Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.424/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_424/2015

Urteil vom 27. April 2016

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Marazzi, Bovey,
Gerichtsschreiber Levante.

Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hermann Roland Etter,
Beschwerdeführer,

gegen

B.A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Alexandra Imhof,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Feststellung einer Nichtschuld nach Art. 85a SchKG,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn,
Zivilkammer, vom 22. April 2015 (ZKBER.2014.101).

Sachverhalt:

A.

A.a. Mit Urteil vom 9. Juli 1995 des Amtsgerichtspräsidenten von
Bucheggberg-Wasseramt wurde die Ehe von A.A.________ (geboren 1941) und
B.A.________ (geboren 1944) geschieden und die Scheidungskonvention der
Parteien über die nacheheliche Unterhaltsregelung genehmigt. Demnach leistet
A.A.________ an B.A.________ einen monatlich vorauszahlbaren und indexierten
Unterhaltsbeitrag von Fr. 3'200.-- gemäss aArt. 152 ZGB. Der Unterhaltsbeitrag
reduziert sich unter anderem um die Höhe allfälliger Leistungen privater
Vorsorgeeinrichtungen und/oder öffentlicher Sozialversicherungen infolge
Arbeitsunfähigkeit der Gläubigerin.

A.b. B.A.________ bezieht seit September 2008 eine ordentliche AHV-Rente,
welche die bisherige Rente der Invalidenversicherung abgelöst hat. A.A.________
brachte zunächst die IV-Rente und danach die AHV-Rente vom monatlichen
Unterhaltsbeitrag in Abzug.

A.c. Mit Zahlungsbefehl vom 11. Dezember 2012 betrieb B.A.________ A.A.________
für ausstehende Unterhaltsbeiträge vom 1. September 2008 bis 31. Dezember 2012
von insgesamt Fr. 113'951.05 zuzüglich Zins (Betreibung Nr. xxx des
Betreibungsamts Region Solothurn). Der Betriebene erhob Rechtsvorschlag. Der
Amtsgerichtspräsident von Solothurn-Lebern wies das Rechtsöffnungsgesuch von
B.A.________ für die in Betreibung gesetzten Unterhaltsbeträge am 6. Mai 2013
ab. Das darauf angerufene Obergericht des Kantons Solothurn hiess ihre
Beschwerde am 28. Juni 2013 gut und erteilte ihr die definitive Rechtsöffnung
im beantragten Umfang von Fr. 113'951.05 zuzüglich Zinsen und Kosten. Es erwog
dazu, der Wortlaut der Scheidungskonvention sei klar und eine Herabsetzung der
Unterhaltsrente von B.A.________ nach ihrem Eintritt ins AHV-Alter darin nicht
vorgesehen. Dieses Urteil blieb unangefochten.

B. 
Am 20. September 2013 erhob A.A.________ beim Amtsgericht Solothurn-Lebern eine
Klage gegen B.A.________. Er beantragte gestützt auf Art. 85a SchKG
festzustellen, dass die geforderte Unterhaltsschuld von Fr. 113'951.05
zuzüglich Zinsen und Kosten nicht bestehe. Die Betreibung Nr. xxx des
Betreibungsamtes Region Solothurn sei daher vollumfänglich aufzuheben. Das
Amtsgericht hiess die Klage am 20. August 2014 gut. Die von B.A.________
dagegen erhobene Berufung wurde vom Obergericht am 22. April 2015 gutgeheissen,
womit die Klage von A.A.________ abgewiesen wurde.

C. 
Walter Jäggi ist mit Beschwerde in Zivilsachen vom 19. Mai 2015 an das
Bundesgericht gelangt. Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung des
obergerichtlichen Urteils und die Rückweisung der Sache zur neuen Beurteilung
an die Vorinstanz, allenfalls sei das erstinstanzliche Urteil zu bestätigen.
Die Oberrichter C.________, D.________ und E.________ sowie die Oberrichterin
F.________ und der Gerichtsschreiber G.________ seien zu verpflichten, wegen
Vorbefassung in den Ausstand zu treten. Der Beschwerdeführer ersucht um die
Gewährung der aufschiebenden Wirkung für das bundesgerichtliche Verfahren.
Das Obergericht hat auf eine Vernehmlassung zum Gesuch um aufschiebende Wirkung
verzichtet. B.A.________ (Beschwerdegegnerin) hat sich dem Gesuch widersetzt.
Mit Verfügung vom 8. Juni 2015 hat das Bundesgericht der Beschwerde die
aufschiebende Wirkung zuerkannt.
In der Sache hat das Obergericht am 1. Dezember 2015 beantragt, die Beschwerde
abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Die Beschwerdegegnerin schliesst am
4. Dezember 2015 auf vollumfängliche Abweisung der Beschwerde und stellt ein
Gesuch um unentgeltliche Prozessführung.
Der Beschwerdeführer hat am 4. Januar 2016 repliziert. Die Beschwerdegegnerin
hat sich am 14. Januar 2016 nochmals vernehmen lassen.

Erwägungen:

1.

1.1. Angefochten ist ein kantonaler Rechtsmittelentscheid in einer
vermögensrechtlichen Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG; Urteil 5A_445/2012 vom 2.
Oktober 2013 E. 1.1; BGE 132 III 89 E. 1.2 S. 93). Der gesetzliche Streitwert
wird erreicht (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Die Beschwerde in Zivilsachen ist
gegeben.

1.2. Die Beschwerdeschrift hat ein Rechtsbegehren zu enthalten (Art. 42 Abs. 1
BGG). Da die Beschwerde ein reformatorisches Rechtsmittel ist (Art. 107 Abs. 2
BGG), muss grundsätzlich ein materieller, d.h. bezifferter Antrag gestellt
werden. Es genügt allerdings, wenn aus der Begründung hervorgeht, in welchem
Sinn der angefochtene Entscheid abgeändert werden soll (BGE 134 III 235 E. 2 S.
236 f.). Der Beschwerdeführer verlangt die Aufhebung des angefochtenen
Entscheides und die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz. Der Begründung
lässt sich immerhin entnehmen, dass im Ergebnis seine Klage nach Art. 85a SchKG
gutgeheissen werden soll.

1.3. Mit vorliegender Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht gerügt
werden (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter Form
darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2
BGG). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen
(Art. 106 Abs. 2 BGG), wobei hier das Rügeprinzip gilt (BGE 133 III 589 E. 2 S.
591). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 BGG).

2. 
Das angefochtene Urteil wurde von der Zivilkammer des Obergerichts gefällt und
erging in der ordentlichen Besetzung mit dem Präsidenten, zwei Oberrichtern und
dem Gerichtsschreiber.

2.1. Nach Ansicht des Beschwerdeführers besteht gegenüber den am angefochtenen
Urteil mitwirkenden Gerichtspersonen der Verdacht der Befangenheit, weshalb sie
in den Ausstand hätten treten müssen. Ebenso sei ein weiteres Mitglied des
Obergerichtes zu verpflichten, in den Ausstand zu treten. Der Beschwerdeführer
begründet sein Ersuchen mit der Mitwirkung dieser Gerichtspersonen an einem
zeitlich vorangegangenen Verfahren, in welchem der Beschwerdegegnerin die
definitive Rechtsöffnung für die Unterhaltsforderung erteilt worden war,
hinsichtlich welcher er nunmehr eine Feststellungsklage nach Art. 85a SchKG
eingereicht habe. Zwar sehe Art. 47 Abs. 2 lit. c ZPO vor, dass die Mitwirkung
bei einer Rechtsöffnung für sich allein noch keinen Ausstandsgrund bilde. Im
konkreten Fall liege eine besondere Konstellation der Vorbefassung vor, die
sich in der Begründung des definitiven Rechtsöffnungsentscheides zeige. Darin
stehe, dass der Wortlaut der (richterlich genehmigten) Scheidungskonvention
klar sei und eine Herabsetzung des Unterhaltsbeitrages an die Gläubigerin nach
deren Eintritt ins AHV-Alter nicht vorgesehen sei. Eine andere Auslegung der
Unterhaltsregelung sei ausgeschlossen. Damit seien - so der Beschwerdeführer -
die Weichen für sämtliche späteren Entscheide insbesondere für die Beurteilung
der Feststellungsklage nach Art. 85a SchKG in Bezug auf den Umfang der
Unterhaltsforderung bereits gestellt worden. Die Garantie der richterlichen
Unabhängigkeit nach Art. 30 Abs. 2 BV werde im konkreten Fall verletzt.

2.2. Soweit sich das Ausstandsbegehren gegen ein am angefochtenen Urteil nicht
mitwirkendes Mitglied des Obergerichtes richtet, ist darauf nicht einzutreten.
Der Beschwerdeführer begründet nicht, worin ein aktuelles Rechtsschutzinteresse
an der Klärung der Frage bestehen sollte, wer an einem allenfalls künftigen
Verfahren mitwirken darf. Ebenso legt er nicht dar, weshalb ein Oberrichter als
befangen zu erklären ist, der nur am angefochtenen Urteil, nicht aber in einem
vorangegangenen und damit nach Ansicht des Beschwerdeführers prägenden
Verfahren mitgewirkt hat.

2.3. Nach Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK, denen in dieser Hinsicht
dieselbe Tragweite zukommt, hat jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen
Verfahren beurteilt werden muss, ungeachtet des anwendbaren Prozessrechts (im
konkreten Fall Art. 47 ZPO) einen prozessualen Anspruch auf ein unbefangenes,
unvoreingenommenes und unparteiisches Gericht. Es soll gewährleistet werden,
dass keine sachfremden Umstände zugunsten oder zulasten einer Partei auf das
Verfahren einwirken. Die Garantie des verfassungsmässigen Richters wird bereits
verletzt, wenn bei objektiver Betrachtung Gegebenheiten vorliegen, die den
Anschein der Befangenheit oder die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen
vermögen (BGE 140 III 221 E. 4.1 S. 221 f.; 139 III 120 E. 3.2.1 S. 124). Wer
einen Ablehnungsgrund nicht unverzüglich nach dessen Kenntnisnahme geltend
macht, verwirkt den Anspruch auf seine spätere Anrufung. Es widerspricht dem
Grundsatz von Treu und Glauben, sich nicht rechtzeitig auf die Garantie des
verfassungsmässigen Richters zu berufen, um bei einem ungünstigen Ausgang des
Verfahrens eine derartige Einwendung vorzubringen. Dies bedeutet indes nicht,
dass die mitwirkenden Richter den Parteien vorab bekannt gegeben werden
müssten. Es genügt, wenn die Namen der Richter einer allgemein zugänglichen
Publikation entnommen werden können. Zudem kann von der anwaltlich vertretenen
Partei angenommen werden, dass sie die ordentliche Besetzung des Gerichtes
kennt (BGE 139 III 120 E. 3.2.1 S. 124; 136 I 207 E. 3.4 S. 211).

2.4. Die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe erst mit Erhalt des
angefochtenen Urteils erkennen können, welche Gerichtspersonen daran mitgewirkt
haben, überzeugt nach dem Gesagten nicht. Der Spruchkörper muss zumindest bei
einer ordentlichen Besetzung nicht vorab bekannt gegeben werden. Was den
Präsidenten der Zivilkammer betrifft, ist der Beschwerdeführer überdies daran
zu erinnern, dass die Parteien von ihm zu Vergleichsgesprächen eingeladen
worden sind. Diese Vorladung wurde vom nunmehr abgelehnten Gerichtsschreiber
unterzeichnet. Daraufhin erfolgte seitens des Beschwerdeführers kein
Ablehnungsbegehren, womit er auch aus diesem Grunde nicht nachträglich ein
solches stellen kann. Damit erweist sich die Anrufung des verfassungsmässigen
Richters insgesamt als verwirkt.

3. 
Die Vorinstanz hat die gestützt auf Art. 85a SchKG vom Beschwerdeführer
erhobene Feststellungsklage abgewiesen und ihr Urteil im Wesentlichen mit dem
Hinweis auf die bereits erteilte definitive Rechtsöffnung begründet. Damit sei
die Klage nur mehr zulässig, soweit sie mit Tatsachen begründet werde, die
danach neu eingetreten seien, oder Einwendungen bzw. Einreden erhoben werden,
die der Rechtsöffnungsrichter nicht zu prüfen hatte oder nicht hätte prüfen
können. Dies sei vorliegend nicht der Fall.

4. 
Anlass zur Beschwerde gibt die Klage nach Art. 85a SchKG des Beschwerdeführers,
nachdem in der gegen ihn geführten Betreibung definitive Rechtsöffnung
bewilligt worden ist. Der Beschwerdeführer hält der Auffassung der Vorinstanz
im Wesentlichen entgegen, dass die strittige Unterhaltsregelung im
Rechtsöffnungsverfahren nicht umfassend habe beurteilt werden können. Hierfür
sei die Klage nach Art. 85a SchKG gegeben, aufgrund welcher der Richter in
freier Prüfung die angebotenen Beweise würdige und über die noch geschuldeten
Unterhaltsbeiträge befinde. Umstritten ist im Wesentlichen, ob und inwieweit
die vom Beschwerdeführer erhobene Klage nach Art. 85a SchKG vom Gegenstand der
Rechtsöffnung begrenzt wird.

4.1. Gemäss Art. 85a SchKG kann der Betriebene jederzeit vom Gericht des
Betreibungsortes feststellen lassen, dass die Schuld nicht oder nicht mehr
besteht oder gestundet ist (Abs. 1). Erscheint die Klage als sehr
wahrscheinlich begründet, so stellt das Gericht die Betreibung vorläufig ein
(Abs. 2). Der Prozess wird je nach Streitwert im ordentlichen oder im
vereinfachten Verfahren geführt, d.h. ohne Beweismittelbeschränkung (Art. 219
ff. und Art. 243 ff. ZPO). Wie die Aberkennungsklage bezweckt sie einerseits
als materiellrechtliche Klage die Feststellung der Nichtschuld bzw. der
Stundung; andererseits hat sie aber auch betreibungsrechtliche Wirkung, indem
der Richter mit der Gutheissung die Betreibung aufhebt oder einstellt (BGE 132
III 89 E. 1.1 S. 92 f.). Die mit der Revision von 1994 geschaffene
Feststellungsklage soll den Rechtsschutz des Betriebenen aus
materiellrechtlichen Gründen erheblich verbessern (BGE 129 III 197 E. 2.1 S.
198; BODMER/BANGERT, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung
und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 1 zu Art. 85a; TENCHIO, Feststellungsklagen und
Feststellungsprozess nach Art. 85a SchKG, 1999, S. 57).

4.2. Die Klage nach Art. 85a SchKG ist allerdings nicht gegeben, sofern ein
Gericht über die in Betreibung gesetzte Forderung bereits entschieden hat. In
einem solchen Fall ist die materielle Rechtskraft zu beachten. Die Klage nach
Art. 85a SchKG ist damit nur noch soweit zulässig, als sie mit Tatsachen
begründet wird, die nach dem Zeitpunkt der Rechtskraft eines solchen Urteils
eingetreten sind oder auf Einreden beruht, die sich aus dem Urteil selber
ergeben; dazu gehören beispielsweise die Verurteilung zu einer Leistung Zug um
Zug oder zu einer bedingten Leistung und die Vorleistungspflicht des Gläubigers
(Urteil 5A_445/2012 vom 2. Oktober 2013 E. 4.1, SJ 2014 I S. 189; Urteil 5C.234
/2000 vom 22. Februar 2001 E. 2b, SJ 2001 I S. 443; AMONN/WALTHER, Grundriss
des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9. Aufl. 2013, § 20 Rz. 19 und 20;
TENCHIO, a.a.O., S. 83).

4.3. Im vorliegenden Fall ging der Klage nach Art. 85a SchKG ein ordentliches
Verfahren voraus, welches die nachehelichen Unterhaltsansprüche der
Beschwerdegegnerin zum Gegenstand hatte. Die Parteien regelten diese Frage in
einer Scheidungskonvention, welche das Gericht genehmigte. Dieses Urteil ist in
Rechtskraft erwachsen. Es stellt einen definitiven Rechtsöffnungstitel für die
darin festgelegten Unterhaltsbeiträge an die Beschwerdegegnerin dar. Demnach
beläuft sich der monatliche Unterhaltsbeitrag auf Fr. 3'200.--, wovon unter
anderem die allfälligen Leistungen privater Vorsorgeeinrichtungen und/ oder
öffentlicher Sozialversicherungen infolge Arbeitsunfähigkeit der Gläubigerin in
Abzug zu bringen sind. Das Scheidungsurteil ist damit bedingt vollstreckbar in
dem Sinne, dass der Bezug von Leistungen Dritter zu berücksichtigen ist, d.h.
die Höhe der Unterhaltsschuld von einer Resolutivbedingung abhängig ist (Urteil
5A_445/2012 vom 2. Oktober 2013 E. 4.2, SJ 2014 I S. 190, zur Dauer der
Unterhaltspflicht und mit Hinweisen auf die Lehre).

4.4. Bereits im Rechtsöffnungsverfahren war die Berücksichtigung der
Sozialversicherungsleistungen strittig. Der Beschwerdeführer wollte die
AHV-Rente der Beschwerdegegnerin - wie zuvor deren IV-Rente - vom monatlichen
Unterhaltsbeitrag in Abzug bringen, wogegen sich diese mit Erfolg wehrte. Die
Vorinstanz hat verkannt, dass der Rechtsöffnungsrichter kein materielles Urteil
erlässt, d.h. nicht über den Bestand der in Betreibung gesetzten Forderung,
sondern nur über deren Vollstreckbarkeit entscheidet (BGE 93 II 436 E. 2 S.
437; STAEHELIN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und
Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 68 zu Art. 84; STOFFEL/CHABLOZ, Voies d'exécution,
3. Aufl. 2016, § 4 Rz. 89). Entgegen der Ansicht der Vorinstanz hindert die
Erteilung der definitiven Rechtsöffnung im konkreten Fall nicht die Überprüfung
der Höhe des Unterhaltsbeitrages auf eine Klage nach Art. 85a SchKG hin (vgl.
STOFFEL/CHABLOZ, a.a.O., § 4 Rz. 114). Ihrer Argumentation, dass der
Rechtsöffnungsrichter die strittige Unterhaltsregelung gleichsam verbindlich
und definitiv ausgelegt habe, kann daher nicht gefolgt werden.

4.5. Der Beschwerdeführer dringt nach dem Gesagten in der Sache mit seinem
Hauptantrag durch. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache ist an
die Vorinstanz zur Neubeurteilung der Berufung der Beschwerdegegnerin
zurückzuweisen. Die Prüfung der weiteren Rügen, wie der Vorwurf der Verletzung
des rechtlichen Gehörs, erübrigt sich.

5. 
Ausgangsmäss sind die Gerichtskosten zu einem Fünftel dem Beschwerdeführer und
zu vier Fünfteln der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der
Beschwerdeführer hat der Beschwerdegegnerin eine herabgesetzte
Parteientschädigung zu leisten. Der Beschwerdegegnerin kann die unentgeltliche
Prozessführung bewilligt werden (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Ihrer
Rechtsanwältin ist aus der Bundesgerichtskasse eine angemessene Entschädigung
auszurichten.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und das Urteil des Obergerichts des
Kantons Solothurn vom 22. April 2015 wird aufgehoben. Die Sache wird zur
Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im
Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Das Gesuch der Beschwerdegegnerin um unentgeltliche Rechtspflege für das
bundesgerichtliche Verfahren wird gutgeheissen, soweit es nicht gegenstandslos
ist, und es wird ihr Rechtsanwältin Alexandra Imhof als Rechtsbeiständin
beigegeben.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden zu 1/5 dem Beschwerdeführer und zu 4
/5 der Beschwerdegegnerin auferlegt. Der Anteil der Beschwerdegegnerin wird
vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.

4. 
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen. Im Falle der Uneinbringlichkeit der
Parteientschädigung wird Rechtsanwältin Alexandra Imhof aus der Gerichtskasse
eine Entschädigung von Fr. 800.-- ausgerichtet.

5. 
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 4'000.-- zu entschädigen.

6. 
Rechtsanwältin Alexandra Imhof wird aus der Gerichtskasse eine Entschädigung
von Fr. 3'000.-- ausgerichtet.

7. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn,
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. April 2016
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Escher

Der Gerichtsschreiber: Levante

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