Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.547/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_547/2015

Urteil vom 4. Juli 2016

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Bovey,
Gerichtsschreiber Zingg.

Verfahrensbeteiligte
A.________ AG,
Beschwerdeführerin,

gegen

B.________,
Beschwerdegegner,

Betreibungsamt Schaffhausen.

Gegenstand
Rückweisung des Fortsetzungsbegehrens (Zustellung der Verfügung, mit der der
Rechtsvorschlag beseitigt wird),

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen,
Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen, vom 7. Juli 2015.

Sachverhalt:

A. 
Mit Zahlungsbefehl vom 4. März 2013 (Betreibung Nr. xxx, Betreibungsamt
Schaffhausen) betrieb die A.________ AG B.________ für Prämien der
obligatorischen Krankenpflegeversicherung im Betrag von Fr. 718.40 nebst 5 %
Zins, Fr. 30.-- Mahnspesen und Fr. 95.-- Inkassogebühren. B.________ erhob am
25. März 2013 Rechtsvorschlag.
Mit Verfügung vom 13. Mai 2013 beseitigte die A.________ AG den
Rechtsvorschlag. B.________ holte die mit eingeschriebener Post versandte
Verfügung nicht ab. Gestützt auf diese Verfügung stellte die A.________ AG am
16. Juli 2013ein Fortsetzungsbegehren, das vom Betreibungsamt Schaffhausen
abgewiesen wurde.
Nachdem B.________ einen Teil seiner Schuld, nämlich Fr. 453.60, bezahlt hatte,
verfügte die A.________ AG am 19. November 2013 die Beseitigung des
Rechtsvorschlags für Fr. 488.05 (sic!) nebst 5 % Zins auf dem Betrag von Fr.
264.80 seit 8. September 2012. Diese Verfügung versandte die A.________ AG mit
A-Post Plus.

B. 
Mit Eingabe vom 7. Januar 2014 stellte die A.________ AG für Fr. 264.80 nebst 5
% Zins seit 8. September 2012, Fr. 30.-- Mahnspesen, Fr. 95.-- Inkassogebühren
und Fr. 98.25 bisherige Betreibungskosten das Fortsetzungsbegehren. Das
Betreibungsamt wies das Begehren mit Verfügung vom 13. Januar 2014 ab.

C. 
Gegen diese Verfügung erhob die A.________ AG am 20. Januar 2014 Beschwerde
beim Obergericht des Kantons Schaffhausen. Mit Entscheid vom 7. Juli 2015 wies
das Obergericht die Beschwerde ab.

D. 
Am 10. Juli 2015 hat die A.________ AG (Beschwerdeführerin) Beschwerde in
Zivilsachen an das Bundesgericht erhoben. Sie verlangt die Aufhebung des
Entscheides vom 7. Juli 2015 und die Anhandnahme des Fortsetzungsbegehrens.
Das Obergericht hat auf Vernehmlassung verzichtet. Das Betreibungsamt hat um
Abweisung der Beschwerde ersucht. B.________ (Beschwerdegegner) hat die
Aufforderung zur Vernehmlassung nicht abgeholt und sich demgemäss nicht
geäussert.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in Zivilsachen, die sich gegen einen Entscheid der (einzigen)
Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen wendet, erweist sich
als zulässig (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. c, Art. 75, Art. 76,
Art. 90, Art. 100 Abs. 2 lit. a BGG).

2.

2.1. Inhalt der Beschwerde bildet die Frage, ob dem Beschwerdegegner die
Verfügung vom 19. November 2013 ordnungsgemäss zugestellt worden ist, mit der
die Beschwerdeführerin den Rechtsvorschlag des Beschwerdegegners beseitigt hat.
Nur wenn dies der Fall ist, kann die Beschwerdeführerin gestützt auf Art. 79
zweiter Satz SchKG die Fortsetzung der Betreibung verlangen (Urteil 5A_552/2011
vom 10. Oktober 2011 E. 2). Die Kompetenz der Beschwerdeführerin zum Erlass
jener Verfügung steht nicht in Frage (Art. 49 i.V.m. Art. 54 Abs. 2 ATSG [SR
830.1], Art. 79 SchKG; BGE 119 V 329 E. 2b S. 331 f.; 130 III 396 E. 1.2.3 S.
400; 134 III 115 E. 3 und 4 S. 118 ff.).
Nach konstanter Rechtsprechung müssen die Betreibungsbehörden die Fortsetzung
der Betreibung verweigern, wenn der Schuldner weder eine Vorladung zur
Rechtsöffnungsverhandlung noch den Rechtsöffnungsentscheid bzw. vorliegend die
materielle Verfügung, mit der zugleich der Rechtsvorschlag beseitigt wird,
erhalten hat (BGE 130 III 396 E. 1.2.2 S. 398; 102 III 133 E. 3 S. 136 f.;
Urteile 5A_552/2011 vom 10. Oktober 2011 E. 2.1; 5A_859/2011 vom 21. Mai 2012
E. 3.2). Der Rechtsvorschlag bleibt dann nämlich unbeseitigt und nicht nur der
nicht eröffnete Rechtsöffnungs- bzw. Rechtsvorschlagsbeseitigungsentscheid
erweist sich als nichtig, sondern auch allfällige, auf diesen Entscheid
gestützte Handlungen des Betreibungsamts (BGE 130 III 396E. 1.2.2 S. 399; 122 I
97 E. 3a/bb S. 99; 102 III 133 E. 3 S. 136 f.; Urteil 5A_755/2011 vom 17.
Januar 2012 E. 2.1). Das Betreibungsamt soll nicht Handlungen trotz eines
(noch) wirksamen Rechtsvorschlages vornehmen, welche nichtig wären (BGE 130 III
396 E. 1.2.2 S. 399, mit Hinweisen). Die Beweislast für die Zustellung des
Rechtsöffnungsentscheids oder der materiellen Verfügung, mit der zugleich der
Rechtsvorschlag beseitigt wird, liegt beim Gläubiger bzw. vorliegend bei der
Beschwerdeführerin, die die Beseitigung des Rechtsvorschlags selber verfügt hat
(vgl. BGE 122 I 97 E. 3b S. 100; 114 III 51 E. 3c S. 53).

2.2. Die Beschwerdeführerin hat die fragliche Verfügung vom 19. November 2013
mit A-Post Plus versandt.
Bei dieser Versandmethode wird der Brief mit einer Nummer versehen und ähnlich
wie ein eingeschriebener Brief mit A-Post spediert. Im Unterschied zu den
eingeschriebenen Briefpostsendungen wird aber der Empfang durch den Empfänger
nicht quittiert. Entsprechend wird der Adressat im Falle seiner Abwesenheit
auch nicht durch Hinterlegung einer Abholungseinladung avisiert. Die Zustellung
wird vielmehr elektronisch erfasst, wenn die Sendung in das Postfach oder in
den Briefkasten des Empfängers gelegt wird. Auf diese Weise ist es möglich, mit
Hilfe des von der Post zur Verfügung gestellten elektronischen Suchsystems
"Track & Trace" die Sendung bis zum Empfangsbereich des Empfängers zu verfolgen
(Urteile 9C_90/2015 vom 2. Juni 2015 E. 3.2; 2C_1126/2014 vom 20. Februar 2015
E. 2.2; 2C_570/2011 vom 24. Januar 2012 E. 4.2, in: StR 67/2012 S. 301; 2C_430/
2009 vom 14. Januar 2010 E. 2.3, in: StR 65/2010 S. 396 und RDAF 2010 II S.
458). Direkt bewiesen wird mit einem "Track & Trace"-Auszug allerdings nicht,
dass die Sendung tatsächlich in den Empfangsbereich des Empfängers gelangt ist,
sondern bloss, dass durch die Post ein entsprechender Eintrag in ihrem
Erfassungssystem gemacht wurde. Einzig im Sinne eines Indizes lässt sich aus
diesem Eintrag darauf schliessen, dass die Sendung in den Briefkasten oder in
das Postfach des Adressaten gelegt wurde. Mangels Quittierung lässt sich dem
"Track & Trace"-Auszug sodann nicht entnehmen, ob tatsächlich jemand die
Sendung behändigt hat und um wen es sich dabei handelt (vgl. Urteil 2C_430/2009
vom 14. Januar 2010 E. 2.3 am Ende, in: StR 65/2010 S. 396 und RDAF 2010 II S.
458), geschweige denn, dass sie tatsächlich zur Kenntnis genommen worden ist.

2.3. Das Bundesgericht hatte sich bisher noch nicht mit der Frage zu befassen,
ob die Krankenversicherer ihre Verfügungen, mit denen sie einen erhobenen
Rechtsvorschlag beseitigen, mit A-Post Plus zustellen dürfen. Die kantonale
Rechtsprechung hat diese Frage unterschiedlich beantwortet.
Das Obergericht des Kantons Schaffhausen hat den Krankenversicherern die
Befugnis abgesprochen, ihre Verfügungen, mit denen sie den Rechtsvorschlag
beseitigen, mit A-Post Plus zu verschicken. Es verlangt stattdessen in analoger
Anwendung von Art. 138 Abs. 1 ZPO eine Zustellung mit eingeschriebener Post
oder auf andere Weise gegen Empfangsbestätigung. Es begründet dies im
Wesentlichen damit, dass die Verfügung betreibungsrechtliche Wirkung habe, die
Zustellung mit A-Post Plus angesichts der für Rechtsöffnungsgerichte und der im
Rahmen des SchKG geltenden Zustellvorschriften aber systemfremd erscheine und
mit dem Anspruch des Schuldners auf rechtliches Gehör nicht vereinbar sei. Das
ATSG enthalte insofern eine Regelungslücke (angefochtener OGE 93/2014/1/A vom
7. Juli 2015 und OGE 93/2013/20 vom 22. Mai 2015).
Demgegenüber lässt das Obergericht des Kantons Zürich den Versand mittels
A-Post Plus zu. Es geht davon aus, die Beseitigung des Rechtsvorschlags durch
einen Krankenversicherer richte sich in formeller Hinsicht nach
sozialversicherungsrechtlichen und nicht nach zivilprozessualen Grundsätzen
(OGer ZH PS130130 vom 27. September 2013 E. 3.3; ferner OGer ZH PS140284 vom 2.
März 2015).

2.4. Die Voraussetzungen der ordentlichen Zustellung sind in den verschiedenen
relevanten Verfahrensordnungen unterschiedlich geregelt.

2.4.1. Im Sozialversicherungsverfahren bestehen keine Vorschriften darüber, wie
die Versicherungsträger ihre Verfügungen zustellen sollen. In Art. 49 Abs. 3
ATSG ist lediglich vorgeschrieben, dass Verfügungen eine Rechtsmittelbelehrung
enthalten müssen, dass sie zu begründen sind, wenn sie den Begehren der
Parteien nicht voll entsprechen, und dass der betroffenen Person aus
mangelhafter Eröffnung kein Nachteil erwachsen darf. Art. 38 Abs. 2bis ATSG
regelt die Zustellfiktion und sieht vor, dass eine Mitteilung, die nur gegen
Unterschrift des Adressaten überbracht wird, spätestens am siebten Tag nach dem
ersten erfolglosen Zustellungsversuch als erfolgt gilt, ohne jedoch
vorzuschreiben, wann eine Mitteilung nur gegen Unterschrift zu versenden ist.
Auch die Spezialgesetzgebung zu den Krankenversicherungen enthält keine
entsprechenden Normen (vgl. Art. 64a, Art. 80 ff. KVG [SR 832.10] und Art. 105a
ff. KVV [SR 832.102]). Schliesslich enthält auch das gemäss Art. 55 Abs. 1 ATSG
subsidiär anwendbare Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes (VwVG; SR 172.021)
insoweit keine weitergehenden Bestimmungen (vgl. Art. 20 Abs. 2bis und Art. 34
ff. VwVG).
Aus dem Schweigen des Gesetzes in diesen und anderen verwaltungsrechtlichen
Materien über die Art der Zustellung leitet das Bundesgericht grundsätzlich ab,
dass es den Behörden freigestellt ist, auf welche Art sie ihre Verfügungen
versenden. Insbesondere dürfen sie sich deshalb auch der Versandart A-Post Plus
bedienen. Die Eröffnung muss bloss so erfolgen, dass sie dem Adressaten
ermöglicht, von der Verfügung oder der Entscheidung Kenntnis zu erlangen, um
diese gegebenenfalls sachgerecht anfechten zu können. Bei uneingeschriebenem
Brief erfolgt die Zustellung bereits dadurch, dass er in den Briefkasten oder
ins Postfach des Adressaten gelegt wird und damit in den Macht- bzw.
Verfügungsbereich des Empfängers gelangt. Dass der Empfänger von der Verfügung
tatsächlich Kenntnis nimmt, ist nicht erforderlich (vgl. zum Ganzen BGE 122 I
139 E. 1 S. 143; Urteile 2C_430/2009 vom 14. Januar 2010 E. 2.4, in: StR 65/
2010 S. 396 und RDAF 2010 II S. 458; 2C_570/2011 vom 24. Januar 2012 E. 4.1,
in: StR 67/2012 S. 301; 9C_90/2015 vom 2. Juni 2015 E. 3.4).
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, die sich auch auf die
Zustellungsart A-Post Plus bezieht, liegt ein Fehler bei der Postzustellung
nicht ausserhalb jeder Wahrscheinlichkeit. Eine fehlerhafte Postzustellung ist
allerdings nicht zu vermuten, sondern nur anzunehmen, wenn sie aufgrund der
Umstände plausibel erscheint. Auf die Darstellung des Adressaten, dass eine
fehlerhafte Postzustellung vorliegt, ist daher abzustellen, wenn seine
Darlegung der Umstände nachvollziehbar ist und einer gewissen
Wahrscheinlichkeit entspricht, wobei sein guter Glaube zu vermuten ist (Urteile
9C_90/2015 vom 2. Juni 2015 E. 3.2; 2C_570/2011 vom 24. Januar 2012 E. 4.3, in:
StR 67/2012 S. 301).

2.4.2. Anders ist die Ausgangslage im Anwendungsbereich der eidgenössischen
ZPO. Nach Art. 138 Abs. 1 ZPO erfolgt die Zustellung von Vorladungen,
Verfügungen und Entscheiden durch eingeschriebene Postsendung oder auf andere
Weise gegen Empfangsbestätigung. Dies gilt insbesondere dann, wenn der
Zivilrichter einen materiellen Entscheid fällt und zugleich den Rechtsvorschlag
beseitigt (Art. 79 SchKG, Art. 1 lit. a ZPO) oder wenn der
Rechtsöffnungsrichter provisorische oder definitive Rechtsöffnung erteilt (Art.
80 ff. SchKG, Art. 1 lit. c ZPO). Entsprechend bestimmt auch Art. 34 Abs. 1
SchKG, dass die Zustellung von Mitteilungen, Verfügungen und Entscheiden der
Betreibungs- und Konkursämter sowie der Aufsichtsbehörden durch eingeschriebene
Postsendung oder auf andere Weise gegen Empfangsbestätigung erfolgt, sofern das
SchKG nichts anderes bestimmt.

2.5. Die Krankenversicherer folgen beim Erlass ihrer Verfügungen den
einschlägigen sozialversicherungsrechtlichen Verfahrensregeln (insbesondere
Art. 34 ff. ATSG). Dies gilt zunächst für die materielle Verfügung, mit der ein
Krankenversicherer die ihm geschuldete Leistung festsetzt. Dies gilt aber auch
für die Beseitigung des Rechtsvorschlags, die gleichzeitig mit der materiellen
Verfügung erfolgen muss (BGE 134 III 115 E. 4.1.2 S. 121). Ist das
sozialversicherungsrechtliche Verfahren anzuwenden, so folgt daraus, dass auch
die sozialversicherungsrechtlichen Zustellungsregeln gelten. Wie bereits gesagt
(oben E. 2.4.1), stellt das Sozialversicherungsrecht keine speziellen Regeln
über die Form der Zustellung auf, so dass es den Krankenversicherern nach der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung freigestellt ist, auf welche Art und Weise
sie ihre Verfügungen zustellen. Insbesondere ist die Zustellung mittels A-Post
Plus zulässig, was dann auch für die Verfügung gelten muss, mit der ein
Rechtsvorschlag beseitigt wird. Wie nachfolgend darzulegen ist, sind die
Konsequenzen daraus und der Unterschied zur Behandlung entsprechender
Entscheide im Zivilrecht nicht derart schwerwiegend, dass den
Krankenversicherern eine analoge Anwendung von Art. 138 Abs. 1 ZPO
vorgeschrieben werden müsste.
Zwar trifft zu, dass in der Folge für die Zustellung von Verfügungen mit
betreibungsrechtlicher Wirkung je nach anwendbarem Verfahren verschiedene
Regeln gelten. Dies ist jedoch nicht systemfremd, sondern im System des SchKG
angelegt. Art. 79 SchKG behandelt Zivilprozess und Verwaltungsverfahren gleich:
Die Beseitigung des Rechtsvorschlags kann - je nach Materie - im einen oder im
anderen Verfahren erfolgen und eine Vorrangstellung der ZPO bzw. der
Zustellungsregeln der ZPO gibt es nicht. Kann der Rechtsvorschlag in
verschiedenen Verfahren beseitigt werden, die sich im Übrigen in weit
erheblicheren Punkten als in der Zustellung des entsprechenden Entscheides
unterscheiden, so folgt daraus, dass auch die Zustellungsregeln nicht
zwangsläufig einheitlich sein müssen. Die Anwendung der
sozialversicherungsrechtlichen Zustellungsregeln ist somit eine Folge davon,
dass die Beseitigung des Rechtsvorschlags gemäss Art. 79 SchKG auch in einem
Verwaltungsverfahren erfolgen kann und sich der Krankenversicherer insbesondere
nicht darauf beschränken muss, bloss materiell zu verfügen und anschliessend in
einem - den zivilprozessualen Regeln folgenden - Rechtsöffnungsverfahren
definitive Rechtsöffnung zu verlangen (Art. 80 SchKG; vgl. zu den verschiedenen
Vorgehensmöglichkeiten BGE 134 III 115 E. 3 und 4 S. 118 ff.).
Auch aus Sicht des Schuldnerschutzes und unter Berücksichtigung seines
Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) ist es nicht zwingend, von
den üblichen sozialversicherungsrechtlichen Zustellungsregeln abzuweichen. Zwar
ist der Schuldner weniger stark geschützt, wenn der Krankenversicherer die
Verfügung, mit der er den Rechtsvorschlag beseitigt, auf beliebigem Wege
eröffnen kann (insbesondere mit A-Post Plus), als wenn er dies mittels
eingeschriebener Post oder auf andere Weise gegen Empfangsbestätigung tun muss.
Der Schuldner muss selber tätig werden, wenn er sich gegen eine aus seiner
Sicht irreguläre Zustellung wehren will, und zwar selbst dann, wenn er mangels
Vorbestehens eines Prozessrechtsverhältnisses nicht mit einer Zustellung
rechnen musste. Bei einem Versand mit eingeschriebener Post trägt er
demgegenüber keine Nachteile, wenn er die zur Abholung gemeldete Sendung nicht
binnen Frist abholt, da mangels Vorliegens eines Prozessrechtsverhältnisses die
Zustellfiktion (Art. 38 Abs. 2bis ATSG) nicht gilt (BGE 130 III 396 E. 1.2.3 S.
399 f.; 134 V 49 E. 4 S. 52; 138 III 225 E. 3.1 S. 227 f.; Urteile 5A_552/2011
vom 10. Oktober 2011 E. 2.1; 5A_710/2010 vom 28. Januar 2011 E. 3.1; 5A_172/
2009 vom 26. Januar 2010 E. 3.1 und E. 4.2, in: Pra 2010 Nr. 76 S. 546 und
BlSchK 2010 S. 207). Als heikel erweisen sich bei Anwendung der
sozialversicherungsrechtlichen Zustellungsregeln zwei Konstellationen:
Einerseits kann es sein, dass der Schuldner nicht bestreitet, die fragliche
Verfügung erhalten zu haben, aber geltend macht, dass er sie z.B. wegen
Ferienabwesenheit nicht sofort habe zur Kenntnis nehmen können. Hat der
Schuldner die Frist zur Einsprache verpasst (Art. 52 ATSG), kann er ein
Fristwiederherstellungsgesuch stellen, wenn er unverschuldet davon abgehalten
wurde, binnen Frist zu handeln (Art. 41 ATSG). Solange ihm die Möglichkeit zur
Einsprache gewahrt bleibt, liegt keine Verletzung seines rechtlichen Gehörs vor
(vgl. BGE 132 V 368 E. 4.3 S. 373). Andererseits ist denkbar, dass der
Schuldner überhaupt bestreitet, die Verfügung erhalten zu haben. Wie bereits
gesagt, ist dabei auf seine Darstellung abzustellen, wenn diese nachvollziehbar
ist und eine gewisse Wahrscheinlichkeit beanspruchen kann (oben E. 2.4.1). Auch
in diesem Fall bleibt dem Schuldner - nach ordentlicher Eröffnung - die
Möglichkeit zur Einsprache erhalten. Demnach verlangt auch die Berücksichtigung
des rechtlichen Gehörs nicht, dass den Krankenversicherern vorgeschrieben
werden müsste, ihre Verfügungen, mit denen sie den Rechtsvorschlag beseitigen,
mit eingeschriebener Post zu versenden.
Wenn der Schuldner behauptet, die Verfügung nicht erhalten zu haben, so wird er
dies üblicherweise erst im Laufe des weiteren Betreibungsverfahrens tun, z.B.
wenn er die Pfändungsankündigung erhält (Art. 90 SchKG). Hat er die Verfügung
tatsächlich nicht erhalten, erfährt er erst durch den Fortgang des
Betreibungsverfahrens, dass sein Rechtsvorschlag in der Zwischenzeit beseitigt
wurde. Dies kann zu Koordinationsproblemen zwischen dem Betreibungsverfahren
und dem allenfalls noch durchzuführenden Einspracheverfahren führen. Da er
jedoch mit betreibungsrechtlicher Beschwerde (Art. 17 SchKG) geltend machen
kann, die den Rechtsvorschlag beseitigende Verfügung nicht erhalten zu haben,
dürften keine unüberwindlichen Hindernisse bei der Koordination der Verfahren
bestehen.
Die Zustellung mit eingeschriebener Post oder auf andere Weise gegen
Empfangsbestätigung bietet zwar für den Schuldner wie auch für den
Krankenversicherer gegenüber einer Zustellung mit gewöhnlicher Post
verschiedene Vorteile: Die Übergabe an eine Person wird dokumentiert, wobei im
Bestreitungsfalle mittels Unterschriftenvergleichs festgestellt werden kann, an
wen diese Übergabe erfolgt ist. Der Krankenversicherer hat dadurch ein höheres
Mass an Gewissheit, dass die Sendung richtig zugestellt worden ist und die
Zustellung nicht noch nachträglich bestritten wird. Der Schuldner ist davor
geschützt, dass die Verfügung in seiner Abwesenheit in seinen Briefkasten oder
in sein Postfach gelegt wird. Letzteres kann allerdings auch widerspenstigen
Schuldnern zugute kommen, da die Zustellfiktion nicht gilt. All dies
rechtfertigt jedoch nicht, den Krankenversicherern entgegen dem im Bereiche des
ATSG Üblichen einzig die Versendung gegen Empfangsbestätigung vorzuschreiben.
Als Fazit ist demnach festzuhalten, dass das Bundesrecht den
Krankenversicherern keine Vorgaben macht, wie sie ihre Verfügungen zuzustellen
haben, mit denen sie den Rechtsvorschlag beseitigen. Da das Betreibungsamt
jedoch nicht Handlungen vornehmen soll, die nichtig wären, wird es überprüfen,
ob die Verfügung, die den Rechtsvorschlag beseitigt, dem Schuldner zugestellt
worden ist (oben E. 2.1). Stellt der Krankenversicherer seine Verfügung mit
A-Post Plus zu und legt er den entsprechenden "Track & Trace"-Auszug dem
Betreibungsamt vor, aus dem die Zustellung an den Schuldner ersichtlich ist, so
ist daraus im Sinne eines Indizes auf die ordnungsgemässe Zustellung zu
schliessen (vgl. oben E. 2.2). Eines weitergehenden Nachweises bedarf das
Betreibungsamt nicht. Es liegt alsdann am Schuldner, sich gegen die Fortsetzung
der Betreibung zu wehren, wenn er geltend machen will, die fragliche Verfügung
nicht erhalten zu haben.

2.6. Der angefochtene Entscheid ist folglich aufzuheben. Das Obergericht hat
sich noch dazu geäussert, ob die Beschwerdeführerin die Zustellung der
Verfügung vom 19. November 2013 an den Beschwerdegegner mittels A-Post Plus
nachweisen konnte und ob auch im Übrigen alle Voraussetzungen erfüllt sind, um
dem Fortsetzungsbegehren stattzugeben. Soweit ersichtlich hat der
Beschwerdegegner nicht geltend gemacht, die Verfügung nicht erhalten zu haben,
so dass der "Track & Trace"-Auszug genügenden Nachweis der Zustellung erbringt.
Die Sache ist demnach zur weiteren Behandlung im Sinne der Erwägungen an das
Obergericht zurückzuweisen.

3. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdegegner die Gerichtskosten
(Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdeführerin ist nicht anwaltlich vertreten, so
dass ihr kein zu entschädigender Aufwand entstanden ist (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Obergerichts des Kantons
Schaffhausen, Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen, vom 7.
Juli 2015 aufgehoben. Die Sache wird an das Obergericht zur weiteren Behandlung
im Sinne der Erwägungen zurückgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Betreibungsamt Schaffhausen und dem
Obergericht des Kantons Schaffhausen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 4. Juli 2016
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Zingg

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