Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.239/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_239/2015

Urteil vom 17. Juni 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Marazzi, Schöbi,
Gerichtsschreiber Möckli.

Verfahrensbeteiligte
A.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Roman Wyrsch,
Beschwerdeführerin,

gegen

B.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Silvan Hauser,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Privatrechtliche Baueinsprache,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Schwyz, 2. Zivilkammer, vom 20.
Februar 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die C.________ ist Eigentümerin des Grundstücks U.________-KTN-xxx. Auf einem
Teil dieses Grundstücks lastet das im Jahr 2005 vereinbarte selbständige und
dauernde Baurecht der A.________ AG, welches als Grundstück mit der Nummer
KTN-yyy eingetragen ist.

 Im Amtsblatt Nr. zzz vom xx.xx.2014 wurde das Bauvorhaben "..." publiziert,
welches die B.________ AG auf einem anderen Teil des Grundstücks KTN-xxx
errichten möchte.

B. 
Gegen dieses Bauvorhaben erhob die A.________ AG am 7. Mai 2014 beim
Bezirksgericht U.________ eine privatrechtliche Baueinsprache mit dem Begehren,
das Baugesuch abzuweisen bzw. nicht zu bewilligen.

 Am 4. September 2014 wies das Bezirksgericht U.________ die Baueinsprache ab.

 Dagegen erhob die A.________ AG am 15. September 2014 eine Berufung, welche
das Kantonsgericht Schwyz am 20. Februar 2015 abwies, soweit es darauf eintrat.

C. 
Gegen den kantonsgerichtlichen Entscheid hat die A.________ AG am 23. März 2015
eine Beschwerde erhoben mit dem Begehren um dessen Aufhebung und Untersagung
des publizierten Bauvorhabens, eventualiter um Rückweisung der Sache an das
Kantonsgericht. Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.

Erwägungen:

1. 
Angefochten ist der kantonal letztinstanzliche Endentscheid betreffend eine
privatrechtliche Baueinsprache mit einem von der Vorinstanz auf mindestens Fr.
650'000.-- bezifferten Streitwert (bei einer Bausumme von Fr. 6,5 Mio.); die
Beschwerde in Zivilsachen ist somit gegeben (Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1
lit. b, Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG).

2. 
Das Kantonsgericht hat anerkannt, dass die Beschwerdeführerin zur Einsprache
legitimiert ist; sie habe zwar ihr Recht zur Erstellung einer Baurechtsbaute
bislang nicht in Anspruch genommen, so dass sie sich nicht selber auf ein
Eigentumsrecht berufen könne, aber die privatrechtliche Einsprache stehe ihr
aufgrund ihrer Stellung als Dienstbarkeitsberechtigte zu. Das Kantonsgericht
hat weiter anerkannt, dass das Bauvorhaben der B.________ AG die Ausübung der
Dienstbarkeit grundsätzlich stören könnte, weil die Erschliessung über die
D.________brücke erfolgen soll und deshalb zwingend über einen Teil des
Baurechtsgrundstückes erfolgen müsse. Relevant sei aber nur eine erhebliche
Störung und die Erheblichkeit sei nicht nachgewiesen. Die Beschwerdeführerin
habe keinen Auszug aus dem Grundbuch eingereicht und dem öffentlich
beurkundeten Baurechtsvertrag vom 13. April 2005, wovon nur die beiden ersten
Seiten eingereicht worden seien, könne der Inhalt der Baurechtsdienstbarkeit
ebenfalls nicht entnommen werden. Mit Bezug auf den Baurechtsvertrag sei auch
kein übereinstimmender tatsächlicher Wille der Parteien behauptet. Eine
Auslegung nach dem Vertrauensprinzip sei nicht möglich, weil wie gesagt nur die
ersten beiden Seiten des Vertrages eingereicht worden seien. In den Akten liege
noch das Schreiben der C.________ vom 27. Juni 2014, wonach sie das Baurecht
nur soweit eingeräumt habe, als sie an der strassenmässigen Verbindung zwischen
der Strassenbrücke D.________ und dem südlich des Baurechtsgrundstücks
liegenden Grundstück berechtigt bleibe und dieses Teilgrundstück auch Dritten
zur Nutzung überlassen dürfe; dieses Schreiben sei jedoch als blosse Behauptung
anzusehen. Andere Belege zum Inhalt der Dienstbarkeit lägen nicht vor. Ob der
Beschwerdeführerin mit dem Baurechtsvertrag ein ausschliessliches
Benutzungsrecht am Boden des Baurechtsgrundstücks eingeräumt worden sei oder
nicht, sei ebenso wenig nachvollziehbar wie der Umfang einer allenfalls zu
duldenden Mitbenutzung. Damit sei der Beweis, dass mit dem Bauprojekt eine
erhebliche Störung der Ausübung des Dienstbarkeitsrechtes im Sinn von Art. 737
Abs. 3 ZGB erfolge, als gescheitert zu beachten.

3. 
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 8 ZGB. Sie macht geltend,
dass sie sich im Sinn von Art. 737 Abs. 3 ZGB nicht nur gegen die C.________
als Baurechtsgeberin und Eigentümerin von U.________-KTN-xxx, sondern auch
gegen die B.________ AG als Bauherrin zur Wehr setzen dürfe, dass sie aber nur
gegenüber der Baurechtsgeberin und Grundeigentümerin eine Erheblichkeit der
Störung nachweisen müsste, während sie gegenüber der Bauherrin als Drittperson
einen unbedingten Abwehranspruch habe. Entsprechend müsse sie gegenüber der
Drittperson, welche weder über ein Eigentumsrecht noch über ein beschränktes
dingliches Recht verfüge, auch nicht den Umfang ihrer Baurechtsdienstbarkeit
darlegen. Ohnehin aber verletzte das Kantonsgericht auch Recht, indem es davon
ausgehe, dass keine erhebliche Störung vorliege. Zwar stehe es den Parteien
tatsächlich frei, eine ausschliessliche Nutzung oder eine Mitbenutzung zu
vereinbaren, aber die Vermutung spreche eher für die Ausschliesslichkeit der
Nutzung, wenn ihr Umfang nicht durch Festlegung der mengenmässigen oder
räumlichen Ausdehnung bestimmt sei; dies sei insbesondere beim selbständigen
und dauernden Baurecht so, welches unter Vorbehalt anderer Abrede die
Überbauung des gesamten Baurechtsgrundstücks erlaube. Im Übrigen stehe
gegenüber Drittpersonen nicht der Dienstbarkeitscharakter, sondern der
Grundstückscharakter des grundbuchlich aufgenommenen Baurechtes im Vordergrund;
sie müsse sich deshalb gestützt auf Art. 641 und 928 ZGB gegen jegliche
Eingriffe zur Wehr setzen können.

4. 
Die Beschwerdeführerin hat gestützt auf § 80 des Planungs- und Baugesetzes des
Kantons Schwyz vom 14. Mai 1987 eine privatrechtliche Baueinsprache erhoben.
Mit dieser wird vorgebracht, dass ein subjektives privates Recht (vgl.
BIRCHLER, Baueinsprache und Baubewilligung nach schwyzerischem Recht, Diss.
Zürich 1970, S. 137) bzw. ein privatrechtlicher Anspruch verletzt ist (Urteil
5A_378/2012 vom 6. Dezember 2012 E. 1.1; BRUNNER, Der Bauverbotsprozess unter
besonderer Berücksichtigung der privatrechtlichen Baueinsprache, Diss. St.
Gallen 1997, S. 11). Meist geht es um private Ansprüche des Nachbarrechts, und
zwar typischerweise um den privatrechtlichen Immissionsschutz gemäss Art. 684
ff. ZGB, d.h. insbesondere um die Abwehr übermässiger Einwirkungen im Sinn von
Art. 684 ZGB (vgl. etwa die Urteile 5A_814/2014 vom 12. Dezember 2014; 5A_205/
2014 vom 1. Juli 2014; 5A_984/2013 vom 4. Februar 2014; 5A_378/2012 vom 6.
Dezember 2012). Diesbezüglich kann nebst dem Eigentümer auch ein
Dienstbarkeitsberechtigter (Anwendungsbeispiel Urteil 5A_127/2013 vom 1. Juli
2013) und ein über Besitz verfügender obligatorisch Berechtigter wie der Mieter
oder Pächter (BGE 106 Ib 241 E. 2 S. 243; 104 II 15 E. 1 S. 18) eine
Beeinträchtigung seiner Rechte geltend machen.

 Vorliegend macht die Beschwerdeführerin sinngemäss nachbarrechtliche Ansprüche
geltend, indem ihr Baurecht als selbständiges und dauerndes Recht im Grundbuch
aufgenommen worden ist (Art. 655 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB) und sie sich auf
Eigentumsrechte beruft. Dabei übersieht sie jedoch, dass einzig eine aufgrund
des Baurechtes erstellte Baute - in Durchbrechung des Akzessionsprinzips - in
ihrem Eigentum stehen würde (vgl. Art. 675 ZGB); der Boden verbleibt hingegen
im Eigentum der Baurechtsgeberin und die Beschwerdeführerin ist diesbezüglich
lediglich Dienstbarkeitsberechtigte. Dies schadet ihr insofern nicht, als sie
sich, jedenfalls sinngemäss, gleichzeitig auf ihre Stellung als
Dienstbarkeitsberechtigte beruft. Bei der Dienstbarkeit handelt es sich um ein
beschränktes dingliches Recht, welches der Beschwerdeführerin als dessen
Inhaberin einen privatrechtlichen Abwehranspruch verschafft, der sie zur
Erhebung der Baueinsprache legitimiert. Im Zusammenhang mit der behaupteten
Beeinträchtigung der Baurechtsdienstbarkeit muss freilich deren konkreter
Umfang nachgewiesen werden.

5. 
Aus den kantonalen Sachverhaltsfeststellungen, welche in der Beschwerde nicht
als willkürlich angefochten werden, ergibt sich Folgendes: Das publizierte
Bauvorhaben der B.________ AG tangiert die Baurechtsfläche KTN-yyy nicht. Indes
führt die Erschliessung der geplanten Baute über einen Teil der im
eingereichten Plan blau markierten Baurechtsfläche. Es ist nicht bekannt, ob im
Rahmen des Baurechtsvertrages die C.________ der Beschwerdeführerin am
fraglichen Teil der Baurechtsfläche exklusive Nutzungsrechte eingeräumt hat
oder ob sie diese weiterhin mitbenutzen und die Nutzungsmöglichkeit auch an
Dritte übertragen darf.

 Diesbezügliche Regelungen gehören aber jedenfalls zum typischen Inhalt eines
Baurechtsvertrages und sind auch für allfällige Rechtsnachfolger der
Vertragsparteien verbindlich (vgl. Art. 779b Abs. 1 ZGB). Entsprechend der
Beweislastregel von Art. 8 ZGB hat die Beschwerdeführerin als Einsprecherin
gegen das Bauvorhaben der Beschwerdegegnerin darzulegen, dass dieses bzw.
dessen Erschliessung die Ausübung der Baurechtsdienstbarkeit beeinträchtigt.
Hierfür ist es unabdingbar, dass sie den Umfang der Dienstbarkeit im Sinn von
Art. 738 ZGB, namentlich die von ihr behauptete exklusive Nutzungsberechtigung
an der nicht überbauten Fläche, über welche die Erschliessung der projektierten
Baute erfolgen würde, darlegt. Dies wäre ihr auch problemlos möglich; sie kann
über ihr Baurecht, welches als KTN-yyy eingetragen ist, einen Grundbuchauszug
einholen und verfügt als Vertragspartnerin auch über den Baurechtsvertrag aus
dem Jahr 2005. Indes hat sie keinen Grundbuchauszug und nur die beiden ersten
Seiten des Baurechtsvertrages eingereicht, aus denen sich nach der für das
Bundesgericht verbindlichen Feststellung im angefochtenen Entscheid (Art. 105
Abs. 1 BGG) nichts in Bezug auf den Umfang der Dienstbarkeit ergibt, so dass
auch keine objektivierte Auslegung möglich ist. In diesem Zusammenhang hat das
Kantonsgericht nicht gegen Art. 8 ZGB verstossen, sondern die allgemeine
Beweislastregel korrekt zur Anwendung gebracht.

 Bleibt die Frage nach dem Umfang der Dienstbarkeit, insbesondere nach der
behaupteten exklusiven Nutzungsberechtigung an der für die Erschliessung des
Bauvorhabens vorgesehenen Teilfläche mangels eines entsprechenden Nachweises
offen und scheitern Rechtsbehelfe wie actio confessoria und Besitzesschutz
bereits daran, stellt sich diejenige nach der Intensität der Mitbenutzung und
einer Störung durch Überbenutzung gar nicht erst; die Ausführungen, mit welchen
dem Kantonsgericht eine diesbezügliche Rechtsverletzung vorgeworfen wird,
stossen mithin ins Leere.

6. 
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit auf sie eingetreten
werden kann. Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art.
66 Abs. 1 BGG). Der Gegenpartei ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand
entstanden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 8'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Schwyz, 2. Zivilkammer,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. Juni 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Möckli

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