Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.663/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_663/2015

Urteil vom 7. März 2016

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Herrmann, Bovey,
Gerichtsschreiber Levante.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Patrik A. Häberlin,
Beschwerdeführer,

gegen

Y.________, Inc.,
vertreten durch Rechtsanwälte Philipp Känzig und Jonas Stüssi,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Paulianische Anfechtung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 21.
April 2015 (ZBR.2013.85).

Sachverhalt:

A.

A.a. Am 16. September 2005 wurde über die A.________ AG, mit Sitz in U.________
/TG, der Konkurs eröffnet. Vor der Konkurseröffnung, am 30. Mai 2005, verkaufte
D.________ als Verwaltungsrat der A.________ AG, seinem Vater, X.________, die
US-Patentanmeldung Nr. xxx zum Kaufpreis von Fr. 25'000.--. In der Folge
erteilte das United States Patent and Trademark Office am 6. Dezember 2005 das
Patent mit der Nr. yyy ("yyy-Patent"). Am 12. Februar 2007 verkaufte X.________
das Patent an die E.________ LLC, mit Sitz in den USA.

A.b. Im Konkurs der A.________ AG wurde die Y.________ Inc., mit Sitz in den
USA, als Gläubigerin mit einer Forderung von knapp 2 Mio. Fr. in der Dritten
Klasse zugelassen. Am 23. Februar 2007 trat das Konkursamt des Kantons Thurgau
der Y.________ Inc. den Anspruch aus paulianischer Anfechtung des am 30. Mai
2005 zwischen der Gemeinschuldnerin und X.________ geschlossenen Kaufvertrages
nach Art. 260 SchKG ab.

A.c. Am 28. Januar 2008 erhob die Y.________ Inc. beim Bezirksgericht
Anfechtungsklage nach Art. 285 ff. SchKG gegen X.________ und die E.________.
Sie verlangte, der Kaufvertrag zwischen der Gemeinschuldnerin und X.________
vom 30. Mai 2005 sei als anfechtbar und ungültig zu erklären, und die Beklagten
seien zu verpflichten, das yyy-Patent der Klägerin zu übertragen, unter
solidarischer Haftbarkeit und einschliesslich Früchten und Erträgnissen.
Eventualiter seien die Beklagten zu verpflichten, den nach Durchführung eines
Beweisverfahrens zu beziffernden Sachwert des yyy-Patents, mindestens Fr.
100'000.-- (von 5 % seit Einreichung des Sühnebegehrens) nebst Zinsen und
Früchten und Erträgnissen herauszugeben.

B.

B.a. Das Bezirksgericht Kreuzlingen wies die Klage gegen X.________ mit Urteil
vom 24. Februar/19. August 2010 ab. Die Klage gegen die E.________ wurde
infolge Klagerückzug als erledigt abgeschrieben.

B.b. Auf Berufung der Y.________ Inc. hin entschied das Obergericht des Kantons
Thurgau mit Urteil vom 17. Mai 2011, dass die Schenkungs- und Deliktspauliana
erfüllt seien, wenn der von X.________ bezahlte Kaufpreis in einem objektiven
Missverhältnis zum Wert des Patents stehe. Das Obergericht wies die Sache an
das Bezirksgericht zur Durchführung eines Beweisverfahrens zurück, primär durch
Einholung eines Gutachtens über die Werthaltigkeit des Patents im Februar 2007.

C.

C.a. Das Bezirksgericht holte (mit Beweisbeschluss vom 28. März 2012) ein
Gutachten ein. Der Sachverständige F.________ schätzte mit Gutachten vom 5.
September 2012 die US-Patentanmeldung per 17. Mai 2005 (im Monat des Verkaufs
an X.________) auf USD 376'000.-- und das yyy-Patent per 12. Februar 2007
(Weiterverkauf an die E.________) auf USD 401'000.--.

C.b. Mit Entscheid vom 21. August/25. Oktober 2013 hiess das Bezirksgericht die
Anfechtungsklage teilweise gut und verpflichtete X.________, der Y.________
Inc. den Betrag von Fr. 500'167.-- (umgerechnet USD 401'000.--) zuzüglich
Zinsen zu 5 % seit dem 13. September 2007 zu bezahlen. Es stellte dabei auf das
eingeholte Gutachten ab, das den Patentwert per 12. Februar 2007 auf USD
401'000.-- beziffert hatte.

C.c. Hiergegen erhob X.________ am 27. November 2013 Berufung und beantragte
die Abweisung der Klage, eventuell die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz.
Das Obergericht bewilligte am 25. Februar 2014 die vorzeitige Vollstreckbarkeit
des bezirksgerichtlichen Urteils, was von X.________ erfolglos angefochten
wurde (Urteil 5A_221/2014 vom 10. September 2014). Während des
Berufungsverfahrens stellte X.________ das Gesuch um Aufhebung der vorzeitigen
Vollstreckbarkeit des bezirksgerichtlichen Urteils.

C.d. Das Obergericht wies die Berufung mit Entscheid vom 21. April 2015 ab und
bestätigte das Urteil des Bezirksgerichts. Das Gesuch um Aufhebung der
vorzeitigen Vollstreckbarkeit des bezirksgerichtlichen Urteils wurde
abgewiesen.

D. 
Mit Eingabe vom 27. August 2015 hat X.________ Beschwerde in Zivilsachen
erhoben. Der Beschwerdeführer verlangt die Aufhebung des Entscheides des
Obergerichts vom 21. April 2015 und die Abweisung der Klage der Y.________ Inc.
(Beschwerdegegnerin). Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Weitere Eventualanträge lauten auf die Anweisung an
die Vorinstanz, eines neues Gutachten zum Wert des yyy-Patents zu erstellen,
sowie auf Ansetzung einer Frist, innert welcher die Beschwerdegegnerin (in
näher bestimmter Weise) Klage beim Bundespatentgericht anzuheben habe.
Das Gesuch des Beschwerdeführers um aufschiebende Wirkung wurde mit
Präsidialverfügung vom 31. August 2015 abgewiesen. Mit Verfügung der
Instruktionsrichterin vom 2. November 2015 wurde das Gesuch um Sicherstellung
der Parteientschädigung der Beschwerdegegnerin abgewiesen.
Das Obergericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die Beschwerdegegnerin
beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Mit
unaufgefordert eingereichten Eingaben haben der Beschwerdeführer repliziert und
die Beschwerdegegnerin dupliziert.
Es sind die kantonalen Akten eingeholt worden.

Erwägungen:

1.

1.1. Angefochten ist ein kantonaler Rechtsmittelentscheid (Art. 75 Abs. 1 BGG),
der verfahrensabschliessend ist (Art. 90 BGG). Urteile über paulianische
Anfechtungsklagen fallen unter die Schuldbetreibungs- und Konkurssachen (Art.
72 Abs. 2 lit. a BGG; Urteil 5A_496/2007 vom 30. Oktober 2007 E. 1, nicht publ.
in: BGE 135 III 276). In der den Streitwert von Fr. 30'000.-- übersteigendem
Streitsache ist die Beschwerde in Zivilsachen grundsätzlich zulässig.

1.2. Mit vorliegender Beschwerde in Zivilsachen kann die Verletzung von
Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht in
diesem Bereich grundsätzlich von Amtes wegen und mit freier Kognition an (Art.
106 Abs. 1 BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern
der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 134 III 102 E. 1.1
S. 104). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen
(Art. 106 Abs. 2 BGG), wobei hier das Rügeprinzip gilt (BGE 133 III 589 E. 2 S.
591). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 BGG).

1.3. Das Obergericht hat auf das vorliegende Verfahren der Berufung
(ZBR.2013.85) die ZPO angewendet und für das erstinstanzliche (vor dem 1.
Januar 2011 eingeleitete) Verfahren das kantonale Recht für massgeblich
erklärt, ebenso für das erste Berufungsverfahren (Lit. B.b). Die Anwendung von
Art. 404 Abs. 1 und Art. 405 Abs. 1 ZPO wird nicht in Frage gestellt und gibt
zu keinen Erörterungen Anlass.

2.

2.1. Das Obergericht hat im Wesentlichen erwogen, dass das Bezirksgericht die
Begründungspflicht bzw. Art. 29 Abs. 2 BV verletzt habe, weil es auf die Kritik
des Beschwerdeführers vom 12. November 2012 am Gutachten vom 5. September 2012
nicht eingegangen sei. Die Rückweisung der Sache an die Erstinstanz sei indes
in Anbetracht der Verfahrensdauer nicht zu rechtfertigen.

2.2. Was der Beschwerdeführer am 12. November 2012 (vor Bezirksgericht) gegen
das Gutachten vorbringe, stelle seine im Behauptungsstadium selbst getroffenen
Annahmen in Frage, welche dem Gutachtensauftrag zu Grunde gelegen habe.
Parteien, Gericht und Gutachter hätten übereingestimmt, dass die Elektroden aaa
und bbb - Produkte der Beschwerdegegnerin - von der Lehre des yyy-Patents
profitierten. Wenn der Beschwerdeführer  nach Vorliegen des durch Gutachten
ermittelten Beweisergebnisses den Prozessstoff ändern wolle, verstosse er gegen
den Grundsatz von Treu und Glauben.

2.3. Das Gutachten habe den Einwand des Beschwerdeführers, das yyy-Patent werde
von den Elektroden aaa und bbb gar nicht berührt, nicht erst ausgelöst. Die
Vorbringen könnten daher nicht (gemäss § 146 Abs. 2 ZPO/TG) nach der
Hauptverhandlung und damit nach Aktenschluss erhoben werden, sondern seien
verspätet. Was der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren vorgebracht habe (wie
u.a. Affidavit G.________ vom 9. April 2014) oder die Vorbringen betreffend
Verfahren "Reexamination" des yyy-Patents, welches er bereits im Februar 2010
selber eingeleitet habe, seien unechte Noven, welche bereits früher hätten
vorgebracht werden können; sie seien nach Art. 317 Abs. 1 lit. b ZPO nicht
zulässig. Die Behauptung der Beschwerdegegnerin, ihre Produkte aaa und bbb
profitierten von der Lehre des yyy-Patents, sei insgesamt nicht rechtzeitig
bestritten worden.

2.4. Weiter hat das Obergericht die Rüge, der Gutachter habe sich einseitig auf
die Aussagen der Beschwerdegegnerin gestützt, als unbegründet erachtet.
Schliesslich hat die Vorinstanz im Einzelnen erwogen, dass der Wert des
yyy-Patents mit dem Gutachten anhand der Relief-from-Royalty-Methode
hinreichend schlüssig ermittelt worden sei.

3. 
Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt die Anfechtung gemäss Art. 285 ff.
SchKG des Kaufvertrags vom 30. Mai 2005 zwischen der Gemeinschuldnerin und dem
Beschwerdeführer über eine US-Patentanmeldung für Fr. 25'000.--, welche der
Beschwerdeführer am 12. Februar 2007 als (zwischenzeitlich eingetragenes)
yyy-Patent an die E.________ weiterverkaufte. Die geschätzten Werte von
Patentanmeldung bzw. yyy-Patent sind durch das vom Bezirksgericht eingeholte
Gutachten ermittelt worden. Das Obergericht hat gestützt auf dieses Gutachten
(wie bereits das Bezirksgericht) bestätigt, dass der Beschwerdeführer der
Beschwerdegegnerin den Betrag von Fr. 500'167.-- (umgerechnet USD 401'000.--)
als paulianischen Wertersatzanspruch zu leisten hat. Der Beschwerdeführer
erhebt eine Reihe von Rügen, um die Massgeblichkeit des Gutachtens in Frage zu
stellen. Er rügt vorab eine Verletzung des rechtlichen Gehörs sowie der
kantonalen und schweizerischen ZPO; weiter macht er eine rechtsverletzende
Würdigung des Gutachtens geltend.

3.1. Die richterliche Würdigung des Gutachtens ist Gegenstand der freien
Beweiswürdigung (STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 2. Aufl.
2013, § 18 Rz. 127). Die Pflicht des Gerichts, seine Beweiswürdigung zu
begründen, d.h. die Gründe darzulegen, weshalb es eine Tatsache oder einen
Tatsachenkomplex oder eine gutachterliche Schlussfolgerung als richtig erachtet
oder nicht, fliesst wie die Pflicht zur Urteilsbegründung aus dem
Verfahrensgrundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV; vgl. BGE 138 I
232 E. 5.1 S. 237; HOHL, Procédure civile, Bd. I, 2001, Rz. 1123). Es ist keine
Auseinandersetzung in allen Einzelheiten notwendig, aber es muss immerhin
dargelegt werden, aus welchen Gründen ein Gutachten - durch Verständnis in
seinen wesentlichen Zügen - als richtig und schlüssig erachtet wird. Die
"Würdigung" eines Gutachtens durch Leerformeln stellt eine Verletzung des
rechtlichen Gehörs dar (BÜHLER, Gerichts- und Privatgutachten im
Immaterialgüterprozess, sic! 2007 S. 609/610).

3.1.1. Nach Auffassung des Obergerichts hat das Bezirksgericht die
Begründungspflicht verletzt, weil es auf die Kritik des Beschwerdeführers vom
12. November 2012 am Gutachten nicht eingegangen sei. Insbesondere habe er
geltend gemacht, die Elektroden aaa und bbb, beides Produkte der
Beschwerdegegnerin, würden gar nicht unter den Schutz des yyy-Patents fallen,
weshalb die damit erzielten Umsätze zur Bewertung des yyy-Patents irrelevant
seien.

3.1.2. Das Bezirksgericht hat festgehalten, das Gutachten sei von einem
"erfahrenen Sachverständigen" aufgrund "umfangreicher Abklärungen, in
Berücksichtigung von Vergleichszahlen und Kostenanalysen" erstellt worden. Die
Ungültigerklärung des yyy-Patents im Jahr 2011 habe keine Auswirkung auf den
Wert des Patentes im Jahre 2005 oder 2007, da ein Patent immer mit der
Unsicherheit der Ungültigerklärung behaftet sei. Das Gutachten berücksichtige
neben den Entwicklungskosten für "Geräte mit vergleichbaren Funktionen" die
möglichen Verkaufszahlen und Gewinne; ausserdem ziehe es "Vergleiche mit dem
Wert von Patenten für ähnliche Technologien". Das Bezirksgericht hat
geschlossen, die festgestellten Werte seien "nachvollziehbar" und nach
"anerkannter Methode" hergeleitet.

3.1.3. Laut Obergericht hat sich das Bezirksgericht zum umstrittenen Gutachten
lediglich auf "einer halben Seite" geäussert. Aus dem erstinstanzlichen Urteil
geht hervor, dass die Erstinstanz sich auf wenige, kaum aussagekräftige (wie
"umfangreicher Abklärungen, in Berücksichtigung von Vergleichszahlen und
Kostenanalysen", "Geräte mit vergleichbaren Funktionen") oder apodiktische
Feststellungen (wie "Werte nachvollziehbar" nach "anerkannter Methode")
beschränkt. Eine Auseinandersetzung mit der betreffenden Kritik des
Beschwerdeführers ist genauso wenig erkennbar wie die notwendige Würdigung des
Gutachtens selbst. Zu Recht hat die Vorinstanz im ungenügenden Vorgehen des
Bezirksgerichts eine Verletzung der Begründungspflicht gemäss Art. 29 Abs. 2 BV
erkannt. Die Schlussfolgerung des Obergerichts ist - entgegen der Auffassung
der Beschwerdegegnerin - nicht zu beanstanden.

3.1.4. Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, es handle sich um ein
"parteiisches" Gutachten bzw. "Gefälligkeitsgutachten", weil u.a. daraus
hervorgehe, dass der Experte "auffallend viel" mit der Beschwerdegegnerin
telefonierte, was er bereits in der Stellungnahme vom 12. November 2012 gegen
das Gutachten vorgebracht habe. Das Bezirksgericht hat sich zum Vorwurf der
Befangenheit nicht geäussert. Auch unter diesem Blickwinkel hat die Vorinstanz
zu Recht eine Verletzung der Begründungspflicht gemäss Art. 29 Abs. 2 BV
erkannt.

3.2. Eine nicht besonders schwerwiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs kann
ausnahmsweise als geheilt gelten, wenn die betroffene Person die Möglichkeit
erhält, sich vor einer Rechtsmittelinstanz zu äussern, die sowohl den
Sachverhalt wie auch die Rechtslage frei überprüfen kann. Unter dieser
Voraussetzung ist darüber hinaus - im Sinne einer Heilung des Mangels - selbst
bei einer schwerwiegenden Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör von
einer Rückweisung der Sache an die Vorinstanz abzusehen, wenn und soweit die
Rückweisung zu einem formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen
Verzögerungen führen würde, die mit dem (der Anhörung gleichgestellten)
Interesse der betroffenen Partei an einer beförderlichen Beurteilung der Sache
nicht zu vereinbaren wären (BGE 137 I 195 E. 2.3.2 S. 197 f. mit Hinweisen).
Nichts anderes gilt grundsätzlich im Berufungsverfahren nach ZPO, wenn das
Berufungsgericht sein Ermessen ausübt, um über eine Rückweisung zu entscheiden
(Art. 318 Abs. 1 lit. c Ziff. 1 und 2 ZPO) : Es hat zu berücksichtigen, dass
eine schwerwiegende Verfahrensverletzung vor erster Instanz regelmässig mit
einer Nichtbeurteilung der Klage bzw. eine Nichtermittlung des Sachverhaltes in
gehöriger Form zusammenfällt (REETZ/HILBER, in: Kommentar zur Schweizerischen
Zivilprozessordnung [ZPO], 3. Aufl. 2016, Rz. 37 zu Art. 318). Diese Grundsätze
werden zu Recht nicht in Frage gestellt und sind im Folgenden in der Anwendung
des Obergerichts zu prüfen.

3.3. Im konkreten Fall steht ausser Zweifel, dass der Beschwerdeführer (durch
ausgedehnten Schriftenwechsel und Berufungsverhandlung) umfassende Möglichkeit
erhalten hat, sich vor einer Rechtsmittelinstanz zu äussern, die sowohl den
Sachverhalt wie auch die Rechtslage frei überprüfen kann. Allerdings hat das
Obergericht die Schwere der Verletzung des Gehörsanspruchs des
Beschwerdeführers nicht näher gewertet. Es ist unmittelbar zur Heilung des
rechtlichen Gehörs geschritten, mit der Begründung, dass der Prozess bereits 7½
Jahre dauere und eine weitere Verzögerung nicht zu rechtfertigen wäre,
währenddem sich der Beschwerdeführer der Heilung des Verfahrensmangels
widersetzt. Ob die Beurteilung der Sache trotz der Verfahrensverletzung
zulässig ist, braucht vorliegend nicht abschliessend beurteilt zu werden, weil
die Heilung - wie sich aus dem Folgenden ergibt - ohnehin nicht gelungen ist.

3.4. Mit Bezug auf die Rüge der Befangenheit des Gutachters hat das Obergericht
ausgeführt, dass der Gutachter die Informationsquellen (Mitarbeiter der
Beschwerdegegnerin) offen gelegt habe. Die Rüge, der Gutachter habe sich
einseitig auf Aussagen der Beschwerdegegnerin gestützt, sei daher unbegründet.

3.4.1. Nach der Rechtsprechung gilt die Verfahrensgarantie des unabhängigen und
unparteiischen Richters gemäss Art. 30 Abs. 1 BV sinngemäss auch für den
Gerichtsgutachter (BGE 125 II 541 E. 4a S. 544; Urteil 4A_256/2010 vom 26. Juli
2010 E. 2.1). Die Ungleichbehandlung der Parteien durch einseitige Kontakte des
Gerichtsgutachters zu den Prozessparteien kann zu Befangenheit führen (BÜHLER,
Gerichtsgutachten und -gutachter im Zivilprozess, in: Heer/Schöbi [Hrsg.],
Gericht und Expertise, 2005, S. 24, 35).

3.4.2. In der Erwägung des Obergerichts kann keine Prüfung der Befangenheit des
Gutachters erblickt werden. Die blosse Bestätigung, die Informationsquellen
seien offen gelegt worden, stellt noch keine Beurteilung der Befangenheit des
Gutachters dar. Im Fall, dass eine Verletzung von Ausstandspflichten bzw.
Befangenheit vorliegen würde, wäre dies schwerwiegend, weshalb der blosse
Umstand, dass die übergeordnete Instanz über dieselbe Kognition verfügt wie
diejenige, bei welcher der Fehler eingetreten ist, regelmässig nicht genügt
(vgl. Urteil 5A_357/2011 vom 7. Oktober 2011 E. 3.3, mit Hinweisen). Wenn das
Obergericht die Rüge der Befangenheit des Gutachters nicht geprüft hat, kann
eine Heilung des Verfahrensmangels indes nicht eintreten und besteht die
Gehörsverletzung weiter. Die Rüge des Beschwerdeführers einer Verletzung von
Art. 29 Abs. 2 BV ist begründet.

3.5. Mit Bezug auf den Inhalt des Gutachtens hat sich das Obergericht sowohl
prozessual als materiell geäussert.

3.5.1. Die Behauptung der Beschwerdegegnerin, ihre Produkte aaa und bbb
profitierten von der Lehre des yyy-Patents, bzw. verletzten das yyy-Patent, sei
vom Beschwerdeführer - dem damaligem Erwerber der Patentanmeldung, Inhaber und
Weiterveräusserer des yyy-Patents - insgesamt nicht rechtzeitig bestritten
worden. Über die Frage, ob die Elektroden aaa und bbb das yyy-Patent
verletzten, sei daher weder Beweis abzunehmen noch Frist zur Klage beim
Bundespatentgericht betreffend Klärung der Patentverletzung anzusetzen. Das
Obergericht hat die Würdigung des Gutachtens nachgeholt und dabei festgehalten,
gemäss Gutachten "profitierten die Produkte von der Lehre des yyy-Patents",
bzw. beruhten die Produkte (aaa und bbb) der Beschwerdegegnerin "auf dem
yyy-Patent". Es ist zum Schluss gelangt, dass es keine erheblichen Zweifel an
der Schlüssigkeit des Gutachtens und am ermittelten Wert des Patents gebe.
Demgegenüber macht der Beschwerdeführer geltend, bei der vom Gutachter
verwendeten Methode gehe es darum, wieviel "das Unternehmen eingespart habe,
weil es im Besitze des Patentes sei", nach Auffassung des Obergerichts hätten
aber die Produkte der Beschwerdegegnerin vom yyy-Patent profitieren müssen,
also von einem Patent, das im massgeblichen Zeitpunkt nicht in ihrem Besitze
war. Die fehlende Auseinandersetzung der Frage des "Profitierenmüssens" bzw.
der "Patentverletzung" stelle eine Gehörsverletzung dar.

3.5.2. Nach dem angefochtenen Urteil (S. 13 E. 4c, S. 21 E. 9b) hat der
Gutachter zur Bewertung des yyy-Patents die "Relief-from-Royalty-Methode", d.h.
die "Methode der eingesparten Lizenzgebühren" angewandt, welche das Obergericht
(in Fn. 118 des Urteils) wie folgt erklärt hat:

"The relief-from-royalty method estimates the value of an intangible asset by
determining the royalties the asset owner would have to pay to license the
asset from another party. In other words, the value of the intangible asset to
the owner consists of the savings the owner realizes by not having to pay
licensing fees or royalties to use the asset."

3.5.3. Nach gängiger Umschreibung der Methode werden die Ersparnisse durch
Eigentum am immateriellen Vermögenswert, z.B. Patent betrachtet, und zwar in
Form von theoretisch zu zahlenden Lizenzgebühren in der Höhe, wie sie der
Eigentümer für die Nutzungsrechte an einem entsprechenden (gleichartigen)
Patent an einen Anderen (Dritten) zu zahlen bereit wäre (vgl. RINGS,
Patentbewertung [...], GRUR 2000 S. 844/855; SCHMIDLI/VASALLI, Immaterielle
Vermögenswerte, ST 2006 S. 145; KOLLER/HENTSCHEL, Die Bewertung von
Intellectual Property Rights [...], in: Matzler [Hrsg.], Immaterielle
Vermögenswerte, 2006, S. 306; WURZER/REINHARD, Handbuch der Patentbewertung, 2.
Aufl. 2010, Rz. 118 ff.; REILLY/SCHWEIHS, Valuing Intangible Assets, 1999, S.
152/153, 194). Die Bewertungsmethode basiert auf der Analyse, was der Inhaber
eines Patents zu zahlen hätte, wenn er den immateriellen Vermögenswert nicht
selbst besässe.

3.5.4. Aus dem angefochtenen Urteil geht hervor, dass das Obergericht der
Frage, wonach die Elektroden der Beschwerdegegnerin vom yyy-Patent profitierten
bzw. von der Lehre dieses Patents Gebrauch machen, entscheidende Bedeutung
zugemessen hat, um die Schlüssigkeit und Überzeugungskraft des Gutachtens zu
beurteilen. Allerdings hat das Obergericht (wie erwähnt) wiedergegeben, die
Relief-from-Royalty-Methode basiere auf der Lizenzersparnis durch das Eigentum
(hier: am yyy-Patent), falls der immaterielle Vermögenswert nicht in eigenem
Besitz wäre. Wieso es nach der Methodendefinition des Obergerichts nicht um die
Schätzung der Lizenzersparnis des Beschwerde  führers gehe, welcher die
Patentanmeldung von der Gemeinschuldnerin erworben bzw. das Patent an die
E.________ weiterverkauft hat, geht aus der Erklärung des Obergerichts nicht
hervor. Vielmehr hat es festgehalten, "mit der Methode [wird] geschätzt,
wieviel an Lizenzgebühren die Berufungsbeklagte [Beschwerdegegnerin] als
Eigentümerin des yyy-Patents eingespart hat". Die Beschwerdegegnerin war indes
weder im Zeitpunkt des Verkaufs der Patentanmeldung noch im Zeitpunkt des
Weiterverkaufs des yyy-Patents Eigentümerin; der Anfechtungsprozess richtet
sich gegen den Beschwerdeführer als Erwerber und Weiterveräusserer des
immateriellen Vermögenswertes. Die Aussage des Obergerichts, dass die
Relief-from-Royalty-Methode als solche "überhaupt erst Sinn macht, wenn die
Produkte der Berufungsbeklagten [Beschwerdegegnerin] vom streitbetroffenen
Patent profitierten", genügt ebenfalls nicht, um den Gedankengang
nachzuzeichnen, mit welcher das Obergericht die Schlüssigkeit des Gutachtens
dargelegt hat. Aus der Beschreibung der Methode im Urteil geht jedenfalls nicht
hervor, dass die hypothetische Lizenzersparnis des Inhabers eines immateriellen
Vermögenswertes  voraussetzen soll, dass ein Anderer (Dritter) mit seinen
Produkten vom zu bewertenden immateriellen Vermögenswert profitiert haben muss.
Aus dem Bewertungszweck der eingesetzten Methode lässt sich die Voraussetzung
jedenfalls nicht herleiten: Zweck der Schätzung durch Gutachten ist nicht die
Schadenersatzberechnung in einem Patentverletzungsprozess gegen die
Beschwerdegegnerin, sondern die Ermittlung des wirtschaftlichen Wertes des von
der Gemeinschuldnerin an den Beschwerdeführer verkauften und von diesem
weiterverkauften immateriellen Vermögenswert in einem paulianischen
Anfechtungsprozess.

3.5.5. Das Obergericht hat die Nachvollziehbarkeit des Gutachtens mit Bezug auf
die Methode einerseits und seinen Zweck andererseits nicht hinreichend
begründet. Wenn das Obergericht die Anwendung der Relief-from-Royalty-Methode
im beurteilten Gutachten nicht in nachvollziehbarer Weise begründet hat, konnte
es die Schätzungsergebnisse (per Mai 2005 bei Verkauf der US-Patentanmeldung an
X.________, und per 12. Februar 2007 bei Weiterverkauf des yyy-Patents an die
E.________) nicht deshalb als nachvollziehbar erachten, weil die
Beschwerdegegnerin das Patent im Jahre 2010 der E.________ für USD 499'960.--
abgekauft hatte. Es fehlt an einer Beweiswürdigung, welche dem Gehörsanspruch
genügt (vgl. BÜHLER, a.a.O., sic! 2007 S. 610). Eine Heilung des
Verfahrensmangels der ersten Instanz liegt nicht vor, und die Gehörsverletzung
besteht weiter. Die vom Beschwerdeführer erhobene Rüge einer Verletzung von
Art. 29 Abs. 2 BV ist begründet.

3.6. Nach dem Dargelegten ist das angefochtene Urteil wegen der formellen Natur
des verletzten verfassungsmässigen Rechts (BGE 137 I 197 E. 2.2 S. 197)
aufzuheben. Da eine Heilung der Gehörsverletzung nicht ausgeschlossen
erscheint, ist im konkreten Fall eine Rückweisung an das Obergericht angezeigt.
Über die weiteren Rügen ist indes nicht zu entscheiden. Solange die Würdigung
des Gutachtens nicht abgeschlossen ist, bleibt offen, ob den Vorbringen des
Beschwerdeführers überhaupt jene Bedeutung zukommt, wie er meint und wie sie
angeblich rechtskonform, d.h. weder in Verletzung von Prozessgrundsätzen wie
Treu und Glauben, noch verspätet vorgebracht worden seien.

4. 
Der Beschwerde ist Erfolg beschieden. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben
und die Sache wird zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an das
Obergericht zurückgewiesen. Weil das Obergericht das Gesuch um Aufhebung der
vorzeitigen Vollstreckbarkeit des bezirksgerichtlichen Urteils abgewiesen
(eigentlich: als gegenstandslos abgeschrieben) hat, weil das erstinstanzliche
Urteil bestätigt worden ist, hat es über das entsprechende Gesuch zu
entscheiden.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdegegnerin kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1, Art. 68 Abs. 1 BGG). Die Verteilung
der Kosten im vorangegangenen Verfahren obliegt der Vorinstanz (Art. 67 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Obergerichts des Kantons
Thurgau vom 21. April 2015 wird aufgehoben und die Sache wird zu neuer
Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 8'000.-- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer mit Fr. 8'000.-- für das
bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. März 2016
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Escher

Der Gerichtsschreiber: Levante

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