Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.229/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_229/2015

Urteil vom 30. April 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Marazzi, Bovey,
Gerichtsschreiber Möckli.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Fabienne Brunner,
Beschwerdeführerin,

gegen

B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Silvio Mayer,
Beschwerdegegner,

C.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Oliver Bulaty.

Gegenstand
Rückführung eines Kindes,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
des Kantons Aargau, Kammer für Kindes- und Erwachsenenschutz, vom 19. Februar
2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________ und B.________, beide Jahrgang 1975, sind die Eltern der am
xx.xx.2005 als ihr eheliches Kind in Acapulco geborenen Tochter C.________.
Beide Eltern haben seit Beginn ihrer Beziehung im März 2001 mit Ausnahme eines
Jahres immer in Mexiko gelebt und dort auch ihren letzten gemeinsamen Wohnsitz
gehabt. Im Zuge ihrer Ende Oktober 2013 erfolgten Trennung schlossen sie eine
Vereinbarung, wonach ihnen die elterliche Sorge weiterhin gemeinsam zukommen,
C.________ zukünftig bei der Mutter wohnen, dem Vater ein ausgedehntes
Besuchsrecht zustehen und das Verlassen der Stadt oder des Landes mit dem Kind
von der schriftlichen Zustimmung des anderen Elternteils abhängen soll. Im Juni
2014 reiste der Vater mit der Tochter im Einverständnis der Mutter für Ferien
in die Schweiz. Er versprach der Mutter, das Kind am 16. September 2014 wieder
zurück nach Mexiko zu bringen. Am 24. August 2014 teilte er ihr mit, er werde
C.________ nicht mehr nach Mexiko reisen lassen.

B. 
Am 26. Januar 2015 stellte die Mutter beim Obergericht des Kantons Aargau ein
Gesuch um Rückführung des Kindes. Am 11. Februar 2015 wurde C.________
gerichtlich angehört. Am 17. Februar 2015 scheiterte der Mediationsversuch der
Parteien. An der Verhandlung vom 19. Februar 2015 nahmen die Eltern und der
Vertreter des Kindes teil. Mit Urteil gleichen Datums wies das Obergericht das
Rückführungsgesuch ab.

C. 
Gegen den schriftlich begründeten Entscheid hat die Mutter am 18. März 2015
eine Beschwerde erhoben mit den Begehren um Gutheissung des Rückführungsgesuchs
und Anweisung des Departements Volkswirtschaft und Inneres des Kantons Aargau,
den Rückführungsentscheid unverzüglich umzusetzen. Mit Vernehmlassungen vom 13.
April 2015 bzw. 14. April 2015 verlangen der Kindesvertreter und der Vater die
Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1. 
Bei Rückführungsentscheiden nach dem Haager Übereinkommen über die
zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ, SR
0.211.230.02) geht es um die Regelung der Rechtshilfe zwischen den
Vertragsstaaten (BGE 120 II 222 E. 2b S. 224), die in unmittelbarem
Zusammenhang mit der Respektierung und Durchsetzung ausländischen Zivilrechts
steht (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 1 BGG; BGE 133 III 584). Gegen den Entscheid
des Obergerichts des Kantons Aargau, welches als einzige kantonale Instanz
entschieden hat (Art. 7 Abs. 1 des Bundesgesetzes über internationale
Kindesentführung und die Haager Übereinkommen zum Schutz von Kindern und
Erwachsenen, BG-KKE, SR 211.222.32), steht die Beschwerde in Zivilsachen offen.
Mit ihr kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht (Art. 95 lit. a BGG)
und von Völkerrecht (Art. 95 lit. b BGG) gerügt werden, wozu als Staatsvertrag
auch das HKÜ gehört. Demgegenüber ist das Bundesgericht an die
Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz grundsätzlich gebunden (Art. 105 Abs.
1 BGG). Diesbezüglich kann einzig eine offensichtlich unrichtige, d.h.
willkürliche Sachverhaltsfeststellung gerügt werden, wofür das strenge
Rügeprinzip zum Tragen kommt und appellatorische Ausführungen ungenügend sind
(Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266).

2. 
Das Obergericht ist von einem widerrechtlichen Zurückhalten des Kindes im Sinn
von Art. 3 lit. a HKÜ ausgegangen. Es hat befunden, gemäss mexikanischem Recht
bleibe das gemeinsame Sorge- und Aufenthaltsbestimmungsrecht nach einer
Trennung oder Scheidung der Eltern bestehen und überdies hätten die Eltern dies
nach ihrer Trennung auch ausdrücklich so vereinbart. Gemäss Bestätigung der
mexikanischen Zentralbehörde könne diesfalls der Inhaber der Obhut nach
mexikanischem Recht nicht einseitig über einen Wohnsitzwechsel des Kindes
entscheiden. Die Mutter habe lediglich für einen beschränkten Ferienaufenthalt
ihre Zustimmung gegeben. Durch den einseitigen Entscheid des Vaters, C.________
nicht mehr nach Mexiko zurückzubringen, verletze er das Sorgerecht der Mutter.
Grundsätzlich bestehe somit eine Rückführungspflicht.

 Das Obergericht hat sodann den Ausschlussgrund von Art. 13 Abs. 1 lit. b HKÜ
(schwerwiegende Gefahr für das Kind) verneint. Es hat befunden, entgegen den
Hinweisen des Vaters auf die Sicherheitslage in Mexiko bestehe keine konkrete
Gefahr für das Kind, verschleppt oder ermordet zu werden. Der Verwandte der
Mutter, auf welchen der Vater verweise, sei gemäss Aussagen der Mutter ein
Onkel gewesen, welcher vor 20 Jahren umgekommen sei, weil er sich entgegen den
Warnungen in einem Risikoquartier aufgehalten habe. Sodann habe die Mutter zur
Aussage des Vaters, er habe immer wieder eine Pistole tragen müssen,
festgehalten, dass dies gewesen sei, als die Familie noch in Acapulco gelebt
habe. Weiter habe die Mutter bestritten, selbst in eine Schiesserei verwickelt
gewesen zu sein. Ferner habe sie ausgesagt, nie angebliche Drohungen gegen die
Familie wahrgenommen zu haben. Nach ihrer Darstellung habe der Vater sie erst
kurz vor der Abreise informiert, dass er angeblich Drohanrufe erhalten und ein
geköpftes Huhn vor seiner Türe gelegen habe; sie vermute, dass dies im Hinblick
auf die Legitimation der Ausreise erfunden worden sei. Das Obergericht hat
erwogen, dass insgesamt keine konkreten Anhaltspunkte für eine Unzumutbarkeit
der Rückführung bestünden und C.________ anlässlich der Anhörung auch nicht
geschildert habe, dass sie je mit einer Bedrohung konfrontiert worden wäre. Es
bestünden keine Beweise, dass C.________ konkret gefährdet wäre und eine
Unterbringung bei der Mutter offensichtlich nicht dem Kindeswohl entspräche.
Immerhin habe sie ihr bisheriges Leben glücklich und zufrieden in Mexiko
verbracht. Dort sei es für die Bevölkerung nicht ungewohnt, sich nicht so frei
wie in der Schweiz bewegen zu können und mit Schutz- und Sicherheitsmassnahmen
zu leben (Sicherheitsschleusen, Begleitung der Kinder in die Schule, etc.).
Sodann könne davon ausgegangen werden, dass sich C.________ in ihrem bis vor
wenigen Monaten gelebten sozialen Umfeld rasch wieder zurecht finde. Die Mutter
sei fürsorglich und könne C.________ eine kindgerechte Umgebung bieten. Sie
könne die nahe gelegene Schule besuchen, mexikanische Freunde treffen und in
ihrer Freizeit wieder schwimmen oder tauchen.

 Hingegen hat das Obergericht den Ausschlussgrund von Art. 13 Abs. 2 HKÜ
bejaht. Es hat ausgeführt, C.________ sei nun 9 1/3 Jahre alt und der
Kindeswille könne deshalb nicht vollkommen ausgeblendet werden. Aus dem
Anhörungsprotokoll ergebe sich, dass es ihr in der Schweiz gut gefalle und sie
hier bereits Freunde gefunden habe. Auch wenn sie ihre Mutter vermisse, wolle
sie nicht nach Mexiko zurückkehren, weil sie Angst habe, an einem Ort zu leben,
wo ihre Eltern bedroht worden seien. Sie hätte viel lieber, wenn ihre Mutter in
die Schweiz zöge, denn in Mexiko gebe es jeden Tag Schiessereien. C.________
wirke für ihr Alter aufgeweckt und aufgeschlossen. Sie scheine die momentane
Situation und auch den Gegenstand des Verfahrens zu erfassen. Es stehe ausser
Zweifel, dass sie sich einen festen Willen gebildet habe, auch wenn das Gericht
überzeugt sei, dass dieser von aussen, insbesondere vom Vater als nächste
Bezugsperson massiv beeinflusst worden sei. Der Wille scheine aber aufgrund der
langen Dauer des widerrechtlichen Zurückhaltens bereits so verinnerlicht zu
sein, dass es ihn zu respektieren gelte.

3. 
Die Mutter bringt in ihrer Beschwerde vor, dass sich C.________ angesichts
ihres Alters noch keine unbeeinflusste Meinung über die Rückführung bilden
könne. Es sei davon auszugehen, dass sie unter starkem Einfluss ihres Vaters
stehe. Es sei für C.________ nicht abschätzbar, ob die Erzählungen ihres Vaters
der Wahrheit entsprächen. Sie habe bei ihrer Anhörung vor Gericht ausgeführt,
in der Schweiz bleiben zu wollen, weil sie Angst vor Mexiko habe. Sie sei aber
nicht über den Grund ihrer Angst befragt worden und Näheres gehe aus dem
Anhörungsprotokoll nicht hervor. In Mexiko habe C.________ nie über solche
Ängste berichtet. Im Rahmen eines Gespräches über Skype habe sie einmal
erwähnt, dass ihr der Vater erzähle, in Mexiko würden jedes Jahr Tausende von
Kindern entführt und umgebracht. Sodann habe sie auch erwähnt, sie hätte Angst
vor Mexiko, weil ihr Vater dann ins Gefängnis gehen müsste. Es müsse deshalb
davon ausgegangen werden, dass der Vater C.________ mit Schauermärchen über
Mexiko füttere, um in ihr Ängste hervorzurufen. Auch das Obergericht gehe davon
aus, dass der Wille des Kindes durch den Vater beeinflusst sei. Es mute
abenteuerlich an und unterlaufe den Sinn des Übereinkommens, wenn das
Obergericht zum Schluss komme, inzwischen habe das Kind die Geschichten so
verinnerlicht, dass sie seinem eigenen Willen entsprächen, welchen es zu
respektieren gelte. Sie (die Beschwerdeführerin) sei in der Lage, C.________
die Ängste bei einer Rückkehr zu nehmen, indem sie die Tochter über die
tatsächliche Situation aufkläre und sie mit den ihr vertrauten Personen
zusammenführe. C.________ werde rasch merken, dass ihre Befürchtungen, wonach
sie in Schiessereien oder Entführungen verwickelt würde oder ihr Vater ins
Gefängnis müsse, nicht zuträfen.

 Der Vater macht vernehmlassungsweise geltend, C.________ sei entgegen der
getroffenen Vereinbarung kaum durch die Mutter betreut worden, sondern habe
fast ausschliesslich bei ihm und nicht alternierend bei beiden Elternteilen
gewohnt. Die Mutter sei völlig unzuverlässig und habe sich primär ihrer
Ausbildung und ihren Hobbys gewidmet. Deshalb liege kein widerrechtliches
Zurückhalten in der Schweiz vor. In Bezug auf den Kindeswillen bringt er vor,
dass das Kind reif genug für eine eigene Meinung sei und es völlig
unbeeinflusst, aus freien Stücken nicht nach Mexiko zurück wolle. C.________
äussere sich keineswegs einseitig und habe ihren Willen auch gegenüber Dr.
D.________ und gegenüber dem Kindesvertreter geäussert. Sie habe die Mutter
gebeten, auf eine Beschwerde gegen das obergerichtliche Urteil zu verzichten.
Überdies weigere sich C.________ auch körperlich gegen eine Rückführung, habe
sie sich doch bei der obergerichtlichen Verhandlung gegen die vier übergrossen
Polizisten gewehrt und geschrien. Sie sei ihrem Willen stets treu geblieben und
habe konstant auf ihre Ängste hingewiesen; der Wille sei deshalb fundiert und
gereift, weshalb ihm entsprochen werden müsse.

 Der Kindesvertreter macht geltend, C.________ sei aufgeweckt und verfüge über
eine überdurchschnittliche Reife. Sie habe ihm gegenüber mehrfach den Wunsch
geäussert, nicht nach Mexiko zurückzukehren. Sie habe Angst, dort zu leben. In
der Schweiz sei sie frei. Sie würde es vorziehen, wenn ihre Mutter in die
Schweiz käme; sie habe nämlich auch Angst um diese, solange sie in Mexiko lebe,
denn dort gebe es beinahe täglich Schiessereien. Es sei nicht nachgewiesen,
dass diese Willensäusserungen durch die Lebenssituation in der Schweiz und den
engen Kontakt zum Vater beeinflusst seien; dies sei zwar möglich, aber niemand
habe das Kind manipuliert, könne es doch klare Gründe angeben, wieso es nicht
zurück wolle. Folglich habe es seinen Willen autonom gebildet.

4. 
Vorgängig zum Thema der Beschwerde ist der Einwand des Vaters abzuhandeln,
wonach es an der Ausübung des Sorgerechts durch die Mutter in Mexiko gefehlt
habe, welche gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. b HKÜ Voraussetzung für das
widerrechtliche Verbringen oder Zurückhalten sei. Dies kann im Rahmen der
Vernehmlassung vorgebracht werden, weil der Vater zufolge Abweisung des
Rückführungsgesuchs weder eine Veranlassung noch die Möglichkeit hatte, den
obergerichtlichen Entscheid selbst anzufechten.

 Das Vorbringen ist nicht neu im Sinn von Art. 99 Abs. 1 BGG; der Vater hat
bereits im kantonalen Verfahren vorgebracht, die zwischen den Eltern getroffene
Vereinbarung, wonach C.________ bei der Mutter leben solle, habe "durch
sofortige Nichtlebung" jegliche Gültigkeit verloren, denn nur er sei die
betreuende, erziehende, schützende und finanzierende Bezugsperson gewesen
(Stellungnahme vom 3. Februar 2015 S. 8). Allerdings ist es unzulässig, den
anders lautenden obergerichtlichen Sachverhaltsfeststellungen nur
appellatorische Ausführungen entgegensetzen, mit welchen die eigene Sicht der
Dinge geschildert wird; vielmehr müsste mit expliziten und substanziierten
Willkürrügen aufgezeigt werden, inwiefern die Vorinstanz willkürliche
Sachverhaltsfeststellungen getroffen oder in willkürlicher Weise relevante
Feststellungen unterlassen haben soll (vgl. E. 1). Dies erfolgt nicht
ansatzweise und entsprechend ist durch den angefochtenen Entscheid für das
bundesgerichtliche Verfahren verbindlich festgestellt (Art. 105 Abs. 1 BGG),
dass C.________ bei beiden Elternteilen gewohnt und ihre Kleider deponiert
hatte und kein Zweifel an der tatsächlichen Ausübung des Sorgerechts durch die
Mutter in Mexiko besteht.

5. 
Zu prüfen ist sodann der Ausschlussgrund von Art. 13 Abs. 2 HKÜ, welcher das
Thema der Beschwerde bildet.

5.1. Gemäss Art. 13 Abs. 2 HKÜ kann von einer Rückführung abgesehen werden,
wenn festgestellt wird, dass sich das Kind der Rückgabe widersetzt und es ein
Alter und eine Reife erreicht hat, die eine Berücksichtigung seiner Meinung als
angebracht erscheinen lassen.

 Das HKÜ legt kein bestimmtes Alter fest, ab wann ein Widersetzen des Kindes
berücksichtigt werden kann. In der Lehre werden Mindestalter zwischen 10 und 14
Jahren postuliert (für Nachweise vgl. BGE 131 III 334 E. 5.2 S. 340; 133 III
146 E. 2.3 S. 148 f.). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die
erforderliche Reife im Sinn von Art. 13 Abs. 2 HKÜ erreicht, wenn das Kind zu
autonomer Willensbildung fähig ist, d.h. wenn es seine eigene Situation zu
erkennen und trotz der äusseren Einflüsse eine eigene Meinung zu bilden vermag
(BGE 131 III 334 E. 5.1 S. 340) und wenn es den Sinn und die Problematik des
anstehenden Rückführungsentscheides verstehen kann; dies heisst, dass es
insbesondere erkennen können muss, dass es nicht um die Sorgerechtsregelung,
sondern vorerst nur um die Wiederherstellung des aufenthaltsrechtlichen Status
quo ante geht und alsdann im Herkunftsstaat über die materiellen Fragen
entschieden wird (BGE 133 III 146 E. 2.4 S. 149 f.). Gestützt auf die
einschlägige kinderpsychologische Literatur geht die bundesgerichtliche
Rechtsprechung davon aus, dass die erwähnten Voraussetzungen in der Regel ab
ungefähr elf bis zwölf Jahren gegeben sind (BGE 133 III 146 E. 2.4 S. 150).
Indes darf auch der aktenkundig geäusserte Wille eines etwas jüngeren Kindes
nicht einfach ausgeblendet werden; vielmehr hat sich das Gericht damit
auseinanderzusetzen (beispielsweise Urteil 5A_764/2009 vom 11. Januar 2010 E.
5.2 in Bezug auf ein Mädchen in ähnlichem Alter wie vorliegend).

 In jedem Fall ist aber Voraussetzung, dass der geäusserte Kindeswillen, damit
er die Basis für den eigenständigen Ausschlussgrund von Art. 13 Abs. 2 HKÜ
bilden kann, autonom gebildet worden ist. Selbstverständlich erfolgt eine jede
Willensbildung nicht völlig losgelöst von äusserer Beeinflussung, schon gar
nicht bei kleineren Kindern (so bereits BGE 131 III 334 E. 5.1 S. 340). Er darf
aber nicht auf einer Manipulation oder Indoktrination beruhen, denn es lässt
sich dort nicht mehr von einem dem Kind zurechenbaren autonomen Willen
sprechen, wo es bloss die Ansicht seiner momentanen Bezugsperson transportiert.
Vor diesem Hintergrund ist denn auch die Rechtsprechung zu verstehen, wonach
das Widersetzen des Kindes im Sinn von Art. 13 Abs. 2 HKÜ mit einem gewissen
Nachdruck und mit nachvollziehbaren Gründen vertreten werden muss (vgl. dazu
BGE 133 III 88 E. 4 S. 91, wo im Ergebnis die Rückführung von 8- und
14-jährigen Kindern nach Frankreich angeordnet worden ist; nicht beanstandet
durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil Nr. 3592/08 vom
22. Juli 2014).

5.2. Die Mutter hatte im kantonalen Verfahren vorgebracht, während der
Skype-Kontakte stehe stets der Vater neben C.________ und überwache all ihre
Aussagen, so dass sie ihre Meinung gar nie frei äussern könne. Indes hat
C.________ ihren Wunsch, nicht nach Mexiko zurückzugehen, mehrmals kundgetan,
als sie nachweislich nicht unter direkter Beobachtung des Vaters stand, nämlich
bei der gerichtlichen Anhörung sowie gegenüber dem Kindesvertreter und dem
Kinderarzt Dr. D.________, so dass die Äusserung ohne weiteres dem Kind selbst
zugeschrieben werden kann. Das Obergericht ist allerdings davon ausgegangen,
dass dieses nicht einen autonom gebildeten Willen geäussert, sondern die
väterlichen Ansichten und Erzählungen verinnerlicht hat, und zwar so stark,
dass ungeachtet der Fremdbestimmung auf die Äusserungen des Kindes abzustellen
und dieses nicht zurückzuführen sei.

 Auf die recht undifferenzierte Darstellung der Situation in Mexiko durch den
Vater, in welchem Kontext die Äusserungen des Kindes zu sehen sind, wird in E.
6 noch im Einzelnen einzugehen sein. Was die vorliegend interessierende Frage
der Willensbildung anbelangt, springt aufgrund des altersuntypischen
Abstraktionsgrades, mit welchem C.________ ihre Ängste äussert, jedenfalls ins
Auge, dass diese nicht auf selbst Erlebtem basieren, sondern auf den
Schilderungen der allgemeinen Sicherheitslage in Mexiko durch den Vater beruhen
müssen. Dies kommt insbesondere auch im Untersuchungsbericht von Dr. D.________
vom 6. Februar 2015 zum Ausdruck, welchem gegenüber C.________ von Albträumen
berichtete, die sich um "tote Hühner" oder "den bösen mexikanischen Mann"
drehen. Dabei nahm C.________ offensichtlich Bezug auf das geköpfte Huhn,
welches gemäss der Darstellung des Vaters drei Tage vor der Abreise in die
Schweiz als Warnung vor der Haustür gelegen haben soll. Es wurde aber nie
behauptet, dass C.________ diesen oder ähnliche Vorfälle selbst wahrgenommen
hätte, und es ist auch nicht bekannt, dass sie dem Kindesvertreter oder dem
Gericht gegenüber Derartiges erwähnt hätte. Dass ausserdem "der böse
mexikanische Mann" das Kind im Traum verfolgt, könnte damit zusammenhängen,
dass der Vater dem Mädchen geschildert hat, dass in Mexiko jedes Jahr Tausende
von Kindern geraubt und umgebracht würden. Es gibt aber keine Anhaltspunkte,
dass die entsprechenden Befürchtungen des Kindes mit real Erlebtem
zusammenhängen würden, etwa indem Schulkameraden von C.________ entführt worden
wären. Im Übrigen äusserte C.________ gegenüber Dr. D.________, gegenüber dem
Kindesvertreter und gegenüber dem Gericht, dass sie "Angst vor Mexiko" habe.
Während sie diese Angst dem Gericht gemäss dem Gesprächsprotokoll nicht näher
erläuterte, gab sie dem Kindesvertreter zur Begründung an, dass es in Mexiko
täglich Schiessereien gebe. Es wurde aber von keiner Seite behauptet und von
C.________ auch nie erwähnt, dass sie selbst solche oder andere Gewaltvorfälle
mitbekommen hätte; die "täglichen Schiessereien" sind ihr offensichtlich nur
aus dem bekannt, was man ihr nachträglich über Mexiko erzählt hat.
Altersuntypisch ist ferner das Vorbringen von C.________ gegenüber Dr.
D.________, sie habe Angst um ihre Mutter und die erweiterte Familie
(Grossmutter, diverse Onkel und Tanten) aufgrund des Umstandes, dass diese in
Mexiko lebten. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Mutter oder ihr
Umfeld im heutigen Lebensalltag gefährdet wären; noch weniger besteht ein
Fingerzeig, dass C.________ selbst etwas von einer Gefährdung mitbekommen
hätte, weshalb nicht erklärbar ist, wie sie aus eigenem Antrieb auf
entsprechende Befürchtungen, insbesondere in Bezug auf die weiteren Verwandten
hätte kommen können. Dies scheint jedenfalls umso merkwürdiger, als sie bei der
gerichtlichen Anhörung angab, in Mexiko keine Verwandten zu haben; diese können
ihr folglich nicht persönlich sehr nahe stehen. Die einzige Wahrnehmung von
C.________, welche als autonom gelten darf, ist diejenige, dass sie in Mexiko
jeweils zur Schule begleitet wurde, während sie hier ihren Schulweg selbst
absolviert. Allerdings kann die Begleitung auch aufgrund des damaligen
konkreten Schulwegs (über welchen nichts bekannt ist) erforderlich gewesen
sein. Von dort aus, wo die Mutter jetzt wohnt, könnte C.________ jedenfalls
alleine zur Schule gehen (dazu E. 6.2).

 Ein unbeeinflusstes Kind im Alter von C.________ würde typischerweise aus
seinem konkreten Lebensalltag berichten, wobei eine authentische Erzählung mit
individuellen Details angereichert wäre. Dass C.________ in ihrer stereotyp
wirkenden Aussage keinen Bezug zu eigenen Erlebnissen herstellt, sondern in
einer Weise von Schiessereien und Entführungen in Mexiko spricht, wie wenn sie
die Reisehinweise des EDA und des deutschen Auswärtigen Amtes gelesen hätte,
spricht gegen einen autonom gebildeten Willen. Auch das Obergericht, von
welchem das Kind persönlich angehört wurde, hatte den Eindruck, dass die
Meinung von C.________ massiv beeinflusst und ihr Wille fremdbestimmt sei.

5.3. Beruhen die Äusserungen des Kindes nicht auf autonomer Willensbildung,
bedeutet dies nach dem in E. 5.1 Gesagten in (staatsvertrags-) rechtlicher
Hinsicht, dass es - unabhängig vom Alter des Kindes - an der entscheidenden
Voraussetzung für die Anwendung von Art. 13 Abs. 2 HKÜ gebricht.

 Indes darf als erwahrt gelten, dass C.________ aufgrund der Verinnerlichung
der väterlichen Schilderung des angeblichen Alltags für ein Kind in Mexiko
tatsächlich Ängste und sogar Albträume hat. Sodann ist nicht undenkbar, dass
sich bei einem Kind, jedenfalls bei entsprechender Prädisposition, eine auf
Fremdbestimmung oder Manipulation beruhende Überzeugung derart verfestigt hat,
dass die Rückführung mit der schwerwiegenden Gefahr eines seelischen Schadens
im Sinn von Art. 13 Abs. 1 lit. b HKÜ verbunden sein könnte und die
verweigernde Haltung des Kindes im Zusammenhang mit diesem Ausschlussgrund zu
beachten wäre (vgl. Urteil 5A_51/2015 vom 25. März 2015 E. 5.2 zur analogen
Konstellation beim Europäischen Sorgerechtsübereinkommen). In einem solchen
Fall wäre die in Bezug auf Art. 13 Abs. 2 HKÜ als Richtlinie festgehaltene
Altersschwelle von elf bis zwölf Jahren (dazu E. 5.1) nicht relevant, da es bei
der schwerwiegenden Gefahr nicht um die an die geistige Reife des Kindes
gebundene autonome Willensbildung geht. Eine solche Gefahr dürfte dort, wo das
Kind grundsätzlich zu beiden Elternteilen eine gute Beziehung hat, freilich nur
selten bestehen. Sie ist aber vorliegend zu prüfen (dazu E. 6.4), nachdem das
Obergericht von der Sache her mit einer entsprechenden Argumentation operiert
hat. Im Übrigen ist vor dem Hintergrund, dass eine Rückführung nur angeordnet
werden darf, wenn sich das anordnende Gericht von den Rückführungs- und
Unterbringungsmöglichkeiten des Kindes im Herkunftsstaat überzeugt hat (Art. 5
und Art. 11 Abs. 2 BG-KKE), dass das Bundesgericht grundsätzlich reformatorisch
entscheidet (Art. 107 Abs. 1 BGG) und dass die persönliche Sicherheit von
C.________ in Mexiko das Kernthema des kantonalen Verfahrens war, nebst einer
allfälligen psychischen Schädigung ohnehin auch die schwerwiegende Gefahr einer
körperlichen Schädigung im Sinn von Art. 13 Abs. 1 lit. b HKÜ zu thematisieren
(dazu E. 6.2 und 6.3). Soweit das Kantonsgericht hierfür relevante Elemente des
sich aus den Akten ergebenden Sachverhaltes nicht in seine Erwägungen überführt
hat, kann dies gestützt auf Art. 105 Abs. 2 BGG nachgeholt werden (Urteil 5A_51
/2015 vom 25. März 2015 E. 6).

6. 
Gemäss Art. 13 Abs. 1 lit. b HKÜ ist der ersuchte Staat nicht zur Rückgabe des
Kindes verpflichtet, wenn die sich der Rückgabe widersetzende Person oder
Behörde nachweist, dass dies mit einer schwerwiegenden Gefahr eines
körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden ist oder das Kind
auf andere Weise in eine unzumutbare Lage bringt (Art. 13 Abs. 1 lit. b HKÜ).

6.1. Nach allgemeiner Rechtsprechung ist der Ausschlussgrund der
schwerwiegenden Gefahr restriktiv auszulegen (Urteil 5A_913/2010 vom 4. Februar
2011 E. 5.2; Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Grosse Kammer,
Entscheid Nr. 27853/09 vom 26. November 2013 Rz. 107; Bundesverfassungsgericht
Deutschland, Entscheid BvR 1206/98 vom 29. Oktober 1998 Rz. 48; Oberster
Gerichtshof Österreich, Entscheide 5Ob47/09m vom 12. Mai 2009 und 2Ob103/09z
vom 16. Juli 2009). Eine schwerwiegende Gefahr liegt beispielsweise vor bei
einer Rückführung in ein Kriegs- oder Seuchengebiet oder wenn zu befürchten
ist, dass das Kind nach der Rückgabe misshandelt oder missbraucht wird, ohne
dass die Behörden rechtzeitig einschreiten würden (Urteile 5A_913/2010 vom 4.
Februar 2011 E. 5.1; 5A_674/2011 vom 31. Oktober 2011 E. 3.2; 5A_840/2011 vom
13. Januar 2012 E. 3.1).

6.2. Vorliegend kann ausgeschlossen werden, dass dem Kind aufgrund der Art der
Unterbringung in irgendeiner Weise ein Schaden drohen würde. Noch als Familie
sind die Eltern mit dem Kind aus Acapulco - das anerkanntermassen als
gefährlich gilt - nach La Paz im Bundesstaat Baja California Sur umgezogen.
Nach einem weiteren Umzug innerhalb von La Paz wohnt die Mutter inzwischen, wie
sie anlässlich der gerichtlichen Anhörung ausgeführt hat und was vom Vater
nicht bestritten worden ist, in einem Haus mit Hinterhof und Garten in einer
Gegend, wo es viele Personen aus Nordamerika hat, was sich positiv auf die
Umgebung auswirke. Die Schule sei in drei Gehminuten erreichbar und C.________
könnte zu Fuss dorthin gehen. Die Mutter hat eine Ausbildung in
Sozialwissenschaften und doktoriert zur Zeit auf diesem Gebiet. Sie verdiene an
der Universität umgerechnet rund Fr. 730.-- bis 740.--, was ausreiche; sie sei
gut organisiert mit dem Geld, habe eine sehr tiefe Miete und ihre Mutter
(Grossmutter von C.________) unterstütze sie bei Bedarf zusätzlich. Bei
beruflichen Abwesenheiten der Mutter würde wohl die Grossmutter, welche gerne
zur Mutter nach La Paz ziehen würde, die Betreuung sicherstellen, wie sie dies
schon vorher - insbesondere auch nach der Darstellung des Vaters - getan hat.
Die Art der Unterbringung und Betreuung von C.________ in Mexiko dürfte sich
mithin nicht allzu sehr von derjenigen in der Schweiz unterscheiden, wo der
Vater nach seinen Aussagen anlässlich der gerichtlichen Anhörung von der
Sozialhilfe und seiner schweizerischen Freundin lebt, wobei er mit dieser die
Abmachung hat, dass er etwa Fr. 1'000.-- durch Kinderhüten dazuverdient.

 Im Übrigen hat C.________, wie sich aus zahlreichen Aktenstellen ergibt, ein
gutes Verhältnis zu beiden Elternteilen. Sie hat auch ihre Mutter gern und
pflegt mit ihr regelmässigen Skype-Kontakt. Gemäss dem Untersuchungsbericht von
Dr. D.________ leidet sie unter einem starken Loyalitätskonflikt. Dieser ist
für Kinder im Alter von C.________ insbesondere dann typisch, wenn sie zu
beiden Elternteilen ein gutes Verhältnis haben und weiterhin haben wollen.
C.________, welche momentan eine enge Schicksalsgemeinschaft mit ihrem Vater
bildet und auch diesen nicht verlieren möchte, versucht den Loyalitätskonflikt
dahingehend zu lösen, dass sie sich wünscht, die Mutter möge in die Schweiz
kommen. Auf diese Weise könnte sie beide Elternteile in ihrem momentanen Umfeld
integrieren. Dieser Wunsch scheitert insofern an der Realität, als die
Elternteile in weit entfernten Ländern wohnen und heute nicht zur Diskussion
steht, dass der eine oder andere Teil in absehbarer Zeit das Land wechselt. Die
Fragestellung reduziert sich deshalb angesichts der gegebenen
Rückführungsvoraussetzungen darauf, ob ein Ausschlussgrund vorliegt, indem für
das Kind bei einer Rückführung zur Mutter eine schwerwiegende Gefahr im Sinn
von Art. 13 Abs. 1 lit. b HKÜ droht. Eine solche ist unter dem Aspekt der
Unterbringung und Schulung von C.________ in Mexiko nicht ersichtlich.

6.3. Weiter stellt sich die Frage, ob dem Kind unter Sicherheitsaspekten
(Entführung oder gar Ermordung) eine Gefahr drohen könnte. Der Vater schilderte
Mexiko im kantonalen Verfahren wiederholt als ein Land in einem desaströsen
Zustand, in welchem geraubt, entführt und hingerichtet werde, Schutzgelder
erpresst, Lösegelder gefordert und jährlich 100'000 Kinder entführt würden und
überall Korruption herrsche (namentlich Stellungnahme vom 3. Februar 2015, S.
13).

 Die allgemeine Sicherheitslage in Mexiko soll nicht banalisiert werden. Der
Staat Mexiko kann aber auch nicht pauschal als Unrechtsstaat charakterisiert
werden, in welchem gewissermassen an jeder Ecke der Tod lauert. Es ist
allgemein bekannt, dass insbesondere Gebiete, in welchen sich Banden
eigentliche Drogenkriege liefern, gefährlich sind, zumal auch Unbeteiligte in
einen Schusswechsel geraten können. Ferner darf als notorisch gelten, dass
Korruption in Mexiko weit verbreitet ist; diese stellt aber weniger eine
konkrete Gefährdung für das Kind als vielmehr ein allgemeines Übel dar. Zentral
für die Frage der konkreten Gefährdung ist die Sicherheitslage, welche in
Mexiko stark abhängig ist von der Region und innerhalb einer Stadt auch vom
Quartier. Dies geht nicht zuletzt aus den (aktenkundigen und im Übrigen auf
Internet abrufbaren) Reisehinweisen des EDA und des deutschen Auswärtigen Amtes
hervor. Es gibt touristisch frequentierte und relativ sichere Gegenden, aber
auch solche, welche als bedenklich gelten. Während Touristen mangels
spezifischer Kenntnisse leicht in unsichere Gegenden geraten können, ist die
ortsansässige Bevölkerung zwangsläufig über Risikogebiete orientiert und weiss
sich auch besser im Alltag vor Gefahren zu schützen.

 Glaubhaft erscheint, dass von Unternehmen verschiedentlich Schutzgelder
einkassiert werden, wie dies auch in Italien verbreitet ist, und dass der Vater
im Zusammenhang mit dem Betrieb seines Geschäftes nicht davor gefeit war, wobei
sich die entsprechende Aussage in der mündlichen Anhörung auf Acapulco bezieht.
In Bezug auf La Paz hat der Vater von Drohanrufen berichtet und dass Leute
diesbezüglich im Geschäft vorbeigekommen seien. Schutzgelder im Zusammenhang
mit geschäftlicher Tätigkeit stellen aber keine unmittelbare Bedrohung für das
Kind dar, zumal der Vater heute in der Schweiz lebt und keine Geschäfte mehr in
Mexiko betreibt. Die Mutter arbeitet an der Universität und ist damit kein
primäres Zielobjekt von Schutzgelderpressung. Im Übrigen ist auch nicht
aktenkundig, dass sie über Vermögenswerte verfügen würde, so dass nicht
ersichtlich ist, inwiefern für C.________ eine spezifische Entführungsgefahr
drohen könnte.

 Zur Sicherheitssituation im lokalen Umfeld, in welches C.________ zu leben
käme, lässt sich Folgendes sagen: La Paz liegt im Bundesstaat Baja California
Sur. Während sich in den Reisehinweisen des deutschen Auswärtigen Amtes keine
Warnhinweise für die Baja California finden, wird in denjenigen des EDA auf
Drogenkriege in den Bundesstaaten Baja California und Baja California Sur
hingewiesen. Es ist aber zu beachten, dass sich die Halbinsel Baja California
(Niederkalifornien) über mehr als 1000 km erstreckt. Sowohl das deutsche
Auswärtige Amt als auch das EDA weisen darauf hin, dass die Kriminalität
insbesondere in den nahe zur USA gelegenen Gebieten hoch ist; das EDA nennt
spezifisch die Grenzstädte Tijuana und Ciudad Juárez. Dass dort die Situation
prekär ist, darf als notorisch gelten. La Paz liegt aber weit im Süden der
Halbinsel, über 1000 km von den USA entfernt. Für die Stadt selbst besteht
weder seitens des EDA noch des deutschen Auswärtigen Amtes eine Reisewarnung.
Die Aussagen der Mutter an der mündlichen Anhörung, wonach der Süden anders sei
als der Norden [gemeint: der Halbinsel Baja California], decken sich mit den
zugänglichen Informationen. Sodann wohnt die Mutter zwischenzeitlich in einem
Quartier, in welchem viele Personen aus Nordamerika leben, was sich auch
positiv auf die Umgebung auswirke; erwähnt hat die Mutter dabei insbesondere
die grössere Sauberkeit. Es ist davon auszugehen - auch angesichts des
Umstandes, dass viele Leute aus Nordamerika (die Mutter meint hiermit Leute aus
den USA) im Quartier ihr Leben verbringen -, dass die Gegend für ein Kind mit
einer mexikanischen Mutter nicht unzumutbar im Sinn von Art. 13 Abs. 1 lit. b
HKÜ ist.

 Insgesamt ist entgegen der sinngemässen Darstellung des Vaters im kantonalen
Verfahren nicht zu erwarten, dass Entführungsbanden gewissermassen auf die
Rückführung von C.________ warten, um sie verschleppen zu können. Jedenfalls
stehen seine dortigen Schilderungen in auffälligem Kontrast zur Tatsache, dass
er während 14 Jahren in Mexiko gelebt, dort Geschäfte betrieben (Tauchschule
und Ausflugsboot) und geheiratet hat, wobei er offenbar kein Problem darin sah,
ein Kind zu zeugen, während all der Jahre mit Frau und Kind ein Familienleben
in Mexiko zu führen (jahrelang sogar im als gefährlich geltenden Acapulco) und
sich schliesslich mit der Familie in La Paz niederzulassen. Im Übrigen ist er
offenbar auch nicht mit dem Entschluss in die Schweiz gereist, C.________
definitiv hier unterzubringen. Bei der Anhörung vor Obergericht gab er
jedenfalls im Zusammenhang mit der Ausreise vom 27. Juni 2014 zu Protokoll, es
"war die Idee, dass C.________ zwei bis drei Monate in der Schweiz bleibt. Was
ich machen würde, war mir damals nicht so klar. Wir wohnten dann bei meiner
Mutter, einem Kollegen und seit August sind wir definitiv in U.________
angemeldet." Der Entschluss, mit C.________ in der Schweiz zu bleiben, scheint
erst im August 2014 gereift zu sein. Jedenfalls orientierte der Vater die
Mutter am 24. August 2014 per E-Mail dahingehend, dass "der schweizerische Teil
der Familie" C.________ lieber länger in der Schweiz behalten möchte und es für
ihre Zukunft das Beste wäre, wenn sie in der Schweiz bleiben würde. Vor diesem
Hintergrund besteht, wie bereits erwähnt, ein auffälliger Widerspruch zwischen
dem ursprünglichen Plan, dass C.________ die Sommerzeit in der Schweiz
verbringen sollte, und den ab dem Zeitpunkt der Änderung dieses Plans
väterlicherseits behaupteten untragbaren Sicherheitsrisiken für C.________ bei
einer Rückkehr nach Mexiko.

 In Anbetracht aller Umstände kann nicht auf eine konkrete physische Gefährdung
von C.________ bei einer Rückführung zu ihrer Mutter geschlossen werden.

6.4. Schliesslich ist auf die in E. 5.3 angesprochene Frage einzugehen, ob
C.________ bei einer Rückführung ein schwerwiegender psychischer Schaden drohen
könnte. Davon ist ebenfalls nicht auszugehen. Sie wird von allen Seiten als
kluges und lebendiges Kind dargestellt. Sie hat mit ihrer Mutter immer Spanisch
gesprochen und wurde in Mexiko auf Englisch eingeschult. Es kann davon
ausgegangen werden, dass sie - auch aufgrund ihrer guten schulischen Leistungen
im ungewohnten schweizerischen Umfeld - umso mehr in Mexiko rasch wieder
schulischen Anschluss fände, sei dies auf Spanisch oder auf Englisch. Im
Übrigen hat C.________ an keiner Stelle über negative Vorfälle in Mexiko
berichtet, welche sie selbst in irgendeiner Weise erlebt hätte. Bei der
gerichtlichen Anhörung hat sie von ihren mexikanischen wie auch von ihren
schweizerischen Schulkameraden gesprochen. Zumal sie sich in der Schweiz, die
für sie fremd war, schnell und gut zurecht gefunden hat, darf davon ausgegangen
werden, dass dem ebenso der Fall wäre, wenn sie wieder in eine ihr bereits
vertraute Gegend zurückkehren würde. Was schliesslich ihre - aufgrund der
väterlichen Schilderungen über Mexiko momentan zweifellos vorhandenen - Ängste
anbelangt, sind keine diesbezüglichen negativen Prädispositionen bekannt, so
dass es dem natürlichen Lauf der Dinge widersprechen würde, wenn sich
C.________ nach einigen Wochen des konkreten Lebensalltages in Mexiko und mit
der Hilfe ihrer Mutter nicht wieder von diesen befreien könnte.

6.5. Insgesamt ergibt sich, dass keine schwerwiegenden Gefahren im Sinn von
Art. 13 Abs. 1 lit. b HKÜ konkret drohen und für eine Betreuung durch die
Mutter, für eine adäquate Unterbringung und für landesentsprechende schulische
Möglichkeiten gesorgt ist.

7. 
Nach dem Gesagten ist die Rückführung von C.________ nach Mexiko anzuordnen.
Die Mutter beantragt die Erteilung eines entsprechenden Vollzugsauftrages an
das Departement Volkswirtschaft und Inneres des Kantons Aargau als
Vollzugsbehörde.

 Die grundsätzlichen Modalitäten der Vollstreckung dürfen nicht einfach der
Vollzugsbehörde überlassen werden; vielmehr sind sie durch das Gericht zu
regeln (Art. 12 Abs. 1 BG-KKE). Indes bedarf dies organisatorischer
Vorkehrungen und einer Koordination mit den Eltern, dem Kindesvertreter und der
kantonalen Vollzugsbehörde. Zumal das Bundesgericht nicht direkt auf deren
Personal zugreifen kann, ist das Obergericht als sachnahe Instanz mit der
konkreten Regelung der Rückführung zu betrauen. Bemerkt sei lediglich, dass
nicht eine Rückführung durch die zuständige Stelle des Departementes im
Vordergrund stehen muss. Wie sich aus den Akten ergibt, war im Zusammenhang mit
der kantonalen Gerichtsverhandlung ein Ticket für den Rückflug des Kindes
gemeinsam mit der Mutter gebucht. Eine solche Lösung könnte durchaus sinnvoll
sein, zumal es keine Direktflüge zwischen der Schweiz und Mexiko gibt, was eine
Begleitung durch schweizerische Amtspersonen bis ins Zielland ebenso wie eine
freiwillige Rückführung durch den Vater problematisch machen könnte.

 Mithin ist die Sache mit der - unter dem Vorbehalt unvorhersehbarer objektiver
neuer Entwicklungen (wie beispielsweise Naturkatastrophe oder Unmöglichkeit der
Mutter, das Kind bei sich aufzunehmen) stehenden - verbindlichen Vorgabe der
Rückführung von C.________ zur weiteren Behandlung im Sinn der Erwägungen an
das Obergericht zurückgewiesen.

8. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben und die Rechtsvertreter der Beteiligten
sind aus der Gerichtskasse zu entschädigen (Art. 26 Abs. 2 HKÜ), wobei dem
Umstand Rechnung zu tragen ist, dass die Rechtsschriften sich auf das Thema des
Kindeswillens beschränkten und relativ kurz ausfielen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
In dahingehender Gutheissung der Beschwerde wird der Entscheid des Obergerichts
des Kantons Aargau vom 19. Februar 2015 aufgehoben und die Sache mit der
verbindlichen Vorgabe der Rückführung von C.________ zur weiteren Behandlung im
Sinn der Erwägungen an das Obergericht zurückgewiesen.

2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 
Aus der Gerichtskasse wird Rechtsanwältin Fabienne Brunner mit Fr. 2'000.--,
Rechtsanwalt Silvio Mayer mit Fr. 1'500.-- und Rechtsanwalt Oliver Bulaty mit
Fr. 1'000.-- entschädigt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, C.________, dem Obergericht des Kantons
Aargau, Kammer für Kindes- und Erwachsenenschutz, dem Departement
Volkswirtschaft und Inneres des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Justiz
Zentralbehörde für Kindesentführungen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. April 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Möckli

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