Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.521/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_521/2015

Urteil vom 11. Februar 2016

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Schöbi, Bovey,
Gerichtsschreiber von Roten.

Verfahrensbeteiligte
1. A.________,
2. B.________,
3. C.________,
alle vertreten durch Fürsprecher Dr. Urs Fasel,
Beklagte und Beschwerdeführer,

gegen

1. Erbengemeinschaft D.________, bestehend aus:

1.1. E.________,
1.2. F.________,
1.3. G.________,
2. H.________,
3. I.________,
alle vertreten durch Fürsprech Friedrich Affolter,
Kläger und Beschwerdegegner.

Gegenstand
Abrechnung unter Miteigentümern,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern,
Zivilabteilung, 2. Zivilkammer, vom 1. Juni 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. D.________, H.________ und I.________ (Kläger) sowie A.________,
B.________ und C.________ (Beklagte) waren Miteigentümer der Liegenschaft
"J.________" in K.________ (Gbbl.-Nr. xxx) mit fünf Wohnungen, die sie teils
selbst nutzten und teils vermieten liessen. Die Abrechnung der Mieterträge und
der Liegenschaftskosten führte unter den Miteigentümern zu Streitigkeiten.

A.b. Am 18. August 2009 strengten die Kläger ein Verfahren auf gerichtliche
Aufhebung des Miteigentums an. Sie stellten Aufhebungs- und Teilungsbegehren
(Ziff. 1 und 2) sowie Editions- und Forderungsbegehren (Ziff. 3 und 4). Die
Beklagten schlossen auf Zurückweisung, eventuell Abweisung (Klageverfahren yyy
und ab 1. Januar 2011 neu zzz).

A.c. An der Hauptverhandlung vom 9. November 2010 schlossen die Parteien einen
Teilvergleich, wonach die Kläger ihre Miteigentumsanteile an die Beklagten
verkauften (Ziff. 1-3) und das Gericht ermächtigten, nach Eingang des
Kaufpreises auf dem Konto des Gerichts die Eigentumsübertragung beim
Grundbuchamt anzumelden (Ziff. 4). In Ziff. 5 sahen die Parteien vor, was
folgt:

"Allfällige gegenseitige Ansprüche der Parteien aus dem Abrechnungsverhältnis
zwischen den Miteigentümern bilden nicht Gegenstand dieser Vereinbarung
(Rechtsbegehren Ziffern 3 und 4 der Klage vom 18. August 2009).
Der Betrag gemäss Ziffer 4 hiervor darf erst an die Kläger ausbezahlt werden,
wenn die Kläger den Nachweis erbringen, dass sich die Parteien bezüglich
Ansprüche aus Abrechnungsverhältnis geeinigt haben oder über die Ansprüche im
vor Gerichtskreis XII hängigen Verfahren yyy rechtskräftig entschieden ist."
Die Beklagten bezahlten den Kaufpreis von Fr. 172'666.70 auf das Konto des
Gerichts ein, das die Eigentumsübertragung im Grundbuch veranlasste. Das
Regionalgericht Oberland schrieb das Verfahren zzz als erledigt ab, was die
Rechtsbegehren Ziff. 1 und 2 der Klage vom 18. August 2009 angeht (Verfügung
vom 25. Januar 2013).

A.d. Bezüglich der Rechtsbegehren Ziff. 3 und 4 der Klage vom 18. August 2009
ging das Verfahren weiter. Am 6. Dezember 2013 erklärten die Kläger gegenüber
dem Gericht Folgendes:

"In rubrizierter Sache wird die Klage zurückgezogen. Das mit Vereinbarung vom
9. November 2010 erreichte Teilergebnis im Betrage von Fr. 172'666.70 wollen
Sie gemäss Anweisung vom 19. Februar 2013 an die Kläger ausbezahlen."
Das Regionalgericht schrieb das Verfahren zzz - soweit nicht bereits
abgeschrieben - infolge Rückzugs der Klage vom Protokoll ab (Verfügung vom 16.
Dezember 2013).

A.e. Die Beklagten erhoben kantonale Beschwerde mit den Begehren, die
Abschreibungsverfügung aufzuheben und die Weiterführung des Prozesses
anzuordnen, eventualiter den bei Gericht hinterlegten Betrag ihnen
auszubezahlen. Die Kläger schlossen auf Nichteintreten, eventuell Abweisung,
und zeigten den Tod des Klägers D.________ an, dessen Erben den Rechtsvertreter
der Kläger nachträglich bevollmächtigten. Das Obergericht des Kantons Bern wies
die Beschwerde ab (Dispositiv-Ziff. 1) und hielt im Sinne der beantragten
sichernden Massnahme fest, dass über das hinterlegte Geld nur mit Zustimmung
der Beteiligten oder durch Urteil eines Gerichts verfügt werden darf
(Dispositiv-Ziff. 2 des Entscheids vom 28. März 2014). Beide Parteien gelangten
an das Bundesgericht. Die Beklagten erneuerten ihre kantonalen Begehren
(Beschwerde 5A_348/2014), während die Kläger die Auszahlung des bei Gericht
hinterlegten Betrags forderten (Beschwerde 5A_364/2014). Das Bundesgericht wies
die Beschwerden ab, soweit darauf einzutreten war, mit der Begründung, dass die
Abschreibungsverfügung zufolge Klagerückzugs nicht angefochten und die
Weiterführung des Klageverfahrens mit Erfolg ausschliesslich auf dem Weg der
Revision erreicht werden kann und dass über die Auszahlung des hinterlegten
Betrags im Verfahren der Vollstreckung des gerichtlichen Teilvergleichs oder in
einem neu anzuhebenden Prozess zu entscheiden ist (Urteil 5A_348/2014 und
5A_364/2014 vom 24. Juli 2014).

B. 
Am 30. August 2014 ersuchten die Beklagten um Revision des Klagerückzugs und um
Fortsetzung des erstinstanzlichen Verfahrens. Die Kläger schlossen auf
Nichteintreten, eventuell Abweisung. Das Regionalgericht wies das
Revisionsgesuch ab (Entscheid vom 19. November 2014). Im anschliessenden
Beschwerdeverfahren erneuerten beide Parteien ihre Anträge. Das Obergericht
wies die Beschwerde ab (Entscheid vom 1. Juni 2015).

C. 
Mit Eingabe vom 30. Juni 2015 beantragen die Beklagten dem Bundesgericht, ihre
kantonale Beschwerde gutzuheissen und ihnen den bei Gericht hinterlegten Betrag
auszubezahlen. Es sind die kantonalen Akten, aber keine Vernehmlassungen
eingeholt worden.

Erwägungen:

1. 
Der angefochtene Entscheid betrifft die Abweisung einer Revision gegenüber
einem Klagerückzug (Art. 328 Abs. 1 lit. c ZPO) in einer Forderungsstreitigkeit
unter Miteigentümern und damit eine Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG) in einer
vermögensrechtlichen Angelegenheit, die mit einem Streitwert von rund Fr.
170'000.-- (E. 17 S. 6 des angefochtenen Entscheids) bzw. Fr. 176'666.70 (S. 3
der Beschwerdeschrift) den gesetzlichen Mindestbetrag übersteigt (Art. 74 Abs.
1 lit. b BGG; Urteil 5A_174/2015 vom 14. Oktober 2015 E. 1). Er ist kantonal
letztinstanzlich (Art. 75 Abs. 1 BGG), lautet zum Nachteil der Beklagten, deren
Revisionsgesuch abgewiesen wurde (Art. 76 Abs. 1 BGG), und beendet das
kantonale Verfahren (Art. 90 BGG; vgl. Urteile 5A_382/2014 vom 9. Oktober 2014
E. 1 und 5A_558/2014 vom 7. September 2015 E. 1).
Unter Hinweis auf die Erwägungen des Bundesgerichts hat das Obergericht nicht
geprüft, ob die Bedingung "rechtskräftig entschieden" (Ziff. 5 Abs. 2 des
Teilvergleichs; Bst. A.c oben) erfüllt ist. Die Frage ist in einem
Vollstreckungsverfahren bezüglich des Vergleichs (konkret betreffend die
Herausgabe des deponierten Betrags) oder in einem neuen ordentlichen Verfahren
zu behandeln (E. 14 S. 5 des angefochtenen Entscheids; Urteil 5A_348/2014 E.
3.3 und E. 3.4). Hat das Obergericht damit das Begehren, den bei Gericht
hinterlegten Betrag auszubezahlen, im Revisionsverfahren von den Beklagten
unangefochten nicht zugelassen, ist das vor Bundesgericht erneuerte Begehren
unzulässig (Art. 99 Abs. 2 BGG; BGE 135 III 513 E. 8.3 S. 530). Zulässig ist
hingegen der Antrag, die kantonale Beschwerde gutzuheissen, zumal aus der
Beschwerdeschrift (S. 6) hervorgeht, dass damit gemeint ist, das
Revisionsbegehren gutzuheissen und die Sache an die kantonalen Instanzen
zurückzuweisen (vgl. BGE 137 III 617 E. 6.2 S. 622).
Mit diesem Vorbehalt kann auf die fristgerecht erhobene (Art. 100 Abs. 1 BGG)
Beschwerde eingetreten werden. Weitere formelle Einzelfragen sind im
Sachzusammenhang zu erörtern.

2. 
Mit Revisionsgesuch kann geltend gemacht werden, dass die Klageanerkennung, der
Klagerückzug oder der gerichtliche Vergleich unwirksam ist (Art. 328 Abs. 1
lit. c ZPO). In Bezug auf materielle oder prozessuale Mängel des Vergleichs,
der Klageanerkennung und des Klagerückzugs ist die Revision primäres und
ausschliessliches Rechtsmittel (vgl. BGE 139 III 133 E. 1.3).
Das Obergericht hat die vorgebrachten Unwirksamkeitsgründe aufgezählt (E. 9 S.
4) und darüber entschieden, ob ein bedingter und damit unwirksamer Klagerückzug
vorliege (E. 10-11 S. 4 f.) und ob die Kläger im Teilvergleich vom 9. November
2010 implizit auf einen Klagerückzug verzichtet hätten, woraus dessen
Unwirksamkeit folgte (E. 12-15 S. 5 f. des angefochtenen Entscheids). Der
Vorwurf der Rechtsverweigerung (S. 5 Art. 1 der Beschwerdeschrift) ist deshalb
unberechtigt (Art. 29 Abs. 2 BV; BGE 138 I 232 E. 5.1 S. 237).
Die Beklagten befassen sich nur teilweise mit der Begründung des angefochtenen
Entscheids. Sie erheben und begründen namentlich gegen die obergerichtliche
Beurteilung, dass der Klagerückzug unbedingt erfolgt sei, keine eigenständigen
Rügen. Soweit sie mit zwei oder drei formellen Anpassungen ihre Vorbringen aus
der kantonalen Beschwerdeschrift (S. 6 ff. Art. 3-7, act. 1205-1219) in die
Eingabe an das Bundesgericht hineinkopieren (S. 8 Art. 3 und S. 13 ff. Art. 7
lit. b-d und Art. 8-10), kann darauf nicht eingetreten werden (Art. 42 Abs. 2
BGG; BGE 134 II 244 E. 2.3 S. 246 f.). Zu prüfen - im Rahmen der
Beschwerdebegründung (S. 9 ff. Art. 4-7 lit. a) - ist einzig die Frage, ob die
Kläger im Teilvergleich vom 9. November 2010 implizit auf einen Klagerückzug
verzichtet haben und ihr Klagerückzug vom 6. Dezember 2013 deshalb unwirksam
ist.

3. 
Die Streitfrage ist durch Auslegung des Teilvergleichs zu beantworten, den die
an der Hauptverhandlung teilnehmenden Parteien am 9. November 2010 geschlossen
und gemeinsam mit den beiden Rechtsvertretern unterzeichnet haben (act. 361-365
des Dossiers Nr. yyy, roter Bundesordner).

3.1. Das Obergericht hat beurteilt, ob der Vergleich eine prozessuale Erklärung
beinhaltet, wonach die Kläger auf den Rückzug der Klage verzichten und damit
den Beklagten die Möglichkeit geben, ihre Gegenforderungen gerichtlich
beurteilen zu lassen, ohne selbst offensiv vorgehen zu müssen (E. 14 S. 5). Es
ist zum Ergebnis gelangt, eine solche Erklärung lasse sich aus dem Wortlaut
nicht ableiten. Prozessuale Erklärungen, welche den Verzicht auf ein Recht
beinhalteten, müssten jedoch im Interesse der Rechtssicherheit und zum Schutz
der Privatautonomie des Erklärenden klar und ausdrücklich erfolgen. Darauf habe
das Regionalgericht mit Hinweis auf Willisegger (Basler Kommentar, N. 9 zu Art.
233 ZPO) zutreffend abgestellt. Der Klagerückzug sei also auch vor dem
Hintergrund der Vereinbarung prozessual zulässig (E. 15 Abs. 1 S. 5 f.). Weiter
hat das Obergericht erwogen, im vorliegenden Verfahren sei nicht von Bedeutung,
ob die Vereinbarung allenfalls so zu interpretieren wäre, dass sich die Kläger 
gegenüber den Beklagten zur Weiterführung des Prozesses verpflichtet hätten.
Die Verletzung einer vertraglichen Pflicht durch eine Rechtshandlung mache
diese nicht unwirksam, sondern führe gegebenenfalls zu Schadenersatz (E. 15
Abs. 2 S. 6 des angefochtenen Entscheids mit Hinweis auf Eugen Bucher,
Schweizerisches Obligationenrecht. Allgemeiner Teil ohne Deliktsrecht, 2. Aufl.
1988, S. 46).

3.2. Die Beklagten wenden ein, die Parteien hätten eine prozessrechtliche bzw.
materiell-rechtliche Vereinbarung eines Abrechnungsprozesses getroffen und
damit verbindlich die Dispositionsmaxime bzw. die Privatautonomie
eingeschränkt. Ein einseitiges Abgehen vom einmal gemeinsam formulierten
Konsens sei nach Wortlaut und Auslegung nicht mehr möglich und führe zur
direkten Unwirksamkeit der vom Konsens abweichenden prozessrechtlichen
Erklärung (S. 9 Art. 4). Die Beklagten erheben den Vorwurf, das Obergericht
wolle ihnen ihre Einreden und Einwendungen abschneiden, insbesondere
verrechnungsweise die bisher aufgelaufenen Kosten der Miteigentumsführung den
Klägern gegenüber geltend machen zu können. Die - durch Vergleich vorgesehene -
Verrechnung abzuschneiden, sei abwegig und stehe im krassen Gegensatz zum
formulierten Vergleich, der eben gerade eine Abrechnung unter den Parteien
vorgesehen und in formeller Hinsicht diese Abrechnung dem sog.
Abrechnungsprozess zugewiesen habe. Das Obergericht berücksichtige zu wenig die
vertrauenstheoretische Auslegung der Vereinbarung, insbesondere was Ziffer 5
Abs. 2 betreffe. Vom Konsens gedeckt seien einzig die Einigung über die
Ansprüche aus dem Abrechnungsverhältnis oder das Urteil darüber im hängigen
Prozess (S. 10 f. Art. 5). Schliesslich sei die Berufung auf ein Zitat von
Eugen Bucher fehlerhaft (S. 12 Art. 6 unter Berufung auf Puchta und Rudolf Sohm
ohne Belegstellen). Die Auslegung sei rechtsfehlerhaft. Denn mit keiner Silbe
werde erwähnt, dass sie als Beklagte einredeweise geltend gemacht hätten, die
Kläger seien einen erheblichen finanziellen Aufwand aus der Führung des
Miteigentums schuldig geblieben, der verrechnungsweise geltend gemacht werde
(S. 13 Art. 7 lit. a der Beschwerdeschrift).

3.3. Mit gewissen Besonderheiten, die sich aus seinem Zweck ergeben, muss der
gerichtliche Vergleich nach allgemeinen Grundsätzen ausgelegt werden. Zu
ermitteln ist der tatsächliche Parteiwille, dessen Feststellung das
Bundesgericht bindet (Art. 105 Abs. 1 BGG). Kann der wirkliche Wille nicht mehr
festgestellt werden, sind die Erklärungen der Parteien nach dem
Vertrauensprinzip auszulegen und ist die vergleichsweise Einigung
gegebenenfalls nach dem hypothetischen Parteiwillen zu ergänzen. Dabei handelt
es sich um Rechtsfragen, die das Bundesgericht prüfen kann (Art. 106 Abs. 1
BGG; Urteile 4C.268/2005 vom 25. Oktober 2005 E. 2, in: SZZP 2006 S. 173,
5A_654/2008 vom 12. Februar 2009 E. 2.3, in: SZZP 2009 S. 272 f., und 4A_298/
2014 vom 4. Dezember 2014 E. 3.4, in: SZZP 2015 S. 143). Ausgangspunkt ist der
Wortlaut. Der klare Wortlaut hat den Vorrang vor weiteren Auslegungsmitteln, es
sei denn, er erweise sich auf Grund anderer Vertragsbedingungen, dem von den
Parteien verfolgten Zweck oder weiteren Umständen als nur scheinbar klar (BGE
127 III 444 E. 1b S. 445; 129 III 118 E. 2.5 S. 122). Zu beachten ist
vorliegend insbesondere, dass die Vereinbarung von den Parteien und ihren
Rechtsvertretern ausgehandelt und unterzeichnet wurde. Es ist deshalb
anzunehmen, dass sie die eingesetzten Fachausdrücke in ihrem juristisch
technischen Sinn verwendet haben (Urteil 5A_530/2012 vom 30. Oktober 2012 E.
3.2.1, in: ZBGR 95/2014 S. 267; BGE 129 III 702 E. 2.4.1 S. 708; 131 III 606 E.
4.2 S. 612).

3.4. Die Auslegung hat hier die Frage zu beantworten, ob die Kläger im
Teilvergleich vom 9. November 2010 auf einen Rückzug der Klagebegehren-Ziff. 3
und 4 verzichtet haben.

3.4.1. Der Wortlaut von Ziff. 5 Abs. 1 des Teilvergleichs (Bst. A.c oben) ist
klar. Danach bilden allfällige gegenseitige Ansprüche der Parteien aus dem
Abrechnungsverhältnis zwischen den Miteigentümern (Rechtsbegehren Ziffern 3 und
4 der Klage vom 18. August 2009) nicht Gegenstand dieser Vereinbarung. Einem
Rückzug der beiden Klagebegehren konnte der Teilvergleich deshalb vom
eindeutigen Wortlaut her nicht entgegenstehen.

3.4.2. Vom unmissverständlichen Text des Teilvergleichs wollen die Beklagten
abweichen, weil die Kläger implizit auf einen Klagerückzug verzichtet hätten.
Bereits im kantonalen Verfahren haben die Beklagten allerdings eingeräumt, dass
der von ihnen behauptete Verzicht der Kläger auf Klagerückzug nur "implizit"
erfolgt sei, ohne dass dies wörtlich sich im Wortlaut von Ziffer 5
niedergeschlagen habe (S. 15 Art. 8 der Beschwerdeschrift). Lässt sich dem von
Rechtsanwälten ausgehandelten Text kein Verzicht entnehmen, besteht zumindest
eine gewichtige Tatsachenvermutung dagegen, dass ein Verzicht von den Parteien
hat erklärt werden wollen. Vorliegend kommt hinzu, dass die Kläger gemäss dem
klaren Wortlaut von Ziff. 5 Abs. 1 des Teilvergleichs mit Bezug auf ihre
Rechtsbegehren-Ziff. 3 und 4 ausdrücklich frei bleiben wollten und auf deren
Rückzug insoweit gerade nicht verzichtet haben. Unter diesen Umständen einen
impliziten Verzicht auf Klagerückzug zu verneinen, erweist sich nicht als
bundesrechtswidrig (vgl. zur Auslegung von Verzichtserklärungen: Urteile 5A_166
/2009 vom 20. Mai 2009 E. 4.1.2 und 5C.56/2005 vom 15. Juli 2005 E. 3.2, in:
Praxis 95/2006 Nr. 5 S. 39, je mit Hinweis insbesondere auf KRAMER, Berner
Kommentar, 1985, N. 39 zu Art. 18 OR). Auf die in diesem Zusammenhang geführte
Diskussion um Lehrmeinungen einzugehen, erübrigt sich. Blosse Erwägungen
bedeuten keine Beschwer (BGE 103 II 155 E. 3 S. 159 f.; 130 III 321 E. 6 S.
328).

3.4.3. Entgegen der Darstellung der Beklagten hat das Obergericht ihre geltend
gemachten Gegenforderungen ausdrücklich erwähnt (E. 14 S. 5 des angefochtenen
Entscheids). Wo sie Forderungen aus dem Miteigentumsverhältnis einredeweise zur
Verrechnung gebracht haben wollen, belegen die Beklagten vor Bundesgericht
nicht. Wie sie selber einräumen, haben sie die Verrechnung lediglich als
Einrede - gemeint: Einwendung (Urteil 4A_290/2007 vom 10. Dezember 2007 E.
8.3.1) - und nicht mittels Widerklage geltend gemacht. Die blosse
Verrechnungseinwendung aber beeinflusst die Befugnis, die Klage zurückzuziehen,
nicht, sondern richtet sich in ihrem Schicksal vielmehr nach demjenigen der
Klage (vgl. CHRISTOPH ZIMMERLI, Die Verrechnung im Zivilprozess und in der
Schiedsgerichtsbarkeit, 2003, S. 122 f.; MICHAEL WERNER, Widerklage auf
nationaler und internationaler Ebene, 2002, S. 36 f.).

3.5. Aus den dargelegten Gründen kann die obergerichtliche Annahme nicht
beanstandet werden, die Kläger hätten auf einen Rückzug der
Rechtsbegehren-Ziff. 3 und 4 nicht verzichtet und deren Rückzug sei deshalb
nicht unwirksam im Sinne von Art. 328 Abs. 1 lit. c ZPO. Dass die
vergleichsweise festgelegte Bedingung für die Auszahlung des Kaufpreises
erfüllt sei, wird im Verfahren der Vollstreckung des gerichtlichen
Teilvergleichs oder allenfalls durch erneute Anrufung des Gerichts geltend zu
machen sein (Urteil 5A_348/2014 E. 3.3 und E. 3.4). Die darauf bezogenen Rügen
der Beklagten sind insoweit verfrüht, so dass darauf nicht einzutreten ist.
Abzuwarten bleibt vielmehr, ob nicht die Kläger mit Erfolg eine Vollstreckung
des gerichtlichen Teilvergleichs erwirken und der beim Gericht hinterlegte
Kaufpreis an sie auszubezahlen ist.

4. 
Insgesamt muss die Beschwerde abgewiesen werden, soweit darauf einzutreten ist.
Die Beklagten werden kostenpflichtig, hingegen nicht entschädigungspflichtig,
zumal keine Vernehmlassungen angeordnet wurden (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden den Beklagten und Beschwerdeführern
unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern,
Zivilabteilung, 2. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. Februar 2016
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: von Roten

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