Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.55/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_55/2015

Urteil vom 20. August 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Schöbi, Bovey,
Gerichtsschreiber V. Monn.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roland Kokotek Burger,
Beschwerdeführer,

gegen

B.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Maria Clodi,
Beschwerdegegnerin,

C.________,
D.________,
beide vertreten durch Rechtsanwältin Katja Lerch,

Gegenstand
Eheschutz,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, vom 15. Dezember 2014.

Sachverhalt:

A.

 A.________ und B.________ sind die Eltern der beiden Kinder C.________ (geb.
5. Oktober 2005) und D.________ (geb. 2. April2007). Im Rahmen eines
Eheschutzverfahrens stellte das Einzelgericht des Bezirks Meilen C.________ und
D.________ für die Dauer des Getrenntlebens unter die Obhut von A.________ und
räumte der Mutter ein Besuchsrecht ein. Zudem wurde B.________ zu
Unterhaltsleistungen an die Kinder und an A.________ verpflichtet (Urteil vom
7. Juli 2014).

B.

 Gegen dieses Urteil erhob B.________ am 18. Juli 2014 Berufung beim
Obergericht des Kantons Zürich. Sie beantragte, C.________ und D.________ seien
für die Dauer des Getrenntlebens unter die alternierende Obhut beider Eltern zu
stellen. Zudem wehrte sie sich gegen die ihr auferlegten Kinder- und
Ehegattenunterhaltsbeiträge sowie gegen die Regelung der vorinstanzlichen
Kosten- und Entschädigungsfolgen.

C.

 Mit Urteil vom 15. Dezember 2014 stellte das Obergericht die Töchter für die
Dauer des Getrenntlebens unter die alternierende Obhut von Vater und Mutter
(Ziffer 1). Es genehmigte die von den Parteien getroffene Betreuungsregelung
(Ziffer 2) und bestimmte, wie die Kinder während der Feiertage und der Ferien
betreut werden (Ziffern 3 und 4). Das Gericht bestätigte ferner die Weisung an
die Eltern, sich bei der Jugend- und Familienberatung im Rahmen von mindestens
zehn Treffen bezüglich Erziehungsfragen und Umgang in Konfliktsituationen
während der Trennung beraten zu lassen (Ziffer 5). Schliesslich wurde
B.________ verpflichtet, an den Unterhalt der Töchter ab 1. Januar 2015 für die
weitere Dauer des Getrenntlebens monatliche Unterhaltsbeiträge von je Fr.
900.-- zu zahlen (Ziffer 6).

D.

 A.________ (Beschwerdeführer) wendet sich mit Beschwerde vom 20. Januar 2015
an das Bundesgericht. Er verlangt, die Ziffern 1 bis 4 des vorinstanzlichen
Urteils aufzuheben und ihm für die Dauer des Getrenntlebens die alleinige Obhut
über C.________ und D.________ zu übertragen. B.________ (Beschwerdegegnerin)
sei ein Besuchs- und Ferienrecht einzuräumen, das sich im Wesentlichen mit der
erstinstanzlich genehmigten Betreuungs- und Ferienregelung deckt. Im Sinne
eines Eventualbegehrens beantragt der Beschwerdeführer, "das gesamte Urteil des
Obergerichts" aufzuheben und die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts und zu
neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

 Das Bundesgericht hat sich die kantonalen Akten überweisen lassen, jedoch
keine Vernehmlassung eingeholt.

Erwägungen:

1.

 Die Parteien streiten sich in einem Eheschutzprozess darüber, ob die Obhut
über ihre beiden Töchter den Eltern alternierend oder dem Vater allein zu
überlassen ist. Das ist eine Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG) nicht
vermögensrechtlicher Natur. Nach der Rechtsprechung sind Entscheide betreffend
die Anordnung von Eheschutzmassnahmen Endentscheide im Sinne von Art. 90 BGG (
BGE 133 III 393 E. 4 S. 395 f.). Das Obergericht hat als oberes Gericht und als
letzte kantonale Instanz im Sinne von Art. 75 BGG entschieden. Die rechtzeitig
(Art. 100 Abs. 1 i.V.m. Art. 46 Abs. 1 Bst. c BGG) eingereichte Beschwerde ist
grundsätzlich zulässig.

2.

 Eheschutzentscheide unterstehen Art. 98 BGG (BGE 133 III 393 E. 5.1 und 5.2 S.
396 f.). Daher kann nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden
(dazu BGE 133 III 585 E. 4.1 S. 588). Es gilt das strenge Rügeprinzip (Art. 106
Abs. 2 BGG). Das bedeutet, dass die rechtsuchende Partei in ihrer Eingabe
dartun muss, welche verfassungsmässigen Rechte inwiefern durch den
angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Eine Überprüfung von Amtes wegen,
wie sie dem Bundesgericht hinsichtlich des Gesetzes- und Verordnungsrechts des
Bundes zusteht (Art. 106 Abs. 1 BGG), findet nicht statt. Das Bundesgericht
untersucht deshalb nicht von sich aus, ob der angefochtene kantonale Entscheid
verfassungsmässig ist, sondern prüft nur rechtsgenügend vorgebrachte, klar
erhobene und soweit möglich belegte Rügen. Auf rein appellatorische Kritik am
angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246; 133
II 396 E. 3.2 S. 399 f.). Wird die Verletzung des Willkürverbots gerügt, reicht
es nicht aus, wenn der Beschwerdeführer die Sach- oder Rechtslage aus seiner
Sicht darlegt und den davon abweichenden angefochtenen Entscheid als
willkürlich bezeichnet. Vielmehr muss er im Einzelnen darlegen, inwiefern das
kantonale Gericht willkürlich entschieden haben soll und der angefochtene
Entscheid deshalb an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (
BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246). Auch eine Berichtigung oder Ergänzung der
Sachverhaltsfeststellungen kommt nur in Frage, wenn die kantonale Instanz
verfassungsmässige Rechte verletzt hat (BGE 133 III 585 E. 4.1 S. 588), was die
rechtsuchende Partei wiederum präzise geltend zu machen hat.

3.

 Der Streit dreht sich um die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen
Voraussetzungen der Eheschutzrichter die Obhut den Eltern gemeinsam bzw. in
einer Art und Weise überlassen kann, dass sich die Eltern abwechselnd in mehr
oder weniger gleichem zeitlichen Umfang um die Kinder kümmern ("alternierende
Obhut").

3.1. Die Vorinstanz verweist auf die Änderungen im Sorgerecht, die am 1. Juli
2014 in Kraft getreten sind (Bundesgesetz vom 21. Juni 2013 über die Änderung
des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Elterliche Sorge], AS 2014 357). Damit
sei der Begriff der rechtlichen Obhut entfallen und durch das
Aufenthaltsbestimmungsrecht ersetzt worden. Nach neuem Recht meine der Begriff
der Obhut nur noch die faktische Obhut. Inhaber dieser Obhut sei derjenige
Elternteil, der mit dem Kind in häuslicher Gemeinschaft lebe. Die so
verstandene Obhut könne nach dem Willen des Gesetzgebers auch beiden
Elternteilen zukommen. Neu sehe Art. 298 Abs. 2 ZGB explizit vor, dass der
Richter über die Zuteilung der Obhut entscheiden könne, wenn keine Aussicht
darauf bestehe, dass sich die Eltern diesbezüglich einigen. Deshalb sei auch in
strittigen Fällen die Anordnung einer alternierenden Obhut möglich.

 Was den konkreten Fall angeht, stellt das Obergericht fest, dass sich die
Kinder C.________ und D.________ bis auf eine Differenz von wenigen Stunden je
zur Hälfte beim Vater und bei der Mutter aufhielten. Damit stünden die Kinder
unter der faktischen Obhut beider Parteien. Das Vorbringen des
Beschwerdeführers, wonach die alternierende Obhut nicht dem Kindeswohl von
D.________ und C.________ entspreche, sei widersprüchlich, weil auch er diese
Betreuungsregelung beibehalten möchte. Aus der Sicht des Gerichts bestehe kein
Anlass, die Betreuungsregelung zu ändern, nachdem C.________ und D.________ in
einem Gespräch mit der Kinderbeiständin vom 28. August 2014 bestätigt hätten,
sich gut in der Betreuungsregelung eingefunden zu haben und sich damit wohl zu
fühlen. Laut der Kinderbeiständin würden die Konflikte der Parteien nicht mehr
vor den Kindern ausgetragen. C.________ habe anlässlich des Gesprächs vom 28.
August 2014 deutlich entlasteter und fröhlicher gewirkt als beim ersten
Gespräch. Würde die Obhut lediglich dem Beschwerdeführer zugeteilt und der
Beschwerdegegnerin ein ausgedehntes Besuchsrecht erteilt, liefe dies den
tatsächlichen Verhältnissen zuwider.

3.2. Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz vor, sich mit den Ausführungen
in seiner Berufungsantwort betreffend die Zuteilung der Obhut nicht
auseinanderzusetzen. Auch die Erwägungen der Erstinstanz über das Kindeswohl
würden nicht berücksichtigt. Dies sei umso stossender, als das Obergericht das
erstinstanzliche Urteil aufhebe. Die Vorinstanz lasse ausser Acht, dass die
Betreuung der Kinder derzeit nur funktioniere, weil er bei unvorhergesehenen
Ereignissen sehr flexibel sei. Während des erstinstanzlichen Verfahrens habe
sich immer wieder gezeigt, dass die Beschwerdegegnerin ihr berufliches
Engagement mit der Betreuung der Kinder nicht vereinbaren und den vereinbarten
Betreuungsplan nicht einhalten könne. Zu Unrecht tadele die Vorinstanz sein
Vorbringen, wonach die alternierende Obhut nicht dem Kindeswohl entspreche, als
widersprüchlich, weil er zugleich die bisherige Betreuungsregelung beibehalten
wolle. Die Vorinstanz übersehe offensichtlich seine Vorbringen in Ziffer 18 der
Berufungsantwort: Auch wenn sich die Parteien de facto auf eine alternierende
Obhut geeinigt hätten, bedeute dies nicht, dass die Anordnung einer
alternierenden Obhut gerechtfertigt sei. Das Betreuungsverhältnis sei in
rechtlicher Hinsicht so auszugestalten, dass die Betreuung der Kinder in allen
möglichen Situationen dem Kindeswohl entspreche. Er zweifle an der Ernst- und
Dauerhaftigkeit der Gesprächs- und Kooperationsbereitschaft der
Beschwerdegegnerin. Momentan vermöge nur die Zuteilung der alleinigen Obhut an
ihn das Kindeswohl zu gewährleisten.

3.3. In rechtlicher Hinsicht legt der Beschwerdeführer ausführlich dar, welche
Bedeutung der Begriff der Obhut mit der erwähnten Gesetzesrevision erhalten
habe. Er beschäftigt sich mit der Frage, ob eine gemeinsame oder geteilte Obhut
auch nach neuem Recht einen gemeinsamen Antrag der Parteien voraussetze.
Gestützt auf verschiedene Überlegungen zum alten und neuen Recht kommt er zum
Schluss, die Frage sei zu bejahen. Mit dem Erfordernis eines gemeinsamen
Antrags für die gemeinsame und geteilte Obhut sei auch sichergestellt, dass die
Eltern ihre persönlichen Konflikte nicht über die Fragen der Kinderbelange
austragen. Da nach bisheriger kantonaler Rechtsprechung ein gemeinsamer Antrag
für die Anordnung der alternierenden Obhut notwendig gewesen sei, liege mit dem
Entscheid der Vorinstanz nun eine Praxisänderung vor. Eine solche bedürfe der
Begründung, da das neue Recht die Notwendigkeit eines gemeinsamen Antrags für
die Anordnung einer alternierenden Obhut nicht ausdrücklich regle. In der Lehre
werde die Meinung vertreten, dass eine alternierende Obhut auch gegen den
Willen einer Partei angeordnet werden könne, wenn sie dem Kindeswohl diene.
Unbestritten sei, dass die Ausübung der alternierenden Obhut nur dann im
Kindeswohl liege, wenn die Parteien bezüglich aller Kinderbelange gesprächs-
und kooperationsbereit seien. Studien würden belegen, dass das Wohl des Kindes
weniger von der Ausgestaltung der elterlichen Sorge abhänge als vielmehr von
der Art und Weise des Umgangs der Eltern sowie namentlich von deren
Konfliktverhalten.

3.4. Bei alledem übersieht der Beschwerdeführer, dass das Bundesgericht im
vorliegenden Verfahren nicht untersucht, ob die Vorinstanz das Zivilgesetzbuch
und die darin vorgenommenen Änderungen korrekt handhabt. Der Gegenstand der
Prüfung ist beschränkt auf die Frage, ob sich der angefochtene Entscheid mit
verfassungsmässigen Rechten verträgt, die der Beschwerdeführer als verletzt
rügt (E. 2). Nun tut der Beschwerdeführer aber nicht in einer den gesetzlichen
Anforderungen genügenden Weise dar, welches seiner verfassungsmässigen Rechte
die Vorinstanz mit ihrem Entscheid konkret verletzt. Soweit er die
vorinstanzliche Würdigung des Sachverhalts kritisiert, erschöpfen sich seine
Vorbringen in appellatorischer Natur. Darauf ist nicht einzutreten (vgl. E. 2;
BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266). Auch in rechtlicher Hinsicht vermag der
Beschwerdeführer den angefochtenen Entscheid nicht ins Wanken zu bringen. Denn
dafür genügt es nicht, wenn er einfach behauptet, das angefochtene Urteil
verletze die Art. 8, 9 und 29 Abs. 2 BV, sich seine Ausführungen der Sache nach
aber letztlich auf die Frage konzentrieren, wie das Zivilgesetzbuch nach
Inkrafttreten der neuen Bestimmungen über die gemeinsame elterliche Sorge
auszulegen ist (vgl. dazu bereits Urteil 5A_46/2015 vom 26. Mai 2015 E. 4).

4.

 Nach dem Gesagten genügen die Vorbringen, die der Beschwerdeführer dem
Bundesgericht vorlegt, den gesetzlichen Anforderungen an die
Beschwerdebegründung nicht. Das Bundesgericht kann auf die Beschwerde deshalb
gar nicht erst eintreten. Bei diesem Ausgang unterliegt der Beschwerdeführer.
Entsprechend hat er für die Gerichtskosten aufzukommen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Die Beschwerdegegnerin wurde nicht zur Vernehmlassung eingeladen; ihr ist kein
entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, C.________, D.________ und dem Obergericht des
Kantons Zürich, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. August 2015

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: V. Monn

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