Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.284/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_284/2015

Urteil vom 29. Juni 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Herrmann, Schöbi,
Gerichtsschreiber Levante.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

1. B.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hansjürg Lenhard,
2. Obergericht des Kantons Thurgau,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Unentgeltliche Prozessführung, Sicherstellung (Lastenverzeichnis),

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 10.
Dezember 2014 (ZR.2014.57, ZR.2014.60).

Sachverhalt:

A.

A.a. Anfangs Dezember 2013 ordnete das Betreibungsamt Kreuzlingen die
Versteigerung der beiden im Eigentum von A.________ stehenden Grundstücke Nr.
www und Nr. xxx bzw. zwei Einfamilienhäusern an der C.________strasse yyy und
Nr. zzz in U.________ an. Die Versteigerung fand am 5. März 2014 statt.

A.b. Am 25. Februar 2014 reichte A.________ gegen die B.________ AG (gestützt
auf die Fristansetzung des Betreibungsamtes Kreuzlingen vom 17. Februar 2014)
beim Bezirksgericht Kreuzlingen Klage auf Aberkennung eines Anspruchs im
Lastenverzeichnis der beiden Grundstücke ein. Konkret wandte sie sich gegen die
Verfügungsbeschränkung im fünften Rang, welche aufgrund eines Arrestes über Fr.
1'286'969.40 vorgemerkt worden war.

B.

B.a. Im Verlaufe des Verfahrens wurde A.________ vom Präsidenten des
Bezirksgerichtes zur Leistung eines Kostenvorschusses für die Gerichtskosten
von Fr. 25'800.-- innert 20 Tagen aufgefordert. Daraufhin ersuchte A.________
um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für den
Lastenbereinigungsprozess. In ihrer Klageantwort vom 2. Juni 2014 verlangte die
B.________ AG unter anderem die Abweisung dieses Gesuchs und die Leistung einer
Sicherheit für ihre Parteientschädigung. Mit Entscheid vom 3. November 2014
wies der Einzelrichter das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege von A.________
ab. Mit Entscheid vom 4. November 2014 gab er dem Gesuch der B.________ AG
statt und verpflichtete A.________ zur Sicherstellung von deren Parteikosten in
der Höhe von Fr. 35'740.--.

B.b. Gegen beide Entscheide gelangte A.________ an das Obergericht des Kantons
Thurgau, welches ihre Beschwerden mit Urteil vom 10. Dezember 2014 abwies.

C. 
Mit Eingabe vom 8. April 2015 ist A.________ an das Bundesgericht gelangt. Die
Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und
die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das kantonale Verfahren.
Sie stellt für das bundesgerichtliche Verfahren ein Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege.
Es sind die kantonalen Akten, aber keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

Erwägungen:

1.

1.1. Angefochten ist ein Entscheid, mit welchem ein oberes kantonales Gericht
die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege für das erstinstanzliche
Verfahren und die Anordnung einer Sicherheit für die Parteikosten bestätigt
hat. Dabei handelt es sich um einen Zwischenentscheid, der einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 129 I 129
E. 1.1 S. 131). Der Rechtsweg richtet sich nach dem in der Hauptsache
zulässigen Rechtsmittel. Konkret geht es um die Aberkennung eines Anspruchs im
Lastenverzeichnis, mithin eine Zivilsache mit Vermögenswert (Art. 72 Abs. 1
BGG; Urteil 5A_122/2009 vom 2. Februar 2010 E. 1.1, nicht publ. in: BGE 136 III
288), deren Streitwert die gesetzliche Grenze überschreitet (Art. 74 Abs. 1
lit. b BGG). Damit ist die Beschwerde in Zivilsachen in der Hauptsache sowie
gegen den vorliegend strittigen Zwischenentscheid zulässig.

1.2. Mit dem Antrag auf Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides wehrt sich
die Beschwerdeführerin auch gegen die Leistung einer Sicherheit für die
Parteientschädigung an die Beschwerdegegnerin. Zudem verlangt sie die Gewährung
der unentgeltlichen Rechtspflege für das kantonale Verfahren.

1.3. Zwar hat die Versteigerung der beiden Grundstücke bereits stattgefunden
(vgl. Art. 141 Abs. 1 SchKG), wodurch das aktuelle Rechtsschutzinteresse an der
Anfechtung des Lastenverzeichnisses und damit der Behandlung des Gesuchs um
unentgeltliche Rechtspflege sowie der Pflicht zu Leistung einer Sicherheit an
die Gegenpartei jedoch nicht weggefallen ist.

1.4. Mit der Beschwerde in Zivilsachen kann die Verletzung von Bundesrecht
gerügt werden (Art. 95 BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht in diesem
Bereich grundsätzlich von Amtes wegen und mit freier Kognition an (Art. 106
Abs. 1 BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der
angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 134 III 102 E. 1.1 S.
104). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen
(Art. 106 Abs. 2 BGG), wobei hier das Rügeprinzip gilt (BGE 133 III 589 E. 2 S.
591). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel
sind nicht zulässig (Art. 99 Abs. 1 BGG).

2. 
Anlass zur vorliegenden Beschwerde geben die Voraussetzungen für die Gewährung
der unentgeltlichen Rechtspflege und die Pflicht zur Leistung einer Sicherheit
für die Parteikosten der Beklagten. Im konkreten Fall geht es einzig um die
Anordnungen für das erstinstanzliche Verfahren. Die Vorinstanz hat für das
Rechtsmittelverfahren insbesondere gegen die Abweisung des Gesuchs um
unentgeltliche Rechtspflege keine Kosten erhoben (vgl. dazu BGE 137 III 470 E.
6 S. 471 ff.).

2.1. Mit Art. 117 ff. ZPO wird der als verfassungsrechtliche Minimalgarantie in
Art. 29 Abs. 3 BV verankerte Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege auf
Gesetzesstufe geregelt. Im Anwendungsbereich der Zivilprozessordnung wird das
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege seit dem 1. Januar 2011 nach den neuen
gesetzlichen Bestimmungen geprüft. Demnach hat eine Person Anspruch auf
unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel
verfügt und ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Als mittellos
gilt, wer für die Kosten eines Prozesses nicht aufkommen kann, ohne die Mittel
anzugreifen, welche er zur Deckung des Grundbedarfs für sich und seine Familie
benötigt. Ob die Kriterien zur Bestimmung der Mittellosigkeit zutreffend
gewählt wurden, ist eine Rechtsfrage. Demgegenüber beschlagen die Höhe der
Einnahmen und Aufwendungen Tatfragen, welche das Bundesgericht nur auf Willkür
überprüft (BGE 135 I 221 E. 5.1 S. 223).

2.2. Die Vorinstanz hat die Klage auf Lastenbereinigung als aussichtslos
erachtet. Im Wesentlichen weist sie die Beschwerdeführerin auf die in einem
solchen Verfahren ausschliesslich zu behandelnden Fragen hin, nämlich auf
Begehren von Schuldner oder Gläubigern die Rechte Dritter am Pfand auf dem zu
verwertenden Grundstück zu klären. Der Bestand der Forderung, für welche die
Grundstücke verarrestiert worden seien, sei vom Richter im
Arrestprosequierungs-, nicht im Lastenbereinigungsprozess zu prüfen, wie die
Beschwerdeführerin meine.

2.2.1. Im Lastenbereinigungsverfahren wird für die laufende Betreibung über den
im Verzeichnis aufgeführten Anspruch nach Bestand, Umfang, Rang und Fälligkeit
befunden, soweit dieser bestritten worden ist (Art. 37 Abs. 2 VZG; vgl. BGE 141
III 141 E. 4.2 S. 143). Nicht Gegenstand der Lastenbereinigung kann die Frage
sein, wem ein solches Recht zusteht. Dies ist in einem Widerspruchsverfahren zu
klären (Art. 140 Abs. 2 SchKG; JENT-S ø RENSEN, Die Rechtsdurchsetzung bei der
Grundstückverwertung in der Spezialexekution, 2003, Rz. 529, S. 224). Wenn der
Betriebene den Bestand, die Höhe und die Fälligkeit der in Betreibung gesetzten
Forderung sowie ihr allfälliges Pfandrecht bestreitet, hat er dies durch
Erhebung des Rechtsvorschlags zu tun; Bestreitung ist nur von anderen
Forderungen und Lasten möglich ( JENT-S ø RENSEN, a.a.O., Rz. 408, S. 173 f.;
vgl. JAEGER, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 1911, N. 9 zu Art.
140; FEUZ, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und
Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 133 zu Art. 140, je mit Hinweisen). Bei bereits
pendentem Zivilprozess ist nach der Lehre keine Lastenbereinigungsklage
erforderlich (vgl. JENT-S ø RENSEN, a.a.O., Rz. 461 ff., S. 196 ff).

2.2.2. Die Beschwerdeführerin besteht auch vor Bundesgericht darauf, dass ihre
Klage nicht aussichtslos sei. Ihre Vorbringen - soweit sie überhaupt
verständlich sind - stellen weitgehend eine Wiederholung von bereits im
kantonalen Verfahren Gesagtem dar. Damit genügt sie den Anforderungen an eine
rechtsgenügliche Begründung ihrer Anträge in keiner Weise (E. 1.4).
So ist es nicht nachvollziehbar, inwiefern die Prozessvoraussetzungen im
konkreten Fall nicht gegeben sein sollten. Dazu gehört die Behauptung der
Beschwerdeführerin, dass Hansjürg Lenhard die Beschwerdegegnerin nicht
vertreten könne, da er zwar als Rechtsanwalt mit deren Interessenvertretung
betraut worden sei, indes die ihn beauftragenden Verwaltungsräte an der
nichtigen Generalversammlung vom 4. Oktober 2011 ernannt worden seien. Weder
ist in diesem Zusammenhang zudem ein grober Verfahrensfehler noch die
Verletzung des rechtlichen Gehörs seitens der kantonalen Instanzen erkennbar,
wie die Beschwerdeführerin meint.
Gegenstand des konkreten Verfahrens bildet einzig die Klage der
Beschwerdeführerin auf Aberkennung eines ins Lastenverzeichnis aufgenommenen
dinglichen Rechtes, konkret die Verfügungsbeschränkung infolge einer
Arrestlegung (Art. 101 i.V.m. Art. 275 SchKG und Art. 960 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB).
Hingegen kann der Bestand der Forderung und der damit verbundenen Last mit
Erhebung des Rechtsvorschlags bzw. im Verfahren der Arrestprosequierungsklage -
ein Zivilprozess - in Frage gestellt werden, wie die Vorinstanz bereits
zutreffend darlegt hat. Damit gehen die Ausführungen der Beschwerdeführerin zu
dem im Kanton Zürich gegen sie hängigen Verfahren betreffend einen Arrest, die
hierfür nötige örtliche Zuständigkeit und der Rechtzeitigkeit der Prosequierung
an der Sache vorbei.

2.3. Die Vorinstanz ist zudem zum Schluss gekommen, dass die Beschwerdeführerin
ihre finanzielle Lage nicht ausreichend dargelegt habe. Selbst ihre im
Rechtsmittelverfahren eingereichten Unterlagen liessen keinen Schluss auf die
aktuellen Verhältnisse, wozu auch die Einkommenssituation gehöre, zu. Fehle es
am Nachweis der Bedürftigkeit, so sei das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
abzuweisen.
Der Beschwerdeführerin kann nicht gefolgt werden, wenn sie meint, das Gericht
wäre bei "Unklarheiten" über ihre finanzielle Situation verpflichtet gewesen,
selber nachzufragen. Mit diesem Vorbringen verkennt sie die Bedeutung der
richterlichen Fragepflicht (Art. 56 ZPO). Wer ein Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege einreicht, hat seine Bedürftigkeit selber darzulegen und von sich
aus die notwendigen Unterlagen einzureichen (Art. 119 Abs. 2 ZPO). Zudem war es
der Beschwerdeführerin zuzumuten, nicht nur über ihre Erwerbstätigkeit, sondern
umfassend über ihre finanzielle Situation Auskunft zu geben. Die Vorinstanz
durfte daher zu Recht auf die bisherigen Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege
hinweisen, welche mangels Darlegung der Bedürftigkeit abgewiesen werden
mussten. Daran ändern auch die (teils neuen) Vorbringen der Beschwerdeführerin
nichts.

2.4. Die Vorinstanz hat eine Sicherheit für die Parteientschädigung der
Beschwerdegegnerin angeordnet. Die Höhe von Fr. 35'740.-- war bereits im
kantonalen Verfahren nicht bestritten. Soweit die Beschwerdeführerin rügt, die
Vorinstanz habe diesen Entscheid von sich aus und ohne Antrag der
Beschwerdegegnerin gefällt, ist sie auf die Klageantwort vom 2. Juni 2014
hinzuweisen, welche ihr am 17. Juni 2014 zugestellt worden ist. Der
Beschwerdeführerin kann auch nicht gefolgt werden, wenn sie meint, die
unentgeltliche Rechtspflege umfasse auch die Sicherheit für die Parteikosten
der Gegenpartei. Selbst wenn das entsprechende Gesuch gutgeheissen worden wäre,
würde ein solcher Entscheid die Beschwerdeführerin nicht von der Bezahlung der
Parteientschädigung an die Gegenpartei befreien (Art. 118 Abs. 3 ZPO).

3. 
Nach dem Gesagten ist der Beschwerde insgesamt kein Erfolg beschieden. Die
Beschwerdeführerin ersucht auch für das bundesgerichtliche Verfahren um
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Infolge Aussichtslosigkeit ihrer
Anträge kann das Gesuch nicht gutgeheissen werden. Die Prüfung der
Bedürftigkeit erübrigt sich damit (Art. 64 Abs. 1 BGG). Ausgangsgemäss trägt
die Beschwerdeführerin die Verfahrenskosten.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 29. Juni 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Escher

Der Gerichtsschreiber: Levante

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