Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.410/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_410/2015

Urteil vom 9. Juni 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Herrmann, Schöbi,
Gerichtsschreiber von Roten.

Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
Kläger und Beschwerdeführer,

gegen

1. B.A.________,
2. C.A.________,
3. D.A.________,
4. E.A.________,
5. F.A.________,
6. G.A.________,
7. K.K.________,
5 und 6 vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jean-Philippe Klein,
Beklagte und Beschwerdegegner.

Gegenstand
erbrechtliche Streitigkeit,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 21.
April 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. H.A.________, G.A.________, F.A.________ und L.K.-A.________ sind die
Kinder der Ehegatten I.A.________, gestorben im Jahr 1943, und J.A.________,
gestorben im Jahr 1978.

A.b. H.A.________ schloss am 3. September 1999 mit dem Staatsarchiv des Kantons
Thurgau im Namen der "Familie A.________" einen Hinterlegungsvertrag betreffend
das Archiv des Thurgauischen Gerichtsherrenstandes 1504-1804. Das sog.
Gerichtsherrenarchiv befindet sich seither als Dauerleihgabe im Staatsarchiv.

A.c. Im Jahr 2000 starb L.K.-A.________. Einzige Erbin ist ihre Tochter
K.K.________.

A.d. H.A.________ starb im Jahr 2008. Seine Erben sind die Ehefrau B.A.________
und die Kinder A.A.________, C.A.________, D.A.________ und E.A.________.

A.e. A.A.________ verlangte im Mai 2011 vom Staatsarchiv und im November 2012
vom Kanton Thurgau erfolglos die Herausgabe des Gerichtsherrenarchivs. Eine
Herausgabe-, eventuell Schadenersatzklage gegen den Kanton Thurgau zog er im
März 2013 zurück. Andere Mitglieder der Familie A.________ teilten der
Regierung des Kantons Thurgau mit, dass sie den Hinterlegungsvertrag als gültig
erachteten.

B.

B.a. Im April 2013 hob A.A.________ (Kläger) ein erbrechtliches Verfahren gegen
die Nachkommen seines Grossvaters an, d.h. gegen seine Mutter und seine
Geschwister als Miterben seines Vaters (Beklagte 1-4), gegen seine beiden Onkel
(Beklagte 5 und 6) sowie gegen seine Cousine (Beklagte 7). Als erstgeborener
Sohn der Familie A.________ beanspruchte er das Gerichtsherrenarchiv und zwei
Adelsbriefe zu Eigentum. Seine Begehren lauteten zunächst dahin, ihm den
Nachlass seines Grossvaters betreffend Gerichtsherrenarchiv und Adelsbriefe
zuzuweisen. Anwaltlich neu vertreten beantragte der Kläger dem Bezirksgericht
Münchwilen die Feststellung, dass der Nachlass seines Grossvaters vollständig
geteilt ist und dass das Gerichtsherrenarchiv und die Adelsbriefe durch
Realteilung an seinen Vater übergegangen sind. Im Eventualstandpunkt verlangte
er die Teilung des grossväterlichen Nachlasses und die Zuweisung des
Gerichtsherrenarchivs und der Adelsbriefe an die Erbengemeinschaft seines
Vaters. Mit ihren Gegenrechtsbegehren brachten die Beklagten im Wesentlichen
zum Ausdruck, dass sie sich am Prozess nicht beteiligten (Beklagte 3, 4 und 7)
oder an der Hinterlegung der Urkunden im Staatsarchiv nichts ändern wollten
(Beklagte 1, 2, 5 und 6).

B.b. Das Bezirksgericht Münchwilen führte am 29. April 2014 die
Hauptverhandlung durch, erliess am 25. September 2014 einen Beweisbeschluss und
lud am 30. Oktober 2014 auf den 9. Dezember 2014 zur Beweisverhandlung vor. Mit
Brief vom 1. November 2014 erklärte der Kläger dem Beklagten 6, zu dessen
Gunsten auf die Adelsbriefe und auf das Gerichtsherrenarchiv unwiderruflich zu
verzichten. Eine Kopie des Briefes stellte der Kläger dem Präsidenten des
Bezirksgerichts zu. Das Bezirksgericht gab den Parteien davon Kenntnis und
Gelegenheit zur Stellungnahme. Die auf den 9. Dezember 2014 angesetzte
Beweisverhandlung wurde auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.

B.c. Das Bezirksgericht beschloss am 9. Dezember 2014, das Verfahren werde
zufolge fehlenden Rechtsschutzinteresses des Klägers als erledigt vom Protokoll
abgeschrieben, habe doch der Kläger persönlich sowohl gegenüber dem Gericht als
auch gegenüber dem Beklagten 6 gültig und unwiderruflich seinen Verzicht auf
die Adelsbriefe und das Gerichtsherrenarchiv ausgesprochen und deshalb kein
schutzwürdiges Interesse an der Beurteilung seiner Klage mehr (Entscheid vom 9.
Dezember 2014).

C.

 Auf Berufung des Klägers hin bestätigte das Obergericht des Kantons Thurgau
den bezirksgerichtlichen Abschreibungsbeschluss (Entscheid vom 21. April 2015).

D.

 Mit Eingabe vom 12./13. Mai 2015 beantragt der Kläger dem Bundesgericht
sinngemäss, den obergerichtlichen Entscheid aufzuheben und den Präsidenten des
Bezirksgerichts zur Edition zweier Beweise anzuhalten. Es sind die kantonalen
Akten, hingegen keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

Erwägungen:

1.

 Der angefochtene Entscheid betrifft einen Erbteilungsstreit und damit eine
Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG) in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit,
deren Streitwert gemäss den Angaben des Klägers und den obergerichtlichen
Feststellungen (E. 6 S. 16) Fr. 500'001.-- beträgt und damit den gesetzlichen
Mindestbetrag übersteigt (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG; BGE 127 III 396 E. 1b/cc
S. 398). Er ist kantonal letztinstanzlich (Art. 75 BGG), lautet zum Nachteil
der Klägers (Art. 76 Abs. 1 BGG) und schliesst das kantonale Verfahren ab (Art.
90 BGG). Im Gegensatz zum Abschreibungsbeschluss nach Vergleich,
Klageanerkennung oder Klagerückzug (Art. 241 ZPO; BGE 139 III 133 E. 1.2) kann
der Abschreibungsbeschluss wegen nachträglichen Wegfalls des schutzwürdigen
Interesses im Sinne von Art. 242 ZPO mit der Beschwerde in Zivilsachen
angefochten werden (Urteil 4A_272/2014 vom 9. Dezember 2014 E. 1). Die
fristgerecht (Art. 100 Abs. 1 BGG) erhobene Beschwerde ist grundsätzlich
zulässig.

2.

 Die kantonale Berufung hatte die Frage zum Gegenstand, ob der Kläger gegenüber
dem Gericht und gegenüber dem Beklagten 6 rechtswirksam erklärt hat, zu Gunsten
des Beklagten 6 auf seine Ansprüche an den eingeklagten Gegenständen
(Gerichtsherrenarchiv und Adelsbriefe) zu verzichten. Das Obergericht hat - wie
zuvor das Bezirksgericht - dafürgehalten, die Verzichtserklärung des Klägers
vom 1. November 2014 sei rechtsverbindlich (E. 4d S. 14 f. des angefochtenen
Entscheids). Der Kläger nimmt auf diese gerichtliche Beurteilung ausdrücklich
Bezug, rügt sie aber lediglich als Ausrede und legt damit nicht dar, inwiefern
der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 140 III 86 E. 2 S.
89 und 115 E. 2 S. 116). Soweit sie die Gültigkeit der Verzichtserklärung
betrifft, kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden. In Anbetracht
dessen ist davon auszugehen, dass der Kläger auf seine Ansprüche an den
eingeklagten Gegenständen zugunsten des Beklagten 6 wirksam verzichtet hat. Mit
seinem Verzicht ist das schutzwürdige Interesse an der Beurteilung seiner Klage
nachträglich entfallen (vgl. BGE 114 II 189 E. 2 S. 190; 122 III 279 E. 3a S.
282), so dass das Verfahren abzuschreiben war (vgl. BGE 136 III 497 E. 2.1 S.
500).

3.

 Eine Verletzung seines Beweisführungsanspruchs erblickt der Kläger darin, dass
seinem am 26. November 2013 in der Replik gestellten Editionsbegehren
betreffend die Adelsbriefe nicht entsprochen worden sei, mit denen er sein
besseres Recht an der Zuweisung der historischen Urkunden hätte beweisen wollen
(S. 8 f. Rz. 31-34 der Replik, act. 35 der bezirksgerichtlichen Akten). Das
Obergericht ist darauf eingegangen und hat festgehalten, im Zeitpunkt der
Verzichtserklärung sei das Beweisverfahren noch nicht abgeschlossen gewesen,
vor dessen Abschluss aber vom Kläger der Verzicht auf seine Ansprüche an den
eingeklagten Gegenständen erklärt worden, so dass die Berufungsanträge des
Klägers, den Gerichtspräsidenten aufzufordern, die genannten Beweise endlich in
sein Verfahren aufzunehmen, ins Leere stiessen (E. 5b S. 15 f. des
angefochtenen Entscheids). Die obergerichtliche Beurteilung der klägerischen
Editionsbegehren kann nicht beanstandet werden. Die beweispflichtige Partei hat
zwar in allen bundesrechtlichen Zivilstreitigkeiten einen Anspruch darauf, für
rechtserhebliche Vorbringen zum Beweis zugelassen zu werden, wenn ihr
Beweisantrag nach Form und Inhalt den Vorschriften des anwendbaren
Prozessrechts entspricht (Art. 8 ZGB; BGE 133 III 295 E. 7.1 S. 299). Zum
Beweis unerheblicher Tatsachen zugelassen zu werden, verleiht das Bundesrecht
jedoch keinen Anspruch (BGE 132 III 222 E. 2.3 S. 226), und unerheblich wurde
die Tatsachengrundlage für das bessere Recht an den eingeklagten Gegenständen,
nachdem der Kläger darauf zugunsten des Beklagten 6 rechtswirksam verzichtet
hatte und damit das schutzwürdige Interesse an der Beurteilung seiner
Klagebegehren dahingefallen war (E. 2 hiervor). Soweit sie sich gegen die
Verweigerung der Urkundenedition richtet, muss die Beschwerde abgewiesen
werden.

4.

 Die Schilderungen des Klägers zum Verhalten von Thurgauer Medien und
Behördenmitgliedern sowie zu Erlebnissen am Bezirksgericht stehen in keinem
erkennbaren Zusammenhang mit dem angefochtenen Entscheid. Dessen
Rechtswidrigkeit ist nicht dargetan (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 140 III 86 E. 2 S.
89 und 115 E. 2 S. 116).

5.

 Insgesamt muss die Beschwerde abgewiesen werden, soweit darauf einzutreten
ist. Der Kläger wird damit kosten-, nicht hingegen entschädigungspflichtig,
zumal keine Vernehmlassungen eingeholt wurden (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs.
1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden dem Kläger und Beschwerdeführer
auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. Juni 2015

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: von Roten

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