Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.447/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_447/2015

Urteil vom 14. August 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Schöbi, Bovey
Gerichtsschreiber V. Monn.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Leandro Perucchi,
Beschwerdeführer,

gegen

D.________,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Ausstand (Nachlass),

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Appenzell I.Rh., Kommission
für allgemeine Beschwerden, vom 21. April 2015.

Sachverhalt:

A.

 A.________ ist vor dem Bezirksgericht Appenzell I.Rh. als Baklagter in einen
Zivilprozess verwickelt. Der Streit dreht sich um die Erbschaft von C.________,
verstorben am 7. Juli 2009. Die Klage wurde am 5. Januar 2010 erhoben.

B.

 Am 29. Januar 2015 strengte A.________ beim Kantonsgericht Appenzell I.Rh. ein
Ausstandsbegehren gegen B.________ an, den Präsidenten des Bezirksgerichts
Appenzell I.Rh. Als Verfahrensantrag stellte er das Begehren, D.________, der
Präsident des Kantonsgerichts Appenzell I.Rh., habe sich bei der Beurteilung
des Ausstandsgesuchs gegen B.________ der Mitwirkung zu enthalten. Für dieses
Begehren wurde beim Kantonsgericht Appenzell I.Rh. ein weiteres
Ausstandsverfahren eröffnet. Mit Entscheid vom 25. Februar 2015 wies der
Vizepräsident des Kantonsgerichts das Ausstandsbegehren gegen D.________ ab.
Zwei Tage später fällte dieser seinen Entscheid im Ausstandsverfahren gegen
B.________.

C.

 A.________ hielt an seinem Ausstandsbegehren gegen D.________ fest und wandte
sich mit Beschwerde vom 9. März 2015 an die Kommission für allgemeine
Beschwerden des Kantonsgerichts Appenzell I.Rh. Diese wies die Beschwerde ab
(Entscheid vom 21. April 2015 im Verfahren KBA 2-2015). Am gleichen Tag erging
auch der abschlägige Beschwerdeentscheid derselben Kommission im
Ausstandsverfahren gegen B.________, den Präsidenten des Bezirksgerichts
Appenzell I.Rh. (Verfahren KBA 3-2015).

D.

 Mit Beschwerde vom 27. Mai 2015 gelangt A.________ (Beschwerdeführer) an das
Bundesgericht. Er beantragt, den Entscheid der Kommission für allgemeine
Beschwerden des Kantonsgerichts Appenzell I.Rh. im Verfahren KBA 2-2015
aufzuheben und das Ausstandsbegehren gegen D.________ (Beschwerdegegner)
gutzuheissen. Sämtliche Entscheide des Kantonsgerichts betreffend den Ausstand
von B.________, an denen der Beschwerdegegner mitgewirkt hat, seien zu
wiederholen. Das Bundesgericht hat sich die kantonalen Akten überweisen lassen,
in der Sache aber keine Vernehmlassungen eingeholt.

Erwägungen:

1.

 Der angefochtene Entscheid betrifft einen selbständig eröffneten
Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren (Art. 92 Abs. 1 BGG). Die
Kommission für allgemeine Beschwerden hat als letzte kantonale
Rechtsmittelinstanz entschieden (Art. 75 Abs. 1 und 2 BGG). Bei
Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg jenem der Hauptsache (BGE 137 III 380
E. 1.1 S. 382). Wie sich den kantonalen Akten entnehmen lässt, streitet der
Beschwerdeführer dort mit einundzwanzig Klägern um seine Einsetzung als Erbe im
Nachlass von C.________. Dieser Prozess betrifft eine Zivilsache (Art. 72 Abs.
1 BGG). Die Angelegenheit ist vermögensrechtlicher Natur. Die Beschwerde in
Zivilsachen ist daher nur zulässig, wenn der Streitwert mindestens Fr.
30'000.-- beträgt (Art. 74 Abs. 1 Bst. b BGG). In Missachtung der Vorschrift
von Art. 112 Abs. 1 Bst. d BGG enthält der angefochtene Entscheid keine Angabe
des Streitwerts. Der Beschwerdeführer begnügt sich mit dem Hinweis, "gemäss
bisherigen Schätzungen" belaufe sich der Streitwert auf 10-15 Mio. Franken. In
einem früheren Verfahren betreffend einen anderen Zwischenentscheid im selben
Prozess geht das Bundesgericht ermessensweise davon aus, dass der Streitwert
der Hauptsache die gesetzliche Streitwertgrenze überschreitet (Urteil 5A_918/
2013 vom 28. Februar 2014 E. 3). In den Akten finden sich keine Anzeichen
dafür, dass sich unterdessen daran etwas geändert hätte. Der Beschwerdeführer
hat ein im Sinne von Art. 76 Abs. 1 Bst. b BGG aktuelles und praktisches
Interesse daran zu erfahren, ob die Vorinstanz das Rechtsmittel gegen den
Entscheid über D.________s Ausstand zu Recht abgewiesen hat. Auf die
rechtzeitig (Art. 100 Abs. 1 BGG) eingereichte Beschwerde ist einzutreten.

2.

 Nach Art. 30 Abs. 1 BV hat jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen
Verfahren beurteilt werden muss, Anspruch darauf, dass ihre Angelegenheit von
einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richter ohne
Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Ob diese Garantien verletzt
sind, prüft das Bundesgericht frei (BGE 133 I 1 E. 5.2 S. 3; 131 I 31 E.
2.1.2.1 S. 34 f.; je mit Hinweisen). Voreingenommenheit und Befangenheit werden
nach der Rechtsprechung angenommen, wenn im Einzelfall anhand aller
tatsächlichen und verfahrensrechtlichen Umstände Gegebenheiten vorliegen, die
geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu erwecken (zum
Ganzen BGE 134 I 238 E. 2.1 S. 240 mit Hinweisen). Solche Umstände können
entweder in einem bestimmten Verhalten des betreffenden Richters oder in
gewissen äusseren Gegebenheiten funktioneller und organisatorischer Natur
begründet sein. Bei der Beurteilung solcher Umstände ist nicht auf das
subjektive Empfinden einer Partei abzustellen. Das Misstrauen in die
Unvoreingenommenheit muss in objektiver Weise begründet erscheinen. Es genügt,
wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der
Befangenheit und Voreingenommenheit erwecken. Für die Ablehnung wird nicht
verlangt, dass der Richter tatsächlich befangen ist (BGE 136 I 207 E. 3.1 S.
210 mit Hinweisen).

3.
Der Beschwerdeführer begründet das Ausstandsbegehren mit dem "besonderen
Näheverhältnis", das er zwischen dem Beschwerdegegner und dem
Bezirksgerichtspräsidenten B.________ ausgemacht haben will.

3.1. Die Vorinstanz hält zunächst fest, die Ausstandsgründe würden sich nach
Art. 47 ZPO richten. Es gelte zu prüfen, ob der Beschwerdegegner in den
Ausstand zu treten habe, weil er mit einer Partei - hier mit
Bezirksgerichtspräsident B.________ im Verfahren betreffend dessen Ausstand -
durch ein freundschaftliches Verhältnis im Sinne von Art. 47 Abs. 1 Bst. f ZPO
verbunden sei. Gemäss der in BGE 139 I 121 E. 5.1 S. 125 veröffentlichten
Rechtsprechung werde bei einem freundschaftlichem Verhältnis Voreingenommenheit
eines Richters nur bei Vorliegen spezieller Umstände und mit Zurückhaltung
angenommen. Erforderlich sei, dass die Intensität und die Qualität der
beanstandeten Beziehung vom Mass des sozial Üblichen abweicht und bei
objektiver Betrachtung geeignet ist, sich auf die Partei selbst und deren
Prozess auszuwirken, und derart den Anschein der Befangenheit hervorzurufen
vermag. Die Kommission für allgemeine Beschwerden zieht weiter in Erwägung,
dass vertraglich begründete Bindungen die richterliche Unabhängigkeit
beeinträchtigen können, wenn sie eigentliche Vertretungs- und
Abhängigkeitsverhältnisse schaffen und den betroffenen Richter deshalb in ein
besonderes Näheverhältnis zu einer Partei rücken, das eine unbefangene
Beurteilung gerade in den Augen der Gegenpartei in Frage stellen muss. Damit
vertragliche Beziehungen zu Zweifeln an der richterlichen Unabhängigkeit Anlass
geben, müssten sie dauerhaft erscheinen oder ein spezifisches Näheverhältnis
begründen. Bezüglich eines Auftragsverhältnisses habe das Bundesgericht im
Falle eines als Richter amtierenden Anwalts entschieden, dass dieser als
befangen erscheine, wenn zu einer Partei ein noch offenes Mandat bestehe oder
er für eine Partei in dem Sinne mehrmals anwaltlich tätig geworden sei, dass
zwischen ihnen eine Art Dauerbeziehung bestehe. Demgegenüber vermöge ein
einzelnes abgeschlossenes Mandat jedenfalls im Normalfall den Anschein der
Befangenheit nicht zu begründen.
Bezogen auf den konkreten Fall betont die Vorinstanz, der Beschwerdeführer
begründe das freundschaftliche Verhältnis zwischen B.________ und dem
Beschwerdegegner lediglich mit der Tatsache, dass dieser für jenen zwei
Bauaufträge ausgeführt hat. Im Hinblick auf die erwähnte Rechtsprechung stellt
sie fest, dass zwischen B.________ und dem Beschwerdegegner kein offener
Auftrag bestehe. Allein die zwei Bauaufträge könnten keine Dauerbeziehung
entstehen lassen, die den Anschein der Befangenheit begründen würde. Auch ein
einmaliger ausserkantonaler und geografisch weiter entfernter Auftrag wie die
Bauarbeiten im Kanton Tessin schaffe keine eigentlichen Vertretungs- und
Abhängigkeitsverhältnisse. Ausser dem langen Anfahrtsweg nach Mergoscia/TI
mache der Beschwerdeführer keine weiteren Anhaltspunkte geltend, die auf einen
Freundschaftsdienst des Beschwerdegegners schliessen liessen. Zudem sei davon
auszugehen, dass ein Richter im Teilamt zwischen seiner amtlichen Funktion und
seiner privaten Berufstätigkeit zu unterscheiden wisse.

3.2. Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, dass ein
erfolgreicher Geschäftsmann wie der Beschwerdegegner keine unrentablen Aufträge
annimmt, sondern nur solche, die ihm einen Gewinn einbringen. Diese "Prämisse"
werde im Falle des "Anbaus Parkplatz Mergoscia Tessin", den der
Beschwerdegegner für B.________ ausgeführt habe, jedoch "unterwandert", denn
ein solcher "Kleinstauftrag" könne für einen lokalen Bauunternehmer aus
Appenzell Innerrhoden kaum rentabel sein, nicht zuletzt angesichts der "enormen
Bindung von Ressourcen durch die langen und zeitraubenden Anfahrtswege". Die
Annahme dieses Auftrags durch den Beschwerdegegner habe aus wirtschaftlicher
Sicht "keinen Sinn" gemacht; dass damit ein ökonomischer Ertrag erzielt worden
wäre, scheine "höchst unwahrscheinlich". Dasselbe gelte für B.________, denn
die Auftragserteilung an den Beschwerdegegner habe ihn "sicherlich wesentlich
mehr gekostet" als wenn er einen lokalen Bauunternehmer im Tessin beauftragt
hätte. Mithin seien Auftraggeber und Auftragnehmer nur deshalb ins Geschäft
gekommen, weil beide persönlich miteinander befreundet sind und den Auftrag
mehr als Freundschaftsdienst denn "als ökonomische Angelegenheit" betrachteten.
Daraus schliesst der Beschwerdeführer auf ein besonderes Näheverhältnis, aus
dem sich der Anschein der Befangenheit des Beschwerdegegners ergebe.

3.3. Schon die Art und Weise, wie der Beschwerdeführer seine Standpunkte
formuliert, lässt erkennen, dass sich seine Argumente in blossen Spekulationen
und Mutmassungen erschöpfen. Mit der Erwägung, dass ein erfolgreicher
Bauunternehmer wie der Beschwerdegegner kaum von der Auftragserteilung einer
Privatperson abhängig sei, setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander.
Der vorinstanzlichen Feststellung, dass nicht weiter belegt sei, ob der
Anfahrtsweg ein Verlustgeschäft darstellte, hat er nichts als blosse
Gegenbehauptungen entgegenzusetzen. Allein damit vermag der Beschwerdeführer
gegen den angefochtenen Entscheid nicht aufzukommen. Und selbst wenn sich der
Beschwerdeführer vom Bauauftrag, den er für B.________ im Kanton Tessin
ausgeführt hat, isoliert betrachtet keinen Gewinn sollte versprochen haben
können, fallen verschiedene Gründe in Betracht, weshalb er den Auftrag trotzdem
zu marktüblichen Konditionen übernehmen konnte. So macht der Beschwerdeführer
beispielsweise nicht geltend, dass es dem Beschwerdegegner schlechthin
unmöglich wäre, im Kanton Tessin andere grössere Bauarbeiten auszuführen.
Entsprechend könnte der Beschwerdegegner im Zusammenhang mit so einem Auftrag
auch die Arbeiten für B.________ in Mergoscia an die Hand genommen haben. Zu
alledem geht die Kommission für allgemeine Beschwerden auch davon aus, dass der
Beschwerdegegner als nebenamtlicher Richter seine richterlichen und beruflichen
Tätigkeiten voneinander trennen kann. Inwiefern diese tatsächliche Erkenntnis
im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht, tut der Beschwerdeführer
nicht dar. Stellt er von mehreren Begründungselementen des angefochtenen
Entscheids aber nur einzelne in Frage und lässt er andere unangefochten stehen,
so erweist sich der vorinstanzliche Entscheid insgesamt nicht als
bundesrechtswidrig (vgl. BGE 133 III 221 E. 7 S. 228; 130 III 321 E. 6 S. 328).

4.

 Nach dem Gesagten hält es vor Bundesrecht stand, wenn die Vorinstanz zum
Schluss kommt, dass allein aus den zwei Bauaufträgen, die der Beschwerdegegner
für B.________ ausgeführt hat, nicht auf eine Freundschaft geschlossen werden
kann, die in ihrer Intensität und Qualität vom Mass des sozial Üblichen
abweicht. Die Beschwerde ist also unbegründet. Sie ist abzuweisen. Der
Beschwerdeführer unterliegt. Er hat deshalb für die Gerichtskosten aufzukommen
(Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem Beschwerdegegner ist keine Entschädigung geschuldet
(Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Appenzell I.Rh.,
Kommission für allgemeine Beschwerden, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. August 2015

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: V. Monn

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