Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.346/2015
Zurück zum Index II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2015
Retour à l'indice II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2015


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_346/2015

Urteil vom 27. Januar 2017

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Marazzi, Herrmann, Schöbi, Bovey,
Gerichtsschreiber Monn.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andres Büsser,
Beschwerdeführer,

gegen

B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Samuel Huwiler,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Ehescheidung (Güterrecht),

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, II. Zivilkammer,
vom 16. März 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________ (geb. 1964) und B.________ (geb. 1966) hatten 1995 geheiratet. Sie
sind die Eltern der Töchter C.________ (geb. 1995), D.________ (geb. 1997) und
E.________ (geb. 1999). Nach zwei Jahren Getrenntleben leiteten die Eheleute im
Mai 2009 die Scheidung ein.

B.

B.a. Mit Entscheid vom 25. Oktober 2011 schied das Kreisgericht Wil die Ehe. Im
Streit um die güterrechtliche Auseinandersetzung wies es das Begehren der Frau,
die Liegenschaft "F.________" in U.________ in ihr Eigentum zu übertragen, ab.
Den Mann verurteilte das Kreisgericht zu einer güterrechtlichen
Ausgleichszahlung von Fr. 485'376.--.

B.b. Beide Parteien erhoben Berufung beim Kantonsgericht St. Gallen. Soweit
nachfolgend noch relevant, beantragte die Frau, die Zuweisung der besagten
Liegenschaft und die güterrechtliche Ausgleichszahlung neu festzulegen. Der
Beschwerdeführer verlangte eine Reduktion der güterrechtlichen
Ausgleichszahlung auf Fr. 245'623.--. Die Parteien schlossen je auf
kostenfällige Abweisung der gegnerischen Berufung.

B.c. In seinem Entscheid vom 16. März 2015 verurteilte das Kantonsgericht St.
Gallen A.________, B.________ eine güterrechtliche Ausgleichszahlung von Fr.
656'133.-- zu bezahlen. Im Übrigen bestätigte es das Urteil des Kreisgerichts,
darunter die Abweisung des Begehrens der Frau um Übertragung der Liegenschaft
in ihr Eigentum. Die Kosten des Berufungsverfahrens inkl.
Liegenschaftsschätzung auferlegte das Kantonsgericht den Parteien je zur
Hälfte. Die Parteikosten schlug es wett.

C.

C.a. Mit Beschwerde vom 29. April 2015 gelangt A.________ (Beschwerdeführer) an
das Bundesgericht. Er verlangt unter Kosten- und Entschädigungsfolgen eine
Reduktion des güterrechtlichen Ausgleichsbetrags auf Fr. 442'016.--.
Eventualiter sei der güterrechtliche Ausgleichsbetrag auf Fr. 567'016.-- zu
reduzieren, und die Sache sei zur Neufestsetzung der vorinstanzlichen Kosten-
und Entschädigungsfolgen an die Vorinstanz zurückzuweisen. (Sub-) Eventualiter
sei die ganze Angelegenheit zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Weiter ersuchte der Beschwerdeführer um Gewährung der
aufschiebenden Wirkung.

C.b. Mit Schreiben vom 5. Mai 2015 teilte Rechtsanwalt Thomas Frey mit, dass er
B.________ (Beschwerdegegnerin) nicht mehr vertrete. Die Beschwerdegegnerin
wird neu durch Rechtsanwalt Samuel Huwiler vertreten. Mit Eingabe vom 13. Mai
2015 beantragt sie, das Gesuch um aufschiebende Wirkung abzuweisen, soweit
überhaupt darauf einzutreten sei. Eventualiter sei es im Umfang von Fr.
214'117.-- gutzuheissen. Das Kantonsgericht verzichtete auf eine Stellungnahme
zum Gesuch um aufschiebende Wirkung.

C.c. Der Präsident der II. zivilrechtlichen Abteilung erteilte der Beschwerde
mit Verfügung vom 18. Mai 2015 zur Aufrechterhaltung des bestehenden Zustandes
für die Dauer des bundesgerichtlichen Verfahrens im Umfang von Fr. 214'117.--
aufschiebende Wirkung; im Übrigen wies er das Gesuch ab.

C.d. Dazu eingeladen, sich auch in der Sache vernehmen zu lassen, beantragte
die Beschwerdegegnerin, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten
werden könne (Eingabe vom 18. Dezember 2015). Die Vorinstanz verlangte mit
Eingabe vom 20. November 2015 die Abweisung der Beschwerde. Die Antworten
wurden dem Beschwerdeführer zur Wahrung des rechtlichen Gehörs zugestellt.

Erwägungen:

1. 
Der angefochtene Entscheid betrifft die güterrechtliche Auseinandersetzung bei
einer Scheidung nach den Vorschriften über die Errungenschaftsbeteiligung (Art.
120 Abs. 1 i.V.m. Art. 196 ff. ZGB). Das ist eine Zivilsache (Art. 72 Abs. 1
BGG) vermögensrechtlicher Natur. Der Streitwert übersteigt den gesetzlichen
Mindestbetrag von Fr. 30'000.-- (Art. 74 Abs. 1 Bst. b BGG). Der angefochtene
Entscheid ist kantonal letztinstanzlich (Art. 75 Abs. 1 BGG), lautet zum
Nachteil des Beschwerdeführers (Art. 76 Abs. 1 BGG) und schliesst das kantonale
Verfahren ab (Art. 90 BGG). Auf die rechtzeitig erhobene (Art. 100 Abs. 1
i.V.m. Art. 46 Abs. 1 Bst. a BGG) Beschwerde ist einzutreten.

2.

2.1. Mit der Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen gemäss Art. 95
f. BGG geltend gemacht werden. Das Bundesgericht wendet das Recht in diesem
Bereich grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und prüft mit
freier Kognition, ob der angefochtene Entscheid Recht verletzt. Es befasst sich
aber nur mit formell ausreichend begründeten Einwänden (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE
134 III 102 E. 1.1 S. 104 f.). In der Begründung ist in gedrängter Form
darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Allgemein gehaltene
Einwände, die ohne aufgezeigten oder erkennbaren Zusammenhang mit bestimmten
Entscheidungsgründen vorgebracht werden, genügen nicht (BGE 137 III 580 E. 1.3
S. 584).

2.2. Strengere Anforderungen gelten, wenn die Verletzung von Grundrechten
geltend gemacht wird. Das Bundesgericht prüft die Verletzung von Grundrechten
insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet
worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; Rügeprinzip). Es prüft nur klar und
detailliert erhobene und soweit möglich belegte Rügen (BGE 134 II 244 E. 2.2 S.
246).

2.3. Sodann ist das Bundesgericht an den festgestellten Sachverhalt
grundsätzlich gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu zählen auch Feststellungen
über den Prozesssachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 17 f.). Diesbezüglich
kann einzig vorgebracht werden, er sei offensichtlich unrichtig festgestellt
worden (Art. 97 Abs. 1 BGG), wobei "offensichtlich unrichtig" mit "willkürlich"
gleichzusetzen ist (BGE 133 II 249 E. 1.2.2 S. 252). Hierfür gilt wiederum das
strenge Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE a.a.O. E. 1.4.2 S. 255). Das
bedeutet, dass das Bundesgericht auf ungenügend begründete Rügen und rein
appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid nicht eintritt. Wird die
Verletzung des Willkürverbots gerügt, reicht es sodann nicht aus, die Lage aus
Sicht des Beschwerdeführers darzulegen und den davon abweichenden angefochtenen
Entscheid als willkürlich zu bezeichnen; vielmehr ist im Einzelnen darzulegen,
inwiefern das kantonale Gericht willkürlich entschieden haben soll und der
angefochtene Entscheid deshalb an einem qualifizierten und offensichtlichen
Mangel leidet (BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246).

2.4. In der Beschwerde in Zivilsachen dürfen überdies keine neuen Tatsachen und
Beweismittel vorgebracht werden, es sei denn, erst der Entscheid der Vorinstanz
habe dazu Anlass gegeben (Art. 99 Abs. 1 BGG). In der Beschwerde ist darzutun,
inwiefern die Voraussetzung für eine nachträgliche Einreichung von Tatsachen
und Beweismitteln erfüllt sein soll (BGE 133 III 393 E. 3 S. 395).

3. 
Vor Bundesgericht ist unbestritten, dass die Liegenschaft "F.________"
Errungenschaft des Beschwerdeführers darstellt. Massgebend für den Wert der bei
der Auflösung des Güterstandes vorhandenen Errungenschaft ist der Zeitpunkt der
Auseinandersetzung (Art. 214 Abs. 1 ZGB; BGE 137 III 337 E. 2.1.2 S. 339).
Erfolgt die güterrechtliche Auseinandersetzung im Rahmen eines gerichtlichen
Verfahrens, so ist der Tag der Urteilsfällung massgebend (BGE 121 III 149 E. 3a
S. 154). Lehre und Rechtsprechung lassen aber Abweichungen von diesem Grundsatz
zu, namentlich durch Vereinbarung der Parteien. Die Einigung auf einen anderen
Zeitpunkt für die Bewertung kann auch implizit geschehen (Urteil 5C.279/2006
vom 31. Mai 2007 E. 7 mit Hinweisen, in: FamPra.ch 2007 S. 904). Umstritten
ist, ob und gegebenenfalls mit welchem Inhalt die Parteien vor erster Instanz
eine Prozessvereinbarung bezüglich der Bewertung der Liegenschaft "F.________"
abgeschlossen haben.

4.

4.1. Die Vorinstanz verneint, dass sich die Parteien darauf verständigt hätten,
den Zeitpunkt für die Bewertung der Liegenschaft "F.________" in Abweichung von
Art. 214 Abs. 1 ZGB zu bestimmen. Sie nahm die Berufung der Beschwerdegegnerin
(vgl. Sachverhalt Bst. B.b) deshalb zum Anlass, ein neues Schätzungsgutachten
für diese Liegenschaft einzuholen, das am 24. Mai 2013 von G.________ erstattet
wurde und von einem Verkehrswert von Fr. 2'355'000.-- ausgeht. Gestützt darauf
errechnet die Vorinstanz zu Gunsten der Beschwerdegegnerin eine güterrechtliche
Ausgleichsforderung von Fr. 656'133.--.
In ihrer Vernehmlassung hält die Vorinstanz an ihrer Auffassung fest: Eine
Prozessvereinbarung sei weder von den Parteien schriftlich festgehalten worden,
noch bestehe über den Inhalt der Sitzung vom 23. Juni 2010 eine Protokollnotiz.
Auch das anschliessend an die Sitzung verfasste Bestätigungsschreiben des
Familienrichters vom 24. Juni 2010 und der Expertenauftrag vom 8. September
2010 hätten hinsichtlich der Privatliegenschaft nicht auf eine
Prozessvereinbarung hingewiesen. Der einzige Hinweis auf den Inhalt der
umstrittenen Prozessvereinbarung finde sich im erstinstanzlichen Urteil (S. 19.
2. Abschnitt). Dort halte das Gericht fest, dass sich der Wert der (Privat-)
Liegenschaft richtigerweise im Zeitpunkt der heutigen Scheidung bemesse, und
weiter, dass die Parteien im Sinn einer Prozessvereinbarung abgemacht hätten,
dass der Gutachter bei der H.________ AG eine aktuelle Schätzung per Stichtag
am 30. Juni 2010 einhole und der Schätzer den Wert der Liegenschaft in der
Folge auf Fr. 1'900'000.-- festgelegt habe.
Das Kreisgericht habe seiner Erwägung zum Wert der Privatliegenschaft somit
klar vorangestellt, dass dieser Wert auf den Urteilszeitpunkt zu beziehen sei.
Das Gericht sei stillschweigend (und damals noch ohne Widerspruch der Parteien)
davon ausgegangen, dass die vom Gutachter bei der H.________ AG per 30. Juni
2010 eingeholte Schätzung in der Höhe von Fr. 1'900'000.-- auch im Zeitpunkt
des Urteils zutreffend sei. Wäre das Kreisgericht davon ausgegangen, dass sich
die Parteien mit der Vereinbarung des Stichtages vom 30. Juni 2010 definitiv
auf eine Bewertung der Privatliegenschaft auf diesen Zeitpunkt verständigt
hätten, so hätte sich der einleitende Hinweis auf Art. 214 Abs. 1 ZGB erübrigt.
Daraus müsse abgeleitet werden, dass das Kreisgerichts selbst der
Prozessvereinbarung vom 23. Juni 2010 bezüglich des Zeitpunkts der Bewertung
der Privatliegenschaft nicht den Inhalt beimass, den ihr der Beschwerdeführer
heute unterstelle. Vielmehr habe das Kreisgericht auch in Berücksichtigung des
dem Experten genannten Stichtages klar an der Pflicht zur Bewertung der
Privatliegenschaft auf den Urteilszeitpunkt festgehalten. Daraus folge aber,
dass sich - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - aus dem
erstinstanzlichen Scheidungsurteil gerade nicht ableiten lasse, dass die
Parteien aufgrund der Prozessvereinbarung von der Bewertungsvorschrift von Art.
214 Abs. 1 ZGB abgewichen wären.

4.2. Der Beschwerdeführer rügt die vorinstanzliche Feststellung, dass der
Inhalt der Prozessvereinbarung umstritten sei, als aktenwidrig und willkürlich.
Die Vorinstanz nenne im gesamten Zusammenhang der güterrechtlichen
Auseinandersetzung nirgends eine (abweichende) Meinung der Beschwerdegegnerin
zum von der Erstinstanz festgestellten Inhalt der Prozessvereinbarung. Indem
die Vorinstanz den Inhalt der Prozessvereinbarung ohne Beleg einer rechtzeitig
vorgetragenen gegenteiligen Meinung der Beschwerdegegnerin als umstritten
feststelle, verfalle sie in Willkür und verletze sie überdies die
Begründungspflicht. Die Erstinstanz habe in tatsächlicher Hinsicht das Folgende
festgestellt: "Anlässlich der Sitzung vom 23. Juni 2010 wurde im Sinne einer
Prozessvereinbarung vereinbart, dass der Gutachter direkt bei der H.________ AG
eine aktuelle Schätzung per Stichtag am 30. Juni 2010 einhole."
Der Vorinstanz wirft der Beschwerdeführer vor, auch bezüglich der Motivlage
Aktenwidriges zu unterstellen und Aktenkundiges zu übergehen. So sei es
"stracks" aktenwidrig, wenn die Vorinstanz erwäge, der 30. Juni 2010 habe sich
als Bewertungsstichtag geeignet, weil der Gutachter "insbesondere auf den
Zwischenabschluss vom 30. Juni 2010 habe abstellen können". Der
Zwischenabschluss vom 30. Juni 2010 sei vor und an der Verhandlung vom 23. Juni
2010 weder geplant noch irgendwie bereits vorhanden oder nur vorbereitet
worden. Vielmehr sei am 23. Juni 2010 erst veranlasst worden, dass der
Beschwerdeführer für die I.________ GmbH einen Zwischenabschluss erstellen und
dem Gutachter J.________ zukommen lasse. Anderseits hätten sich die Parteien
und das Gericht am 23. Juni 2010 auch klarerweise nicht auf einen
"urteilsnahen" Bewertungszeitpunkt im Sinn von Art. 214 Abs. 1 ZGB festlegen
wollen, und sie hätten sich auch klarerweise nicht nur für das erstinstanzliche
Verfahren auf einen Bewertungszeitpunkt festlegen wollen.
Die Beschwerdegegnerin habe sich bis zum Termin vom 23. Juni 2010 selbst immer
wieder und ausschliesslich nur auf eine Bewertung per November 2007 berufen,
die aber noch auf den Gütertrennungsstichtag vom 5. März 2008 zu aktualisieren
sei. Auch er, der Beschwerdeführer, habe sich bis dahin ebenfalls auf den
bereits zwei Jahre zurückliegenden Gütertrennungsstichtag vom 5. März 2008
bezogen und kurz vor der Besprechung vom 23. Juni 2010 auch noch entsprechende
Abklärungen veranlasst und eingereicht. Die Parteien hätten sich also
erstinstanzlich und insbesondere bis zum 23. Juni 2010 selbst nie für den
Bewertungsstichtag auf einen "urteilsnahen" Zeitpunkt bezogen oder einen
solchen geltend gemacht. Im Gegenteil habe sich die Beschwerdegegnerin auch
danach bis am Ende des erstinstanzlichen Verfahrens (im Herbst 2011 an der
Hauptverhandlung) für den Bewertungsstichtag immer wieder auf die Schätzung
H.________ AG per 21. November 2007 berufen, während er selbst auf den
Gütertrennungstermin vom 5. März 2008 abgestellt habe.
Der Bewertungsstichtag habe am 23. Juni 2010 aber auch deshalb nicht als
"urteilsnah" gelten können, weil die Bewertungsgrundlagen dem Gutachter erst
noch beigebracht werden mussten; dazu sei auch noch das rechtliche Gehör zu
gewähren gewesen. Dazu habe die Begutachtung erst noch verfügt werden müssen,
und das Ergebnis der Bewertung sei zu würdigen gewesen. Wenn die Parteien am
23. Juni 2010 wirklich einen prospektiv urteilsnahen Bewertungszeitpunkt hätten
wählen wollen, hätten sie diesen nicht schon auf eine Woche später verlegt, so
dass beim zu erwartenden Zeitpunkt einer Expertenbeauftragung der
Bewertungsstichtag bereits "voraussehbar retrospektiv" gewesen wäre.

4.3.

4.3.1. Eine Prozessvereinbarung ist gleich wie ein vor dem Gericht
abgeschlossener Vergleich über die Nebenfolgen der Scheidung zu behandeln.
Einschlägig für die Auslegung sind die Regeln des Vertragsrechts (Urteile
5A_953/2014 vom 13. August 2014 E. 2.1; 5A_760/2012 vom 27. Februar 2013 E.
5.3.1; 5A_88/2012 vom 7. Juni 2012 E. 3). Ziel der Vertragsauslegung ist es, in
erster Linie den übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen festzustellen (Art.
18 Abs. 1 OR). Bleibt eine tatsächliche Willensübereinstimmung unbewiesen, sind
zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die Erklärungen der Parteien
nach Massgabe des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut
und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und
mussten. Dabei ist vom Wortlaut der Erklärungen auszugehen, die jedoch nicht
isoliert, sondern aus ihrem konkreten Sinngefüge heraus zu beurteilen sind (BGE
138 III 659 E. 4.2.1 S. 666; 132 III 626 E. 3.1 S. 632; 123 III 165 E. 3a S.
168). Massgebend ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, weshalb bei der
Auslegung nach dem Vertrauensprinzip nachträgliches Parteiverhalten nicht von
Bedeutung ist (BGE 132 III 626 E. 3.1 S. 632; 129 III 675 E. 2.3 S. 680). Das
Bundesgericht überprüft diese objektivierte Auslegung von Willenserklärungen
als Rechtsfrage frei, wobei es an die Feststellungen der kantonalen Vorinstanz
über die äusseren Umstände sowie das Wissen und Wollen der Beteiligten
grundsätzlich gebunden ist (BGE 138 III 659 E. 4.2.1 S. 666 f.; 132 III 24 E. 4
S. 28, 632 E. 3.1; je mit Hinweisen; s. oben E. 2.3).

4.3.2. Im Hinblick auf diese Grundsätze ist das vorinstanzliche Urteil nicht zu
beanstanden. Soweit der Beschwerdeführer den von der Vorinstanz festgestellten
Sachverhalt in Frage stellt, erschöpft sich die Beschwerde in appellatorischer
Kritik. Es ist weder falsch und schon gar nicht willkürlich, wenn die
Vorinstanz einen natürlichen Konsens bezüglich eines Bewertungsstichtags
verneint, der auch vor der zweiten Instanz Bestand hat. Ebenso wenig kann sich
der Beschwerdeführer auf einen normativen Konsens berufen. Es ist nämlich
schlicht nicht einzusehen, welches Interesse er oder die Beschwerdegegnerin
gehabt haben sollten, an eine Prozessvereinbarung über den Anrechnungswert
gebunden zu sein, wenn sie mit ihrer (unterschiedlichen) Meinung bezüglich der
güterrechtlichen Zuweisung der Liegenschaft "F.________" vor dem Kreisgericht
unterliegen sollten. Die umstrittene Prozessvereinbarung kann daher nur so
verstanden werden, dass die Parteien damit einverstanden waren, die
Liegenschaft für den vor dem Kreisgericht laufenden Prozess schätzen zu lassen.

5.

5.1. Im Rahmen seines Eventualbegehrens wirft der Beschwerdeführer der
Vorinstanz zusätzlich vor, den Verhandlungsgrundsatz, der im Güterrecht gelte
(Art. 277 ZPO i.V.m. Art. 55 und Art. 317 ZPO), verletzt zu haben. Im Streit um
die Tatsache des wirklichen Werts der Privatliegenschaft "F.________" habe die
Beschwerdegegnerin im vorinstanzlichen Verfahren in der Berufungsschrift zwar
unsubstanziiert (und bestrittenermassen) behaupten lassen, dass sie für die
Liegenschaft ein mündliches Angebot von Fr. 2'400'000.-- erhalten hätte (ohne
anzugeben, wann, von wem, unter welchen Bedingungen etc.). Dennoch habe sie in
der Berufungsschrift nicht diesen Wert für die Liegenschaft als massgebend
behauptet. Vielmehr habe sie den angeblichen Wert "angeblich wegen eines
fehlenden schriftlichen Belegs für das angebliche Angebot" und wegen der noch
vorhandenen Unsicherheiten ausdrücklich "reduziert" und auf Fr. 2'150'000.--
beziffert. Wenn die Beschwerdegegnerin zum Zeitpunkt der Berufungseingabe
wirklich ein Angebot von Fr. 2'400'000.-- erhalten hätte, hätte sie nach Art.
317 ZPO spätestens in der Berufungsschrift den Wert von Fr. 2'400'000.--
behaupten müssen. Indem die Vorinstanz schliesslich dennoch auf einen
angeblichen Wert von Fr. 2'355'000.-- abstelle, verletze sie Art. 317 ZPO, weil
sie eine Tatsache "novenrechtlich" beachte, obwohl sie nicht rechtzeitig
behauptet wurde. Überdies verletze die Vorinstanz Art. 277 i.V.m. Art. 55 Abs.
1 ZPO, indem sie auf eine nicht behauptete angebliche Tatsache abstelle. Diese
Tatsache - der angebliche Wert der Privatliegenschaft von mindestens oder mehr
als Fr. 2'355'000.-- - sei in der Berufungsschrift ausdrücklich nicht behauptet
worden; behauptet habe die Beschwerdegegnerin lediglich den Betrag von Fr.
2'150'000.--.

5.2. Das Kantonsgericht erklärt, die Zulässigkeit der Geltendmachung von
Wertveränderungen nach dem Urteilszeitpunkt beurteile sich gestützt auf das
Novenrecht. Es sei daher Sache der Parteien, diesen Umstand rechtzeitig zu
behaupten und zum Beweis zu verstellen. Im konkreten Fall habe die
Beschwerdegegnerin in der Berufungsschrift vorgebracht, dass ihr die
Liegenschaft "kürzlich" zu einem Preis von Fr. 2'400'000.-- angeboten worden
und daher auf den Zeitpunkt des zweitinstanzlichen Urteils neu zu schätzen sei.
Das Kantonsgericht lässt offen, ob die Beschwerdegegnerin damit die
erstinstanzliche Bewertung als unzutreffend bemängle oder eine Wertsteigerung
nach Erlass des erstinstanzlichen Entscheids geltend mache. Es kommt zum
Schluss, auch wenn das Vorbringen als neue Tatsache zu werten sei, habe die
Beschwerdegegnerin diese Tatsache mit der Geltendmachung in der
Berufungsschrift rechtzeitig vorgebracht und zum Beweis verstellt. Eine
Aktualisierung der Schätzung rechtfertige sich im Übrigen auch deshalb, weil
der erstinstanzliche Entscheid im Wesentlichen auf einer Schätzung der
H.________ AG aus dem Jahr 2007 beruhe und auf den Bewertungsstichtag des 30.
Juni 2010 keine eigentliche Neubewertung vorgenommen worden sei.

5.3. Soweit der Beschwerdeführer auf die resümierten Erwägungen der Vorinstanz
überhaupt eingeht, bestreitet er jedenfalls nicht, dass die Beschwerdegegnerin
gegenüber der Bewertung, die dem erstinstanzlichen Entscheid zugrunde liegt, in
ihrer Berufungsschrift eine Wertveränderung behauptet, dort zum Beweis eine
Expertise verlangt und damit eine Tatsache - den für die güterrechtliche
Auseinandersetzung massgeblichen Wert der Liegenschaft - zum Beweis verstellt
hat. Soweit der Beschwerdeführer vor diesem Hintergrund eine Verletzung der
Verhandlungsmaxime ausgemacht haben will, erweist sich sein Standpunkt als
unbegründet. Nach Art. 55 Abs. 1 ZPO haben die Parteien dem Gericht die
Tatsachen, auf die sie ihre Begehren stützen, darzulegen und die Beweismittel
anzugeben. Art. 277 Abs. 1 ZPO ordnet ausdrücklich an, dass diese Regel für die
güterrechtliche Auseinandersetzung gilt. Entgegen dem, was der Beschwerdeführer
anzunehmen scheint, muss die beweisbelastete Partei - hier die
Beschwerdegegnerin, die aus der Wertveränderung eine höhere Ausgleichsforderung
ableitet - allein aufgrund der Verhandlungsmaxime aber nicht jedem
Vermögenswert, der in der güterrechtlichen Auseinandersetzung eine Rolle
spielt, bereits im Behauptungsstadium des Verfahrens einen konkreten Wert
zuordnen. Kennt die beweisbelastete Partei den Wert einer bestimmten Aktiv-
oder Passivposition nicht und kann sie diesen Wert auch nicht selbst ermitteln,
so darf sie zu diesem Zweck beim Gericht die Einholung eines Gutachtens (Art.
183 ff. ZPO) beantragen, damit das Gericht über die rechtserhebliche Tatsache
Beweis abnehmen und sich auf diesem Weg davon Kenntnis verschaffen kann (vgl.
dazu Urteil 5A_478/2013 vom 6. November 2013 E. 4.1). Nichts anderes folgt aus
der in Art. 55 Abs. 1 ZPO enthaltenen Anweisung an die Parteien, die
Beweismittel für die von ihnen zu beweisenden Tatsachenbehauptungen zu
benennen, zu beantragen und anzubieten, deren Nichtbefolgung dazu führt, dass
das Gericht ihre Tatsachenbehauptungen als unbewiesen erachtet
(Beweisführungslast; vgl. dazu CHRISTOPH HURNI, in: Berner Kommentar,
Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. I, 2012, N 45 zu Art. 55 ZPO).

5.4. Im konkreten Fall liegt im Sinne der allgemeinen Lebenserfahrung (s. dazu
Urteil 5A_835/2012 vom 16. Mai 2013 E. 5.1) auf der Hand, dass es für
Liegenschaften, die eine Partei über längere Zeit selbst bewohnt hat, keinen
von vornherein bekannten Verkehrswert gibt und dass die Schätzung des
Verkehrswerts einer Liegenschaft Fachkenntnisse erfordert, zumal die Bewertung
von einer Vielzahl von Kriterien beeinflusst wird (Lage und Beschaffenheit des
Grundstücks, öffentlich-rechtliche Zonenregelungen und Bauordnungen, allfällige
Altlasten, Dienstbarkeiten, Bausubstanz, aufgelaufener Unterhaltsbedarf usw.).
Weshalb die Beschwerdegegnerin sich unter diesen Voraussetzungen nicht auf die
Behauptung eines im Vergleich zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen Urteils
höheren Werts der Liegenschaft "F.________" und die Beantragung einer
Verkehrswertexpertise beschränken durfte, vermag der Beschwerdeführer nicht zu
erklären. Entsprechend war die Beschwerdegegnerin nicht gehalten, sich bereits
in ihrer Berufungsschrift auf eine konkrete Zahl für den Wert der Liegenschaft
festzulegen. Die Vorinstanz hat einen Dritten mit der Durchführung der
Schätzung beauftragt. Im Schätzungsbericht wurde die Liegenschaft mit Fr.
2'355'000.-- bewertet. Dieses Betreffnis hat die Vorinstanz für die
güterrechtliche Auseinandersetzung berücksichtigt. Eine Verletzung der
Verhandlungsmaxime ist weder dargetan noch ersichtlich.

5.5. Wollte man die Vorbringen des Beschwerdeführers - entgegen ihrem Wortlaut
- als Rüge der Verletzung des Dispositionsgrundsatzes (Art. 58 Abs. 1 ZPO)
verstehen, weil die Beschwerdegegnerin in ihrer Berufung für die Bewertung der
Liegenschaft "F.________" einen Betrag von Fr. 2'150'000.-- zugestanden habe,
so erwiese sich auch dieser Vorwurf als unbegründet. Wie sich den
Berufungsakten ohne Weiteres entnehmen lässt, hat die Beschwerdegegnerin die
besagte Zahl in ihrer Berufungsschrift lediglich "einstweilen" und unter
Vorbehalt der beantragten Expertise genannt, so dass von einem Zugeständnis
nicht die Rede sein kann.

6. 
Nach dem Gesagten muss es beim angefochtenen Entscheid sein Bewenden haben. Die
Beschwerde erweist sich als unbegründet. Sie ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang
des Verfahrens unterliegt der Beschwerdeführer. Er wird damit kostenpflichtig
(Art. 66 Abs. 1 BGG) und hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin mit Fr. 4'000.-- zu
entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, II.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. Januar 2017

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Monn

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben