Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.377/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_377/2015

Urteil vom 13. Juli 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Marazzi, Bovey,
Gerichtsschreiber Zbinden.

Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
Beschwerdeführer,

gegen

E.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas Ender,

B.A.________.

Gegenstand
Fürsorgerische Unterbringung,

Beschwerde gegen das Urteil und den Beschluss des Verwaltungsgerichts des
Kantons Aargau, 1. Kammer, vom 13. April 2015.

Sachverhalt:

A.

 B.A.________ (geb. xx.xx.1927) wurde mit Entscheid von Dr. med. E.________,
Oberärztin am Spital U.________, vom 4. März 2015 gestützt auf Art. 426 ZGB
i.V.m. Art. 429 ZGB in die Psychiatrische Klinik V.________ eingewiesen.

B. 

B.a. Mit Schreiben vom 11. März 2015 erhoben C.A.________, der Ehemann der
Betroffenen, sowie deren Söhne, D.A.________ und A.A.________, Beschwerde gegen
den Unterbringungsentscheid beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau. Sie
beantragten, die Anordnung der fürsorgerischen Unterbringung für "nichtig bzw.
nie erfolgt zu erklären". Ferner sei das Spital U.________ zu rügen, dass "zu
Unrecht die Instruktionen der Angehörigen missachtet und ohne Not ein derart
einschneidendes Rechtsmittel eingesetzt" worden sei. Schliesslich sei das
Spital U.________ zu einer Genugtuungs- bzw. Entschädigungszahlung und
Umtriebsentschädigung an die Betroffene sowie deren Angehörige zu verpflichten.
In der Folge traf das präsidierende Mitglied des Verwaltungsgerichts mit
Verfügung vom 13. bzw. 16. März 2015 verschiedene Beweisanordnungen;
insbesondere beauftragte es Dr. med. F.________ in U.________, als
sachverständige Person mit der Erstattung eines Gutachtens und lud die
Beteiligten zur Verhandlung vom 20. März 2015 vor. Anlässlich der Verhandlung
hörte das Verwaltungsgericht die Betroffene sowie die Beschwerdeführer,
Oberärztin Dr. med. G.________, Oberärztin Dr. med. H.________ und verschiedene
andere Medizinalpersonen der Psychiatrischen Klinik V.________ an. Dr.
F.________ erstattete sein Gutachten. In der Folge unterbrach der
verfahrensleitende Richter die Verhandlung bis zur schriftlichen Beantwortung
der an Dr. med. E.________, einweisende Ärztin, gestellten Fragen. Die Antwort
erfolgte mit Schreiben vom 26. März 2015. Sie wurde den Beschwerdeführern zur
Einreichung einer Stellungnahme bis zum 10. April 2015 zugestellt. Die
Beschwerdeführer liessen sich am 7. April 2015 dazu vernehmen. Gemäss
telefonischer Mitteilung der Klinik vom 9. April 2015 wurde B.A.________ am
selben Tag aus der Klinik entlassen.

B.b. Mit Urteil und Beschluss vom 13. April 2015 trat das Verwaltungsgericht
auf die Begehren betreffend eine Rüge an das Spital U.________ sowie betreffend
Ausrichtung von Entschädigungs- und/oder Genugtuungszahlungen nicht ein und
schrieb im Übrigen die Beschwerde als gegenstandslos von der Geschäftskontrolle
ab.

C.

 A.A.________ hat am 8. Mai 2015 (Postaufgabe) beim Bundesgericht gegen den
Beschluss und das Urteil des Verwaltungsgerichts Beschwerde erhoben. Er
beantragt, die fürsorgerische Unterbringung seiner Mutter trotz fehlenden
aktuellen Interesses zu überprüfen (1). Das Urteil und der Beschluss des
Verwaltungsgerichts seien wegen maximaler Rechtsverzögerung und
Unausgewogenheit des gesamten Verfahrens aufzuheben und das Verwaltungsgericht
deshalb zu rügen (2). Ferner sei die vom Spital U.________ durch Dr. E.________
erfolgte Anordnung der fürsorgerischen Unterbringung für nichtig zu erklären
und das Spital zu rügen und zu ermahnen, das Bundesrecht künftig einzuhalten;
das Spital U.________ sei zu einer Genugtuungs- bzw. Entschädigungszahlung und
Umtriebsentschädigung an die Betroffene sowie ihre Angehörigen zu verpflichten
(3). Schliesslich sei die Psychiatrische Klinik V.________ wegen mehrfacher
Verletzung von Bundesrecht zu rügen und zu ermahnen, dieses künftig
vollumfänglich einzuhalten (4).

D.

 Die Vorinstanz sowie die einweisende Oberärztin schliessen auf Abweisung der
Beschwerde. Der Beschwerdeführer hat sich nicht mehr vernehmen lassen.

Erwägungen:

1.

 In der Beschwerde ist in Auseinandersetzung mit den Erwägungen des
angefochtenen Entscheids darzulegen, welche Rechte der beschwerdeführenden
Partei durch das kantonale Gericht verletzt worden sind (Art. 42 Abs. 2 BGG;
BGE 134 II 244 E. 2.1 S. 245), wobei eine allfällige Verletzung
verfassungsmässiger Rechte vom Bundesgericht nicht von Amtes wegen, sondern nur
dann geprüft wird, wenn solche Rügen in der Beschwerdeschrift ausdrücklich
erhoben und begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 135 III 232 E. 1.2 S.
234).

1.1. Der Beschwerdeführer beantragt, die fürsorgerische Unterbringung sei trotz
Entlassung seiner Mutter zu überprüfen und für nichtig bzw. nicht erfolgt zu
erklären (Rechtsbegehren 1 und 2). Das Verwaltungsgericht hat indes die
ärztliche Anordnung der fürsorgerischen Unterbringung nicht überprüft, sondern
das Verfahren infolge Entlassung der Betroffenen aus der Klinik als
gegenstandslos abgeschrieben. Der Beschwerdeführer legt nicht substanziiert
dar, inwiefern die Vorinstanz damit Art. 439 ZGB verletzt bzw. das einschlägige
kantonale Recht (Art. 450f ZGB) willkürlich angewendet haben soll. Darauf ist
nicht einzutreten. Abgesehen davon wäre der Beschwerdeführer als nahestehende
Person nicht legitimiert, die fürsorgerische Unterbringung seiner Mutter beim
Bundesgericht anzufechten (Urteil 5A_238/2015 vom 16. April 2015 E. 2).

1.2. Das Verwaltungsgericht ist auf den Antrag des Beschwerdeführers, das
Kantonsspital und die Psychiatrische Klinik V.________ zu rügen, nicht
eingetreten mit der Begründung, es habe keine Aufsichtsfunktion. Der
Beschwerdeführer legt nicht substanziiert dar, inwiefern die Vorinstanz mit
dieser Erwägung Bundesrecht verletzt oder kantonales Recht willkürlich
angewendet hat. Auf die entsprechenden Rechtsbegehren des Beschwerdeführers
(Rechtsbegehren 2 und 4) ist somit nicht einzutreten.

1.3. Das Verwaltungsgericht ist ferner auf das Entschädigungs- bzw.
Genugtuungsbegehren der drei Beschwerdeführer nicht eingetreten mit der
Begründung, solche Begehren seien auf dem Klageweg geltend zu machen. Der
Beschwerdeführer rügt auch diese Erwägung nicht rechtsgenügend als
bundesrechtswidrig bzw. willkürlich. Auf das entsprechende Begehren in der
Beschwerdeschrift (zweiter Teil des Rechtsbegehrens 3) ist somit nicht
einzutreten.

2.

 Der Beschwerdeführer verlangt schliesslich, das Urteil und der Beschluss des
Verwaltungsgerichts seien wegen maximaler Rechtsverzögerung und
Unausgewogenheit des gesamten Verfahrens aufzuheben und das Verwaltungsgericht
sei deshalb zu rügen (Rechtsbegehren 2). Im Ergebnis ersucht er damit um
Feststellung einer angeblich durch das Verwaltungsgericht begangenen
Rechtsverzögerung.

2.1. Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz am 13. April 2015 das
Beschwerdeverfahren betreffend fürsorgerische Unterbringung als gegenstandslos
abgeschrieben, nachdem die Mutter des Beschwerdeführers am 9. April 2015 aus
der Klinik entlassen worden war. Damit verfügt der Beschwerdeführer über kein
aktuelles Interesse an der Prüfung seines gegenüber der Vorinstanz erhobenen
Vorwurfs der Rechtsverzögerung (BGE 130 I 312 E. 5.3; 125 V 373 E. 1; Urteil
9C_773/2008 vom 12. Dezember 2008 E. 4.3). Abgesehen davon ist auch kein
virtuelles Interesse ersichtlich bzw. rechtsgenügend geltend gemacht worden.
Die Rechtsprechung tritt in solchen Fällen dennoch auf die Beschwerde ein, wenn
der Beschwerdeführer hinreichend substanziiert und in vertretbarer Weise eine
Verletzung der EMRK ("grief défendable") behauptet und die blosse Feststellung
einer unzulässigen Rechtsverzögerung dem Beschwerdeführer eine Art Genugtuung
zu verschaffen vermag (BGE 129 V 411 E. 1.3; vgl. z.B. Urteil 6B_801/2008 vom
12. März 2009 E. 3.5). Das Bundesgericht hat in einem die fürsorgerische
Unterbringung betreffenden Fall auf diese Rechtsprechung verwiesen, hat aber
den Vorwurf der Rechtsverzögerung mangels aktuellen Interesses nicht behandelt,
da kein entsprechender Feststellungsantrag vorlag (Urteil 5A_499/2014 vom 18.
November 2014 E. 2). In einem anderen Urteil hat es den Vorwurf der
Rechtsverzögerung wegen eines genügenden Feststellungsantrages behandelt
(Urteil 5A_221/2015 vom 23. April 2015 E. 2). Aufgrund des genügenden
Feststellungsantrages des Beschwerdeführers und der gleichen Ausgangslage
(fehlendes aktuelles Interesse an der Behandlung der Rüge der Verletzung des
Beschleunigungsgebotes) gilt es zu prüfen, ob an der nicht publizierten
Rechtsprechung festgehalten werden kann:

2.2. Gemäss seiner publizierten Rechtsprechung zur fürsorgerischen
Unterbringung tritt das Bundesgericht auf Begehren um Feststellung der
Widerrechtlichkeit der fürsorgerischen Unterbringung, insbesondere auch auf
Feststellung der Verletzung der Garantien der EMRK nicht ein, sobald die
betroffene Person aus der Einrichtung entlassen worden ist. Die
Beschwerdeführenden werden auf den Weg der Klage nach Art. 454 ZGB verwiesen (
BGE 140 III 92 E. 2.2). Im besagten Entscheid wurde im Übrigen der Fall
behandelt, in dem die Eltern als nahestehende Personen des betroffenen Kindes,
beim Bundesgericht gegen einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid
betreffend Kindesschutzmassnahmen Beschwerde geführt hatten, obwohl die
Massnahmen im Zeitpunkt der Beschwerde an das Bundesgericht nicht mehr
bestanden. Angesichts des fehlenden aktuellen Interesses verwies das
Bundesgericht die Eltern auch mit Bezug auf die verlangte Feststellung der
Verletzung des rechtlichen Gehörs auf die Klage nach Art. 454 ZGB (BGE 140 III
92 E. 2.3). Im vorliegenden Fall verlangt der Beschwerdeführer die gerichtliche
Feststellung einer vom Verwaltungsgericht im Rahmen der Beurteilung einer
Beschwerde gemäss Art. 439 ZGB begangenen Rechtsverzögerung. Die eingangs
erwähnten nicht publizierten Entscheide vom 18. November 2014 und vom 23. April
2015 nehmen keinen Bezug auf die am 9. Januar 2014 ergangene publizierte
Rechtsprechung. In deren Licht besteht keine Veranlassung, das
Feststellungsbegehren des Beschwerdeführers im vorliegenden Beschwerdeverfahren
zu behandeln. Der Beschwerdeführer ist diesbezüglich auf die Klage nach Art.
454 ZGB zu verweisen.

2.3. Da das aktuelle Interesse an der Behandlung der Rüge der Rechtsverzögerung
bereits bei Einreichung der vorliegenden Beschwerde beim Bundesgericht nicht
mehr gegeben war, ist insoweit auf die Beschwerde nicht einzutreten (BGE 140
III 92 E. 3).

3.

 Damit ist auf die Beschwerde insgesamt nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang
des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Der einweisenden Ärztin, die zur Vernehmlassung eingeladen worden ist und eine
Beschwerdeantwort eingereicht hat, ist keine Entschädigung zuzusprechen, da sie
in ihrer amtlichen Eigenschaft gehandelt hat (Art. 68 Abs. 3 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, E.________, B.A.________ und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. Juli 2015

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Zbinden

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