Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.202/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_202/2015

Urteil vom 26. November 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Marazzi, Herrmann, Schöbi, Bovey,
Gerichtsschreiber Möckli.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Muriel Houlmann,
Beschwerdeführerin,

gegen

B.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Claudia Giusto,
Beschwerdegegner,

C.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Luisa-Fernanda Vogelsang.

Gegenstand
Elterliche Sorge,

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, vom 2. Februar 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________ und B.________ sind die unverheirateten Eltern der 2006 geborenen
C.________. Sie haben praktisch nie zusammen gewohnt; vielmehr lebte C.________
seit ihrer Geburt bei der Mutter, der auch die elterliche Sorge oblag.
Im Sommer 2007 trafen die Eltern eine Regelung zum Unterhalt und zum
persönlichen Verkehr.
Im Sommer 2013 traten Schwierigkeiten bei der Ausübung des Besuchsrechts auf.
Die KESB U.________ ordnete deswegen eine Beistandschaft nach Art. 308 Abs. 2
ZGB an.
Im Frühjahr 2014 teilte die Mutter dem Vater mit, sie wolle mit der Tochter und
ihrem Partner bzw. heutigen Ehemann nach Doha in Katar ziehen, wo dieser für
einige Zeit beruflich tätig sein werde.

B. 
In der Folge gelangte der Vater mit einer Gefährdungsmeldung an die KESB. Er
forderte die Übertragung der elterlichen Sorge auf ihn und das Verbot an die
Mutter, mit der Tochter nach Katar zu ziehen bzw. ohne seine Zustimmung deren
Wohnsitz zu verlegen; ferner beantragte er ein Erziehungsfähigkeitsgutachten.
Die KESB erliess vorsorgliche Massnahmen, nahm diverse Abklärungen vor,
veranlasste die Anhörung des Kindes und errichtete für dieses eine
Verfahrensbeistandschaft gemäss Art. 314a bis ZGB. Mit Entscheid vom 30. Juli
2014 erteilte sie den Eltern die gemeinsame Sorge und der Mutter die alleinige
Obhut; sodann erlaubte sie der Mutter, den Aufenthaltsort des Kindes nach Katar
zu verlegen.
Mit Urteil vom 20. Oktober 2014 wies der Bezirksrat Meilen die hiergegen von
Vater erhobene Beschwerde ab und entzog einer allfälligen Beschwerde an das
Obergericht des Kantons Zürich die aufschiebende Wirkung.

C. 
Beide Parteien fochten das Urteil des Bezirksrates beim Obergericht an. Der
Vater verlangte die Zuteilung der Obhut an sich und die Verweigerung der
Erlaubnis an die Mutter, mit dem Kind nach Kater auszureisen. Die Mutter wandte
sich gegen das gemeinsame elterliche Sorgerecht und beantragte, weiterhin die
Alleinsorge zu haben.
Anfangs Januar 2015 teilte die Verfahrensbeiständin des Kindes dem Obergericht
mit, dass die Mutter mit C.________ nach Doha weggezogen sei und dort die
Schule begonnen habe; die Abmeldung von der Schule in V.________ wurde in der
Folge bestätigt, ebenso der Wegzug durch die Mutter.
Mit Beschluss vom 2. Februar 2015 trat das Obergericht auf die Beschwerden der
beiden Elternteile nicht ein mit der Begründung, infolge des Wegzuges des
Kindes sei die Entscheidzuständigkeit entfallen. Es begründete den Entscheid
jedoch ausführlich auch materiell.

D. 
Gegen den obergerichtlichen Beschluss hat die Mutter am 6. März 2015 eine
Beschwerde in Zivilsachen erhoben, im Wesentlichen mit den Begehren, es sei an
ihrer alleinigen elterlichen Sorge festzuhalten bzw. ihr die alleinige
elterliche Sorge zu erteilen. Mit Vernehmlassung vom 29. April 2015 verlangte
die Kindesvertreterin, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, und der Vater,
diese sei abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden müsse. Am 19. Mai 2015
und 1. Juni 2015 reichten die Parteien eine Replik und Duplik ein. Sodann
reichte der Vater am 31. August 2015 ein weiteres Schreiben ein.

Erwägungen:

1. 
Angefochten ist der kantonal letztinstanzliche Entscheid in einer
Kindesschutzsache. Dagegen steht die Beschwerde in Zivilsachen grundsätzlich
offen (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6, Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG).

2. 
Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Obergericht sei zu Unrecht nicht auf
die Beschwerden eingetreten. Gemäss Art. 85 Abs. 1 IPRG finde das Haager
Kindesschutzübereinkommen Anwendung. Bei einem Aufenthaltswechsel des Kindes in
einen Nichtvertragsstaat bleibe nach übereinstimmender Lehre die in der Schweiz
rechtmässig begründete Zuständigkeit bestehen.
Die Frage, was der Wegzug des Kindes für die schweizerische Zuständigkeit
bedeutet, stellt sich gleichermassen auch für die von Amtes wegen vorzunehmende
Prüfung, ob das Bundesgericht auf die vorliegende Beschwerde eintreten kann.

2.1. Weil die Mutter mit dem Kind während des hängigen Verfahrens nach Katar
umgezogen ist, liegt ein internationaler Sachverhalt vor und es stellt sich die
Frage, ob die schweizerischen Gerichte international noch zuständig sind.
Gemäss Art. 85 Abs. 1 IPRG bestimmt sich die Zuständigkeit für den Erlass von
Massnahmen im Bereich des Kindesschutzes sowie das dabei anzuwendende Recht
nach den Regeln des Haager Kindesschutzübereinkommens (HKsÜ, SR 0.211.231.011).
Art. 5 Abs. 1HKsÜ erklärt grundsätzlich die Behörden und Gerichte am
gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes als zuständig. Sodann sieht Art. 5 Abs.
2 HKsÜ vor, dass bei einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes in
einen anderen Vertragsstaat die dortigen Behörden zuständig werden. Mithin
besteht im Grundsatz keine  perpetuatio fori (Urteile 5A_622/2010 vom 27. Juni
2011 E. 3; 5A_131/2011 vom 31. März 2011 E. 3.3.1; Explanatory Report zum HKsÜ
von Paul Lagarde, Rz. 42), wie dies schon beim Minderjährigenschutzabkommen
(MSA, SR 0.211.231.01) als Vorgängerabkommen der Fall war (vgl. BGE 123 III 411
E. 2a/bb S. 413; 132 III 586 E. 2.2.3 S. 591).
Vorliegend gilt es jedoch zu beachten, dass Katar Vertragsstaat weder des HKsÜ
noch des MSA ist. Weil die Schweiz von der Möglichkeit des Vorbehalts gemäss
Art. 13 Abs. 3 MSA, die Anwendbarkeit des Übereinkommens auf einen dem
Vertragsstaat angehörigen Minderjährigen zu beschränken, keinen Gebrauch
gemacht, wurde das MSA als auch im Verhältnis zu Drittstaaten anwendbare  loi
uniforme angesehen (vgl. BGE 124 III 176 E. 4 S. 180). Dies trifft aufgrund des
allgemeinen Verweises in Art. 85 Abs. 1 IPRG grundsätzlich auch für das HKsÜ zu
(vgl. Urteile 5A_146/2014 vom 19. Juni 2014 E. 3.1.1; 5A_809/2012 vom 8. Januar
2013 E. 2.3.1). Indes gilt dies nur für die Begründung der Zuständigkeit nach
Art. 5 Abs. 1 HKsÜ, während Art. 5 Abs. 2 HKsÜ in Bezug auf Drittstaaten nicht
angewandt wird. Mithin bleibt bei einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthaltes
des Kindes in einen Nicht-Vertragsstaat die einmal begründete Zuständigkeit
bestehen; in diesem speziellen Bereich gilt mit anderen Worten der allgemeine
Grundsatz der  perpetuatio fori (vgl. Urteile 5A_146/2014 vom 19. Juni 2014 E.
3.1.1; 5A_809/2012 vom 8. Januar 2013 E. 2.3.2; Explanatory Report zum HKsÜ von
Paul Lagarde, Rz. 42; aus der Literatur statt vieler: SCHWANDER, Basler
Kommentar, N. 46 zu Art. 85 IPRG; BUCHER, Commentaire Romand, N. 25 zu Art. 85
IPRG). Dies ergibt sich schon unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm, die
bewusst von einem Wechsel in einen anderen Vertragsstaat spricht. Nur in diesem
Fall ist gesichert, dass gestützt auf das nämliche Regime im Zuzugsstaat
nahtlos wiederum eine Zuständigkeit besteht. Demgegenüber ist bei einem
Drittstaat keineswegs sichergestellt, ob und in welcher Weise dieser
Kindesschutzmassnahmen treffen bzw. hängige Verfahren weiterführen würde,
insbesondere wenn nach dessen internationalem Privatrecht die Zuständigkeit
nicht an den Wohnsitz, sondern an die Staatsangehörigkeit des Kindes knüpft.
Diesfalls würde dem Kind ohne die  perpetuatio fori drohen, dass es
zuständigkeitsmässig "zwischen Stuhl und Bank" fällt ( LEVANTE, Wohnsitz und
gewöhnlicher Aufenthalt im internationalen Privat- und Zivilprozessrecht der
Schweiz, Diss. St. Gallen 1998, S. 203).

2.2. Nach dem Gesagten besteht die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte
nach wie vor. In diesem Zusammenhang wirft die Beschwerdeführerin dem
Obergericht vor, zu Unrecht nicht auf die kantonale Beschwerde eingetreten zu
sein. Sie geht aber davon aus, dass dies insofern unschädlich ist, als das
Obergericht die Beschwerde auch in der Sache behandelt hat.
In der Tat hat das Obergericht die kantonale Beschwerde angesichts der
ausführlichen Sachbegründung letztlich materiell entschieden. Diesfalls ist
nicht auf das formale Dispositiv, sondern auf die effektive Begründung
abzustellen (vgl. Urteile 5A_936/2013 vom 8. Juli 2014 E. 2.1.3; 5A_422/2014
vom 9. April 2015 E. 3.1). Im Übrigen würde die Rückweisung zur materiellen
Entscheidung formalistischen Leerlauf bedeuten, nachdem das Obergericht in E. 4
explizit festgehalten, dass der Beschwerde in der Sache von vornherein kein
Erfolg beschieden sein kann; es ist nicht ersichtlich, inwiefern das
Obergericht bei einer Rückweisung zu einem anderen als dem bereits schriftlich
begründeten Resultat gelangen könnte.

2.3. Vorgängig zur materiellen Behandlung der vorliegenden Beschwerde sind aber
noch die Einwände des Vaters und der Kindesvertreterin zu prüfen. Diese machen
geltend, die Frage der gemeinsamen elterlichen Sorge habe bereits vor dem
Bezirksrat nicht mehr Verfahrensgegenstand sein können, weil der Entscheid der
KESB einzig vom Vater angefochten worden sei, welcher beim Bezirksrat nur die
Obhutszuteilung an die Mutter und die Erlaubnis zur Ausreise angefochten habe.
Dass die Mutter in der Beschwerdeantwort die Beibehaltung der alleinigen
elterlichen Sorge beantragt habe, könne daran nichts ändern. Vielmehr sei die
von der KESB zugeteilte gemeinsame elterliche Sorge mangels eigener Beschwerde
der Mutter in Rechtskraft erwachsen.
Dieser Ansicht kann insofern nicht gefolgt werden, als das Obergericht in
seiner materiellen Begründung festgehalten hat, dass beide Parteien die
gemeinsame elterliche Sorge in Frage stellen würden, und es sich hierzu
ausführlich geäussert hat. Es hat damit die Frage des Sorgerechts jedenfalls
zum Gegenstand des obergerichtlichen Verfahrens gemacht, und es war dazu kraft
der Offizialmaxime gemäss Art. 296 Abs. 3 ZPO unabhängig von der Frage nach
Parteibegehren befugt (ohnehin aber hatte die Mutter in ihrer Beschwerde an das
Obergericht ein entsprechendes Begehren gestellt). Der Hinweis der
Kindesvertreterin auf den Basler Kommentar geht fehl; es ist klar, dasseine
Rechtsmittelbehörde nicht ausserhalb eines Verfahrens von Amtes wegen
intervenieren dürfte, aber vorliegend wurde aufgrund der jeweils erhobenen
Beschwerden auf jeder Stufe das Rechtsmittelverfahren effektiv eingeleitet. Im
Übrigen war es auch geboten, wenn das Obergericht den Verfahrensgegenstand
entsprechend gefasst hat, weil die drei Fragen der Sorgerechtsregelung, der
Obhutszuteilung und der Ausreisemöglichkeit im vorliegenden Fall aufs Engste
miteinander verknüpft sind, weil sie in gegenseitiger Wechselwirkung die Frage
des Kindeswohles betreffen.
Indem es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge um eine Frage geht, welche das
Obergericht effektiv (und sogar primär) behandelt hat, durfte die
Beschwerdeführerin diese schliesslich zum Gegenstand ihrer Beschwerde in
Zivilsachen machen und das Bundesgericht kann das entsprechende Begehren
materiell beurteilen (Art. 107 Abs. 1 und 2 BGG).

3. 
Ausgehend vom Gesagten ist nachfolgend die Zuteilung der gemeinsamen
elterlichen Sorge über das Kind C.________ zu beurteilen.

3.1. Das Obergericht hat diesbezüglich erwogen, die gemeinsame elterliche Sorge
entspreche seit dem 1. Juli 2014 dem gesetzgeberisch gewollten Regelfall. Keine
Partei trage in der jeweiligen Beschwerde stichhaltige Gründe vor, welche ein
Abweichen von der Regel gebieten könnten, und solche Gründe seien auch sonst
nicht ersichtlich, weder aufgrund der seit Frühsommer 2014 verstärkt
auftretenden Spannungen noch aufgrund der Verheiratung der Mutter oder des
Wegzuges nach Katar: Die mit dem Wegzug zwangsläufig einhergehenden
Einschränkungen im persönlichen Verkehr zwischen Vater und Tochter würden
unabhängig von der Sorgerechtslage eintreten. Die Spannungen zwischen den
Eltern und der damit einhergehende Loyalitätskonflikt von C.________ seien
unmittelbare Folge der Obhutszuteilung an die Mutter und der Zustimmung der
KESB zur Wohnsitzverlegung.

3.2. Die Mutter schildert unter dem Titel "Ausgangslage" und sodann verstreut
in der Beschwerde (z.B. N. 38) in appellatorischer Weise ihre Sicht der Dinge
und stellt auch wiederholt die Behauptung auf, mit der Kenntnis der
Stellungnahme des Vaters vom 6. Oktober 2014 im Verfahren vor dem Bezirksrat
habe sich die Hoffnung auf eine Entkrampfung des Verhältnisses zwischen den
Eltern zerschlagen. Darauf kann nicht eingetreten werden: Die obergerichtlichen
Sachverhaltsfeststellungen sind für das Bundesgericht verbindlich (Art. 105
Abs. 1 BGG); diesbezüglich bedürfte es substanziierter Verfassungsrügen,
namentlich wegen Verletzung des Willkürverbotes (vgl. Art. 97 Abs. 1 und Art.
106 Abs. 2 BGG; BGE 139 II 404 E. 10.1 S. 445; 140 III 264 E. 2.3 S. 266),
welche vorliegend nicht ansatzweise erfolgen. Gleiches gilt für die rein
appellatorischen Ausführungen des Beschwerdegegners, bei welchen es sich
überdies zu einem grossen Teil um echte und damit unzulässige Noven im Sinn von
Art. 99 Abs. 1 BGG handelt.

3.3. Nach der per 1. Juli 2014 in Kraft getretenen Sorgerechtsnovelle (AS 2014
S. 357) steht den Eltern die Sorge über ihre Kinder gemeinsam zu (Art. 296 Abs.
2, Art. 298a Abs. 1, Art. 298b Abs. 2 und Art. 298d Abs. 1 ZGB). Indes sind
Ausnahmen zulässig, wenn das Kindeswohl solche gebietet (vgl. Art. 298 Abs. 1
und Art. 298b Abs. 2 ZGB). Vorliegend ist die Frage zu entscheiden, ob ein
solcher Fall gegeben ist; dabei ist gestützt auf Art. 12 Abs. 4 SchlT ZGB der
Art. 298b Abs. 2 ZGB sinngemäss zur Anwendung zu bringen.
Mit der Gesetzesnovelle wurde ein eigentlicher Systemwechsel vorgenommen, indem
das Sorgerecht den Eltern unabhängig vom Zivilstand grundsätzlich gemeinsam
zustehen soll. Der Gesetzgeber geht von der Annahme aus, dass damit in der
Regel dem Kindeswohl am besten gedient ist; vom Grundsatz soll nur dann
abgewichen werden, wenn eine andere Lösung die Interessen des Kindes
ausnahmsweise besser wahrt (vgl. Botschaft, BBl 2011 9102). Die Alleinzuteilung
des elterlichen Sorgerechts muss deshalb eine eng begrenzte Ausnahme bleiben
(zur Publ. bestimmtes Urteil 5A_923/2014 vom 27. August 2015 E. 4.7).
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann ein Ausnahmegrund insbesondere
der schwerwiegende elterliche Dauerkonflikt oder die anhaltende
Kommunikationsunfähigkeit sein, wenn sich der Mangel negativ auf das Kind
auswirkt und die Alleinzuteilung des Sorgerechtes eine Verbesserung der
Situation erwarten lässt. Es muss sich in jedem Fall um einen erheblichen und
chronischen Konflikt handeln. Auseinandersetzungen oder
Meinungsverschiedenheiten, wie sie in allen Familien vorkommen und insbesondere
mit einer Trennung oder Scheidung einhergehen können, dürfen angesichts des mit
der Gesetzesnovelle klarerweise angestrebten Paradigmenwechsels nicht Anlass
für eine Alleinzuteilung des elterlichen Sorgerechts bzw. für die Belassung
eines bestehenden Alleinsorgerechtes sein (zur Publ. bestimmtes Urteil 5A_923/
2014 vom 27. August 2015 E. 4.3 und 4.7).

3.4. Vorliegend sind Defizite beim Kooperationswillen im Zusammenhang mit dem
Wegzug von Mutter und Kind nach Katar verstärkt zu Tage getreten. Indes ist die
- vor Bundesgericht erneut vorgetragene - Behauptung, bei der Erteilung des
gemeinsamen Sorgerechtes sei eine Ausweitung des Konfliktes vorprogrammiert,
für die Zuteilung der Alleinsorge kein genügender Grund. Es war nicht die
Meinung des Gesetzgebers, dass ein Elternteil in abstrakter Weise auf einen
Konflikt soll verweisen und daraus einen Anspruch auf Alleinsorge ableiten
können.
Im Zentrum steht die Tatsache, dass es sich beim elterlichen Sorgerecht um ein
Pflichtrecht handelt (BGE 136 III 353 E. 3.1 S. 356; Urteil 5A_198/2013 vom 14.
November 2013 E. 4.1; aus der schweizerischen Literatur statt vieler: SCHWENZER
/COTTIER, Basler Kommentar, N. 3 zu Art. 296 ZGB; für das deutsche Recht:
PESCHEL-GUTZEIT, in: J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch,
Berlin 2015, N. 19 zu § 1626 BGB), wie dies auch beim Besuchsrecht der Fall ist
(vgl. Urteile 5A_719/2013 vom 17. Oktober 2014 E. 4.2; 5A_160/2011 vom 29. März
2011 E. 4). Die mit der elterlichen Sorge verbundenen Rechte und Pflichten sind
zum Wohle des Kindes auszuüben. Die Eltern haben mithin im Rahmen ihrer
Möglichkeiten alles zu unternehmen, was zur gedeihlichen Entwicklung des Kindes
erforderlich ist. Daraus folgt im vorliegend interessierenden Kontext, dass sie
sich zu bemühen haben, zwischen der konfliktbehafteten Elternebene einerseits
sowie dem Eltern-Kind-Verhältnis andererseits zu unterscheiden und das Kind aus
dem elterlichen Konflikt herauszuhalten. Sodann haben beide Elternteile ein
kooperatives Verhalten an den Tag zu legen und die zumutbaren Anstrengungen bei
der gegenseitigen Kommunikation zu unternehmen, ohne die ein gemeinsames
Sorgerecht nicht in effektiver Weise und zum Vorteil des Kindes ausgeübt werden
kann.
Halten sich die Eltern nicht an diese Spielregeln, droht das Kind in einen
Loyalitätskonflikt zu geraten, wie dies vorliegend geschehen ist (anfänglich
war C.________ peinlichst darauf bedacht, keine Stellung zugunsten eines
Elternteils zu beziehen; im Zuge des Konfliktes versuchte sie ihr
Loyalitätsproblem dahingehend zu lösen, dass sie sich auf die Seite des
hauptbetreuenden Elternteils schlug und den Kontakt zum Vater schliesslich
weitgehend ablehnte). Nebst der Einbindung oder gar Instrumentalisierung des
Kindes im elterlichen Konflikt ist ein Loyalitätskonflikt oft auch auf fehlende
Bindungstoleranz des einen oder beider Elternteile zurückzuführen. Es ist aber
allgemein anerkannt, dass aufgrund des schicksalhaften
Eltern-Kind-Verhältnisses die - sich nicht nur im Besuchs-, sondern auch im
Sorgerecht ausdrückende - Beziehung des Kindes zu beiden Elternteilen wichtig
ist und bei dessen Identitätsfindung eine entscheidende Rolle spielen kann (BGE
130 III 585 E. 2.2.2 S. 590; 131 III 209 E. 4 S. 211 f.). Beide Elternteile
haben deshalb mit Blick auf das Wohl des Kindes die Pflicht, eine gute
Beziehung zum jeweils anderen Elternteil zu fördern; namentlich hat der
hauptbetreuende Elternteil das Kind positiv auf Besuche, auf Skype-Kontakte,
etc. beim oder mit dem anderen Elternteil vorzubereiten. Diese Pflichten stehen
zwar vorab in Zusammenhang mit der Ausübung des persönlichen Verkehrs (vgl.
etwa Urteil 5A_505/2013 vom 20. August 2013 E. 6.3); ihre Beachtung ist aber
auch für eine tragfähige und kindeswohlorientierte Ausübung des gemeinsamen
Sorgerechts wichtig, weshalb der Bindungstoleranz bei der Zuteilung der
elterlichen Sorge eine entscheidende Bedeutung zukommen kann (vgl. zum früheren
Recht beispielsweise Urteil 5A_138/2012 vom 26. Juni 2012 E. 5 mit weiteren
Hinweisen; zum neuen Recht vgl. Urteil 5A_923/2014 vom 27. August 2015 E. 5.1).

3.5. Nach den obergerichtlichen Sachverhaltsfeststellungen entbrannte der
elterliche Konflikt insbesondere im Zusammenhang mit dem (seinerzeit geplanten
und nunmehr erfolgten) Wegzug nach Katar, indem der Vater darauf mit einer
Gefährdungsmeldung und dem Begehren um Obhutsumteilung reagierte. Der Vater
fürchtete verständlicherweise um den Kontakt zur Tochter, während die Mutter,
was ebenso verständlich und natürlich ist, mit der Tochter in
Familiengemeinschaft bei ihrem Ehemann leben will, welcher momentan in Katar
arbeitet. Bis zum Zeitpunkt des angefochtenen Entscheides wurden keine
konkreten Anhaltspunkte aktenkundig, dass sich die Eltern (abgesehen vom
Aufenthaltsort) in grundsätzlicher und unüberwindbarer Weise über die Belange
des Kindes gestritten hätten. Die Mutter erwähnt - soweit dies in Anbetracht
von Art. 99 Abs. 1 BGG überhaupt möglich wäre - auch in der vorliegenden
Beschwerde keine konkreten Vorfälle. Vielmehr spricht sie (relativ abstrakt)
von einer zu befürchtenden Ausweitung des Konfliktes, was für eine Abweichung
vom Regelfall der gemeinsamen elterlichen Sorge nach dem Gesagten nicht genügt.
Weiter verweist sie auf die Eingabe des Vaters vom 6. Oktober 2014; indes sind
nach den vorstehenden Ausführungen prozessuale Auseinandersetzungen im Rahmen
eines gerichtlichen Verfahrens für sich genommen in der Regel noch kein Grund
für die Alleinzuteilung der elterlichen Sorge. Schliesslich ist entgegen den
Ausführungen in der Beschwerde nicht massgeblich, ob die Parteien verheiratet
waren und ob sie in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben; vielmehr wurde mit
der Sorgerechtsnovelle gerade eine Gleichbehandlung der Eltern unabhängig von
solchen Überlegungen angestrebt (vgl. Botschaft, BBl 2011 9092).

3.6. Insgesamt ergibt sich, dass die Voraussetzungen für eine Alleinzuteilung
des Sorgerechts im vorliegenden Fall bei weitem nicht erreicht sind.

4. 
Aufgrund des Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten
werden kann. Die Gerichtskosten sind bei diesem Verfahrensausgang der
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und diese hat den
Beschwerdegegner sowie die Kindesvertreterin für das bundesgerichtliche
Verfahren zu entschädigen (Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner sowie die Kindesvertreterin mit
je Fr. 1'000.-- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, C.________ und dem Obergericht des Kantons
Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 26. November 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Möckli

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