Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.383/2015
Zurück zum Index II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2015
Retour à l'indice II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2015


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_383/2015

Urteil vom 18. November 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Marazzi, Herrmann,
Gerichtsschreiber Zbinden.

Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Häne,
Beschwerdeführer,

gegen

B.A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas Ris,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Ehescheidung (nachehelicher Unterhalt),

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, II. Zivilkammer,
vom 24. März 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die Eheleute A.A.________ (geb. 1952; Ehemann) und B.A.________ (geb. 1951;
Ehefrau) sind die Eltern zweier mittlerweile erwachsener Kinder (C.A.________,
geb. 1982 und D.A.________ geb. 1985). Nachdem sich die Eheleute in den
güterrechtlichen Belangen und beim Vorsorgeausgleich geeinigt hatten, schied
das Kreisgericht See-Gaster am 16. September 2013 die Ehe der Parteien und
genehmigte die Teilvereinbarung. Ferner verpflichtete es den Ehemann, der
Ehefrau ab Rechtskraft des Scheidungsurteils bis zu ihrem Eintritt in das
ordentliche Pensionsalter (voraussichtlich 1. Januar 2016) Fr. 7'975.-- pro
Monat und ab ihrem Eintritt in das ordentliche Pensionsalter bis zum Eintritt
des Ehemannes in das entsprechende Alter (voraussichtlich 1. September 2017)
monatlich Fr. 2'375.-- zu bezahlen. Ab Eintritt des Ehemannes in das
ordentliche Pensionsalter wurde sein Beitrag an den Unterhalt der Ehefrau auf
Fr. 900.-- pro Monat festgesetzt. Ferner regelte das Gericht die Anpassung der
Unterhaltsbeiträge an die Teuerung.

B. 
Auf Berufung beider Eheleute änderte das Kantonsgericht St. Gallen die
erstinstanzliche Unterhaltsregelung und verpflichtete den Ehemann, an den
Unterhalt der Ehefrau monatlich und im Voraus mit Fr. 6'400.-- ab Rechtskraft
des Entscheides bis zu ihrem Eintritt in das ordentliche AHV-Alter, mit Fr.
2'500.-- ab ihrem Eintritt in das ordentliche Pensionsalter bis zum Eintritt
des Ehemannes in das ordentliche AHV-Alter und mit Fr. 865.-- ab Eintritt des
Ehemannes in das ordentliche AHV-Alter beizutragen. Im Weiteren regelte es den
Ausgleich der Teuerung.

C. 
Der Ehemann (Beschwerdeführer) gelangt mit Beschwerde vom 8. Mai 2015
(Postaufgabe) an das Bundesgericht. Er beantragt, den Entscheid des
Kantonsgerichts mit Bezug auf die Verpflichtung zur Leistung eines
Unterhaltsbeitrages ab seinem Eintritt in das ordentliche AHV-Alter aufzuheben.
Eventuell sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache zu neuem
Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Regelung des Kantonsgerichts
betreffend Gerichtskosten und Parteientschädigung sei aufzuheben. Die
Gerichtskosten des Verfahrens vor dem Kantonsgericht seien im Umfang von 6/8
(Fr. 6'000.--) der Ehefrau (Beschwerdegegnerin) aufzuerlegen und die
Beschwerdegegnerin zu verpflichten, ihm unter dem Titel Gerichtskostenersatz
Fr. 1'000.-- zu bezahlen. Ferner sei die Beschwerdegegnerin zu verpflichten,
ihm für das Verfahren vor Kantonsgericht eine Parteientschädigung von Fr.
3'000.-- zu entrichten. Eventuell sei die Sache mit Bezug auf die
Gerichtskosten und die Parteientschädigung an das Kantonsgericht
zurückzuweisen.
Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde richtet sich gegen den Endentscheid einer letzten kantonalen
Instanz, die als oberes Gericht in seiner Eigenschaft als Rechtsmittelinstanz
über vermögensrechtliche Nebenfolgen der Ehescheidung entschieden hat (Art. 72
Abs. 1, 75 Abs. 1 und 90 BGG). Der Streitwert übersteigt Fr. 30'000.-- (Art. 74
Abs. 1 lit. b BGG). Die Beschwerde in Zivilsachen ist damit grundsätzlich
gegeben. Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 76 Abs. 1 BGG zur Beschwerde
berechtigt und die Beschwerdefrist ist eingehalten (Art. 100 Abs. 1 i.V.m. Art.
46 Abs. 1 lit. b BGG). Insofern kann auf die Beschwerde eingetreten werden.

2. 

2.1. Gemäss Art. 125 Abs. 1 ZGB besteht ein Anspruch auf nachehelichen
Unterhalt, soweit einem Ehegatten nicht zuzumuten ist, für den ihm gebührenden
Unterhalt unter Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge selbst
aufzukommen. Art. 125 ZGB sieht keine Befristung des nachehelichen Unterhalts
vor. Meist wird der Rentenanspruch indessen bis zum Eintritt des AHV-Alters des
Unterhaltspflichtigen zugesprochen (zur Aufteilung des nachehelichen Unterhalts
in Phasen entsprechend der absehbaren Entwicklung: Urteil 5A_671/2013 vom 29.
Juli 2014 E. 6.3.2). Unbefristet geschuldet ist der nacheheliche Unterhalt
jedoch, soweit der eine Ehegatte für den ihm zustehenden Bedarf nicht oder nur
teilweise aufzukommen vermag; diesfalls ist der andere Ehegatte bei
lebensprägender Ehe verpflichtet, diese Eigenversorgungslücke nach Massgabe
seiner Leistungsfähigkeit zu decken (Urteil 5A_435/2011 vom 14. November 2011
E. 3-5, in: FamPra.ch, 2012 S. 186/188 ff.).

2.2. Hat die Ehe, wie hier, bis zur Beendigung des Zusammenlebens (BGE 132 III
598 E. 9.2 S. 600) mehr als zehn Jahre gedauert oder sind aus ihr Kinder
hervorgegangen und erscheint deshalb das Vertrauen des Ansprechers auf
Fortführung der ehelichen Lebensverhältnisse als schutzwürdig, ist eine
Lebensprägung zu vermuten, soweit sie im Einzelfall nicht widerlegt wird
(Urteil 5A_275/2009 vom 25. November 2009 E. 2.1 und 2.2). Bei einer
lebensprägenden Ehe ist der Unterhaltsanspruch in drei Schritten zu prüfen:
Vorab ist der gebührende Unterhalt zu bestimmen, wofür die massgebenden
Lebensverhältnisse der Parteien festzustellen sind. Der gebührende Unterhalt
bemisst sich an dem in der Ehe zuletzt gemeinsam gelebten Standard. Auf dessen
Fortführung haben bei genügenden Mitteln beide Teile Anspruch; gleichzeitig
bildet der betreffende Standard aber auch die Obergrenze des gebührenden
Unterhalts. Verunmöglichen scheidungsbedingte Mehrkosten, den früheren
Lebensstandard aufrechtzuerhalten, hat der Unterhaltsgläubiger Anrecht auf die
gleiche Lebenshaltung wie der Unterhaltsschuldner. Sodann ist zu prüfen,
inwiefern die Ehegatten diesen Unterhalt je selber finanzieren können. Der
Vorrang der Eigenversorgung ergibt sich direkt aus dem Wortlaut von Art. 125
Abs. 1 ZGB. Ist sie einem Ehegatten vorübergehend oder dauerhaft nicht möglich
bzw. zumutbar, so dass er auf Unterhaltsleistungen des anderen angewiesen ist,
muss in einem dritten Schritt dessen Leistungsfähigkeit ermittelt und ein
angemessener Unterhaltsbeitrag festgesetzt werden; dieser beruht auf dem
Prinzip der nachehelichen Solidarität (BGE 137 III 102 E. 4.2 S. 106; 135 III
158 E. 4.3 S. 160; 134 III 145 E. 4 S. 146; siehe zum Ganzen nunmehr das zur
Publikation bestimmte Urteil 5A_43/2015 vom 13. Oktober 2015 E. 3).

3. 
Strittig ist vorliegend ausschliesslich der nacheheliche Unterhalt der
Beschwerdegegnerin für die Zeit nach Eintritt des Beschwerdeführers in das
Rentenalter (voraussichtlich 1. September 2017). Das Kantonsgericht hat zur
Begründung dieses Unterhaltsanspruchs erwogen, die erste Instanz sei davon
ausgegangen, beide Ehegatten verfügten in etwa über die gleiche Altersvorsorge;
sie habe dementsprechend für die Bestimmung des Unterhaltsbeitrages eine
Ausgleichung über die Liegenschaftserträge vorgenommen. Wie indes die
kantonsgerichtlichen Berechnungen zeigten, werde die BVG-Rente des
Beschwerdeführers Fr. 3'300.-- und jene der Beschwerdegegnerin Fr. 1'570.-- pro
Monat betragen. Diese Einkommensdifferenz von Fr. 1'730.-- gelte es
auszugleichen. Der Unterhaltsbeitrag ab dem Zeitpunkt, da beide Parteien im
AHV-Alter stehen, sei daher auf Fr. 865.-- pro Monat festzusetzen. Ein weiterer
Ausgleich sei nicht gerechtfertigt, zumal eine lebenslängliche Rente die
Ausnahme bilde und beide Parteien über beträchtliches Vermögen verfügten, das
für die Bestreitung des Lebensunterhaltes anzuzehren sei.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe entgegen den
Anforderungen von Art. 125 Abs. 1 ZGB nicht einmal ansatzweise den gebührenden
Unterhalt der Beschwerdegegnerin nach Erreichen seines AHV-Alters ermittelt. Im
Weiteren sei die Begründung in sich widersprüchlich und nicht haltbar. Zwar
führe das Kantonsgericht wörtlich aus, eine lebenslängliche Rente bilde die
Ausnahme; es begründe aber nicht, inwiefern vorliegend eine entsprechende
Ausnahmesituation vorliege. Diese sei nicht bereits aufgrund unterschiedlicher
BVG-Renten gegeben. Umso stossender sei der Entscheid, als das Kantonsgericht
betone, der Beschwerdegegnerin stünden erhebliche Vermögenswerte zur Verfügung,
die zur Bestreitung des Unterhalts im Rentenalter anzuzehren seien. Dem
angefochtenen Entscheid sei aber nicht zu entnehmen, weshalb der
Beschwerdegegnerin ein Vermögensverzehr von Fr. 865.-- pro Monat (Höhe des
zugesprochenen Unterhaltsbeitrags) nicht zuzumuten wäre. Dem angefochtenen
Entscheid fehle eine bundesrechtskonforme Begründung.

3.1. Entscheide, die der Beschwerde an das Bundesgericht unterliegen, müssen
die massgebenden Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art enthalten (Art. 112
Abs. 1 lit. b BGG). Aus dem Entscheid hat klar hervorzugehen, von welchem
festgestellten Sachverhalt die Vorinstanz ausgegangen ist und welche
rechtlichen Überlegungen sie angestellt hat. Weist der rechtserhebliche
Sachverhalt wesentliche Lücken auf, kann das Recht nicht angewendet werden
(vgl. Art. 105 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 1 BGG; BGE 135 II 145 E. 8.2 S. 153).
Nach Art. 112 Abs. 3 BGG kann das Bundesgericht einen Entscheid, der den
Anforderungen nach Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG nicht genügt, an die kantonale
Behörde zur Verbesserung zurückweisen oder aufheben. Die verfahrensrechtlichen
Folgen nach Art. 112 Abs. 3 BGG sind (im Gegensatz zu einem im Sinne von Art.
105 Abs. 2 BGG mangelhaften Sachverhalt [Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 140 III 264
E. 2.3 S. 266]) von Amtes wegen zu prüfen. Hiefür ist die Gewährung des
rechtlichen Gehörs resp. ein Schriftenwechsel nicht erforderlich; die
Rechtsstellung der Parteien ändert sich selbst im Falle einer Aufhebung nicht,
weil diese, anders als eine Rückweisung nach Art. 107 Abs. 2 BGG, nicht mit
bundesgerichtlichen Vorgaben verbunden sein kann (siehe dazu insbesondere
Urteil 5A_34/2015 vom 29. Juni 2015 E. 7.3.4).

3.2. Aus der Begründung des angefochtenen Entscheides lässt sich nicht
nachvollziehen, von welchen tatsächlichen Gegebenheiten die Vorinstanz
ausgegangen ist, um einen Unterhaltsanspruch der Beschwerdegegnerin nach
Eintritt des Beschwerdeführers in das AHV-Alter in der Höhe von Fr. 865.-- zu
begründen: Zum einen fehlt es an tatsächlichen Angaben zum gebührenden
Unterhalt der Beschwerdegegnerin. Insbesondere sind an der einschlägigen Stelle
keine vollständigen Angaben zum Einkommen der Parteien ab dem besagten
Zeitpunkt und zu ihrer Lebenshaltung (Bedarf) zu entnehmen. Zum andern wird von
einem Vermögen gesprochen, das die Beschwerdegegnerin zur Deckung ihres
gebührenden Unterhalts anzuzehren hat. Dabei fehlen aber Angaben zur Höhe des
anrechenbaren Vermögens sowie über den Betrag, der monatlich von diesem
Vermögen "anzuzehren" ist. An anderer Stelle wird eine Berücksichtigung des
Vermögens der Beschwerdegegnerin ausgeschlossen, weil dieses vom
Beschwerdeführer nicht rechtzeitig geltend gemacht worden sein soll.
Ebensowenig wird erläutert, warum der Beschwerdeführer in der Lage sein soll,
den gesprochenen Unterhaltsbeitrag zu bezahlen. Mangels der aufgezeigten
(fehlenden) Angaben bzw. der widersprüchlichen Äusserungen lässt sich das
Ergebnis (der Unterhaltsbeitrag von Fr. 865.--) zwar rechnerisch (Differenz der
BVG-Renten = Fr. 1'730.-- : 2), nicht aber im Lichte der Voraussetzungen von
Art. 125 ZGB nachvollziehen. Aufgrund des mangelhaft festgestellten
Sachverhalts ist das Bundesgericht nicht in der Lage, zu prüfen, ob die
Vorinstanz Art. 125 ZGB korrekt angewendet hat.

3.3. Den bisherigen Ausführungen entsprechend ist die Beschwerde gutzuheissen.
Der angefochtene Entscheid ist in Anwendung von Art. 112 Abs. 3 BGG aufzuheben,
soweit er den ab Eintritt des Beschwerdeführers in das AHV-Alter geschuldeten
Unterhaltsbeitrag sowie die Regelung der Gerichtskosten und der
Parteientschädigungen des vorinstanzlichen Verfahrens betrifft. Die Sache ist
zu neuem Entscheid in der Sache und zur Neuregelung der Gerichtskosten und
Parteientschädigungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.

4. 
Da der Ausgang des Verfahrens noch offen ist (vgl. Urteil 4A_119/2011 vom 28.
Juni 2011 E. 2), sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 zweiter
Satz BGG). Im Rahmen der Rückweisung hat der Kanton St. Gallen indes den
Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 68
Abs. 4 i.V.m. Art. 66 Abs. 3 BGG; vgl. BGE 138 III 471 E. 7 S. 483; Urteil
5A_34/2015 vom 29. Juni 2015 E. 8).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der angefochtene Entscheid wird aufgehoben,
soweit er den ab Eintritt des Beschwerdeführers in das AHV-Alter geschuldeten
Unterhaltsbeitrag sowie die Regelung der Gerichtskosten und der
Parteientschädigungen des vorinstanzlichen Verfahrens betrifft. Die Sache wird
zu neuem Entscheid in der Sache und zur Neuregelung der Kosten und
Entschädigungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 
Der Kanton St. Gallen hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, II.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. November 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Zbinden

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben