Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.313/2015
Zurück zum Index II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2015
Retour à l'indice II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2015


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_313/2015

Urteil vom 26. Mai 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Marazzi, Herrmann,
Gerichtsschreiber Möckli.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

B.B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Zlatko Janev,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Internationale Zuständigkeit (Zinsen aus Vermächtnis),

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern, 1. Abteilung, vom
31. März 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die am 9. Juli 2003 an ihrem letzten Wohnsitz in Monaco verstorbene Erblasserin
C.B.________ bedachte ihre Nichte A.________ mit einem Vermächtnis von Fr.
1'000'000.--, welches am 12. Juni 2011 schliesslich bezahlt wurde. Der
Adoptivsohn der Erblasserin, B.B.________, ist Alleinerbe.

B. 
Mit Klage vom 17. März 2014 beantragte A.________ beim Bezirksgericht Luzern
sinngemäss, B.B.________ habe ihr aus dem Vermächtnis Verzugszinsen von Fr.
384'017.-- nebst Zins zu 5 % seit 13. Juni 2011 zu bezahlen.
Mit Verfügung vom 19. Mai 2014 wurde das Verfahren auf die Frage der örtlichen
Zuständigkeit beschränkt, wozu Replik und Duplik erfolgten. Mit Entscheid vom
26. November 2014 trat das Bezirksgericht Luzern auf die Klage nicht ein.
Hiergegen erhob A.________ beim Kantonsgericht Luzern Berufung. Mit Entscheid
vom 31. März 2015 trat dieses auf die Klage ebenfalls nicht ein.

C. 
Gegen den kantonsgerichtlichen Entscheid hat A.________ am 17. April 2015 eine
Beschwerde erhoben mit den Begehren um dessen Aufhebung und Feststellung der
örtlichen Zuständigkeit in Luzern Stadt. Mit Präsidialverfügung vom 21. April
2015 wurde das Gesuch um aufschiebende Wirkung abgewiesen. In der Sache selbst
wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.

Erwägungen:

1. 
Angefochten ist der kantonal letztinstanzlich und selbständig eröffnete
Zwischenentscheid über die Zuständigkeit in einer vermögensrechtlichen
Streitigkeit mit Fr. 30'000.-- übersteigendem Streitwert; die Beschwerde in
Zivilsachen steht somit offen (Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 lit. b, Art. 75
Abs. 1 und Art. 92 Abs. 1 BGG).

2. 
Das Kantonsgericht hat erwogen, der Verzugszins sei ein Nebenrecht der
Hauptforderung, welche ein Anspruch aus Vermächtnis sei. Dieser Anspruch und
insbesondere auch die Frage der Fälligkeit und Herausgabe des Vermächtnisses
seien erbrechtlicher Natur. Mithin weise auch das Akzessorium einen genügend
engen Konnex zum Erbgang auf, so dass von einer erbrechtlichen Streitigkeit im
Sinn von Art. 86 ff. IPRG gesprochen werden könne.
Das Kantonsgericht hat ferner erwogen, dass die Beschwerdeführerin die
Voraussetzungen der Heimatzuständigkeit nach Art. 87 IPRG nicht dargelegt habe
und diese wenn schon ohnehin in Neuenburg, nicht in Luzern bestünde. Sie mache
auch nicht eine Notzuständigkeit gemäss Art. 3 IPRG geltend. Im Übrigen würde
es hierfür nicht genügen, dass lediglich ein geringer internationaler Bezug
vorliege; auch wenn die monegassischen Behörden allenfalls schweizerisches
Recht anwenden müssten, ändere dies nichts an der dortigen Zuständigkeit, und
die Beschwerdeführerin zeige nicht auf, inwiefern ihr die Klageeinreichung in
Monaco unmöglich oder unzumutbar wäre.

3. 
Nicht einzugehen ist auf die Behauptungen im Zusammenhang mit dem Sachverhalt,
werden doch diesbezüglich keine Willkürrügen erhoben (Art. 97 Abs. 1 i.V.m.
Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 137 III 226 E. 4.2 S. 234); im Übrigen sind sie
grösstenteils neu und damit unzulässig im Sinn von Art. 99 Abs. 1 BGG und ist
auch kein Zusammenhang mit den vorliegend entscheidenden Rechtsfragen
ersichtlich (das Beilagenverzeichnis sei anders nummeriert als in einem
früheren Verfahren, was Chaos bedeute; der Erbenschein sei als öffentliche
Urkunde eine Fälschung, was einen Blankettmissbrauch darstelle, weil gar kein
Notar die Urkunde ausgestellt habe; es sei ein zweites Testament aufgetaucht
und gar nicht registriert worden; der Beschwerdegegner könne gar nicht als
wahrer Adoptivsohn anerkannt werden; es liege ein Prozessbetrug vor, der von
Amtes wegen zu verfolgen sei; mit einer Summe von EUR 1'500'000.-- könne man
unmöglich die Vermächtnisse zahlen, die CHF 5'500'000.-- betrügen; niemand sei
von Monaco und es sei auch kein Geld dort, der Willensvollstrecker habe dort
kein Geld finden können und die Juwelen seien sowieso verschwunden; der Notar
habe sie nicht über den Tod der Erblasserin informiert; der Willensvollstrecker
sei immer in Frankreich domiziliert gewesen, nicht in Monaco; er habe nichts
unternommen und alle seien untätig gewesen).

4. 
In rechtlicher Hinsicht bringt die Beschwerdeführerin vor, es gehe bei den
Zinsen für das Vermächtnis nicht um Erbrecht, sondern um eine
obligationenrechtliche Geldschuld; bis zur Auszahlung des Vermächtnisses hätten
die Zinsen die Form von Kapital bekommen. Sei das Vermächtnis einmal bezahlt,
habe es nichts mehr mit dem Erbrecht zu tun. Gemäss den Grundsätzen des
internationalen Privatrechts, die im Fürstentum anwendbar seien, und gemäss der
Rechtsstellung der Verstorbenen sei auf die Möbel ihr nationales Gesetz, also
das schweizerische Gesetz anwendbar, und auf die Gebäude das Gesetz des Landes,
in welchem sich diese befänden. Beide Parteien hätten Wohnsitz in der Schweiz
und es sei schweizerisches Recht anzuwenden. Das Bundesgericht habe schon
früher Entscheide gefällt (5C.299/2005 und 5A_883/2014), was es nicht getan
hätte, wenn die örtliche Zuständigkeit nicht gegeben gewesen wäre. BGE 117 II
26 gelte auch vorliegend.
Wie die Vorinstanzen zutreffend befunden haben, liegt aufgrund des
ausländischen Wohnsitzes der Erblasserin ein internationaler Sachverhalt vor.
Obwohl Monaco nicht Vertragsstaat ist, wäre das Lugano-Übereinkommen
räumlich-persönlich insofern anwendbar, als der Beschwerdegegner Wohnsitz in
der Schweiz hat (Art. 2 LugÜ; BGE 135 III 185 E. 3.3 S. 189 f.); indes ist das
Übereinkommen auf erbrechtliche Angelegenheiten sachlich nicht anwendbar (Art.
1 Ziff. 2 lit. a LugÜ), wozu insbesondere auch Vermächtnisse gehören ( ROHNER/
LERCH, Basler Kommentar, N. 84 zu Art. 1 LugÜ; DASSER, Handkommentar
Lugano-Übereinkommen, N. 77 zu Art. 1 LugÜ). Die internationale Zuständigkeit
richtet sich mithin nach Art. 86 Abs. 1 IPRG. Gemäss dieser Norm sind für das
Nachlassverfahren und die erbrechtlichen Streitigkeiten die schweizerischen
Gerichte oder Behörden am letzten Wohnsitz des Erblassers zuständig. Das IPRG
verwirklicht damit die Prinzipien des Vorranges des Wohnsitzes und der
Nachlasseinheit ( SCHNYDER/LIATOWITSCH, Basler Kommentar, N. 2 zu Art. 86 IPRG;
BUCHER, Commentaire Romand, N. 1 vor Art. 86-96 IPRG). Mithin besteht vom
Grundsatz her keine schweizerische Zuständigkeit.
Die Beschwerdeführerin behauptet freilich, die Verzugszinsen für das
Vermächtnis seien rein obligationenrechtlicher Natur und hätten keinen Bezug
zum Erbrecht. Welche erbrechtlichen Klagen zur Verfügung stehen, bestimmt sich
indes nach dem Erbstatut (Botschaft zum IPRG, BBl 1983 I 382; SCHNYDER/
LIATOWITSCH, a.a.O., N. 10 zu Art. 86 IPRG). Dies gilt auch für die Tragweite
und die Nebenfolgen eines erbrechtlichen Institutes. Das anwendbare Sachstatut
ergibt sich vorliegend aus dem monegassischen internationalen Privatrecht. Die
Beschwerdeführerin äussert sich zu dieser Frage nicht, weshalb die Beschwerde
bereits an diesem Punkt scheitert.
Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass aus schweizerischer Sicht
eine Klage dann erbrechtlicher Natur ist, wenn sich die Parteien auf einen
erbrechtlichen Titel berufen, um einen Teil ihrer Erbschaft zu fordern und die
Existenz ihrer Rechte feststellen zu lassen; erbrechtliche Streitigkeiten
betreffen demnach Klagen, mit denen Bestand oder Höhe erbrechtlicher Ansprüche
geltend gemacht oder bestritten werden (BGE 132 III 677 E. 3.3 S. 679 f.; 137
III 369 E. 4.3 S. 371). Kein genügender Zusammenhang mit dem Erbrecht war
beispielsweise gegeben bei einer in eigenem Namen eingegangenen Verpflichtung
eines einzelnen Erben auf Errichtung einer Dienstbarkeit zugunsten eines nicht
am Erbgang beteiligten Dritten (BGE 117 II 26 E. 2b S. 28), bei einer
Arrestprosequierungsklage gegen einen Erben, der zu Lebzeiten des Erblassers
zum eigenen Vorteil über dessen Bankguthaben verfügt hatte, weil der Erbe in
seiner Funktion als Vollmachtsinhaber und Beauftragter des Erblassers
eingeklagt worden war (BGE 119 II 77 E. 3c S. 82), und bei einer Klage auf
Leistung eines als "Soulte" bezeichneten Betrages vor dem Hintergrund, dass die
Mutter der Tochter das ihr aufgrund der Erbteilung zugewiesene Aktienpaket am
Familienunternehmen verkauft hatte und im Zuge steigender Aktienkurse zwanzig
Jahre später geltend machte, der Kaufpreis sei zu tief angesetzt gewesen
(Urteil 5A_230/2007 vom 7. Juli 2008 E. 4.2). Demgegenüber wurde der
erbrechtliche Charakter bejaht bei einer im Erbteilungsvertrag festgelegten
Ausgleichszahlung (ebenfalls als "Soulte" bezeichnet), weil diese mit der
Bildung und Zuteilung der Lose als Teil der Erbteilung eng verknüpft war (BGE
137 III 369 E. 4.3 S. 372), sowie bei Gewinnbeteiligungsrechten, welche die
Erben im Zuge der Erbteilung zur wertmässigen Ausgleichung ihrer Lose für eine
Zeit von zehn Jahren vereinbart hatten (Urteil 5A_627/2012 vom 3. Dezember 2012
E. 5). Der vorliegend interessierenden Zinsforderung liegt ein Vermächtnis
zugrunde, welches ein erbrechtliches Institut ist; eine Klage auf Ausrichtung
des Vermächtnisses ist deshalb erbrechtlicher Natur, und zwar auch im
internationalen Verhältnis (vgl. Art. 484 f., 543 und 562 ZGB; BUCHER, a.a.O.,
N. 4 zu Art. 86 IPRG). Eine auf Art. 86 IPRG gestützte schweizerische
Zuständigkeit scheidet selbst dann aus, wenn der vermächtnisbelastete Erbe
Wohnsitz in der Schweiz hat ( BUCHER, a.a.O., N. 4 zu Art. 86 IPRG). Was nun
spezifisch die Zinsforderung anbelangt, so leitet sich diese unmittelbar aus
dem Vermächtnis ab und richtet sich ihr Entstehen, ihre Höhe sowie ihr
Erlöschen ebenfalls nach dem anwendbaren Erbstatut (bei Anwendbarkeit
schweizerischen Rechts beachte z.B. Art. 114 Abs. 2 OR). Wie es sich damit
verhält, legt die Beschwerdeführerin nicht dar. Klar ist aber jedenfalls, dass
auch die Frage der Verzinsung des Vermächtnisses einen genügenden Konnex mit
dem Erbgang hat, so dass sie ebenfalls als erbrechtlich im Sinn von Art. 86
IPRG zu betrachten ist und mithin für die betreffende Klage keine
internationale Zuständigkeit in der Schweiz besteht.
An der Sache vorbei geht der Hinweis im Zusammenhang mit Möbeln und
Grundstücken, geht es doch vorliegend um ein Geldvermächtnis, dessen Verzinsung
eingeklagt ist.
In Bezug auf die vom Kantonsgericht angesprochene Notzuständigkeit werden keine
tauglichen Sachverhaltsrügen erhoben (dazu E. 3), weshalb vom kantonal
festgestellten Sachverhalt auszugehen ist (Art. 105 Abs. 1 BGG), dass keine
Anhaltspunkte bestehen, welche eine Klageeinleitung in Monaco als unmöglich
oder unzumutbar erscheinen lassen könnten.

5. 
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit auf sie
eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Gegenseite ist kein Aufwand entstanden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 1. Abteilung,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 26. Mai 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Möckli

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben