Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.539/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_539/2015

Urteil vom 10. Juli 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Marazzi, Bovey,
Gerichtsschreiber Möckli.

Verfahrensbeteiligte
B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Silvio Mayer,
Beschwerdeführer,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Fabienne Brunner,
Beschwerdegegnerin,

C.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Oliver Bulaty.

Gegenstand
Kindesrückführung (Abänderung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
des Kantons Aargau, Kammer für Kindes- und Erwachsenenschutz, vom 29. Juni
2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________ und B.________, beide Jahrgang 1975, sind die Eltern der am
xx.xx.2005 als ihr eheliches Kind in Acapulco geborenen Tochter C.________. Im
Juni 2014 reiste der Vater mit der Tochter im Einverständnis der Mutter für
Ferien in die Schweiz. Er versprach der Mutter, das Kind am 16. September 2014
wieder zurück nach Mexiko zu bringen. Am 24. August 2014 teilte er ihr mit, er
werde C.________ nicht mehr nach Mexiko reisen lassen. Die Mutter stellte ein
Gesuch nach dem Haager Rückführungsübereinkommen.

B. 
Das Obergericht des Kantons Aargau wies das Gesuch mit Entscheid vom 19.
Februar 2015 ab. In dahingehender Gutheissung der Beschwerde der Mutter wies
das Bundesgericht mit Urteil vom 30. April 2015 (Verfahren 5A_229/2015) die
Sache mit der verbindlichen Vorgabe der Rückführung von C.________ zur weiteren
Behandlung im Sinn der Erwägungen (konkrete Regelung der Rückführung) an das
Obergericht zurück. Mit Entscheid vom 6. Mai 2015 ordnete dieses in Gutheissung
des Rückführungsgesuchs die Rückführung von C.________ nach Mexiko an und
regelte die konkreten Modalitäten der Rückführung. Die hiergegen erhobene
Beschwerde des Vaters wies das Bundesgericht mit Urteil vom 22. Juni 2015 ab,
soweit es darauf eintrat (Verfahren 5A_429/2015).

C. 
Am 21. Mai 2015 reichte der Vater vor Obergericht ein Abänderungsgesuch ein,
mit welchem er verlangte, der Entscheid vom 6. Mai 2015 sei in Wiedererwägung
zu ziehen, auf den Vollzug der Rückführung sei zu verzichten und es sei eine
Begutachtung von C.________ zur Klärung der Frage einer schweren
psychologischen Schädigung bei einer Rückführung nach Mexiko sowie zur
Reisefähigkeit anzuordnen.

 Zwischenzeitlich war C.________ durch die Grossmutter väterlicherseits (Mutter
des Vaters) nach Frankreich entführt worden, wo sie von der Polizei am 22. Mai
2015 aufgegriffen und am 23. Mai 2015 in die Schweiz zurückgebracht wurde.

 Mit Verfügung vom 22. Mai 2015 sistierte das Obergericht das
Rückführungsverfahren mit Blick auf eine fachärztliche Begutachtung des Kindes
durch Dr. med. E.________, ... Klinik F.________. Sodann regelte es mit
Verfügung vom 23. Mai 2015 die Unterbringung zwecks Begutachtung sowie die
Besuchs- und Kontaktrechte; weiter gab es den Parteien Gelegenheit, Einwände
gegen den Gutachter zu erheben und Gutachterfragen zu formulieren. Mit
Verfügung vom 29. Mai 2015 bestätigte das Obergericht die vorläufige Sistierung
des Rückführungsverfahrens, die angeordnete Begutachtung von C.________ durch
Dr. med. E.________ sowie die Besuchs- und Kontaktrechte; sodann formulierte es
die Gutachterfragen und belehrte den Sachverständigen.

 Am 22. Juni 2015 erstattete Dr. med. E.________ das Gutachten betreffend die
Reisefähigkeit von C.________ und eine mögliche physische oder psychische
Schädigung durch die Rückführung. Den Parteien wurde zum Gutachten das
rechtliche Gehör gewährt.

 Am 26. und 27. Juni 2015 fand auf Initiative des Bundesamtes für Justiz erneut
ein Mediationsversuch statt, welcher indes scheiterte.

 Mit Entscheid vom 29. Juni 2015 wies das Obergericht das Gesuch um Abänderung
des Rückführungsentscheides vom 6. Mai 2015 ab und hob die Sistierung des
Rückführungsvollzugs auf.

D. 
Gegen den Entscheid vom 29. Juni 2015 hat der Vater am 8. Juli 2015 eine
Beschwerde eingereicht mit den Begehren, in Änderung der Ziff. 1 und 3 dieses
Entscheides sei der Rückführungsentscheid vom 6. Mai 2015 abzuändern und auf
eine Rückführung zu verzichten, sei die mit Entscheid vom 29. Mai 2015 verfügte
Kontaktbeschränkung aufzuheben, sei die Kantonspolizei Aargau anzuweisen, die
angeordneten Eintragungen in den Fahndungssystemen zu löschen und seien die
sich in den Akten befindenden Reisedokumente auszuhändigen. Sodann wird ein
Antrag auf Erteilung der aufschiebenden Wirkung gestellt. Es wurden keine
Vernehmlassungen eingeholt; die Mutter ist durch den vorliegenden Entscheid
nicht beschwert und der Kinderanwalt hätte gegen den angefochtenen Entscheid
selbständig Beschwerde erheben können. Das Gutachten wurde durch das
Obergericht des Kantons Aargau per Fax gesendet.

Erwägungen:

1. 
Fristgerecht angefochten ist der kantonale Abänderungsentscheid betreffend
einen Rückführungsentscheid. Der Abänderungsentscheid stützt sich auf Art. 13
Abs. 1 BG-KKE und ist in gleicher Weise anfechtbar wie der
Rückführungsentscheid selbst. Die Eintretensvoraussetzungen für die Beschwerde
in Zivilsachen sind im Einzelnen erfüllt (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 1 BGG,
Art. 75 Abs. 2 lit. a BGG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 BG-KKE, Art. 90 BGG und Art. 100
Abs. 2 lit. c BGG).

2. 
Das Obergericht hat sich bei seinem Entscheid auf das ausführliche Gutachten
von Dr. med. E.________ gestützt, welches dem Kind die Reisefähigkeit
attestiert und eine schwere Schädigung durch die Rückführung verneint. Gemäss
Gutachten wurde C.________ von allen Fachleuten, welche in F.________ und in
G.________ mit ihr zu tun hatten, als gesundes, aufgewecktes, für ihr Alter
erstaunlich reifes und insgesamt sehr resilientes, d.h. psychisch
widerstandsfähiges Mädchen wahrgenommen, ohne dass Hinweise auf akute
Selbstgefährdung zu erheben gewesen wären. Insbesondere habe C.________ auch
die Flucht mit der Grossmutter nach Frankreich sowie die dortige Verhaftung und
Rückführung in die Schweiz durch die Polizei gut verkraftet. Grundsätzlich
entspreche ihre Situation einem heftigen Nachtrennungskonflikt. Sie berichte
über die Familiensituation wie folgt: "Mein Vater sagt in mein rechtes Ohr
schwarze Schokolade, meine Mutter in mein linkes Ohr weisse Schokolade und
deshalb sage ich selbst braune Schokolade." Mit einem anderen Bild habe sie
gemeint: "Es ist, wie wenn mein Vater von rechts an meinen Haaren ziehen würde
und meine Mutter von links." C.________ meine, irgendwie müsse sie für den
Vater und die Mutter schauen. Der Vater habe ihr auch schon vermittelt, er
könnte sich etwas antun, wenn sie nicht mehr bei ihm sei. Darum gebeten, auf
einer Linie anzuzeichnen, ob es sie eher zum Vater oder zur Mutter hinziehe,
habe sie das Kreuz mit aller Klarheit genau in die Mitte der Linie gesetzt, was
bedeute, dass für sie beide Elternteile gleich wichtig seien. Sie leide stark
unter der Situation, sei damit überfordert und wisse keinen Ausweg. Die Frage
nach dem Kindeswillen in Bezug auf einen Verbleib in der Schweiz oder einer
Rückkehr nach Mexiko ziele am Problem von C.________ vorbei: Ihr Wille sei
vielmehr, mit beiden Eltern in regelmässigem Kontakt zu sein, nachdem ihr
kindgemäss grösster Wunsch nach Wiedervereinigung der Familie nicht erfüllbar
sei. Mit dieser Perspektive sei sowohl ein Verbleib in der Schweiz unter
Rückkehr der Mutter nach Mexiko als auch eine Rückkehr nach Mexiko ohne Vater
nicht das, was ihrem Willen entspreche. Würde sie von der väterlichen oder der
mütterlichen Seite aktuell nach ihrem Willen befragt, so sei zu erwarten, dass
sie jeweils jene Antwort geben würde, von der sie meine, dass man sie von ihr
erwarte. In Beantwortung der konkreten Fragen des Gerichts hielt der Gutachter
schliesslich fest, dass C.________ derzeit reisefähig und auch ihre körperliche
Fähigkeit zu einer Flugreise etabliert sei. Die Frage nach einer ernsthaften
und dauernden psychischen oder physischen Schädigung beantwortete er
dahingehend, dass die starke Ablehnungshaltung gegenüber der Mutter hinfällig
sei, weil C.________ sehr schnell und spontan mit der Mutter Kontakt verlangt
habe, als sie verstanden gehabt habe, dass dies für sie wichtig sei, und in der
Folge weder aus den Aussagen ihm gegenüber noch aufgrund der Beobachtungen der
Betreuungspersonen Hinweise auf eine Ablehnungshaltung gegenüber der Mutter
festzustellen gewesen seien. In Bezug auf die Frage nach kindsgerechter
Rückführung bei einer Abwehrhaltung hielt der Gutachter fest, dass eine
problemlose Umsetzung möglich sei, wenn sich die Eltern auf eine gemeinsame
Position einigen könnten, während andernfalls die Gefahr eines Widersetzens
weiterhin bestehen könne, jedenfalls soweit C.________ nicht glaubhafte
Garantien habe, dass sie auch zum Vater regelmässigen Kontakt behalten könne.
Die Frage nach der Gefahr einer ernsthaften und dauernden Gesundheitsschädigung
bei Vollzug der Rückführung beantwortete der Gutachter dahingehend, dass eine
psychische Schädigung primär vom heftigen Nachtrennungskonflikt zu erwarten
sei; die Rückkehr nach Mexiko gegen den Willen des Vaters und die daraus
resultierenden Folgen seien in diesem Kontext zu sehen.

 Das Obergericht hat befunden, dass an der Rechtmässigkeit und Richtigkeit des
Gutachtens keine Zweifel bestünden und die vom Vater dagegen vorgebrachten
Einwände haltlos seien, soweit sie nicht ohnehin an der Sache vorbeizielten.
Aus dem Gutachten ergäben sich keine nachträglich geänderten Umstände, die
einer Rückführung von C.________ in Begleitung ihrer Mutter entgegenstünden.
Sie könne die Rückreise bewältigen und verfüge zu ihrer Mutter ebenso wie zu
ihrem Vater über eine tragfähige Beziehung. Ihr psychischer Gesundheitszustand
hänge allein davon ab, ob und inwieweit es den Eltern gelinge, den
regelmässigen Kontakt zu ermöglichen und den jeweils anderen Elternteil nicht
zu dämonisieren. Mit Bezug auf die Sicherheitslage in Mexiko bestehe keine
traumatische Belastung für C.________; auch hier hätten sich keine Änderungen
ergeben.

 In Bezug auf die Kindgerechtigkeit des Vollzuges hat das Obergericht erwogen,
es sei dem Umstand Rechnung zu tragen, dass C.________ ausser dem
Kinderpsychiater ihren Kinderanwalt als Vertrauensperson bezeichnet habe. Es
sei diesem daher zu ermöglichen, C.________ zum Flug zu begleiten, soweit dies
die kantonale Vollzugsbehörde als nötig und sachdienlich erachte.

 Im Zusammenhang mit den persönlichen Kontakten zwischen Vater und Kind hat das
Obergericht schliesslich erwogen, dass sich die Eltern nicht hätten einigen
können und auch im Gutachten kindswohlgefährdende Beeinflussungsversuche durch
den Vater erstellt seien, weshalb persönliche Kontakte zu belastend für das
Kind erschienen. Es sei daher grundsätzlich an der mit Entscheid vom 29. Mai
2015 aufgestellten Kontaktregelung festzuhalten, soweit sich die
Vollzugsbehörde aufgrund der tatsächlichen Umstände zu keinem gegenteiligen
Vorgehen veranlasst sehe.

3. 
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung der Begründungspflicht durch das
Obergericht als Teilgehalt des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV). Es habe
sich nicht mit seinen Argumenten zur Einräumung des Besuchsrechts
auseinandergesetzt und nehme zu den diesbezüglichen Rechtsfragen keine
Stellung, sondern es würden stets nur Vorwürfe an seine Adresse gemacht. Soweit
sich das Obergericht auf Hinweise aus anderen Verfahren berufe, gelte für ihn
im Zusammenhang mit der Reise von Kind und Grossmutter nach Frankreich immer
noch die Unschuldsvermutung. Es bestünden überhaupt keine Gründe, ihm Kontakte
zu verweigern, und dies verletze das Recht auf Familie (Art. 13 Abs. 1 und Art.
14 BV; Art. 8 EMRK). Sodann fehle es für die Anordnung des Kontaktverbotes an
einer gesetzlichen Grundlage; jedenfalls sei bislang nie eine solche genannt
worden.

 Die Begründung eines Entscheides muss so abgefasst sein, dass der Betroffene
ihn gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann. In diesem Sinn müssen wenigstens
kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich das Gericht hat leiten
lassen. Dabei kann es sich auf die für den Entscheid wesentlichen
Gesichtspunkte beschränken (BGE 134 I 83 E. 4.1 S. 88; 138 IV 81 E. 2.2 S. 84;
139 IV 179 E. 2.2 S. 183). Diese Anforderungen sind vorliegend erfüllt. Das
Obergericht hat kurz die Gründe angegeben, weshalb es am Kontaktverbot
festhält, und der Beschwerdeführer war, wie seine Eingabe zeigt, in der Lage,
den Entscheid sachgerecht anzufechten.

 Soweit die Gründe in Abrede gestellt werden, welche für die starke
Beschneidung des Kontaktrechts sprechen (grundsätzlich keine physischen
Besuche), ist Folgendes festzuhalten: Bereits im Urteil 5A_229/2015 vom 30.
April 2015 war die starke Beeinflussung der Tochter durch den Vater ein
zentrales Thema. Sodann ergibt sich aus dem Gutachten, dass der Vater der
Tochter u.a. vermittelte, er könnte sich etwas antun, wenn sie nicht mehr bei
ihm sei. Solche Beeinflussungsversuche verstärken den - gemäss Gutachten als
zentralen Faktor ausgewiesenen - Loyalitätskonflikt in einer für das Kind nicht
erträglichen und schädlichen Weise. Die Aufrechterhaltung der am 29. Mai 2015
aufgestellten Kontaktregelung ist deshalb nicht zu beanstanden. Insbesondere
verletzt sie angesichts des begrenzten Zeitraums, für welchen sie gilt, das
Recht auf Familienleben insofern nicht, als sie angesichts der dem Kindeswohl
höchst abträglichen Vorfälle während des Rückführungsverfahrens zum Schutz des
Kindes geboten und mithin verhältnismässig ist. Überdies wird damit für die
Zukunft, insbesondere für die Ausübung des Besuchsrechts in Mexiko, aber auch
für später allfällig wiederum in der Schweiz stattfindenden persönlichen
Umfang, nichts präjudiziert. Insofern geht die Behauptung des Vaters, er werde
die Tochter im Rückführungsfall auf Jahre hinaus nie mehr sehen, an der Sache
vorbei, umso mehr als die Mutter offensichtlich eine viel grössere
Bindungstoleranz als der Vater aufweist und gegenüber dem Gutachter geäussert
hat, dass sie C.________ jeweils für Weihnachten und im Sommer in die Schweiz
reisen lassen würde und sie sich auch vorstellen könnte, nach Abschluss ihrer
Ausbildung mit der Tochter in der Schweiz zu leben. Wie es sich mit erneuten
Ferienaufenthalten von C.________ im Hinblick auf eine mögliche Wiederholung
der Ereignisse verhält, ist nicht an dieser Stelle zu erörtern; jedenfalls aber
sprechen die Äusserungen der Mutter für ihre grosse Bindungstoleranz selbst vor
dem Hintergrund des elterlichen Nachtrennungskonfliktes.

 Was schliesslich die Verabschiedung zwischen Vater und Kind anbelangt, trifft
es nicht zu, dass das Obergericht eine solche verweigert hat. Vielmehr hat es
die Vollzugsbehörde ermächtigt, situativ über die Verabschiedung zu
entscheiden; auch dies ist angesichts der Unvorhersehbarkeiten im vorliegend
sehr speziell gelagerten Fall nicht zu beanstanden: Soweit dies möglich ist,
was eine entsprechende Kooperationsbereitschaft des Vaters voraussetzt, ist
eine persönliche Verabschiedung zwischen Vater und Kind wünschbar. Dies bedingt
eine diesbezügliche Kontaktaufnahme mit dem Vater; sodann wird ein Treffen für
die Verabschiedung aufgrund der zu grossen Risiken nicht in unbegleiteter Form
stattfinden können. Für die nötigen Vorkehrungen ist die Vollzugsbehörde
zuständig und die eingangs erwähnte Delegation an diese dementsprechend
zweckmässig.

 Die gesetzliche Grundlage für die obergerichtlich verfügte Kontaktregelung
findet sich in Art. 6 Abs. 1 BG-KKE. Nach dieser Norm regelt das mit dem
Rückführungsgesuch befasste Gericht soweit erforderlich den persönlichen
Verkehr des Kindes mit den Eltern und ordnet Massnahmen zum Schutz des Kindes
an. Vorliegend war die Kontaktregelung, dass während des Rückführungsverfahrens
mit Ausnahme der delegierten Verabschiedung grundsätzlich keine physischen
Kontakte zwischen Vater und Kind erlaubt sind, zum Schutz des Kindes geboten.

4. 
Der Beschwerdeführer weist darauf hin, dass der Gutachter eingangs des
Gutachtens erwähnt habe, mündliche Instruktionen durch den Präsidenten der
zuständigen Kammer des Obergerichts erhalten zu haben. Er habe am 26. Juni 2015
Einsicht in die Notizen dieses Gesprächs und der Instruktionsausführungen
verlangt. Die Akten seien nicht vollständig, wenn sich diesbezüglich keine
Notiz in den Akten finde, und damit sein rechtliches Gehör verletzt.

 Das Obergericht hat im angefochtenen Entscheid erwähnt, dass es über dieses
Gespräch keine Notiz gibt. Es ist üblich, dass ein Gutachter zuerst mündlich
angefragt wird, ob er den Gutachterauftrag annehmen kann und will; gerade in
dringlichen Fällen wie dem vorliegenden muss sichergestellt sein, dass der
Gutachter auch tatsächlich freie Kapazitäten hat und das Gutachten innert
nützlicher Frist erstellt werden kann. Diese Abklärung bedingt selbstredend,
dass kurz der Sachverhalt umrissen und die zu tätigenden Schritte, insbesondere
auch in zeitlicher Hinsicht, besprochen werden müssen. Im Übrigen war der
Sachverhalt in den Grundzügen bereits aus der gross angelegten
Berichterstattung in den Medien bekannt, worauf der Gutachter denn auch
einleitend hinweist.

 Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, dass eine Norm der ZPO verletzt
worden wäre, wenn über das Gespräch zwischen dem Kammerpräsidenten und dem
Gutachter keine Aktennotiz erstellt wurde. Er macht einzig eine
Gehörsverletzung geltend (Art. 29 Abs. 2 BV). Das rechtliche Gehör einer
Verfahrenspartei kann aber von vornherein nur dort tangiert sein, wo sie
Mitwirkungsrechte hat. Dies ist in Bezug auf eine telefonische Kontaktaufnahme
mit einem möglichen Gutachter und der Besprechung des zeitlichen Ablaufes der
Begutachtung offensichtlich nicht der Fall. In der Sache selbst, d.h. mit Bezug
auf die Person des gewählten Gutachters sowie in Bezug auf die Formulierung der
Gutachterfragen, wurde den Parteien umfassend das rechtliche Gehör gewährt.

5. 
Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, das Gutachten bestätige die
kognitive wie emotionale Stärke und die hohe Resilienz des Kindes. Entgegen den
Annahmen in allen früheren Gerichtsentscheiden sei das Kind folglich gar nicht
durch den Vater beeinflusst worden bzw. beeinflussbar gewesen. Vielmehr sei
jetzt klar, dass es sich immer aus eigenem Willen gegen eine Rückführung nach
Mexiko gewehrt habe. Diesen Willen habe es auch gegenüber dem Gutachter zum
Ausdruck gebracht. Die Bedrohungslage für C.________ in Mexiko sei konkret;
dass sie gemäss Gutachten nichts davon geschildert habe, lasse sich damit
erklären, dass sie das eben als Normalität erlebt habe. Das Gutachten gehe
sodann fehl, wenn festgestellt werde, C.________ würde auf die Frage des Vater
oder der Mutter jeweils die Antwort geben, von der sie meine, dass man sie
erwarte. Vielmehr habe sie konstant den Willen geäussert, unter keinen
Umständen nach Mexiko zurückkehren zu wollen. Selbst nach wochenlanger
Behandlung durch Fachpersonen habe sie an diesem Willen festgehalten. Die
Tochter sei resilient und ändere daher ihren Willen nicht. Zusammenfassend
ergebe sich deshalb, dass die bisherigen gerichtlichen Erwägungen auf falschen
Tatsachen beruht hätten. Mit dem Gutachten würden nunmehr neue Tatsachen auf
dem Tisch liegen und diese seien zu beachten; das Obergericht habe genau dies
in Verletzung von Art. 13 Abs. 2 HKÜ und Art. 13 Abs. 1 und 2 BG-KKE nicht
getan.

 Im bundesgerichtlichen Rückführungsentscheid vom 30. April 2015 wurde in E.
5.2 ausdrücklich festgehalten, dass C.________ damals konstant äusserte, nicht
nach Mexiko zurückkehren zu wollen. Diesbezüglich liegen somit keine neuen
Tatsachen vor, soweit dieser Wunsch so noch geäussert wird.

 Nicht Gegenstand des Gutachtens war sodann die allgemeine Situation in Mexiko
bzw. in La Paz; untersucht wurde einzig, ob C.________ dort traumatische
Erfahrungen gemacht habe. Der Gutachter berichtete, dass das Mädchen von keinen
negativen Erlebnissen erzählt habe; das heisse, dass entweder allfällige
Erlebnisse als Normalität eingeordnet worden wären oder aber es keine negativen
Erlebnisse gegeben habe. Ob sich daran bei einer Rückkehr nach Mexiko etwas
ändern würde, weil ihr zwischenzeitlich von vielfältigen Gefahren erzählt
wurde, sei schwierig abzuschätzen; dagegen spreche die Tatsache, dass
C.________ für ihr Alter schon reif mit Belastungen umgehen könne.

 Was die bereits im Rückführungsentscheid vom 30. April 2015 als zentrales
Element angesprochene Beeinflussung des Kindeswillens durch den
Beschwerdeführer anbelangt, verkehrt dieser die Aussagen des Gutachtens ins
Gegenteil. Aus diesem ergibt sich gerade nicht, dass der Vater das Kind in
keiner Weise beeinflusst hätte, sondern in verschiedener Hinsicht das
Gegenteil. Beispielsweise hatte er C.________ vermittelt, dass er sich etwas
antun könnte, wenn sie nach Mexiko gehe; sodann verflog die vorher konsequente
Ablehnung der Mutter bereits beim ersten Treffen mit dieser und keine der
Fachpersonen konnte danach mehr Anzeichen für eine ablehnende Haltung
ausmachen; mithin beruhte ihre vorgängige Ablehnungshaltung offensichtlich auf
väterlicher Beeinflussung und nicht auf eigenem Erleben oder einem autonomen
Willen.

 Bereits der Rückführungsentscheid vom 30. April 2015 ging in E. 6.2 davon aus,
dass C.________ in einem unlösbaren Loyalitätskonflikt steht und weiterhin
beide Elternteile in ihr Leben integrieren möchte. Das Gutachten hat genau dies
bestätigt (vgl. zusammenfassende Wiedergabe in E. 2). Zentraler Befund ist,
dass sich C.________ zu beiden Elternteilen in gleicher Weise hingezogen und
sich für beide verantwortlich fühlt, was zufolge des heftigen elterlichen
Nachtrennungskonfliktes zwangsläufig zu einer inneren Zerrissenheit des Kindes
führt. Der Gutachter hat auch festgehalten, dass die Frage nach einem Verbleib
in der Schweiz oder einer Rückkehr nach Mexiko insofern an ihrem Problem
vorbeiführe, als sie mit beiden Teilen regelmässigen Kontakt möchte.

 Im Übrigen hat das Gutachten nach eingehenden allgemeinen Ausführungen zur
gesamten Situation und der Befindlichkeit des Kindes die konkret gestellten
Fragen nach der Reisefähigkeit bejaht und nach einer schwerwiegenden Schädigung
durch die Rückführung als solche verneint; Schädigungspotential habe vielmehr
der elterliche Konflikt bzw. dass die Rückkehr gegen den Willen des Vaters
erfolge.

6. 
Zusammenfassend ergibt sich, dass keine nachträglich eingetretenen veränderten
Tatsachen erstellt sind, welche eine Rückführung von C.________ nach Mexiko in
Begleitung ihrer Mutter ausschliessen würden. Die Beschwerde ist daher
abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann.

 Mit dem vorliegenden Entscheid in der Sache wird der prozessuale Antrag auf
Erteilung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos.

 Es werden keine Gerichtskosten erhoben und der Rechtsvertreter des
Beschwerdeführers ist aus der Gerichtskasse zu entschädigen (Art. 26 Abs. 2
HKÜ). Den übrigen Parteien ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand
entstanden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.

2. 
Rechtsanwalt Silvio Mayer wird aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 1'500.--
entschädigt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, C.________, dem Obergericht des Kantons
Aargau, Kammer für Kindes- und Erwachsenenschutz, dem Departement
Volkswirtschaft und Inneres des Kantons Aargau, Bürgerrecht und Personenstand,
und dem Bundesamt für Justiz, Zentralbehörde für Kindesentführungen,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 10. Juli 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Möckli

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