Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.53/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_53/2015

Urteil vom 13. Mai 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Schöbi, Bovey,
Gerichtsschreiber Möckli.

Verfahrensbeteiligte
Stockwerkeigentümergemeinschaft C.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Robert Hadorn,
Beschwerdeführerin,

gegen

1. H.H.________,
2. I.H.________,
3. A.A.________,
4. B.A.________,
alle vier vertreten durch Rechtsanwalt Markus Holenstein,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Vollstreckung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, vom 5. Januar 2015.

Sachverhalt:

A. 
H.H.________ und I.H.________ sowie A.A.________ und B.A.________ sind
Stockwerkeigentümer des Wohnbaukastens "C.________" an der F.________strasse in
U.________. Vor dem Bezirksgericht Horgen führten sie einen Prozess gegen die
Stockwerkeigentümergemeinschaft, dessen Gegenstand die Anfechtung des
Beschlusses vom 11. November 2011 war. Anlässlich der Instruktionsverhandlung
vom 24. April 2013 schlossen die Parteien einen Vergleich, welcher u.a. den
Wortlaut hat: "Die Stockwerkeigentümergemeinschaft räumt sämtlichen Eigentümern
das Benutzungsrecht am "Link" (inkl. Treppenhaus) des Hauses Nr. 41 ein. Jeder
Eigentümer erhält einen Schlüssel zu diesem Treppenhaus."

B. 
Am 27. Mai 2014 reichten die erwähnten Stockwerkeigentümer beim Bezirksgericht
Horgen ein Vollstreckungsgesuch ein, in welchem sie verlangten, der
Stockwerkeigentümergemeinschaft "C.________" sei zu befehlen, ihnen sofort je
einen Schlüssel zum Treppenhaus Nr. 41 der Liegenschaft "Wohnbaukasten
C.________" auszuhändigen; für den Fall, dass die
Stockwerkeigentümergemeinschaft dem Befehl nicht innert fünf Tagen ab formeller
Rechtskraft der richterlichen Anordnung nachkommen sollte, seien die geeigneten
Zwangsmassnahmen anzuordnen.
Mit Urteil vom 5. November 2014 hiess das Bezirksgericht Horgen das Gesuch
unter Androhung der Ungehorsamsstrafe von Art. 292 StGB gut.
Mit Urteil vom 5. Januar 2015 wies das Obergericht des Kantons Zürich die von
der Stockwerkeigentümergemeinschaft erhobene Beschwerde ab.

C. 
Gegen das obergerichtliche Urteil hat die Stockwerkeigentümergemeinschaft
"C.________" am 19. Januar 2015 eine Beschwerde eingereicht mit dem Begehren um
dessen Aufhebung und Abweisung des Vollstreckungsgesuchs. Mit
Präsidialverfügung vom 13. Februar 2015 wurde der Beschwerde die aufschiebende
Wirkung erteilt. In der Sache selbst wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.

Erwägungen:

1. 
Angefochten ist der verfahrensabschliessende Entscheid der oberen kantonalen
Instanz betreffend die Vollstreckung eines im Rahmen der Anfechtung eines
Beschlusses der Stockwerkeigentümergemeinschaft geschlossenen gerichtlichen
Vergleichs mit einem Streitwert von Fr. 40'000.--; die Beschwerde in
Zivilsachen ist somit gegeben (Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 lit. b, Art. 75
Abs. 1 und Art. 90 BGG).

2. 
Im kantonalen Verfahren ging es um den Einwand der Beschwerdeführerin, im
Rahmen der Stockwerkeigentümerversammlung vom 24. März 2014 sei die
Zugangsregelung abgeändert worden und die Abgabe von Schlüsseln zum Treppenhaus
Nr. 41 an die Beschwerdegegner sei dabei nicht mehr vorgesehen. Das
Bezirksgericht befand, dem Versammlungsprotokoll sei nicht zu entnehmen, dass
die Stockwerkeigentümer an der Versammlung vom 24. März 2014 einer Änderung des
Vergleichs vom 24. April 2013 zugestimmt hätten.
Das Obergericht erwog, die Stockwerkeigentümergemeinschaft sei im Rahmen ihrer
Verwaltungstätigkeit - wozu eine Zutrittsregelung gehöre - vermögens-,
handlungs-, partei- und prozessfähig (Art. 712l ZGB) und sie könne dabei auch
gegenüber ihren eigenen Mitgliedern Verpflichtungen eingehen. Die Verpflichtung
zur Schlüsselherausgabe könne nicht nur durch Zustimmung aller
Stockwerkeigentümer, sondern auch durch eine Willenserklärung des
rechtsgeschäftlich bestellten Vertreters begründet werden; im
Anfechtungsverfahren vor Bezirksgericht sei die Stockwerkeigentümergemeinschaft
durch Rechtsanwalt Hadorn gültig vertreten gewesen und dieser habe sie
verpflichten können. An der so begründeten Herausgabepflicht ändere nichts,
dass diese an der nächsten Versammlung zur Aufnahme ins Reglement traktandiert
und dort abgelehnt worden sei, denn aus dem Vergleich ergebe sich die
angebliche Konstitutivwirkung der Aufnahme im Reglement nicht. Ein Schuldner
könne sich auch nicht durch einseitige Erklärung einer Verpflichtung
entledigen; weil der Beschluss jedoch einstimmig ergangen sei, stelle sich die
Frage eines Forderungsverzichts im Sinn von Art. 115 OR. Aus dem Wortlaut des
Beschlusses, wonach die Lifte 39/41 oder 41/43 als Zugang zum Dach benutzt
werden dürften, ergebe sich aber nach dem Vertrauensprinzip keine Aufhebung der
Verpflichtung aus dem Vergleich, den Stockwerkeigentümern einen Schlüssel zum
"Link" des Hauses 41 herauszugeben. Nichts daran ändere der Hinweis der
Beschwerdeführerin, dass der Beschwerdegegner 3 an der Versammlung erklärt
habe, auch mit dem gefassten Beschluss werde das Gerichtsurteil (gemeint: der
gerichtlich genehmigte Vergleich) nicht eingehalten und er sollte einen
Schlüssel bekommen. Diese Erklärung sei zwar redundant gewesen, aber dadurch
werde ein Standpunkt nicht abgeschwächt, sondern bekräftigt; nach Treu und
Glauben könne die Erklärung des Beschwerdegegners 3 nicht als Verzicht auf
seinen Anspruch aus dem Vergleich vom 24. April 2013 ausgelegt werden.

3. 
Die Beschwerdeführerin räumt ein, dass dem Wortlaut des neuen Beschlusses an
der Versammlung vom 24. März 2014 nicht entnommen werden kann, dass die
Verpflichtung aus dem Vergleich vom 24. April 2013 abgeändert worden ist. Sie
stellt sich aber auf den Standpunkt, dass der neue Beschluss diesen Sinn habe,
was sich aus der Feststellung des Beschwerdegegners 3 ergebe, wonach mit dem
Beschluss das Gerichtsurteil bzw. der Vergleich nicht eingehalten werde. Diese
Bemerkung des Beschwerdegegners 3 sei rechtlich nicht erforderlich gewesen und
gebe den Sinn des einstimmig getroffenen neuen Beschlusses wieder. Die
obergerichtliche Auslegung der Feststellung des Beschwerdegegners 3 und damit
auch des neuen Beschlusses widerspreche dem Vertrauensprinzip und sei
willkürlich.
Diesen Ausführungen ist nicht zu folgen. Die protokollarisch vermerkte
Feststellung des Beschwerdegegners 3, wonach mit dem Beschluss dem Vergleich
nicht nachgelebt werde und er weiterhin Anrecht auf einen Schlüssel habe, kann
nicht dahingehend ausgelegt werden, dass nach seinem Verständnis die
Verpflichtungen aus dem Vergleich durch Verzicht aller Stockwerkeigentümer
derogiert worden wären, denn diesfalls hätte er dem Beschluss offensichtlich
nicht zugestimmt. Eine Einstimmigkeit konnte sich - gerade angesichts der
protokollierten Erklärung des Beschwerdegegners 3 - nur deshalb ergeben, weil
die Beschwerdegegner nach Treu und Glauben davon ausgehen durften, dass es sich
bei der Erschliessung durch die Aufzüge um eine zusätzliche Möglichkeit handle,
um auf das Dach des Gebäudes und dort zu den Technikzylindern zu gelangen. Eine
Rechtswidrigkeit ist deshalb in den obergerichtlichen Erwägungen, welche
vorstehend wiedergegeben sind, nicht zu erblicken; vielmehr überzeugen sie.

4. 
Für den Fall einer objektivierten Vertragsauslegung, wie sie vorstehend erfolgt
ist, macht die Beschwerdeführerin subsidiär geltend, das Obergericht hätte
durch Einvernahme der als Zeugen offerierten Stockwerkeigentümer darüber Beweis
abnehmen müssen, ob die an der Versammlung anwesenden Mitglieder der
Gemeinschaft die einstimmigen Beschlüsse tatsächlich als Aufhebung der
Verpflichtung zur Übergabe von Schlüsseln zum Treppenhaus Nr. 41 verstanden
hätten. Es sei geradezu haltlos und mithin willkürlich, wenn das Obergericht in
Übereinstimmung mit dem Bezirksgericht Horgen behaupte, nicht zu wissen, was
die angebotenen Zeugen bezeugen könnten. Dass keine Zeugenbefragung
durchgeführt worden sei, verletze im Übrigen auch das rechtliche Gehör.

4.1. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass die
Stockwerkeigentümergemeinschaft im Rahmen ihrer Verwaltungstätigkeit gemäss
Art. 712l Abs. 2 ZGB durch Abschluss eines gerichtlich genehmigten Vergleichs
die Verpflichtung zur Herausgabe von Schlüsseln für das Treppenhaus Nr. 41 an
die Stockwerkeigentümer eingegangen ist. Die Beschwerdeführerin stellt auch
nicht in Frage, dass sie sich dieser Verpflichtung nicht durch blossen
Mehrheitsbeschluss entledigen kann, so wie es beispielsweise auch einer
Aktiengesellschaft nicht möglich wäre, sich vertraglich eingegangenen
Verpflichtungen durch einen Generalversammlungsbeschluss zu entziehen. Vielmehr
scheint die Beschwerdeführerin mit ihren Vorbringen darauf abzuzielen, dass im
einstimmigen Beschluss ein tatsächlicher Verzicht sämtlicher
Stockwerkeigentümer auf die sich aus dem gerichtlich genehmigten Vergleich
ergebenden Ansprüche zu sehen sei, was mit einer Zeugenbefragung hätte bewiesen
werden können.

4.2. Das Obergericht hat zu den Beweisanträgen befunden (angefochtener
Entscheid, S. 9), ein anderer übereinstimmender tatsächlicher Wille der
Stockwerkeigentümer, als er sich bei einer Auslegung nach dem Vertrauensprinzip
ergebe, habe die Beschwerdeführerin vor erster Instanz nicht substanziiert
behauptet und das Bezirksgericht habe diesbezüglich zu Recht festgehalten, es
sei nicht dargelegt, was die offerierten Zeugen bezeugen könnten.
Darin liegt eine antizipierte Beweiswürdigung, welche ein Teil der
Beweiswürdigung ist, die vom Bundesgericht nur auf Willkür hin überprüft werden
kann (BGE 138 III 374 E. 4.3.2 S. 376). Dies würde klar und detailliert
erhobene Rügen voraussetzen, während auf bloss appellatorischen Ausführungen,
mit welchen die Dinge aus eigener Sicht geschildert werden, nicht eingetreten
werden kann (BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246; 140 II 264 E. 2.3 S. 266).
Die Beschwerdeführerin zeigt nicht substanziiert auf, inwiefern die
Zeugeneinvernahme einen abweichenden tatsächlichen Willen der
Stockwerkeigentümer ergeben hätte. Aber selbst bei ausführlich begründeten
Rügen könnte es ihr nicht gelingen, Willkür aufzeigen, weil ihre Beweisanträge
zum Beweis ihrer Behauptung untauglich waren: Sie hat in ihrer
erstinstanzlichen Stellungnahme eine grössere Zahl von Stockwerkeigentümern als
Zeugen angerufen. Deren tatsächlicher Wille bei der Stimmabgabe anlässlich der
Versammlung vom 24. März 2014 ist aber für das Beweisthema des vorliegenden
Verfahren nicht von Belang. Die Beschwerdeführerin müsste nämlich beweisen,
dass die heutigen Beschwerdegegner bei der Stimmabgabe in tatsächlicher
Hinsicht einen Verzichtswillen hatten. Es ist nicht zu sehen, inwiefern der
Beweis für den inneren Willen der Beschwerdegegner durch eine Befragung anderer
Stockwerkeigentümer geführt werden könnte; wenn schon wären diesbezüglich die
Beschwerdegegner zu befragen gewesen. Dass sie als Beweismittel die
Parteibefragung der Beschwerdegegner beantragt hätte, behauptet die
Beschwerdeführerin aber nirgends und solches ist aus den Akten auch nicht
ersichtlich.
Vor dem geschilderten Hintergrund ist in der antizipierten Beweiswürdigung der
kantonalen Instanzen, wonach die Einvernahme der Zeugen für den Beweis der
Behauptung der Beschwerdeführerin entbehrlich ist, nicht ansatzweise Willkür zu
erkennen.

4.3. Soweit eine antizipierte Beweiswürdigung vor dem Willkürverbot standhält,
liegt in ihr auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs im Sinn von Art. 29
Abs. 2 BV begründet (BGE 129 III 18 E. 2.6 S. 24; 131 I 153 E. 3 S. 157; 134 I
140 E. 5.3 S. 148; zuletzt Urteile 5A_795/2012 vom 21. Februar 2013 E. 3;
5A_877/2013 vom 10. Februar 2014 E. 4.1.3).

5. 
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit auf sie
eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Den Beschwerdegegnern ist für die
Stellungnahme zur Frage der aufschiebenden Wirkung keine Entschädigung
geschuldet, weil diesbezüglich nicht in ihrem Sinn entschieden wurde.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde in Zivilsachen wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. Mai 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Möckli

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