Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.628/2015
Zurück zum Index II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2015
Retour à l'indice II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2015


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_628/2015

Urteil vom 16. Dezember 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Schöbi, Bovey,
Gerichtsschreiber Traub.

Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Bezirksrichterin B.________,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Ausstand (Abänderung eines Scheidungsurteils),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, vom 13. Juli 2015.

Sachverhalt:

A. 

A.a. Die Ehegatten A.A.________ und C.A.________ wurden mit Urteil des
Bezirksgerichts Zürich vom 31. August 2011 geschieden. Der 2002 geborene Sohn
D.A.________ verblieb unter gemeinsamer elterlicher Sorge. Bereits mit
Verfügung vom 7. Oktober 2010 hatte die damalige Vormundschaftsbehörde der
Stadt Zürich die elterliche Obhut aufgehoben und das Kind fremdplatziert.

A.b. Abänderungsklagen von A.A.________, mit welchen sie die Zuteilung der
elterlichen Sorge und Obhut über Sohn D.A.________ an sie (allein) erreichen
wollte, wurden abgewiesen (Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 10. Juni 2013)
resp. zufolge Rückzugs abgeschrieben (Verfügung des Bezirksgerichts Dielsdorf
vom 15. Dezember 2014). Mit Abänderungsklage vom 24. Februar 2015 beantragte
C.A.________ vor dem Bezirksgericht Dietikon das alleinige Sorgerecht. In
diesem Verfahren stellte A.A.________ ein Gesuch um Ausstand der
Bezirksrichterin B.________. Das Bezirksgericht wies das Gesuch ab (Urteil vom
8. Juni 2015).

B. 
Das Obergericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene Beschwerde ab,
soweit es darauf eintrat (Urteil vom 13. Juli 2015).

C. 

C.a. A.A.________ gelangte mit "Verfassungsbeschwerde" vom 14. August 2015 an
das Bundesgericht. Sie verlangt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und
die Angelegenheit zur Feststellung des Sachverhalts an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

C.b. Unter Beilage einer Vorladung des Bezirksgerichts Dietikon vom 20. August
2015 (zu einer Einigungsverhandlung und Verhandlung betreffend vorsorgliche
Massnahmen) stellte A.A.________ mit Eingabe vom 11. August (richtig: 9.
September; Datum der Postaufgabe) 2015 das Gesuch, es sei Bezirksrichterin
B.________ (Beschwerdegegnerin) vorläufig zu verbieten, in der vorliegenden
Sache zu amten. Bezirks- und Obergericht verzichteten auf eine Vernehmlassung
in diesem Punkt. Das Bundesgericht untersagte der Beschwerdegegnerin, den
Abänderungsprozess weiterzuführen, bis das bundesgerichtliche Urteil über die
Ausstandsfrage ergangen ist (Verfügung vom 29. September 2015).

C.c. In der Ausstandssache selber hat das Bundesgericht die Akten beigezogen,
aber keine Vernehmlassungen eingeholt.

Erwägungen:

1. 

1.1. Der selbständig eröffnete Zwischenentscheid über den Ausstand einer
Gerichtsperson ist fristgerecht angefochten (Art. 92 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1
BGG). Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg demjenigen der Hauptsache (
BGE 137 III 380 E. 1.1 S. 382). Hier hat das Verfahren in der Hauptsache die
Abänderung eines Scheidungsurteils (Zuweisung der elterlichen Sorge) zum
Gegenstand, das heisst eine Zivilsache im Sinne von Art. 72 Abs. 1 BGG, in
welcher die Beschwerde in Zivilsachen ohne Streitwerterfordernis zulässig ist
(Urteil 5A_311/2010 vom 3. Februar 2011 E. 1.1, nicht publ. in: BGE 137 III 118
). Das Obergericht hat kantonal letztinstanzlich entschieden (Art. 75 BGG).
Gegen den angefochtenen Entscheid steht daher die Beschwerde in Zivilsachen
offen.

1.2. Da sämtliche Voraussetzungen der Beschwerde in Zivilsachen gegeben sind,
bleibt für die subsidiäre Verfassungsbeschwerde kein Raum (Art. 113 BGG).

2. 
Nach Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat jede Person, deren Sache in
einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, Anspruch darauf, dass ihre
Streitsache durch einen unbefangenen, unvoreingenommenen und unparteiischen
Richter beurteilt wird. Art. 30 Abs. 1 BV soll zu der für einen korrekten und
fairen Prozess erforderlichen Offenheit des Verfahrens im Einzelfall beitragen
und damit ein gerechtes Urteil ermöglichen. Insbesondere soll garantiert
werden, dass keine ausserhalb des Prozesses liegenden Umstände in sachwidriger
Weise zugunsten oder zulasten einer Partei auf das gerichtliche Urteil
einwirken. Art. 47 ZPO umschreibt die Ausstandsgründe auf Gesetzesebene (vgl.
die hier einschlägige Generalklausel in Art. 47 Abs. 1 lit. f ZPO [Befangenheit
"aus anderen Gründen"]).
Die Ablehnung setzt nicht voraus, dass der Richter tatsächlich befangen ist.
Die Garantie des verfassungsmässigen Richters wird bereits dann verletzt, wenn
Gegebenheiten vorliegen, die den Anschein der Befangenheit oder die Gefahr der
Voreingenommenheit begründen. Dabei ist nicht auf das subjektive Empfinden
einer Partei abzustellen. Das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss
vielmehr aus objektiver Sicht begründet erscheinen (BGE 140 III 221 E. 4.1 S.
222 mit Hinweisen).

3. 

3.1. Das Obergericht erwog, die Beschwerdeführerin sage nicht, inwiefern der
erstinstanzliche Entscheid auf unrichtiger Rechtsanwendung und/oder
offensichtlich unrichtiger Feststellung des Sachverhaltes beruhe (Art. 320
ZPO). Im Zwischenentscheid vom 8. Juni 2015 hatte das Bezirksgericht die
Auffassung der Gesuchstellerin verworfen, die verfahrensleitende Richterin habe
ihren Sohn nicht kindgerecht angehört. Sie sei vielmehr sorgfältig und behutsam
vorgegangen. Entsprächen die im Bericht wiedergegebenen Äusserungen des Kindes
nicht den Erwartungen einer Prozesspartei, so erzeuge dies nicht den Anschein
von Befangenheit der Gerichtsperson resp. einer unsachlichen inneren
Einstellung gegenüber dieser Prozesspartei oder anderen Verfahrensbeteiligten.
Anzeichen dafür, dass der Bericht wahrheitswidrig sein könnte, bestünden nicht.
Weitere Ausführungen der Gesuchstellerin beträfen die Platzierung des Sohnes;
diese sei jedoch nicht Gegenstand der Anhörung gewesen, mit welcher das
Ablehnungsbegehren begründet werde.

3.2. Die Beschwerdeführerin hält an der sinngemäss schon mit kantonaler
Beschwerde vorgebrachten Behauptung fest, Bezirksrichterin B.________ habe die
Aussagen des Sohnes im Anhörungsbericht verfälscht wiedergegeben. In den Akten
liegende Briefe von D.A.________ widersprächen dem Bericht; sie bildeten den
"Gegenbeweis zu den Behauptungen der als befangen beanstandeten
Bezirksrichterin". Unter diesem Gesichtspunkt habe das Obergericht die
Willensäusserungen des Kindes mit Blick auf die Offizial- und
Untersuchungsmaxime zwingend berücksichtigen müssen. Da es dies nicht getan
habe, sei das rechtliche Gehör verletzt. Die Sache sei zur Beweisabnahme an das
Obergericht zurückzuweisen; dieses habe "sich dazu zu äussern, weshalb die
Willensäusserungen des Kindes (...) im krassen Widerspruch zum 'Kinderbericht'
(...) " stünden. Sobald diese Frage gewürdigt sei, könne überprüft werden, "ob
die beanzeigte Bezirksrichterin unabhängig im Sinne von Art. 30 Abs. 1 BV ist".

3.3. Die Beschwerdeführerin lehnt Bezirksrichterin B.________ im Wesentlichen
mit der Begründung ab, diese habe die Aussagen, welche Sohn D.A.________ bei
der Kindesanhörung gemacht habe, nicht richtig wiedergegeben. Der tatsächliche
Kindeswille ergebe sich aus Briefen des Kindes an sie als Mutter. Sie legt aber
nicht im Einzelnen dar, worin diese Widersprüche bestehen sollten.
Auf die Beschwerde kann nur insoweit eingetreten werden (vgl. zum Erfordernis
der Begründung von Rügen betreffend Grundrechtsverletzungen Art. 106 Abs. 2
BGG; im Übrigen Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), als in der Beschwerdeschrift geltend
gemacht wird, ein Vergleich des Berichtes vom 8. Mai 2015 über die
Kindesanhörung mit den besagten Briefen fördere unmittelbar Unstimmigkeiten
zutage. Das trifft jedoch nicht zu: Die Anhörung wurde im Hinblick auf die
Bestellung eines Kindesvertreters (Art. 299 ZPO) im Abänderungsverfahren
durchgeführt (vgl. Urteil des Bezirksgerichts vom 8. Juni 2015, S. 5 E. 4). In
diesem Punkt zitiert der Bericht vom 8. Mai 2015 D.A.________ dahin, sein
bisheriger Vertreter, Rechtsanwalt E.________, höre gut zu, nehme ihn ernst und
erkläre alles gut. Er wünsche keinen neuen Kindesvertreter. In den von der
Beschwerdeführerin angerufenen Briefen von September 2014 und Februar 2015
äussert sich das Kind dagegen über sein Verhältnis zur Mutter sowie seine
Gedanken zur Fremdplatzierung. Der Anhörungsbericht und die Briefe berühren
sich thematisch nicht. Demzufolge ist nicht ersichtlich, inwiefern die Briefe
bei objektiver Betrachtung nahelegen sollten, die anhörende Richterin habe die
Aussagen des Kindes möglicherweise unrichtig wiedergegeben und damit einen
Anschein von Voreingenommenheit erzeugt (vgl. oben E. 2). Folglich hatte die
Vorinstanz im Hinblick auf den behaupteten Ausstandsgrund von vornherein keinen
Anlass, um den Anhörungsbericht unter dem Gesichtspunkt der Briefe zu würdigen.
Andere ausstandsrechtlich bedeutsame Umstände werden letztinstanzlich nicht
behauptet. Die Beschwerde ist unbegründet, soweit sie überhaupt an die Hand
genommen werden kann.

4. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten der
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 16. Dezember 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Traub

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben