Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.652/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_652/2015

Urteil vom 13. Mai 2016

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Bovey,
Gerichtsschreiber Levante.

Verfahrensbeteiligte
Schweizerische Eidgenossenschaft,
handelnd durch die Oberzolldirektion,
vertreten durch Rechtsanwälte Peter Widmer und
Cyrill Rieder,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
Beschwerdegegner,

Betreibungsamt Bern-Mittelland.

Gegenstand
Arrestvollzug,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern,
Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, vom 12. August 2015 (ABS 15
172).

Sachverhalt:

A.

A.a. Am 31. März 2015 erliess das Regionalgericht Bern-Mittelland als
Arrestgericht auf Antrag der Schweizerischen Eidgenossenschaft, vertreten durch
die Oberzolldirektion (Arrestgläubigerin), gestützt auf Art. 271 Abs. 1 Ziff. 6
SchKG (definitiver Rechtsöffnungstitel) einen Arrestbefehl gegenüber A.________
(Arrestschuldner), mit Wohnsitz im Fürstentum Liechtenstein, für eine Forderung
im Umfang von Fr. 360'000.--. Als Forderungsgrund und -urkunde wurde die
Parteientschädigung gemäss Beschluss des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom
11. Mai 2011 genannt. Als Arrestgegenstand wurde "der Schweizer Teil des
europäischen Patents EP xxx sowie das Schweizer Patent CH yyy, eingetragen im
Patentregister auf den Namen des Schuldners, einschliesslich aller Rechte und
Ansprüche daraus" bezeichnet.

A.b. Das Betreibungsamt Bern-Mittelland, Dienststelle Mittelland, hielt in der
Arresturkunde vom 23. April 2015 betreffend Arrestvollzug bzw. Anzeige der
Verarrestierung an das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE)
fest, dass die beiden Patente im Jahre 2012 bzw. 2013 nach Ablauf der
20-jährigen Schutzfrist gelöscht worden seien, weshalb der Arrest als fruchtlos
erachtet werde. Das Betreibungsamt werde ohne gegenteiligen Bericht innert 10
Tagen die Verarrestierungsanzeige beim IGE zurückziehen und das Verfahren
einstellen.

B.
Gegen die Arresturkunde erhob die Arrestgläubigerin betreibungsrechtliche
Beschwerde beim Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs-
und Konkurssachen. Sie verlangte, dass in der Arresturkunde als verarrestierte
Gegenstände aufzuführen sei, was im Arres tbefehl bezeichnet worden sei ("der
Schweizer Teil des europäischen Patents EP xxx sowie das Schweizer Patent CH
yyy, eingetragen im Patentregister auf den Namen des Schuldners,
einschliesslich aller Rechte und Ansprüche daraus"). Weiter sei der
Schätzungswert der Arrestgegenstände auf Fr. 50'000.-- festzusetzen und von der
Verfahrenseinstellung wegen angeblicher Fruchtlosigkeit abzusehen. Eventuell
sei die Schätzung durch die Aufsichtsbehörde bzw. einen Sachverständigen
festzulegen. Mit Entscheid vom 12. August 2015 wurde die Beschwerde von der
Aufsichtsbehörde abgewiesen.

C.
Mit Eingabe vom 24. August 2015 hat die Arrestgläubigerin Beschwerde in
Zivilsachen erhoben. Die Beschwerdeführerin beantragt, den Entscheid des
Obergerichts des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und
Konkurssachen, vom 12. August 2015 aufzuheben und die Arresturkunde (gemäss
Anträgen im kantonalen Verfahren) dahingehend abzuändern, dass die
verarrestierten Gegenstände gemäss Arrestbefehl zu bezeichnen und zu schätzen
seien. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Weiter stellt die Beschwerdeführerin das Gesuch um
aufschiebende Wirkung.
Mit Präsidialverfügung vom 16. September 2015 wurde der Beschwerde
aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Mit Eingabe vom 25. September 2015 ersucht der Arrestschuldner
(Beschwerdegegner) um unentgeltliche Rechtspflege. In der Sache sind keine
Vernehmlassungen, aber die kantonalen Akten eingeholt worden.

Erwägungen:

1.

1.1. Entscheide kantonaler Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und
Konkurssachen über Verfügungen der Vollstreckungsorgane gemäss Art. 17 SchKG
unterliegen der Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG i.V.m.
Art. 19 SchKG). Zu Recht ist unbestritten, dass die Aufsichtsbehörde im
Vorgehen des Betreibungsamtes über den Nichtvollzug des Arrestbefehls
betreffend die im Arrestbefehl bezeichneten Arrestgegenstände eine anfechtbare
Verfügung erblickt hat (BGE 129 III 203 E. 2.3 S. 207).

1.2. Die vorliegende Beschwerde ist unabhängig von einer gesetzlichen
Streitwertgrenze gegeben (Art. 74 Abs. 2 lit. c BGG). Die Beschwerdeführerin
ist zur Beschwerde in Zivilsachen legitimiert (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG). Die
Beschwerde gegen den letztinstanzlichen Entscheid ist fristgemäss erhoben
worden (Art. 75 Abs. 1, Art. 100 Abs. 2 lit. a BGG) und grundsätzlich zulässig.

1.3. Mit vorliegender Beschwerde kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht
gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerdeschrift ist in gedrängter
Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2
BGG).

1.4. Die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten ist in der
Beschwerdeschrift vorzubringen und zu begründen (Art. 106 Abs. 2 BGG), wobei
das Rügeprinzip gilt (BGE 133 III 589 E. 2 S. 591). Mit ihren Ausführungen
unter dem Titel "Rechtliches Gehör" kritisiert die Beschwerdeführerin die
Rechtsanwendung der Vorinstanz, wie sie im angefochtenen Entscheid ohne
weiteres sichtbar wird, und gegen welche die Beschwerdeführerin sich in ihrer
Beschwerde im Einzelnen wendet. Auf die Rüge einer Verletzung von Art. 29 Abs.
2 BV bzw. der Begründungspflicht (BGE 136 I 229 E. 5.2 S. 5.2) kann nicht
eingetreten werden.

2.

2.1. Die Aufsichtsbehörde hat im Wesentlichen festgehalten, dass die zu
verarrestierenden Patente bereits erloschen seien. Mit dem Erlöschen des
Patents hätten die vermögensrechtlichen Wirkungen des Erfinderrechts geendet.
Soweit die Beschwerdeführerin reparatorische Ansprüche aus Patentverletzung als
Arrestgegenstand erachte, fehle es indessen an einer genügenden Spezifizierung
im Arrestbefehl. Die Bezeichnung "alle Rechte und Ansprüche" im Arrestbefehl
erlaube keine Verarrestierung von reparatorischen Ansprüchen wegen angeblicher
oder tatsächlicher Verletzung vor Ablauf des Patentschutzes. Der Arrest sei
daher nichtig und als fruchtlos aufzuheben.

2.2. Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz vor, den Arrestvollzug zu
Unrecht als unzulässig erklärt zu haben.

2.2.1. Im Wesentlichen bringt die Beschwerdeführerin vor, dass sie - von Seiten
des Arrestschuldners - mit reparatorischen Forderungen aus Verletzungen der
Patente konfrontiert werde, wobei diese Forderungen gar nicht spezifiziert
werden könnten. Die Vorinstanz nehme sodann zu Unrecht an, dass die Patente
nach Ablauf von 20 Jahren (Art. 14 PatG) gelöscht "bzw. ex tunc [sic!]
aufgehoben" und damit wertlos geworden seien. Auch nach Ablauf des Patentes
könnten verschiedene Rechte geltend gemacht werden.

2.2.2. Weiter hält die Beschwerdeführerin entgegen, dass Patente auch mit
abgelaufenem Ausschliesslichkeitsrecht übertragbar seien. Dies ergebe sich
gerade aus der Möglichkeit, nach Patentablauf auf das Patent verzichten zu
können. Die Übertragbarkeit sei zudem relevant, weil "nur der aktuelle Träger
des Patentrechts" entsprechende Reparationsforderungen geltend machen könne,
andernfalls die Aktivlegitimation fehle. Um reparatorische Forderungen aus
Patentverletzung durchsetzen zu können, sei die Inhaberschaft am Patent
"erforderlich, wenn nicht gar zwingende Voraussetzung". Ein abgelaufenes Patent
stelle ein verkehrsfähiges Gut und einen Vermögenswert dar. Der Arrestbefehl
könne und müsse vollzogen werden. Die beantragte "kombinierte Verarrestierung"
der Patente zusammen mit den reparatorischen Forderungen sei gerechtfertigt.

2.2.3. Die Auffassung der Vorinstanz, wonach das Betreibungsamt die Patente als
gelöscht und deshalb als nicht existent erachten dürfe, verletze die Aufteilung
der Kompetenzen zwischen Arrestgericht und Betreibungsamt, welches ohnehin
nicht befugt sei, den fraglichen Patenten einen wirtschaftlichen Wert
abzusprechen. Das Betreibungsamt habe vielmehr auch die - jedenfalls
bestrittenen - reparatorischen Forderungen mit den Patenten zu verarrestieren.

3.
Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt der Vollzug des Arrestbefehls im
Hinblick auf die dort bezeichneten Patente. Die Aufsichtsbehörde hat den
Nichtvollzug des Arrestbefehls durch das Betreibungsamt im Wesentlichen mit dem
Hinweis bestätigt, dass die Patente erloschen und andere Ansprüche mangels
Spezifizierung nicht verarrestiert werden könnten. Die Beschwerdeführerin macht
eine Verletzung der bundesrechtlichen Regeln über Bestand und Umfang von
Patentrechten sowie über den Arrestvollzug geltend.

3.1. Nach der Rechtsprechung fallen sämtliche Rügen, welche die materiellen
Voraussetzungen des Arrestes zum Gegenstand haben, namentlich solche, die das
Eigentum oder die Inhaberschaft an den zu arrestierenden Gegenständen betreffen
oder mit denen Rechtsmissbrauch geltend gemacht wird, in die Zuständigkeit des
Einspracherichters gemäss Art. 278 SchKG (BGE 129 III 203 E. 2.2, 2.3 S. 206
f.). Das Betreibungsamt hat einen Arrestbefehl daher grundsätzlich zu
vollziehen, ohne die materiellen Voraussetzungen des Arrestes zu überprüfen.
Nur wenn sich der Arrestbefehl als unzweifelhaft nichtig erweist, muss der
Vollzug verweigert werden, denn der Vollzug eines nichtigen Befehls wäre nach
Art. 22 SchKG ebenfalls nichtig (BGE 129 III 203 E. 2.3 S. 207; 136 III 379 E.
3.1 S. 382). Ein solcher Fall liegt u.a. vor, wenn der Arrestrichter oder das
Betreibungsamt örtlich unzuständig ist, oder sich der Arrestbefehl auf einen
offensichtlich nicht existenten Gegenstand bezieht, oder wenn der
Arrestgegenstand unzureichend spezifiziert ist (BGE 129 III 203 E. 2.3 S. 207;
136 III 379 E. 3.1 S. 382).

3.2. Wohnt ein Patentinhaber in der Schweiz, so sind Immaterialgüterrechte
grundsätzlich an seinem Wohnsitz in der Schweiz zwangsvollstreckungsrechtlich
belegen (vgl. STAEHELIN, Die internationale Zuständigkeit der Schweiz im
Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, AJP 1995 S. 268). Wohnt der Inhaber im
Ausland, so sind seine in einem schweizerischen Register eingetragenen
Immaterialgüterrechte - hier Patente - am Sitz des IGE in Bern gelegen (BGE 112
III 115 E. 3b S. 119); das gilt auch für schweizerische Teile europäischer
Patente (HEINRICH, PatG/EPÜ, 2. Aufl. 2010, N. 36 zu Art. 33 PatG). Der
Beschwerdegegner und Arrestschuldner hat Wohnsitz im Fürstentum Liechtenstein.
Die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein bilden zwar ein einheitliches
Schutzgebiet für Erfindungspatente, d.h. die vom IGE erteilten
Erfindungspatente haben einheitliche Rechtswirkungen im Schutzgebiet (Art. 1,
Art. 4 Abs. 1, Art. 5 und Art. 7 des Patentschutzvertrages zwischen der Schweiz
und dem Fürstentum Liechtenstein vom 22. Dezember 1978, SR 0.232.149.514; vgl.
BGE 127 III 461 E. 3d S. 466). Damit ist das IGE in der Lage, die im
Zusammenhang mit einem - nicht nur schweizerischen, sondern auch
liechtensteinischen - Arrest erforderlichen Verfügungsbeschränkungen durch
entsprechende Einträge im Patentregister wirksam anzuordnen (vgl. BGE 112 III
115 E. 3b S. 119). In Anwendung des SchKG bzw. der Zwangsvollstreckung gegen
einen Patentinhaber bleibt es indes beim Recht des Staates, wo die
Vollstreckung beantragt wird (vgl. auch Botschaft über den Patentschutzvertrag
mit Liechtenstein vom 9. Mai 1979, BBl 1979 II 257, S. 265,  ad Art. 13 Abs. 1:
Keine Anwendung des SchKG im Fürstentum Liechtenstein). Dies legt nahe, dass
der Beschwerdegegner in zwangsvollstreckungsrechtlicher Hinsicht im Ausland
domiziliert ist und die Patente in der Schweiz beim IGE belegen sind. Die
internationale bzw. örtliche Zuständigkeit zur Zwangsvollstreckung muss indes
nicht weiter erörtert werden, da - wie im Folgenden darzulegen ist - andere
Gründe dem Arrestvollzug entgegenstehen.

3.3. Nach Lehre und Rechtsprechung können - anders als nicht zur Patentierung
angemeldete geheime Erfindungen (BGE 75 III 89 S. 91 ff.) - die zur
Patentierung angemeldeten Erfindungen (BGE 75 III 5 S. 6) sowie die
patentierten Erfindungen Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein (vgl. u.a.
TROLLER, Immaterialgüterrecht, 3. Aufl. 1985, Bd. II, S. 874 f.). Das Patent
verschafft seinem Inhaber das Recht, anderen zu verbieten, die Erfindung
gewerbsmässig zu benützen (Art. 8 Abs. 1 PatG). Das Recht am Patent - die dem
Patentinhaber ausschliesslich zukommende Rechtsstellung - gehört zu den
Vermögensrechten eines Schuldners (BGE 24 I 145 S. 146), welches übertragbar
(Art. 33 Abs. 1 PatG) und daher pfändbar sowie (i.V.m. Art. 275 SchKG)
verarrestierbar ist (u.a. VON BÜREN, in: SIWR, Bd. I/1, 2. Aufl. 2002, S. 278;
BLUM/PEDRAZZINI, Das schweizerische Patentrecht, Bd. II, 2. Aufl. 1975, Anm. 2,
11 zu Art. 33 PatG; CORNAZ, L'exécution forcée des droits de propriété
intellectuelle, 2002, Rz. 129 ff., 143).

3.4. Die als Arrestgegenstände bezeichneten Patente (Schweizer Teil des
europäischen Patents EP xxx sowie das Schweizer Patent CH yyy) sind im
Patentregister des IGE am 6. September 2012 bzw. 6. September 2013 wegen
Ablaufs der gesetzlichen Schutzfrist gelöscht worden. Dass die Patente
erloschen sind, geht aus dem angefochtenen Entscheid hervor und wurde bzw. wird
auch von der Beschwerdeführerin nicht in Frage gestellt. Mit dem Erlöschen des
Patents u.a. durch Ablauf der maximalen Schutzdauer (Art. 14 PatG und Art. 63
EPÜ) endet das exklusive Recht des Patentinhabers (mit Wirkung ex nunc), d.h.
nach Ablauf des Patents wird die Erfindung frei verfügbar bzw. Teil des  public
domain : Jeder kann sie verwenden, es besteht kein absolutes subjektives Recht
mehr an ihr (HEINRICH, a.a.O., N. 4 zu Art. 14 PatG; STIEGER, in: Bertschinger/
Münch/Geiser, Schweizerisches und europäisches Patentrecht, 2002, Rz. 11.6;
LUGINBÜHL, in: SIWR, Bd. IV, 2006, S. 329; PERRET/AEGERTER, Brevets
d'invention, SJK Nr. 519, 1995, S. 3; DUCOR, in: Commentaire romand, Propriété
intellectuelle, 2013, Rz. 82 zu Art. 8 PatG). Daraus folgt ohne weiteres, dass
das Patent nach Ablauf der Schutzdauer - d.h. die frei verfügbare Erfindung -
nicht mehr als Vermögensbestandteil des Schuldners betrachtet werden kann,
welcher durch Zwangsverwertung auf einen Dritten übertragen werden kann. Damit
ein Patentrecht gepfändet bzw. verarrestiert und verwertet werden kann, muss
eine Aneignung möglich sein (BETTSCHART, in: Commentaire romand, Poursuite et
faillite, 2005, N. 32 zu Art. 132 SchKG). Entgegen der Darstellung der
Beschwerdeführerin ist daher nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz zum
Ergebnis gelangt ist, die fraglichen Patente seien wegen Ablaufs der
Schutzdauer keine existenten Vermögensrechte des Schuldners, weshalb sie nicht
verarrestiert werden können.

3.5. An diesem Ergebnis vermögen die weiteren Vorbringen der Beschwerdeführerin
nichts zu ändern.

3.5.1. Zu Recht wird in der Beschwerde (unter Hinweis auf HEINRICH, a.a.O., Rz.
9 zu Art. 33 PatG) im Wesentlichen festgehalten, dass das Recht auf das Patent
und das Recht am Patent als subjektive Vermögensrechte unbeschränkt übertragbar
und vererblich seien. Zu Recht hält die Beschwerdeführerin weiter fest, dass im
Falle des Erlöschens des Patents nach Ablauf der Patentdauer (wie erwähnt mit
Wirkung ex nunc) nicht ausgeschlossen ist, dass der Patentinhaber nach dem
Erlöschen des Patents noch Ansprüche aus dem Patent, insbesondere
Schadenersatz- und Gewinnherausgabeansprüche, geltend machen kann, allerdings
für vorher (d.h. während der Schutzdauer) begangene Patentverletzungen
(STIEGER, a.a.O., Rz. 11.6). Zutreffend beschreibt die Beschwerdeführerin unter
Hinweis auf TROLLER (a.a.O., Bd. II, S. 1014) die Aktivlegitimation, wonach
"jeder Träger eines Exklusivrechts an einem Immaterialgut sich mit den ihm
zivil- und strafrechtlich zur Verfügung gestellten Mitteln gegen die Verletzung
seines Rechts und die Gefährdung seiner Rechtsposition wehren kann". Zutreffend
hält die Beschwerdeführerin auch fest, dass ein Teilverzicht auf das Patent
sowohl nach dem PatG wie nach dem EPÜ rückwirkend ( ex tunc) möglich ist, d.h.
mit der gleichen Wirkung, wie wenn das Patent von Anfang an mit den
eingeschränkten Ansprüchen bestanden hätte (SCHEUCHZER, in: Commentaire romand,
Propriété intellectuelle, 2013, N. 19 zu Art. 24 PatG), wobei ein Antrag gemäss
Lehre auch nach dem Erlöschen des Patents gestellt werden kann (HEINRICH,
a.a.O, N. 36 zu Art. 24 PatG).

3.5.2. Mit dieser Argumentation kann die Beschwerdeführerin nichts für sich
ableiten. Die u.a. erwähnte Möglichkeit des Patentinhabers, auf das Patent mit
Wirkung ex tunc (d.h. rückwirkend für die Schutzdauer) zu verzichten, erlaubt
nicht den Umkehrschluss, dass nach Ablauf der Schutzdauer die Erfindung nicht
gemeinfrei sei und als zwangsweise verwertbaren Vermögensbestandteil des
Schuldners dienen könnte. Aus dem gleichen Grund ist (als Umkehrschluss)
unbehelflich, wenn die Beschwerdeführerin aus dem Umstand, dass ein
Patentinhaber nach Patentablauf frühere - d.h. während der Schutzdauer -
begangene Patentverletzungen geltend machen kann, auf die Verarrestierbarkeit
des Patents schliessen will. Diese und die weiteren Ausführungen beziehen sich
auf das Patentrecht vor Ablauf der Schutzdauer, stellen indes nicht in Frage,
dass nach Ablauf der Patentdauer - wie erwähnt - kein subjektives Recht bzw.
Exklusivrecht des Schuldners mehr besteht, das durch Zwangsverwertung auf einen
Dritten übertragen werden könnte.

3.6. Schliesslich macht die Beschwerdeführerin im Wesentlichen geltend, dass
reparatorische Forderungen, welche den verarrestierten Patenten zugrunde
liegen, mit den betreffenden "Spezies" zusammen-hängen bzw. genügend
spezifiziert seien und kein eigenes rechtliches Schicksal aufweisen würden. Die
Vorbringen gehen fehl.

3.6.1. In der von der Beschwerdeführerin erwähnten Rechtsprechung (BGE 112 III
115 E. 3b S. S. 118) wird festgehalten, dass bei der Verarrestierung eines
Patents nicht etwa die Patenturkunde, sondern das Recht als solches mit
Beschlag belegt wird. Dass aus einer Patentverletzung entstandene
reparatorische Forderungen mitverarrestiert würden, lässt sich dem zitierten
Urteil nicht entnehmen. Die Beschwerdeführerin übergeht, dass Schadenersatz-
und Gewinnherausgabeansprüche vom Patentrecht als "Stammrecht" unterschieden
werden; sie bestehen, sobald sie entstanden sind, als selbständige Rechte
(TROLLER, a.a.O, Bd. I, S. 112/113; HEINRICH, a.a.O., N. 8 zu Art. 33 PatG;
vgl. SCHLOSSER, in: Commentaire romand, Propriété intellectuelle, 2013, N. 2 zu
Art. 73 PatG).

3.6.2. Im vorliegenden Arrestbefehl werden derartige Rechte durch die
Bezeichnung "[Patente] einschliesslich aller Rechte und Ansprüche daraus"
offensichtlich nicht spezifiziert; selbst der Drittschuldner wird nicht benannt
( vgl. GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 5. Aufl. 2012,
Rz. 2245). Wenn das Obergericht reparatorische Forderungen aus allfälliger
früherer (vor Ablauf begangener) Patentverletzung als nicht spezifizierte
Forderungen betrachtet hat, die einer Verarrestierung vom Betreibungsamt nicht
zugänglich sind (BGE 132 III 281 E. 1 S. 283), ist dies keiner Weise zu
beanstanden.

3.7. Nach dem Dargelegten ist mit Bundesrecht vereinbar, wenn die
Aufsichtsbehörde zum Ergebnis gelangt ist, dass das Betreibungsamt den Vollzug
des Arrestbefehls vom 31. März 2015 verweigern durfte, weil die darin
bezeichneten Arrestgegenstände zum einen (geschützte Patente) offensichtlich
nicht mehr existieren bzw. zum anderen (reparatorische Forderungen) nicht
spezifiziert sind. Anlass zur verlangten Schätzung von Arrestgegenständen
besteht nicht.

4. 
Der Beschwerde ist kein Erfolg beschieden. Bei diesem Ausgang des Verfahrens
wird die Beschwerdeführerin, welche in ihrem Vermögensinteresse handelt,
kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht
zu leisten, da keine Beschwerdeantwort eingeholt worden ist und dem (nicht
anwaltlich vertretenen) Beschwerdegegner im bundesgerichtlichen Verfahren kein
ersatzpflichtiger Aufwand entstanden ist. Sein Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege ist gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Eine Parteientschädigung ist nicht zu leisten.

4. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons
Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 13. Mai 2016
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Levante

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