefrau sowie ihre beiden Töchter über einen lebenslänglichen Sitz im
Stiftungsrat verfügen (Art. 7 Abs. 1), dass eine Abberufung aus dem
Stiftungsrat jederzeit möglich ist (Art. 7 Abs. 2), wobei der Stiftungsrat über
die Abberufung von Mitgliedern mit 2/3-Mehrheit entscheidet (Art. 7 Abs. 3),
und dass u.a. die Wahl der Mitglieder des Stiftungsrates zu den unentziehbaren
Aufgaben des Stiftungsrates gehört (Art. 8 Abs. 1).
Die Stiftungsurkunde statuiert mithin, dass die Aufnahme von neuen Mitgliedern
in den Stiftungsrat durch Wahl erfolgt, und zwar im System der Kooptation,
indem der Stiftungsrat in seiner jeweiligen Zusammensetzung über die Wahl von
Kandidaten befindet. Den beiden Töchtern des Stifters steht nach dem in der
Stiftungsurkunde niedergelegten Willen des Stifters grundsätzlich ein Sitz im
Stiftungsrat zu. Dies wird in Ziff. 7 Abs. 1 im Zusammenhang mit der
grundsätzlichen Amtsdauer von drei Jahren festgehalten. Von der Systematik und
Teleologie her ist das lebenslängliche Einsichtsrecht offensichtlich als
Ausnahme zur Amtsdauer und folglich dahingehend zu verstehen, dass sich die
Töchtern keiner Wiederwahl stellen müssen, soweit sie Mitglied des
Stiftungsrates sind. Die Aufnahme als neues Mitglied ist hingegen in Ziff. 8
der Stiftungsurkunde geregelt; hierfür bedarf es in jedem Fall einer Wahl durch
den Stiftungsrat. Dass sich B.A.________, nachdem sie am 21. Dezember 2009 aus
dem Stiftungsrat ausgetreten und im Handelsregister gelöscht worden war,
gewissermassen durch einseitige Erklärung wiederum hätte zum Mitglied machen
können, widerspricht der unentziehbaren Wahlkompetenz des Stiftungsrates als
Gremium.
Ob B.A.________ in materieller Hinsicht für die Zukunft gewissermassen ein das
zuständige Wahlgremium - unter Vorbehalt von Ausschlussgründen - grundsätzlich
bindendes Einsitzrecht zusteht, nachdem sie im Jahr 2009 den Rücktritt erklärt
hat, ist nicht Verfahrensgegenstand. Dieser beschränkt sich vielmehr auf die
Frage, ob B.A.________ aufgrund einseitiger Erklärung wiederum ein Mitglied des
Stiftungsrates werden konnte. Dies ist nicht der Fall, weil nach dem Gesagten
jedenfalls eine formelle Wahl durch den Stiftungsrat nötig wäre und eine solche
bislang nicht erfolgt ist.
Ferner konnte, soweit dies beschwerdeweise sinngemäss behauptet sein sollte,
auch die "zwecks Regelung der Funktion und Zeichnungsberechtigung von
B.A.________" am 4. November 2013 in Zürich-Flughafen durchgeführte
ausserordentliche "Stiftungsratssitzung" keine Grundlage für die Aufnahme als
Mitglied des Stiftungsrates sein: Abgesehen davon, dass das für die
Beschlussfassung nötige Quorum - Art. 9 Abs. 1 der Stiftungsurkunde sieht vor,
dass der Stiftungsrat beschlussfähig ist, wenn die Mehrheit der Mitglieder
anwesend ist - nichterreicht war, indem A.A.________ bei diesem Anlass das
einzige stimmberechtigte Mitglied war, lag gar keine Beschlussfassung durch das
zuständige Organ vor. A.A.________ hatte nämlich die anderen Mitglieder des
Stiftungsrates nicht zur "ausserordentlichen Stiftungsratssitzung" vom 4.
November 2013 eingeladen, sondern diese "Sitzung" gewissermassen mit sich
selbst durchgeführt. Zuständig für die Wahl von neuen Mitgliedern des
Stiftungsrates ist aber nicht die Präsidentin, sondern vielmehr handelt es sich
dabei gemäss Art. 8 der Stiftungsurkunde um eine unentziehbare Aufgabe des
Stiftungsrates. Am 4. November 2013 tagte aber nicht der Stiftungsrat als
Gremium, sondern allein dessen Präsidentin. Ein durch das unzuständige Organ
gefasster "Beschluss" oder ein solcher, welcher zwar vom zuständigen Organ
ausgegangen, aber bei welchem nicht alle stimm- oder wahlberechtigten
Mitglieder eingeladen worden sind, ist ein blosser Schein- Beschluss, welcher
keinerlei Rechtswirkung erzeugt bzw. als nichtig anzusehen ist (vgl. spezifisch
für Stiftungsratsbeschlüsse: Urteile 5A.7/2002 vom 20. August 2002 E. 2.4
m.w.H.; 5A.37/2004 vom 1. Juni 2005 E. 4.2.2; BAUMANN LORANT, Der Stiftungsrat,
Diss. Zürich 2009, S. 162; vgl. in allgemeiner Hinsicht: Art. 706b und 714 OR;
BGE 137 III 460 E. 3.3.2 S. 465 m.w.H.; RIEMER, Anfechtungs- und
Nichtigkeitsklage im schweizerischen Gesellschaftsrecht, Bern 1998, Rz. 262,
269 und 281; RIEMER, Berner Kommentar, N. 102 und 108 zu Art. 75 ZGB; SCHOTT,
Aktienrechtliche Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von
Generalversammlungsbeschlüssen wegen Verfahrensmängeln, Diss. Zürich 2009, S.
103 f. und 139 f.).

2.4. Im vorliegenden Verfahren nicht von Belang ist nach dem Gesagten, ob von
der Sache her Gründe gegen die Aufnahme von B.A.________ bestünden, welche von
ihrer Gewichtung her auch zur Abberufung aus wichtigen Gründen im Sinn von BGE
128 III 209 E. 4c S. 211 berechtigen würden. Auf die diesbezüglichen längeren
Ausführungen in der Beschwerde ist folglich nicht einzugehen. An dieser Stelle
sei lediglich bemerkt, dass sich der Interessenkonflikt im Zusammenhang mit der
Ausscheidung des Sammelgutes durchaus schon anlässlich der Wahl neuer
Mitglieder manifestieren kann; das eigenmächtige und auf Sicherung von
Mehrheiten in eigener Sache ausgerichtete Vorgehen der Präsidentin zeigt dies
eindrücklich. Es wird Sache der Stiftungsaufsicht sein, diesbezüglich soweit
nötig präventiv oder repressiv einzugreifen, wozu ihr eine ganze Anzahl
möglicher Massnahmen zur Verfügung steht.
An der Sache vorbei geht schliesslich die Ansicht der Beschwerdeführer, es
hätte B.A.________ in Analogie zur Abberufung aus wichtigen Gründen im Sinn von
BGE 128 III 209 E. 4c S. 211 das rechtliche Gehör gewährt werden müssen. Zur
Diskussion steht nicht eine Abberufung, sondern die Tatsache, dass bislang
keine Wahl von B.A.________ als Mitglied des Stiftungsrates erfolgt ist. Die
Frage des rechtlichen Gehörs durch den Stiftungsrat konnte sich in diesem
Zusammenhang nicht stellen.

3. 
Umstritten ist weiter, ob C.________, D.________ und E.________ an der Sitzung
vom 20. November 2013 gültig als neue Mitglieder des Stiftungsrates gewählt
worden sind.

3.1. Das Obergericht hat die Frage aus mehreren Gründen verneint. Zunächst ist
es davon ausgegangen, dass die Traktandierung mit dem Stichwort "Wahl
Stiftungsrat" ungenügend erfolgt sei. Die Mitglieder des Stiftungsrates hätten
aufgrund der Vorgeschichte davon ausgehen müssen, dass es einzig um die
Nachfolge von K.________ oder die allfällige Zuwahl von B.A.________, nicht
aber um die Wahl weiterer Kandidaten bzw. um die Aufstockung des Stiftungsrates
gehe. F.________ und G.________ hätten die von A.A.________ vorgeschlagene
Beschlussfassung auf dem Zirkularweg abgelehnt und eine Grundsatzdiskussion
über die künftige Zusammensetzung des Stiftungsrates an der nächsten
ordentlichen Stiftungsratssitzung verlangt und auch darauf hingewiesen, dass es
zunächst um die Klärung möglicher Interessenkonflikte gehe und im Übrigen
K.________ seinen Rücktritt auf den nächstmöglichen Termin erklärt habe.
Schliesslich habe G.________ auch wenige Tage vor der Sitzung mit E-Mail
nochmals verlangt, dass eine Diskussion über die künftige Zusammensetzung in
genereller wie auch in persönlicher Hinsicht erfolgen müsse. A.A.________ habe
die übrigen Mitglieder des Stiftungsrates erst an der Sitzung unmittelbar bei
der Behandlung des Traktandums 5 darüber informiert, dass sie drei Kandidaten
zur Wahl vorschlage. Die anderen Mitglieder des Stiftungsrates seien völlig
überrascht gewesen bzw. überrumpelt worden, aber A.A.________ habe weder die
gewünschte grundsätzliche Diskussion zugelassen noch sei sie auf den Protest
von G.________ eingegangen. Es liege eine Verletzung der sich aus dem analog
anwendbaren Art. 67 Abs. 3 ZGB ergebenden Pflicht zu gehöriger Traktandierung
vor, weil die übrigen Mitglieder nicht auf eine personelle Erweiterung des
Stiftungsrates hätten schliessen müssen, und der Beschluss sei daher nicht
gültig zustande gekommen. Sodann liege auch eine Verletzung des Antrags- und
Diskussionsrechtes vor, welches Teil des Stimmrechtes bilde. Damit seien
wichtige Prinzipien der demokratischen Willensbildung verletzt worden und auch
insofern sei der Beschluss ungültig.
Weiter hat das Obergericht darauf hingewiesen, dass G.________ an der Sitzung
die Feststellung der Anwesenheiten verlangt und festgehalten habe, dass
B.A.________ nicht, wohl aber K.________ Mitglied des Stiftungsrates sei.
A.A.________ sei darauf nicht eingegangen, sondern habe vielmehr über die Wahl
der drei von ihr vorgeschlagenen Kandidaten abstimmen lassen, wobei sie
K.________ das Stimmrecht abgesprochen und dafür die Stimme von B.A.________
gezählt habe. Indes sei Letztere nach dem Gesagten nicht Mitglied des
Stiftungsrates gewesen und sei dafür K.________ noch Mitglied gewesen, weil er
seinen Rücktritt keineswegs per sofort, sondern erst auf den nächst möglichen
Termin erklärt und in seinem Demissionsschreiben auch unmissverständlich
festgehalten habe, dass er angemessen mitarbeite, bis ein Nachfolger gewählt
worden sei. Eine solche Wahl habe aber am 13. Dezember 2013 nicht stattgefunden
und folglich sei K.________ bei der betreffenden Sitzung noch stimmberechtigt
gewesen. Er sei von A.A.________ denn auch wie die anderen Mitglieder zur
Stiftungsratssitzung eingeladen worden und habe auch die Traktandenliste und
alle Beilagen erhalten, was keinen Sinn gemacht hätte, wenn er nicht in dieser
Funktion eingeladen worden wäre. Dass er sich beim Traktandum 5 schliesslich
der Stimme enthalten habe, sei offensichtlich darauf zurückzuführen, dass
A.A.________ ihm, wie das Sitzungsprotokoll zeige, die Stimmberechtigung
eigenmächtig versagt habe. Sodann zeige das Verlassen des Raumes aus Protest,
dass er sich auch selbst als stimmberechtigt angesehen habe. Mithin hätten im
Zeitpunkt der umstrittenen Zuwahl der drei Kandidaten die vier Mitglieder
A.A.________, F.________, G.________ und K.________ dem Stiftungsrat angehört.
Einzig A.A.________ habe für die drei Kandidaten gestimmt und der Wahlbeschluss
sei mithin auch unter diesem Aspekt nicht gültig zustande gekommen.

3.2. Die Beschwerdeführer machen geltend, die Demissionserklärung eines
Stiftungsratsmitgliedes sei eine aufhebende Gestaltungserklärung und gemäss
Art. 404 OR sei der Rücktritt jederzeit möglich. Mit Schreiben vom 15.
September 2013 habe K.________ seinen Rücktritt bekannt gegeben und nach dem
Vertrauensprinzip habe aus medizinischen Gründen auf einen sofortigen Rücktritt
geschlossen werden müssen. Im Übrigen habe er den Raum nicht aus Protest
verlassen, sondern weil sich sein Mantel im Wagen von F.________ befunden und
dieser ihm versprochen habe, ihn nach Hause zu fahren. Falls kein sofortiger
Rücktritt stattgefunden hätte, so wäre er im Sinn eines Eventualargumentes
jedenfalls auf den Beginn der Sitzung vom 13. Dezember 2013 erfolgt, weil die
nötige Anzahl Mitglieder nie unterschritten worden sei, so dass es gar nicht
sofort einen Nachfolger gebraucht habe. Hingegen sei B.A.________
stimmberechtigtes Mitglied gewesen, weil ihr ein lebenslänglicher Sitz im
Stiftungsrat zustehe. Im Übrigen sei auch die Traktandierung ordnungsgemäss
erfolgt, denn G.________ habe im Vorfeld der Sitzung eine Aufstockung auf
mindestens fünf Stiftungsräte angeregt und es habe sich dabei um ein altes
Thema gehandelt. Die Zuwahl neuer Mitglieder sei folglich vorhersehbar gewesen
und die Mitglieder des Stiftungsrates hätten sich mithin aufgrund der konkreten
Ankündigung ohne Weiteres ein Bild machen können, über was abgestimmt werde.
Das Nennen von Kandidatennamen sei gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung
nicht erforderlich. A.A.________ habe auch nicht die Diskussion unterbinden
wollen, sondern es habe Zeitdruck geherrscht. Die drei Kandidaten seien somit
regelkonform gewählt worden und sie hätten über die weiteren Traktanden
sogleich regelkonform mit abstimmen können, so dass das für die
Beschlussfassung nötige Anwesenheitsquorum von mindestens drei Mitgliedern
nicht unterschritten worden sei, als F.________ und G.________ sowie K.________
den Raum verlassen hätten.

3.3. Nach dem in E. 2 Gesagten war B.A.________ an der Stiftungsratssitzung vom
13. Dezember 2013 kein stimmberechtigtes Mitglied. Die Wahl der drei Kandidaten
kam mithin unabhängig von der Frage der Stimmberechtigung von K.________ nicht
zustande. Bei dieser Feststellung könnte es sein Bewenden haben. Der
Vollständigkeit halber sei indes kurz auf die weiteren Punkte eingegangen,
zumal es sich zum Teil sogar um Nichtigkeitsgründe handeln würde.

3.4. Aufgrund verschiedener Tatsachenfeststellungen hat das Kantonsgericht auf
das am 13. Dezember 2013 noch gegebene Stimmrecht von K.________ geschlossen,
welches aber von A.A.________ gegen dessen Willen unterbunden wurde. Dabei
handelt es sich um für das Bundesgericht verbindliche
Sachverhaltsfeststellungen (Art. 105 Abs. 1 BGG), welche einzig mit
substanziierten Verfassungsrügen, nicht aber mit appellatorischen Ausführungen,
wie sie vorliegend erfolgen, angefochten werden könnten (Art. 97 Abs. 1 und
Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 139 II 404 E. 10.1 S. 445; 140 III 264 E. 2.3 S. 266).
Demnach steht verbindlich fest, dass K.________ keineswegs per sofort
zurückgetreten ist, dass er ordentlich zur Stiftungsratssitzung geladen wurde
und dass er sich auch selbst als stimmberechtigtes Mitglied ansah, dass ihm
A.A.________ aber die Ausübung des Stimmrechtes verwehrte. Dies stellt einen
Nichtigkeitsgrund für die entsprechende Beschlussfassung dar (vgl. RIEMER,
Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage, Rz. 280; BAUMANN LORANT, a.a.O., S. 172).
Was sodann die Traktandierung anbelangt, beschränken sich die Beschwerdeführer
in Bezug auf die Sachverhaltsfeststellungen zum Vorfeld der Sitzung und zur
Tatsache, dass F.________, G.________ und K.________ von der Präsentation neuer
Kandidaten völlig überrumpelt wurden, ebenfalls auf appellatorische
Ausführungen. Mangels von Verfassungsrügen, namentlich von substanziierten
Willkürrügen, kann darauf nicht eingetreten werden. Ausgehend vom
festgestellten Sachverhalt liegt aber eine Verletzung der Pflicht zu gehöriger
Traktandierung vor. Diese erfordert nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung, dass die stimmberechtigten Mitglieder nach Einsicht in die
Traktandenliste und die Statuten bzw. die Stiftungsurkunde ohne Weiteres
erkennen können, über welche Gegenstände sie zu beraten und gegebenenfalls
abzustimmen haben; ob dies der Fall ist, bestimmt sich anhand der Umstände des
Einzelfalles (vgl. BGE 114 II 193 E. 5b S. 197; 126 III 5 E. 2a S. 7; RIEMER,
Berner Kommentar, N. 97 zu Art. 67 ZGB). Zwar ist normalerweise die Angabe von
Kandidatennamen nicht zwingend erforderlich (BGE 126 III 5 E. 2a S. 7; BAUMANN
LORANT, a.a.O., S. 161 f.). Im vorliegenden Einzelfall hätte aber eine gehörige
Ankündigung vor dem Hintergrund der konkreten Ausgangslage nähere Angaben
verlangt. Der Sitzung ging ein Ringen um die Herrschaft im Stiftungsrat im
Zusammenhang mit der Ausscheidung des Sammelgutes zwischen dem Nachlass und der
Stiftung voraus (Reaktivierung von B.A.________ als Stiftungsrätin durch
einseitige Erklärung; von A.A.________ abgehaltene "ausserordentliche
Stiftungsratssitzung"; Einleitung einer Klage gegen die beiden Erbinnen durch
die drei anderen Mitglieder des Stiftungsrates). In dieser Situation sollte
durch die vom Präsidium heimlich angelegte Erweiterung des Stiftungsrates durch
drei Kandidaten aus dem eigenen Umfeld eine willfährige Mehrheit geschaffen
werden, welche von der Stimmenzahl her selbst im Fall des Ausstandes der
Erbinnen die Beschlussfassung zu deren persönlichen Gunsten ausfallen lassen
könnte. Der Stiftungsrat hat in seiner neuen Zusammensetzung - unter Ausstand
von A.A.________ und B.A.________ - denn auch sofort und ausserhalb der
Traktandenliste beschlossen, Rechtsanwalt Troller das Mandat für die gegen die
Erbinnen gerichtete Klage der Stiftung zu entziehen und diese fallen zu lassen.
Das Kantonsgericht hat kein Bundesrecht verletzt, wenn es angesichts der
speziellen Ausgangslage davon ausgegangen ist, dass aus der Traktandierung
hätte hervorgehen müssen, dass es um die Vergrösserung der Mitgliederzahl ging.
Angesichts des Streites um die Zugehörigkeit des Sammelgutes wäre auch die
Bekanntgabe der Namen der Kandidaten angezeigt gewesen, damit die anderen
Mitglieder des Stiftungsrates sich über diese bzw. deren Bezug zur Präsidentin
und deren Schwester hätten ein Bild machen und gegebenenfalls auch eigene
Kandidaten präsentieren können (vgl. RIEMER, Berner Kommentar, N. 73 und 79 zu
Art. 67 ZGB). Das Kantonsgericht hat spezifisch die Tatsache hervorgehoben,
dass G.________ mit E-Mail vom 9. Dezember 2013 nochmals ausdrücklich eine
Grundsatzdiskussion über die Zusammensetzung des Stiftungsrates und in diesem
Zusammenhang eine Präzisierung bzw. Ergänzung des Traktandums 5 verlangte,
worauf A.A.________ zwei Tage später antwortete, dass alle Punkte traktandiert
seien. G.________ und F.________, dem die beiden Mails ebenfalls zugestellt
worden seien, hätten aus den Angaben von A.A.________ schliessen müssen, es
gehe einzig um eine Ersatzwahl für K.________ bzw. um die Frage der Aufnahme
von B.A.________. Hat aber A.A.________ die Mitglieder des Stiftungsrates über
die Tragweite des Traktandums bewusst nicht informiert und ihre falschen
Vorstellungen durch Beschwichtigungen sogar aktiv bestärkt, so ist kein
Bundesrecht verletzt, wenn das Kantonsgericht aus seinen Feststellungen den
rechtlichen Schluss gezogen hat, die Mitglieder des Stiftungsrates hätten sich
nicht ein Bild machen können, über was effektiv Beschluss gefasst werden
sollte. Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführer lag insbesondere nicht die
gleiche Situation vor, wie sie in BGE 126 III 5 zu beurteilen war.
Abschliessend bleibt festzuhalten, dass A.A.________ nach den - ebenfalls nicht
mit Verfassungsrügen angefochtenen - verbindlichen Feststellungen des
Kantonsgerichts das aus dem Stimmrecht fliessende Diskussionsrecht (dazu
RIEMER, Berner Kommentar, N. 27 und 73 zu Art. 67 ZGB) unterbunden hat, obwohl
G.________ eine Grundsatzdiskussion bezüglich der Zusammensetzung des
Stiftungsrates mehrmals im Vorfeld der Sitzung und auch an der Sitzung selbst
verlangt hatte.

4. 
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit auf sie
eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind den Beschwerdeführern
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Gegenpartei ist kein
entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden, I.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 5. Januar 2016
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Möckli

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