Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.408/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_408/2015

Urteil vom 8. Oktober 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Schöbi, Bovey,
Gerichtsschreiber von Roten.

Verfahrensbeteiligte
1. A.________,
2. B.________,
Beschwerdeführerinnen,

gegen

Vermessungskommission der Gemeinde U.________.

Gegenstand
kantonale Rechtsverweigerungsbeschwerde (amtliche Vermessung),

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Wallis, I. Zivilrechtliche
Abteilung, vom 23. März 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________ und B.________ (Beschwerdeführerinnen) bilden eine Erbengemeinschaft
und sind Gesamteigentümerinnen mehrerer Grundstücke auf dem Gebiet der früheren
Gemeinde V.________ (...). Die Grundstücke wurden in die amtliche Vermessung
einbezogen. Gegen öffentlich aufgelegte Vermessungsdokumente erhoben die
Beschwerdeführerinnen Einsprache. Die Vermessungskommission der Gemeinde
U.________ entschied über die Einsprache am 2. Dezember 2013. In der
Rechtsmittelbelehrung wurde darauf hingewiesen, dass gegen diese Verfügung
innert 30 Tagen nach Erhalt Klage beim Bezirksgericht W.________ erhoben werden
kann.

B. 
Am 28./29. Januar 2014 hinterlegten die Beschwerdeführerinnen beim
Bezirksgericht W.________ eine Eingabe mit dem Titel " Klage zum
Einspracheentscheid der Vermessungskommission Gemeinde U.________ vom 2.
Dezember 2013 (Art. 16 Abs. 4 Gesetz über die amtliche Vermessung und
Geoinformation) ".

B.a. Soweit die unrichtige Feststellung von Grenzen und Eigentumsformen gerügt
wurde, trat das Bezirksgericht auf die Klage nicht ein, weil keine Eigentümer
benachbarter Grundstücke als Gegenparteien bezeichnet wurden (E. 6-8 und
Dispositiv-Ziff. 1a). Was die gegenüber der Vermessungskommission erhobenen
Verfahrensrügen angeht, überwies das Bezirksgericht das Verfahren
zuständigkeitshalber an den Staatsrat des Kantons Wallis als
Vermessungsaufsichtsbehörde (E. 3-5 und Dispositiv-Ziff. 1b des Entscheids vom
11. März 2014). In der Rechtsmittelbelehrung wurde darauf hingewiesen, dass der
vorliegende Entscheid mit Berufung anfechtbar ist.

B.b. Der Staatsrat des Kantons Wallis trat auf die überwiesene Beschwerde nicht
ein mit der Begründung, dass der Staatsrat für die Behandlung der Beschwerde
nicht zuständig ist, wenn der Rechtsweg an das Zivilgericht offensteht
(Dispositiv-Ziff. 1). Er überwies das Verfahren zuständigkeitshalber an das
Bezirksgericht zurück (Dispositiv-Ziff. 2 des Entscheids vom 13. August 2014).
In der Rechtsmittelbelehrung wurde darauf hingewiesen, dass vorliegender
Entscheid innert 30 Tagen mit Beschwerde bei der öffentlich-rechtlichen
Abteilung des Kantonsgerichts angefochten werden kann.

B.c. Das Bezirksgericht erwog, dass sich die Klage der Beschwerdeführerinnen
gegen die Eigentümer von Nachbarparzellen, denen gegenüber Eigentum beansprucht
wird, und nicht gegen die Vermessungskommission zu richten hat und dass das
Zivilgericht für die Beurteilung von Verfahrensrügen gegenüber der
Vermessungskommission nicht zuständig ist. Das Bezirksgericht hielt an seinem
Nichteintreten auf die Klage fest (Entscheid vom 25. August 2014). In der
Rechtsmittelbelehrung wurde darauf hingewiesen, dass der vorliegende Entscheid
mit Berufung anfechtbar ist.

C. 
Die Beschwerdeführerinnen erhoben am 2. Oktober 2014
Rechtsverweigerungsbeschwerde. Das Kantonsgericht Wallis lehnte es ab, mittels
Rechtsverweigerungsbeschwerde die Entscheide des Bezirksgerichts vom 11. März
2014 und des Staatsrates vom 13. August 2014 zu überprüfen. Es nahm die
Rechtsverweigerungsbeschwerde als Berufung gegen den Entscheid des
Bezirksgerichts vom 25. August 2014 entgegen, wies eine die Berufung ergänzende
Eingabe der Beschwerdeführerinnen vom 27. Oktober 2014 aus dem Recht (Verfügung
vom 23. März 2015) und trat auf die Berufung mangels gehöriger Begründung nicht
ein. Dispositiv-Ziff. 1 des kantonsgerichtlichen Urteils vom 23. März 2015
lautet: «Auf die "Rechtsverweigerungsbeschwerde" wird nicht eingetreten.».

D. 
Mit Eingabe vom 12. Mai 2015 beantragen die Beschwerdeführerinnen dem
Bundesgericht, die Verfügung und das Urteil des Kantonsgerichts aufzuheben, die
aus den Akten gewiesene Eingabe zu den Akten zu nehmen und die Sache an das
Kantonsgericht zwecks materieller Befassung mit der
Rechtsverweigerungsbeschwerde zurückzuweisen. Der Präsident der II.
zivilrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts hat die Beschwerdeführerin 1
aufgefordert, innert zehn Tagen entweder nachzuweisen, dass sie die
gesetzlichen Voraussetzungen für die Vertretung der Beschwerdeführerin 2
erfüllt, oder ein von der Beschwerdeführerin 2 persönlich unterzeichnetes
Exemplar der Eingabe vom 12. Mai 2015 einzureichen (Verfügung vom 18. August
2015). Innert Frist hat die Beschwerdeführerin 1 eine von der
Beschwerdeführerin 2 ebenfalls unterzeichnete Beschwerdeschrift eingereicht und
die Korrektur offensichtlicher Fehler in der Eingabe angezeigt. Es sind die
kantonalen Akten, hingegen keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

Erwägungen:

1. 
Dem angefochtenen Urteil liegt das Nichteintreten auf eine Klage betreffend die
Feststellung von Grenzen und Eigentumsformen zugrunde und damit eine Zivilsache
(Art. 72 Abs. 1 BGG) in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit, deren
Streitwert sich nach dem Nutzen oder dem objektiven Wert der umstrittenen
Grundstücksfläche richtet, den Beschwerdeführerinnen zufolge (S. 4 Ziff. 3.6)
rund Fr. 35'000.-- beträgt und damit den gesetzlichen Mindestbetrag von Fr.
30'000.-- übersteigt (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG; Urteile 5A_769/2011 vom 2.
März 2012 E. 1 und 5D_77/2011 vom 23. Juni 2011 E. 1). Das angefochtene Urteil
ist kantonal letztinstanzlich (Art. 75 BGG), lautet zum Nachteil der
Beschwerdeführerinnen (Art. 76 Abs. 1 BGG) und schliesst das kantonale
Verfahren ab (Art. 90 BGG). Da es auf Nichteintreten lautet, ist der blosse
Aufhebungs- und Rückweisungsantrag zulässig (BGE 138 III 46 E. 1.2 S. 48). Die
Beschwerdeführerinnen haben ihre Eingabe am letzten Tag der Frist in den
Briefkasten geworfen und dafür auf dem Briefumschlag zwei Zeugen vermerkt. Auf
deren Einvernahme kann ausnahmsweise verzichtet werden, da sich die Beschwerde
aus nachstehenden Gründen als unbegründet bzw. unzulässig erweist. Mit diesem
Vorbehalt ist auf die Beschwerde einzutreten.

2. 
Die Beschwerdeführerinnen berufen sich auf ihr Vertrauen in die
Rechtsmittelbelehrung gemäss dem Einspracheentscheid der Vermessungskommission.
Sie machen geltend, das Bezirksgericht, der Staatsrat, der vorgängig um
Auskunft angefragte Amtsjurist und letztlich auch das Kantonsgericht wüssten
nicht um das zulässige Rechtsmittel zur amtlichen Vermessung (S. 6 ff. Ziff.
7-10 der Beschwerdeschrift).

2.1. Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 und Art. 9 BV)
leitet die Rechtsprechung ab, dass den Parteien aus einer unrichtigen
Rechtsmittelbelehrung keine Nachteile erwachsen dürfen. Eine Partei ist
freilich nur dann geschützt, wenn sie sich nach Treu und Glauben auf die
fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung verlassen durfte. Wer die Unrichtigkeit
erkannte oder bei gebührender Aufmerksamkeit hätte erkennen können, kann sich
nicht auf den Vertrauensschutz berufen. Nur eine grobe prozessuale Unsorgfalt
der betroffenen Partei oder ihres Anwalts vermag eine unrichtige
Rechtsmittelbelehrung aufzuwiegen. Der Vertrauensschutz versagt dann, wenn die
Partei oder ihr Anwalt die Mangelhaftigkeit der Rechtsmittelbelehrung allein
schon durch Konsultierung der massgebenden Verfahrensbestimmung hätten bemerken
können. Dass sie neben den Gesetzestexten auch noch die einschlägige
Rechtsprechung oder Literatur nachschlagen, wird hingegen nicht erwartet. Wann
eine grobe prozessuale Unsorgfalt vorliegt, beurteilt sich nach den konkreten
Umständen und den Rechtskenntnissen der betreffenden Person. Die gegenüber
Anwälten gestellten Anforderungen sind naturgemäss erhöht. Von ihnen wird in
jedem Fall eine "Grobkontrolle" der Rechtsmittelbelehrung erwartet (BGE 138 I
49 E. 8.3.2 S. 53 f.; zur Veröffentlichung bestimmtes Urteil 5A_878/2014 vom
17. Juni 2015 E. 3.3).

2.2. In rechtlicher Hinsicht ergibt sich Folgendes:

2.2.1. Die amtliche Vermessung, auf deren Grundlage die Aufnahme und
Beschreibung der einzelnen Grundstücke im Grundbuch erfolgt (Art. 950 ZGB), ist
gemäss dem Bundesgesetz über Geoinformation (Geoinformationsgesetz, GeoIG; SR
510.62) eine Verbundaufgabe. Der Bund regelt die Grundzüge der amtlichen
Vermessung und des Verfahrens (Art. 29 ff. GeoIG.), delegiert die Durchführung
aber an die Kantone (Art. 34 Abs. 2 lit. a GeoIG). Die Grundzüge des Verfahrens
(Art. 32 Abs. 2 GeoIG) finden sich in der Verordnung des Bundesrates über die
amtliche Vermessung (VAV; SR 211.432.2). Auf kantonaler Ebene besteht das
Gesetz über die amtliche Vermessung und Geoinformation (VermG; SGS/VS 211.6).
Unterschieden werden die Vermarkung (Art. 11 ff. VAV und Art. 13 ff. VermG)
sowie die Ersterhebung, Erneuerung und Nachführung (Art. 18 ff. VAV sowie Art.
18 ff. und Art. 26 ff. VermG).

2.2.2. Die Vermarkung umfasst die Grenzfeststellung und das Anbringen von
Grenzzeichen (Art. 11 Abs. 1 VAV). Die Kantone erlassen im Rahmen dieser
Verordnung Vorschriften über die rechtsgültige Vermarkung (Art. 12 VAV). Bei
einer Neuvermessung (Erstvermessung oder Erneuerung) wird die Vermarkung
öffentlich aufgelegt. Der Rechtsstreit gegen die Vermarkung ist eine
zivilrechtliche Streitigkeit ( SCHMID, Basler Kommentar, 2015, N. 9 zu Art. 950
ZGB). Die Grenzfeststellung der Grundstücke ist gemäss Art. 15 VermG Pflicht
der Eigentümer (Abs. 1) und wird von der Vermessungskommission vorgenommen,
wenn sich die Eigentümer nicht einigen können (Abs. 3). In Art. 16 VermG ist
vorgesehen, dass die Skizzen der Grenzfeststellung öffentlich aufgelegt (Abs.
1) und die betroffenen Eigentümer davon in Kenntnis gesetzt werden (Abs. 2),
die innerhalb der Auflagefrist gegen die Grenzfeststellung bei der
Vermessungskommission begründete Einsprache erheben können (Abs. 3). Gegen den
Einspracheentscheid können die Eigentümer innert 30 Tagen beim Zivilrichter
Klage erheben. Die Schweizerische Zivilprozessordnung ist anwendbar (Art. 16
Abs. 4 VermG).

2.2.3. Ausführlicher sind die Grundzüge des Verfahrens für die Ersterhebung und
Erneuerung der amtlichen Vermessung geregelt. Art. 28 VAV verlangt nach deren
Abschluss eine öffentliche Auflage mit Einspracheverfahren (Abs. 1), legt den
Gegenstand der öffentlichen Auflage fest (Abs. 2) und schreibt den Kantonen vor
(Abs. 3), dass die öffentliche Auflage während 30 Tagen erfolgt (lit. a) und
amtlich veröffentlicht wird (lit. b), dass Grundeigentümer, deren Adresse
bekannt ist, zusätzlich mit normaler Post über die Auflage und die ihnen
zustehenden Rechtsmittel informiert werden (lit. c) und auf Verlangen eine
Ausschnittskopie aus dem Plan für das Grundbuch zugestellt erhalten (lit. d),
dass gegen den Einspracheentscheid ein Rechtsmittel an eine kantonale Behörde
erhoben werden kann, die den Entscheid uneingeschränkt überprüft (lit. e), und
dass in letzter kantonaler Instanz ein Rechtsmittel an ein Gericht im Sinne von
Art. 75 Abs. 2 BGG möglich ist (lit. f). Gegenstand des Einspracheverfahrens
ist die richtige Übernahme der Vermarkung in das Vermessungswerk. Die
zivilrechtliche Klage auf Feststellung des Eigentums ist auch nach Eintritt der
Rechtskraft des Vermessungswerks zulässig (Schmid, a.a.O., N. 19 f. zu Art. 950
ZGB). Das kantonale Recht regelt das Verfahren gleich wie für die Vermarkung.
Insbesondere können die Eigentümer gegen die Dokumente der amtlichen Vermessung
bei der Vermessungskommission begründete Einsprache und gegen den
Einspracheentscheid innert 30 Tagen beim Zivilrichter Klage erheben. Die
Schweizerische Zivilprozessordnung ist anwendbar (Art. 19 Abs. 3 und 4 VermG).

2.3. Die Rechtsmittelbelehrung der Vermessungskommission (Bst. A) entspricht
dem klaren Gesetzeswortlaut. Im Einzelnen ergibt sich zum angerufenen
Vertrauensschutz, was folgt:

2.3.1. Die Vermessungskommission hat darüber belehrt, dass gegen ihren
Einspracheentscheid innert 30 Tagen Klage beim Bezirksgericht erhoben werden
kann. Nicht angegeben wird, um welche Klage es sich handelt und dass das
Bezirksgericht als Zivilgericht anzurufen und die ZPO anzuwenden ist. Ob solche
zusätzlichen Angaben in einer Rechtsmittelbelehrung enthalten sein müssen, kann
dahingestellt bleiben, hat doch die Beschwerdeführerin 1, die gemäss
Briefpapier über ein Lizentiat der Rechte und ein Anwaltsdiplom verfügt und die
Beschwerdeführerin 2 im kantonalen Verfahren vertreten hat, alle sich
stellenden Fragen aufgrund der Gesetzesbestimmungen beantworten können und
beantwortet. Die Beschwerdeführerinnen haben ihre Klage auf Art. 16 Abs. 4
VermG gestützt und beim Zivilgericht eingereicht (S. 1 und 9) und Bestimmungen
der ZPO angerufen (z.B. betreffend Fristwahrung, S. 2 der Klagedenkschrift). Es
geht ihnen zur Hauptsache um den Verlust von Grundstücksfläche zufolge der
amtlichen Vermessung und um Eigentumsformen, d.h. um Abgrenzungen gegenüber
Nachbargrundstücken und innerhalb von Grundstücken (Gesamt-, Mit-, Stockwerk-
und/oder Alleineigentum). Insofern bedürfen die Beschwerdeführerinnen keines
Vertrauensschutzes in eine allenfalls unvollständige Rechtsmittelbelehrung.

2.3.2. Aus Art. 221 ZPO mit der Marginalie "Klage" geht hervor, dass die Klage
die Bezeichnung der Parteien und allfälliger Vertreterinnen und Vertreter zu
enthalten hat (Abs. 1 lit. a). Da die Beschwerdeführerinnen ihre Klage
insbesondere damit begründet hatten, nach der amtlichen Vermessung fehlten
ihnen rund 1'000 m2 an Grundstücksfläche, hätten sie ihre Klage
naheliegenderweise gegen diejenigen Grundeigentümer richten müssen, deren
Grundstücksgrenzen im Falle einer Gutheissung der Klage geändert oder neu
vermessen werden müssen. Dasselbe gilt für die beanstandeten Eigentumsformen,
so dass die Klage gegen die angeblichen Gesamt-, Mit-, Stockwerk- und/oder
Alleineigentümer hätte gerichtet werden müssen. Dass die Klage die Bezeichnung
der Parteien zu enthalten hat, ist durch einfaches Nachschlagen im Gesetz
feststellbar. Auch diesbezüglich geniessen die Beschwerdeführerinnen keinen
Vertrauensschutz. Gleich verhält es sich mit der Klagebewilligung, die gemäss
Art. 221 Abs. 2 lit. b ZPO der Klage beizulegen und mangels
Ausnahmetatbestandes in Art. 198 ZPO vorgängig einzuholen ist, wie es Art. 197
ZPO vorschreibt.

2.3.3. Trotz allenfalls unvollständiger Belehrung über die Anfechtung des
Einspracheentscheids durch die Vermessungskommission können die
Beschwerdeführerinnen keinen Vertrauensschutz anrufen. Sie haben die im
kantonalen Recht vorgesehene Klage gemäss ZPO ergriffen (E. 2.2.2 oben) und
hätten die Anforderungen an die Klage den einschlägigen Bestimmungen der ZPO
ohne weiteres entnehmen können. Daran vermag ihr Vorbringen nichts zu ändern,
die Beschwerdeführerin 1 sei entgegen ihrem Briefpapier nicht als Anwältin,
sondern im Anstellungsverhältnis als Juristin tätig. Sie ist zum Nachschlagen
der Gesetzestexte verpflichtet und in der Lage.

3. 
Das Kantonsgericht hat die Rechtsverweigerungsbeschwerde gegen die Entscheide
des Bezirksgerichts vom 11. März 2014 und des Staatsrates vom 13. August 2014
für unzulässig erklärt, weil beide Entscheide inzwischen unangefochten in
Rechtskraft erwachsen seien. Die Beschwerdeführerinnen wenden dagegen ein, die
Feststellung, ihre Rechtsverweigerungsbeschwerde richte sich gegen sämtliche
Entscheide, sei aktenwidrig und die Behauptung, sie hätten gegen die beiden
Nichteintretensentscheide entsprechende Rechtsmittel einreichen müssen, treffe
nicht zu (S. 5 f. Ziff. 5 und 6 der Beschwerdeschrift).

3.1. Rechtsbegehren sind anhand der Begründung auszulegen (BGE 137 III 617 E.
6.2 S. 622). Es mag zutreffen, dass die Begehren der Beschwerdeführerinnen
nicht ausdrücklich gegen die beiden besagten Nichteintretensentscheide
gerichtet waren. In ihrer Begründung aber haben die Beschwerdeführerinnen zu
einem eigentlichen Rundumschlag gegen sämtliche Behörden und Entscheide
ausgeholt und in ihren Begehren die Bestimmung der zuständigen Behörde
verlangt. Die Prüfung der Begehren anhand der Begründung hat somit mitumfasst,
ob die nicht innert Frist angefochtenen Nichteintretensentscheide der
Bestimmung der Zuständigkeit entgegenstünden. Die Feststellung ist deshalb
nicht aktenwidrig (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. zum Begriff: BGE 93 I 1 E. 3 S. 7),
die Beschwerdeführerinnen hätten sich auch gegen die Entscheide des
Bezirksgerichts vom 11. März 2014 und des Staatsrates vom 13. August 2014
gewendet.

3.2. Das Bezirksgericht ist auf die Klage nicht eingetreten, weil sich die
Klage betreffend Feststellung von Grenzen und Eigentumsformen gegen Eigentümer
von Nachbargrundstücken richten müsse, hier aber gegen die
Vermessungskommission richte (Bst. B.a oben). Dieser Nichteintretensentscheid
(Dispositiv-Ziff. 1a) beendet das Verfahren vor Bezirksgericht (Art. 236 Abs. 1
ZPO) und ist als erstinstanzlicher Endentscheid bei einem Streitwert von rund
Fr. 35'000.-- mit Berufung anfechtbar (Art. 308 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 ZPO).

3.3. Der Staatsrat hat die Zivilgerichte als zuständig erachtet (Bst. B.b oben)
und hatte deshalb förmlich auf Nichteintreten zu erkennen (Gygi,
Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl. 1983, S. 84; Kölz/ HÄNER/BERTSCHI,
Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl. 2013, Rz.
398 S. 140; je mit Hinweisen). Dieser Nichteintretensentscheid
(Dispositiv-Ziff. 1) unterliegt als letztinstanzliche Verfügung einer
Verwaltungsbehörde der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Kantonsgericht
(Art. 72 des kantonalen Gesetzes über das Verwaltungsverfahren und die
Verwaltungsrechtspflege, VVRG; SGS/VS 172.6). An einer Beschwerde dagegen
hätten die Beschwerdeführerinnen - entgegen ihrer heutigen Darstellung - auch
ein Interesse gehabt, gehen sie doch selber davon aus, gegen
Einspracheentscheide der Vermessungskommission stehe (auch) der Beschwerdeweg
offen, der ihnen nicht unter Hinweis auf den Klageweg verschlossen werden dürfe
(Art. 42 VermG und Art. 43 Abs. 1 VVRG).

3.4. Daran, dass die Verfahren vor dem Bezirksgericht und vor dem Staatsrat
beendet und deren Entscheide mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen sind,
ändert auch die jeweilen auf Art. 7 Abs. 3 VVRG gestützte Überweisung der Sache
an die zuständige Behörde nichts. Für die überweisende Behörde ist das
Verfahren durch Nichteintretensentscheid mit Bezug auf die beantwortete
Eintretensfrage beendet, auch wenn dank der Überweisung die kantonale Frist zur
Klage als gewahrt gilt und in diesem Sinn die Rechtshängigkeit der Eingabe
vorerst aufrecht erhalten bleibt (vgl. BGE 123 II 231 E. 8d S. 240; 130 II 65
E. 7.2 und E. 7.3 S. 81 f.).

3.5. Gegenüber den unangefochten gebliebenen Entscheiden des Bezirksgerichts
und des Staatsrates durfte das Kantonsgericht ohne Verletzung von Bundesrecht
die Rechtsverweigerungsbeschwerde für unzulässig erklären. Die Möglichkeit,
gegen Rechtsverzögerung oder Rechtsverweigerung jederzeit Beschwerde
einzureichen (Art. 321 Abs. 4 ZPO), betrifft die Fälle, wo - anders als
vorliegend - kein anfechtbarer Entscheid ergangen ist (BGE 138 III 705 E. 2.1
S. 706).

4. 
Das Kantonsgericht hat die Rechtsverweigerungsbeschwerde gegen den Entscheid
des Bezirksgerichts vom 25. August 2014 für unzulässig gehalten und als
Berufung entgegengenommen, auf die es mangels formell genügender Begründung
nicht eingetreten ist. Die Beschwerdeführerinnen rügen die Auffassung als
falsch (S. 6 Ziff. 7) und die Erwägungen zur Umwandlung des Rechtsmittels
mangels Urteilsspruchs zur Berufung als gegenstandslos (S. 5 Ziff. 5 und S. 3
Ziff. 3.3 und 3.4 der Beschwerdeschrift).

4.1. Da das Bezirksgericht es mit Urteil vom 25. August 2014 abgelehnt hat, auf
die Klage einzutreten, liegt nach Auffassung des Kantonsgerichts kein mit
Rechtsverweigerungsbeschwerde, sondern ein mit Berufung (Art. 308 ff. ZPO)
anfechtbarer Entscheid vor. Inwiefern diese Auffassung bundesrechtswidrig sein
könnte, legen die Beschwerdeführerinnen in keiner die formellen Anforderungen
an die Beschwerdeschrift erfüllenden Art dar (Art. 42 Abs. 2 BGG). Sie
verweisen zum einen auf ihre Rechtsverweigerungsbeschwerde vor Kantonsgericht,
was unzulässig ist, zumal die Begründung in der Beschwerdeschrift selbst
enthalten sein muss (BGE 140 III 115 E. 2 S. 116). Zum anderen erheben sie
materielle Rügen gegen den bezirksgerichtlichen Nichteintretensentscheid und
setzen sich mit der formellen Betrachtungsweise des Kantonsgerichts nicht
ansatzweise auseinander (BGE 140 III 86 E. 2 S. 89). Die Entgegennahme der
Rechtsverweigerungsbeschwerde als Berufung kann deshalb nicht beanstandet
werden.

4.2. Urteilsdispositive sind anhand der Erwägungen auszulegen (BGE 129 III 626
E. 5.1 S. 630; 131 II 13 E. 2.3 S. 17). Den Erwägungen lässt sich entnehmen,
dass das Kantonsgericht die Rechtsverweigerungsbeschwerde gegenüber den
Entscheiden des Bezirksgerichts vom 11. März 2014 und des Staatsrates vom 13.
August 2014 für unzulässig erklärt, gegenüber dem Entscheid des Bezirksgerichts
vom 25. August 2014 aber als Berufung entgegengenommen hat und darauf nicht
eingetreten ist. Das Urteilsdispositiv hätte folglich lauten können «Auf die
Rechtsverweigerungsbeschwerde wird nicht eingetreten, soweit sie sich gegen die
Entscheide des Bezirksgerichts vom 11. März 2014 und des Staatsrates vom 13.
August 2014 richtet» und «Soweit sie sich gegen den Entscheid des
Bezirksgerichts vom 25. August 2014 richtet, wird die
Rechtsverweigerungsbeschwerde als Berufung entgegengenommen und darauf nicht
eingetreten». Dies alles hat das Kantonsgericht (verkürzt) mit der Formulierung
«Auf die "Rechtsverweigerungsbeschwerde" wird nicht eingetreten» zum Ausdruck
gebracht. Indem es "Rechtsverweigerungsbeschwerde" in Anführungs- und
Schlusszeichen gesetzt hat, hat es, wie sich das den Urteilserwägungen ohne
weiteres entnehmen lässt, ausreichend klar zum Ausdruck gebracht, dass es nicht
nur auf die Rechtsverweigerungsbeschwerde als solche, sondern auch auf die als
Berufung entgegengenommene Rechtsverweigerungsbeschwerde nicht eingetreten ist.
Es trifft zwar zu, wie es die Beschwerdeführerinnen bemängeln, dass das
Urteilsdispositiv das Wort "Berufung" nicht erwähnt, inhaltlich aber liegt auch
mit Bezug auf die Berufung ein Nichteintretensentscheid vor. Die angebliche
Unklarheit des Urteilsdispositivs hätten die Beschwerdeführerinnen im Übrigen
mit dem Rechtsbehelf der Erläuterung und Berichtigung gemäss Art. 334 ZPO
beseitigen lassen können und müssen, der der Beschwerde an sich vorgeht (Art.
75 Abs. 1 BGG; Urteile 5A_589/2012 vom 13. Dezember 2012 E. 3.2 und 5D_66/2014
vom 6. Oktober 2014 E. 2.3.2).

4.3. Auf die Begründung des Kantonsgerichts, weshalb auf die Berufung nicht
einzutreten sei, gehen die Beschwerdeführerinnen nicht ein, so dass sich eine
Prüfung der Frage erübrigt (BGE 140 III 86 E. 2 S. 88). Insgesamt kann der
Nichteintretensentscheid des Kantonsgerichts nicht beanstandet werden.

5. 
Das Kantonsgericht hat eine nachträgliche Ergänzung der Eingabe der
Beschwerdeführerinnen vom 2. Oktober 2014 nicht zugelassen und deren Eingabe
vom 27. Oktober 2014 förmlich aus den Akten gewiesen und den
Beschwerdeführerinnen retourniert. Gegen die daherige Verfügung wenden die
Beschwerdeführerinnen eine Verletzung von Art. 131 und Art. 132 Abs. 1 ZPO ein
(S. 8 f. Ziff. 11 der Beschwerdeschrift).

5.1. Werden Eingaben und Beilagen nicht in der erforderlichen Anzahl
eingereicht, kann das Gericht gemäss Art. 131 ZPO eine Nachfrist ansetzen oder
die notwendigen Kopien auf Kosten der Partei erstellen. Dem klaren Wortlaut der
Bestimmung lässt sich entgegen der Annahme der Beschwerdeführerinnen keine
Pflicht zur Ansetzung einer Nachfrist entnehmen. Vielmehr liegt eine
Kann-Vorschrift vor, die es dem pflichtgemässen Ermessen des Gerichts
überlässt, selber Kopien zu erstellen oder hierfür eine Nachfrist anzusetzen.
Inwiefern das Kantonsgericht mit seiner Verfügung vom 8. Oktober 2014 (act.
128), selber zu fotokopieren, sein Ermessen verletzt haben könnte, tun die
Beschwerdeführerinnen nicht dar.

5.2. Gemäss Art. 132 Abs. 1 ZPO sind Mängel wie fehlende Unterschrift und
fehlende Vollmacht innert einer gerichtlichen Nachfrist zu verbessern. Gestützt
darauf hat das Kantonsgericht mit Verfügung vom 8. Oktober 2014 (act. 128) eine
Nachfrist zur Einreichung der Vollmacht angesetzt, eine Nachfrist zur
inhaltlichen Verbesserung der Eingabe aber verweigert. Die Auslegung kann nicht
beanstandet werden. Art. 132 Abs. 1 ZPO entspricht Art. 42 Abs. 5 BGG, so dass
eine Nachfrist zur Ergänzung von Rechtsschriften, die den formellen
Anforderungen, wie sie sich aus Gesetz und Rechtsprechung ergeben, nicht
genügen, nicht gewährt werden kann (BGE 137 III 617 E. 6.4 S. 622; Urteil
4A_463/2014 vom 23. Januar 2015 E. 1, nicht veröffentlicht in BGE 141 III 20).
Die Beschwerdeführerinnen haben deshalb keinen Anspruch auf Einreichung einer
ergänzenden oder verbesserten Eingabe nach Ablauf der Rechtsmittelfrist.

5.3. Aus den dargelegten Gründen erweist sich die angefochtene Verfügung nicht
als bundesrechtswidrig. Dass sie begründungslos sei, wie die
Beschwerdeführerinnen behaupten, trifft nicht zu. Die Begründung findet sich
auf S. 8 betreffend Art. 131 ZPO und auf S. 9 betreffend Art. 132 ZPO. Das
kantonsgerichtliche Urteil genügt somit den formellen Begründungsanforderungen,
auch wenn es in der sog. "Dass-Form" über elf Seiten hinweg verschiedene
formelle Streitpunkte beschlägt. Den Beschwerdeführerinnen ist zuzugeben, dass
dadurch die Les- und Nachvollziehbarkeit des angefochtenen Urteils erheblich
erschwert wird (vgl. Urteil 8C_7/2013 vom 3. April 2013 E. 1).

6. 
Alle weiteren Vorbringen und Rügen der Beschwerdeführerinnen stehen in keinem
erkennbaren Zusammenhang mit der angefochtenen Verfügung oder dem angefochtenen
Urteil, so dass darauf nicht einzutreten ist (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 140 III
86 E. 2 S. 89). Gegenstand der Beschwerde ist nicht die Bestimmung der
zuständigen kantonalen Behörde für die Anfechtung von Einspracheentscheiden
einer Vermessungskommission, sondern einzig die Frage, ob das Kantonsgericht
den Vertrauensschutz der Beschwerdeführerinnen in die Rechtsmittelbelehrung der
Vermessungskommission verneinen und auf ihr Rechtsmittel gegen die
erstinstanzlichen Nichteintretensentscheide nicht eintreten durfte (E. 2-5
oben).

7. 
Insgesamt muss die Beschwerde abgewiesen werden, soweit darauf einzutreten ist.
Die Beschwerdeführerinnen werden damit kosten-, nicht hingegen
entschädigungspflichtig, zumal keine Vernehmlassungen eingeholt wurden (Art. 66
Abs. 1 und 5 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden den Beschwerdeführerinnen unter
solidarischer Haftbarkeit auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführerinnen, der Vermessungskommission der
Gemeinde U.________ und dem Kantonsgericht Wallis, I. Zivilrechtliche
Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. Oktober 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: von Roten

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