Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.327/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_327/2015

Urteil vom 17. Juni 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Herrmann, Bovey,
Gerichtsschreiber von Roten.

Verfahrensbeteiligte
A.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Franz Schenker,
Beschwerdeführerin,

gegen

B.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Stephan Glättli,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts,

Beschwerde gegen die Verfügung des Handelsgerichts des Kantons Aargau, 1.
Kammer, vom 1. April 2015.

Sachverhalt:

A. 
Auf Gesuch der B.________ AG vom 20. Februar 2015 hin bewilligte der Präsident
des Handelsgerichts des Kantons Aargau die superprovisorische Eintragung eines
Bauhandwerkerpfandrechts gemäss Art. 839 ZGB als Vormerkung einer vorläufigen
Eintragung im Sinne von Art. 961 ZGB auf dem Grundstück der A.________ AG,
Grundbuch U.________ Nr. xxx, für den Betrag von Fr. 397'966.50 zuzüglich Zins
zu 5 % auf Fr. 273'118.50 ab dem 13. Januar 2015 und auf Fr. 124'848.00 ab dem
17. Februar 2015 (Verfügung vom 24. Februar 2015).

B. 
Mit Eingabe vom 18. März 2015 verzichtete die A.________ AG auf die Erstattung
einer Gesuchsantwort verbunden mit dem Hinweis, dass dieser Verzicht keineswegs
als Anerkennung der tatsächlichen und rechtlichen Behauptungen im Gesuch der
B.________ AG zu verstehen sei. Der Handelsgerichtspräsident schrieb darauf das
Verfahren als durch Gesuchsanerkennung erledigt ab (Dispositiv-Ziff. 1),
bestätigte die im Gesuch beantragten und am 24. Februar 2015 superprovisorisch
verfügten Anordnungen vorsorglich (Dispositiv-Ziff. 2), setzte der B.________
AG Frist zur Klage auf definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts
(Dispositiv-Ziff. 3) und verpflichtete die A.________ AG zur Zahlung der
Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- (Dispositiv-Ziff. 4.1) und einer
Parteientschädigung von Fr. 4'000.-- (Dispositiv-Ziff. 4.2) unter dem Vorbehalt
der Verteilung der Prozesskosten im Hauptprozess (Dispositiv-Ziff. 4.3 der
Verfügung vom 1. April 2015).

C. 
Die A.________ AG (Beschwerdeführerin) hat am 24. April 2015 eine Beschwerde in
Zivilsachen gegen die handelsgerichtliche Verfügung vom 1. April 2015 erhoben.
Sie beantragt dem Bundesgericht, Dispositiv-Ziff. 1 ersatzlos aufzuheben,
Dispositiv-Ziff. 4.1 aufzuheben und die Gerichtskosten der B.________ AG
(Beschwerdegegnerin) aufzuerlegen sowie Dispositiv-Ziff. 4.2 ersatzlos
aufzuheben, eventualiter die Angelegenheit zur neuen Entscheidung an das
Handelsgericht zurückzuweisen. Es sind die kantonalen Akten, hingegen keine
Vernehmlassungen eingeholt worden.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde richtet sich gegen Dispositiv-Ziff. 1 der angefochtenen
Verfügung, wonach das Verfahren als durch Gesuchsanerkennung erledigt
abgeschrieben wurde.

1.1. Der Abschreibungsbeschluss ist gestützt auf Art. 241 Abs. 3 ZPO ergangen.
Dabei handelt es sich um einen rein deklaratorischen Akt, weil bereits die
Klageanerkennung als solche wie der Vergleich und der Klagerückzug den Prozess
unmittelbar beenden. Der Abschreibungsbeschluss beurkundet den
Prozesserledigungsvorgang im Hinblick auf die Vollstreckung, erfolgt aber
abgesehen davon der guten Ordnung halber, d.h. zum Zwecke der
Geschäftskontrolle. Er kann weder mit Berufung oder Beschwerde nach ZPO noch -
falls er wie hier von einer Vorinstanz i.S. von Art. 75 BGG ergangen ist - mit
der Beschwerde nach BGG angefochten werden (BGE 139 III 133 E. 1.2). Die
Klageanerkennung hat zwar wie der Vergleich und der Klagerückzug die Wirkung
eines rechtskräftigen Entscheides (Art. 241 Abs. 2 ZPO), kann aber einzig mit
Revision nach ZPO angefochten werden (Art. 328 Abs. 1 lit. c ZPO). In Bezug auf
materielle oder prozessuale Mängel der Klageanerkennung wie des Vergleichs und
des Klagerückzugs ist die Revision primäres und ausschliessliches Rechtsmittel.
Gegen eine Klageanerkennung wie gegen einen Vergleich und gegen einen
Klagerückzug stehen weder die Berufung und Beschwerde nach ZPO noch die
Beschwerde nach BGG offen (BGE 139 III 133 E. 1.3, für den gerichtlichen
Vergleich; Urteil 4A_562/2014 vom 20. Februar 2015 E. 1.1, für den
Klagerückzug).

1.2. Die Beschwerdeführerin hat die Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht
übersehen und erhebt gleichwohl Beschwerde gegen den Abschreibungsbeschluss mit
der Begründung, es liege im vorliegenden Fall keine Gesuchsanerkennung vor,
womit auch keine Revision gegen die Wirksamkeit einer Gesuchsanerkennung
ergriffen werden könne (S. 4 Rz. 7 und S. 11 Rz. 26 der Beschwerdeschrift). Sie
beruft sich implizit auf eine Zürcher Praxis, wonach nicht die Revision,
sondern das in der Hauptsache zulässige Rechtsmittel der Berufung oder der
Beschwerde gegen den Abschreibungsbeschluss einzulegen ist, wenn in Frage
gestellt werden will, dass überhaupt eine Prozesserklärung bzw. ein
Rechtsgeschäft vorliegt, das zur Verfahrensabschreibung führen kann, wenn also
die erhobene Rüge auf die Prozesserledigung an sich und damit auf andere Punkte
als den Dispositionsakt einer oder beider Parteien abzielt (ZR 110/2011 Nr. 34
S. 93 ff.). Auch in Kenntnis des BGE 139 III 133 hat die II. Zivilkammer des
Obergerichts des Kantons Zürich an dieser Praxis festgehalten (Beschluss
NP130033 vom 20. März 2014). In der seitherigen Lehre ist umstritten, ob diese
Praxis nach BGE 139 III 133 noch bestehen kann (so Gasser/Rickli,
Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kurzkommentar, 2. Aufl. 2014,
ausgewählte Kasuistik zu Art. 241 ZPO) oder überholt ist (so im Basler
Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013: Steck, N. 21a zu
Art. 241, und Herzog, N. 65a zu Art. 328 ZPO).

1.3. Es kann heute dahingestellt bleiben, ob die Spaltung des Rechtsmittelwegs
gemäss der Zürcher Praxis notwendig und richtig ist. Denn die
Beschwerdeführerin erhebt keine Rügen, die danach eine Revision ausschliessen
könnten, und macht zur Hauptsache geltend, ihr Schreiben sei falsch verstanden
worden, obwohl es nach Treu und Glauben gar nicht hätte missverstanden werden
können (S. 7 ff. Rz. 18-22 der Beschwerdeschrift). Sie beruft sich damit auf
Unwirksamkeitsgründe, die mit der Revision gemäss Art. 328 Abs. 1 lit. c ZPO
vorgetragen werden können (Herzog, a.a.O., N. 64 f., und Schweizer, CPC, Code
de procédure civile commenté, 2011, N. 37 zu Art. 328 ZPO). Die Beschwerde
gegen den Abschreibungsbeschluss zufolge Gesuchsanerkennung erweist sich
deshalb als unzulässig.

2. 
Die Beschwerde richtet sich gegen Dispositiv-Ziff. 4.1 und 4.2 der
angefochtenen Verfügung, wonach die Beschwerdeführerin zur Zahlung der
Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- und einer Parteientschädigung von Fr. 4'000.--
verpflichtet wurde.

2.1. Der im Abschreibungsbeschluss enthaltene Kostenentscheid unterliegt der
Beschwerde nach ZPO bzw. - falls er wie hier von einer Vorinstanz i.S. von Art.
75 BGG ergangen ist - der Beschwerde nach BGG (BGE 139 III 133 E. 1.2). Da es
in der Hauptsache um die provisorische Eintragung eines
Bauhandwerkerpfandrechtes geht und damit um eine vorsorgliche Massnahme im
Sinne von Art. 98 BGG (Urteile 5A_924/2014 vom 7. Mai 2015 E. 2, 5A_475/2010
vom 15. September 2010 E. 1.2 und 5A_777/2009 vom 1. Februar 2010 E. 1.3), ist
die Prüfungsbefugnis auch gegenüber der Prozesskostenverlegung auf die
Verletzung verfassungsmässiger Rechte beschränkt (BGE 134 V 138 E. 3 S. 143 f.;
138 III 555 E. 1 S. 556; Urteil 5A_241/2014 vom 28. Mai 2014 E. 1.2, in: SZZP
2014 S. 426 f.).

2.2. Die Beschwerdeführerin erhebt keine selbstständigen Rügen gegen die
Prozesskostenverlegung, sondern begründet deren Aufhebung und Änderung mit dem
Erfolg in der Hauptsache (S. 9 ff. Rz. 23-25 der Beschwerdeschrift), d.h.
damit, dass das Handelsgericht zu Unrecht von einer Gesuchsanerkennung
ausgegangen sei. Die Dispositiv-Ziff. 2 und 3 der Verfügung, mit denen die
Gesuchsbegehren der Beschwerdegegnerin vollumfänglich gutgeheissen wurden,
ficht die Beschwerdeführerin ausdrücklich nicht an (S. 11 Ziff. 27 der
Beschwerdeschrift). Damit hat die Beschwerdegegnerin in der Sache unangefochten
obsiegt und durften der Beschwerdeführerin als der unterliegenden Partei im
Sinne von Art. 106 Abs. 1 ZPO die Prozesskosten auferlegt werden, unabhängig
davon, ob sie das Gesuch anerkannt hat, wie es das Obergericht angenommen hat,
oder bloss auf eine Gesuchsantwort verzichtet hat, wie sie selber es sieht.
Denn selbst bei blossem Verzicht auf Stellungnahme darf eine Gegenpartei
willkürfrei als unterliegend betrachtet und zur Zahlung der Gerichtskosten und
der Parteientschädigung verurteilt werden; auf ihre Anträge kann es unter
Willkürgesichtspunkten nicht ankommen (vgl. BGE 123 V 156 E. 3c S. 158 und 123
V 159 E. 4b; Urteil 4A_616/2013 vom 16. Juni 2014 E. 4, nicht veröffentlicht
in: BGE 140 III 227, wohl aber in: Praxis 104/2015 Nr. 35 S. 297).

2.3. Im Ergebnis erweist sich die Prozesskostenverlegung nicht als
verfassungswidrig und namentlich nicht als willkürlich (Art. 9 BV; vgl. zum
Begriff: BGE 140 III 16 E. 2.1 S. 18 und 167 E. 2.1 S. 168).

3. 
Aus den dargelegten Gründen muss die Beschwerde abgewiesen werden, soweit
darauf einzutreten ist. Die Beschwerdeführerin wird damit kosten-, nicht
hingegen entschädigungspflichtig, zumal keine Vernehmlassungen eingeholt wurden
(Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Aargau, 1.
Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. Juni 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: von Roten

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