Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.184/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_184/2015

Urteil vom 22. Januar 2016

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Marazzi, Herrmann, Schöbi, nebenamtlicher Bundesrichter Th.
Geiser,
Gerichtsschreiber V. Monn.

Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Barbara Wälchli,
Beschwerdeführer,

gegen

B.A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Raphael Haltiner,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Volljährigenunterhalt,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau,
Zivilgericht, 1. Kammer, vom 13. Januar 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. A.A.________ (geb. 1994) ist der Sohn von B.A.________ und C.A.________.
Die Eltern sind geschieden. Der Vater hat sich später mit D.________ vermählt.

A.b. Mit Urteil vom 17. Mai 2011 betreffend die Nebenfolgen der Scheidung
verurteilte das Obergericht des Kantons Aargau B.A.________, seinem damals
minderjährigen Sohn monatliche Unterhaltsbeiträge von Fr. 1'500.-- zuzüglich
einer allfälligen Ausbildungszulage zu bezahlen. Das Obergericht ging von einem
tatsächlichen Monatseinkommen des Vaters in der Höhe von Fr. 8'593.-- aus.

A.c. Am 21. Februar 2012 wurde A.A.________ volljährig. Zu diesem Zeitpunkt
besuchte er eine private Mittelschule in Frankreich. Im September 2013 nahm er
das Studium an der Universität E.________ in London (Vereinigtes Königreich)
auf.

B.
Am 4. Februar 2013 leitete A.A.________ beim Friedensrichteramt Kreis III des
Kantons Aargau gegen B.A.________ ein Schlichtungsverfahren betreffend
Unterhalt ein. Gestützt auf die Klagebewilligung vom 15. April 2013 machte er
am 22. April 2013 beim Gerichtspräsidium Baden einen Zivilprozess anhängig. Er
stellte das Begehren, seinen Vater rückwirkend auf den 1. März 2012 und bis zum
ordentlichen Abschluss des Studiums zur Bezahlung eines monatlichen indexierten
Unterhaltsbeitrages von Fr. 1'500.-- zuzüglich einer allfälligen
Ausbildungszulage zu verurteilen. Für das Verfahren ersuchte er um
unentgeltliche Rechtspflege. Das Präsidium des Bezirksgerichts
(Familiengericht) Baden entsprach diesem Begehren und hiess die Klage gut
(Entscheid vom 16. September 2014).

C. 
B.A.________ erhob Berufung beim Obergericht des Kantons Aargau. Dieses
bestätigte den erstinstanzlichen Entscheid dem Grundsatz nach, bestimmte aber,
dass die Unterhaltsbeiträge erst vom 1. Januar 2015 an zu bezahlen seien
(Entscheid vom 13. Januar 2015).

D. 
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 5. März 2015 wendet sich A.A.________
(Beschwerdeführer) an das Bundesgericht. Sinngemäss beantragt er, den
angefochtenen Entscheid aufzuheben und ihm die Unterhaltsbeiträge im Sinne des
erstinstanzlichen Entscheides rückwirkend ab 1. März 2012 zuzusprechen. Auch
für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht der Beschwerdeführer um
unentgeltliche Rechtspflege. Eingeladen, zur Beschwerde Stellung zu nehmen,
lässt B.A.________ (Beschwerdegegner) beantragen, die Beschwerde abzuweisen,
soweit darauf eingetreten werden kann (Eingabe vom 18. September 2015). Das
Obergericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die Beschwerdeantwort wurde
dem Beschwerdeführer zur Wahrung des rechtlichen Gehörs zugestellt.

Erwägungen:

1. 
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid in einer Zivilsache.
Der für die Beschwerde in Zivilsachen bei vermögensrechtlichen Angelegenheiten
erforderliche Streitwert ist gegeben. Auf das binnen Frist eingereichte
Rechtsmittel ist einzutreten (Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Bst. b, Art. 75,
Art. 90 und Art. 100 Abs. 1 BGG).

2. 
Die Pflicht des Beschwerdegegners, dem volljährigen Beschwerdeführer bis zum
ordentlichen Abschluss des Studiums gestützt auf Art. 277 Abs. 2 ZGB Unterhalt
zu zahlen, ist dem Grundsatz nach nicht mehr bestritten. Auch mit der Höhe der
monatlichen Unterhaltsbeiträge von Fr. 1'500.-- haben sich die Parteien
abgefunden. Anlass zur Beschwerde gibt einzig der Entscheid des Obergerichts,
dem Beschwerdeführer den Unterhalt erst vom 1. Januar 2015 an zuzusprechen
(Sachverhalt Bst. C) und nicht schon seit dem 1. März 2012, wie es die erste
Instanz tat (Sachverhalt Bst. B). In der Auseinandersetzung um die
Unterhaltspflicht für den Zeitabschnitt vom 1. März 2012 bis zum 31. Dezember
2014 dreht sich der Streit um die Leistungsfähigkeit des Beschwerdegegners.

2.1. Die Vorinstanz verwirft zunächst den Einwand des Beschwerdegegners, er sei
nach der Heirat mit D.________ mit dieser übereingekommen, dass sie primär für
die Erwirtschaftung des Erwerbseinkommens zuständig sei. Sie hält dem
Beschwerdegegner entgegen, dass er aus der ehelichen Aufgabenteilung nichts
zulasten des Beschwerdeführers ableiten könne, dem er grundsätzlich zu
Unterhalt verpflichtet sei. Vielmehr könne und müsse er seine
Leistungsfähigkeit darauf verwenden, ein Einkommen zu erzielen, mit dem er den
Unterhaltsanspruch des Beschwerdeführers decken kann. Mit Blick auf die
Verdienstmöglichkeiten des Beschwerdegegners als Diplomingenieur in Verfahrens-
und Fertigungstechnik verweist die Vorinstanz auf die Lohnstrukturerhebung 2010
des Bundesamtes für Statistik. Sie kommt zum Schluss, der Beschwerdegegner
könne bereits in einer Teilzeitstelle mit einem Pensum von deutlich unter 50 %
genügend Geld verdienen, um die monatlichen Unterhaltsbeiträge von Fr. 1'500.--
zu bezahlen. Der Beschwerdegegner gestehe in seiner Berufung selbst zu, in
einem 100 %-Pensum ein Nettosalär von Fr. 4'000.-- bis Fr. 4'500.-- erzielen zu
können. Zuletzt unterstreicht das Obergericht, dass dem Beschwerdegegner für
die Vergangenheit ein Einkommen, das er tatsächlich nicht erzielte, nicht
angerechnet werden könne. Bei einem Unterhaltsschuldner dürfe ein
hypothetisches Einkommen nur unter Einräumung einer angemessenen Übergangsfrist
eingesetzt werden. Diese Frist bemisst das Obergericht auf rund drei Monate.
Nachdem die Anrechnung eines hypothetischen Einkommens dem Beschwerdegegner
schon im erstinstanzlichen Urteil angezeigt worden sei, rechtfertige es sich,
die Übergangsfrist mit der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils (17.
September 2014) beginnen zu lassen. Im Ergebnis sei dem Beschwerdegegner ab 1.
Januar 2015 ein hypothetisches Einkommen von (mindestens) Fr. 1'500.--
anzurechnen.

2.2. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 9 BV und Art. 277 Abs.
2 ZGB. Er wendet sich nicht nur gegen die Gewährung einer Übergangsfrist,
sondern verlangt, dem Beschwerdegegner das besagte Einkommen rückwirkend vom 1.
März 2012 an anzurechnen. Zur Begründung beruft er sich darauf, dass dem
Unterhaltsprozess ein jahrelanges Scheidungsverfahren vorausgegangen sei, das
erst mit dem Urteil vom 17. Mai 2011 geendet habe und in welchem die
Einkommenssituation des Beschwerdegegners stets eines der Hauptthemen gewesen
sei. Angesichts dessen seien dem Beschwerdegegner die rechtlichen Vorgaben
seiner Unterhaltspflicht bekannt gewesen und habe er mit der Anrechnung eines
hypothetischen Einkommens rechnen müssen. Weiter argumentiert der
Beschwerdeführer, die Einräumung einer Übergangsfrist führe zum offensichtlich
unhaltbaren und damit willkürlichen Ergebnis, dass ihm der Unterhalt für eine
Dauer von 34 Monaten versagt bliebe, was "zweifellos einen grossen Teil
[seiner] Studiendauer ausmacht". Davon profitiere die neue Ehefrau des
Beschwerdegegners, obwohl sie diesen in Kenntnis seiner Verpflichtungen in
einem Zeitpunkt geheiratet habe, als das Verfahren über die Scheidungsfolgen
noch im Gang und im Übrigen absehbar gewesen sei, dass seine, des
Beschwerdeführers Ausbildung über die Volljährigkeit hinaus dauern werde. Die
Übergangsfrist habe auch nichts mit der Gesundheit des Beschwerdegegners zu
tun. Auf sein eigenes, des Beschwerdeführers Wohl würde sie sich gar sehr
negativ auswirken, indem ihm "die finanzielle Unterstützung während wohl
ungefähr der Hälfte seiner Ausbildungsdauer einfach entgehen würde".

2.3. Der Beschwerdegegner argumentiert, nach Rechtsprechung und Lehre setze die
Zurechnung eines hypothetischen Einkommens "per se die reale Möglichkeit seiner
Erzielung voraus". Daher falle die rückwirkende Zurechnung "rein faktisch
ausser Betracht". Selbst wenn ein Unterhaltsschuldner seine wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit in Schädigungsabsicht praktisch rechtsmissbräuchlich
vermindere, dürfe ihm ein hypothetisches Einkommen nach der Rechtsprechung nur
insoweit angerechnet werden, als er diese Verminderung tatsächlich rückgängig
machen kann. Der Beschwerdeführer werfe ihm weder eine Schädigungsabsicht noch
einen Rechtsmissbrauch vor. Beweismässig steht für den Beschwerdegegner fest,
dass er im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. März 2012 bis zum 31.
Dezember 2014 kein Einkommen erzielt habe, mit dem er die monatlichen Alimente
von Fr. 1'500.-- hätte bezahlen können. Unter diesen Umständen habe er vor
Zustellung des erstinstanzlichen Entscheids nicht damit rechnen müssen, ein
Einkommen "auf Vorrat" erzielen zu müssen. Der Prozess um den
Volljährigenunterhalt habe mit dem Scheidungsverfahren nichts zu tun; der
Beschwerdeführer vermöge daraus nichts zu seinen Gunsten abzuleiten. Da früher
von einem tatsächlichen und neu von einem hypothetischen Einkommen ausgegangen
werde, seien die Sachverhalte "grundverschieden". Im Übrigen könne von einem
stossenden Ergebnis nicht die Rede sein, zumal der Beschwerdeführer keine
vorsorglichen Unterhaltszahlungen verlangt habe, es ihm offensichtlich nicht am
Geld fehle und er gegebenenfalls rückwirkend Stipendien erhältlich machen
könne.

3. 
Hat ein Kind bei Erreichen der Volljährigkeit seine angemessene Ausbildung noch
nicht abgeschlossen, haben die Eltern, soweit es ihnen nach den gesamten
Umständen zugemutet werden darf, gemäss Art. 277 Abs. 2 ZGB für den Unterhalt
des Kindes aufzukommen, bis eine entsprechende Ausbildung ordentlicherweise
abgeschlossen werden kann.

3.1. Seit das Volljährigkeitsalter am 1. Januar 1996 auf 18 Jahre bestimmt
wurde, kann es nicht mehr als aussergewöhnlich gelten, dass sich ein Kind mit
Erreichen der Volljährigkeit noch in der Ausbildung befindet und auf Unterhalt
angewiesen ist (vgl. BGE 129 III 375 E. 3.2-3.4 S. 377 f.). Nach der
Rechtsprechung haben auch volljährige Kinder bei Vorliegen der in Art. 277 Abs.
2 ZGB verankerten Voraussetzungen grundsätzlich Anspruch auf
Unterhaltsleistungen der Eltern. Die Eltern stehen diesbezüglich in der
Pflicht. Sie sind nicht völlig frei, ihr Leben zu gestalten. Vielmehr müssen
sie sich grundsätzlich derart einrichten, dass sie ihren finanziellen
Verpflichtungen nachzukommen vermögen (Urteil 5A_636/2013 vom 21. Februar 2014
E. 3.4). Freilich findet auch die Pflicht zur Leistung von
Volljährigenunterhalt eine Grenze in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
der Eltern (s. Urteil 5A_179/2015 vom 29. Mai 2015 E. 6.1).

3.2. Bei der Festsetzung von Unterhaltsbeiträgen darf der Richter vom
tatsächlichen Leistungsvermögen des Pflichtigen, das Voraussetzung und
Bemessungsgrundlage der Beitragspflicht bildet, abweichen und stattdessen von
einem hypothetischen Einkommen ausgehen, falls und soweit der Pflichtige bei
gutem Willen bzw. bei ihm zuzumutender Anstrengung mehr zu verdienen vermöchte,
als er effektiv verdient. Wo die reale Möglichkeit einer Einkommenssteigerung
fehlt, muss eine solche jedoch ausser Betracht bleiben. Selbst wenn er seine
Leistungsfähigkeit in Schädigungsabsicht beeinträchtigt, darf dem
rechtsmissbräuchlich handelnden Unterhaltspflichtigen ein hypothetisches
Einkommen nur angerechnet werden, wenn er die Verminderung seiner
Leistungskraft rückgängig machen kann (zum Ganzen BGE 128 III 4 E. 4a S. 5 f.).
Diese Rechtsprechung, die das Bundesgericht für sämtliche Matrimonialsachen
entwickelt hat, ist auch im Bereich des Volljährigenunterhalts wegweisend. Sie
gilt für Sachverhalte, in denen der Richter die Pflicht zur Aufnahme oder
Ausweitung der Erwerbstätigkeit bejaht und von der betreffenden Partei durch
die Anrechnung eines hypothetischen Einkommens eine Umstellung ihrer
Lebensverhältnisse verlangt (Urteil 5A_692/2012 vom 21. Januar 2013 E. 4.3). In
diesen Fällen ist der verpflichteten Partei hinreichend Zeit zu lassen, die
rechtlichen Vorgaben in die Tat umzusetzen. Die Dauer dieser Übergangsfrist
bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls (dazu BGE 129 III 417 E. 2.2
S. 421; 114 II 13 E. 5 S. 17). Auch ein von diesen Grundsätzen abweichender
Entscheid muss indes nicht zwangsläufig bundesrechtswidrig sein. Je nach den
konkreten Gegebenheiten ist etwa von Bedeutung, ob die geforderte Umstellung
für die betroffene Person voraussehbar war (Urteil 5A_636/2013 vom 21. Februar
2014 E. 5.1 mit weiteren Hinweisen).

3.3. Anders verhält es sich, wenn der Unterhaltsschuldner schon bis anhin einer
vollzeitlichen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist und seine vorbestehende
Unterhaltspflicht erfüllt hat. Denn in diesem Fall bedarf der Schuldner keiner
Übergangs- oder Anpassungsfrist, um eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder
ausweiten und hierzu seine Lebensverhältnisse umstellen zu können. Vielmehr
muss der Alimentenschuldner alles in seiner Macht Stehende tun und insbesondere
seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit voll ausschöpfen, um seiner
Unterhaltspflicht nachzukommen. Begnügt sich der Unterhaltspflichtige selbst
bei einem unfreiwilligen Stellenwechsel wissentlich mit einer nur ungenügend
einträglichen Erwerbstätigkeit, so hat er sich anrechnen zu lassen, was er
unter den gegebenen Umständen zu erwirtschaften vermöchte (Urteile 5A_692/2012
vom 21. Januar 2013 E. 4.3; 5A_299/2012 vom 21. Juni 2012 E. 3.5; 5A_341/2011
vom 20. September 2011 E. 2.5.1). Versagt der Richter der unterhaltspflichtigen
Partei aus den beschriebenen Gründen eine Übergangs- oder Anpassungsfrist, so
muss sich diese ein höheres als das tatsächlich erzielte Einkommen
gegebenenfalls von einem Zeitpunkt an anrechnen lassen, der - schon vom Datum
der Erhebung der Unterhaltsklage aus gesehen - in der Vergangenheit liegt. Denn
das Kind kann auf Leistung des Unterhalts nicht nur für die Zukunft klagen,
sondern auch für ein Jahr vor Klageerhebung (Art. 279 Abs. 1 ZGB). Diese Norm
gilt auch für volljährige Kinder.

3.4. Einer so verstandenen "rückwirkenden" Anrechnung eines höheren Einkommens
steht nicht entgegen, dass die unterhaltspflichtige Partei die Verminderung
ihrer Leistungsfähigkeit für eine bereits verstrichene Zeitspanne nicht
rückgängig und die in der Vergangenheit unterbliebene Erzielung des ihr
zumutbaren Einkommens nicht ungeschehen machen kann. Soweit - wie hier -
Unterhaltsleistungen für eine bestimmte vergangene Zeitspanne streitig sind,
steht mit dem rechtskräftigen Urteil über die Unterhaltsklage (oder mit dem
rechtskräftig genehmigten Unterhaltsvertrag) nicht nur die Höhe der einzelnen
monatlichen Unterhaltsbeiträge fest, sondern auch der Gesamtbetrag der
geschuldeten Alimente. Ebenso liegt es in der Natur eines
Dauerschuldverhältnisses mit periodischer Leistungspflicht, dass über die
Erfüllung von einzelnen Obligationen, die während einer bestimmten Zeit
entstanden sind, erst im Nachhinein abgerechnet werden kann. Je nachdem, ob und
gegebenenfalls zu wessen Gunsten aus der Abrechnung ein Saldo resultiert, kann
eine Partei von der anderen eine Summe Geldes nach- oder zurückfordern. Hat der
Unterhaltspflichtige in einem bestimmten Abschnitt der Vergangenheit also nicht
das Einkommen erzielt, das er bei gutem Willen zu erwirtschaften vermocht
hätte, und lässt sich sein Versäumnis für diese konkrete Zeitperiode auch nicht
mit einer Anpassung an veränderte Lebensverhältnisse rechtfertigen, so ist ihm
durchaus zuzumuten, mit seinen künftig erzielten Einkünften nachzuholen, was er
in der Vergangenheit zu erwirtschaften verpasst hat. Denn in aller Regel wird
es sich dabei um Unterhaltsforderungen handeln, die mehr als ein Jahr vor
Zustellung des Zahlungsbefehls entstanden sind, mit dem der Gläubiger seine
Alimentenforderungen gegebenenfalls zu vollstrecken trachtet, nachdem er ein
rechtskräftiges Urteil erstritten hat. Bezüglich der Durchsetzung solcher
Forderungen geniesst der Schuldner in der Zwangsvollstreckung den Schutz seines
Existenzminimums (s. BGE 116 III 10 E. 2 S. 12 mit Hinweisen).

4. 
Bezogen auf den konkreten Fall ergibt sich aus den vorigen Erwägungen, was
folgt:

4.1. In tatsächlicher Hinsicht steht aufgrund des rechtskräftigen Urteils über
die Nebenfolgen der Scheidung vom 17. Mai 2011 (s. Sachverhalt Bst. A.b) fest,
dass der Beschwerdegegner im damaligen Zeitpunkt monatliche Einkünfte von Fr.
8'593.-- (netto) erzielte. Dass der Beschwerdegegner in der Folge seiner
Pflicht zur Bezahlung der Alimente bis zur Volljährigkeit des Beschwerdeführers
nicht nachgekommen wäre, wird von keiner Seite behauptet. Als der
Beschwerdeführer am 21. Februar 2012 volljährig wurde, besuchte er die
Mittelschule (s. Sachverhalt Bst. A.c). Dass sein Sohn im Zeitpunkt der
Klageerhebung - am 22. April 2013 - diese Mittelschule erfolgreich
abgeschlossen und damit eine angemessene (Erst-) Ausbildung im Sinne von Art.
277 Abs. 2 ZGB erlangt hätte, macht der Beschwerdegegner nicht geltend. Wie
sich aus dem angefochtenen Entscheid ergibt, nahm der Beschwerdeführer im
September 2013 denn auch unbestrittenermassen ein Studium in Angriff (s.
Sachverhalt Bst. A.c). Sodann beteuert der Beschwerdegegner vor Bundesgericht
zwar, im streitigen Zeitabschnitt von März 2012 bis Dezember 2014 kein "zur
klägerischen Alimentierung ausreichendes Einkommen erzielt" zu haben (s. E.
2.3). Dass es ihm damals aber weder möglich noch zumutbar gewesen wäre, ein
solches Einkommen zu erwirtschaften, macht er nicht geltend. Damit bleibt es
auch für diesen vergangenen Zeitabschnitt bei seinem Zugeständnis im
Berufungsverfahren, wonach er in einem 100 %-Pensum ein monatliches
Nettoeinkommen von Fr. 4'000.-- bis 4'500.-- erzielen könnte (E. 2.1).
Schliesslich vertritt der Beschwerdegegner die "legitime Auffassung", dass ihm
die Leistung von Unterhalt an seinen Sohn unter anderem aus "wirtschaftlichen
Gründen" nicht zumutbar sei. Dass eine Unterhaltspflicht in der Höhe von Fr.
1'500.-- pro Monat seinen betreibungsrechtlichen Notbedarf in Gefahr brächte,
ist mit solch pauschalen Behauptungen aber nicht dargetan.

4.2. Angesichts dieser Gegebenheiten durfte sich der Beschwerdegegner zu keinem
Zeitpunkt darauf verlassen, dass sein Sohn bei Erreichen der Volljährigkeit
über eine angemessene Ausbildung verfügen würde und er als Vater deshalb von
einer allfälligen Unterhaltspflicht über die Volljährigkeit seines Sohnes
hinaus entbunden wäre. Vielmehr war für den Beschwerdegegner aufgrund der
schulischen Situation seines Sohnes ohne Weiteres voraussehbar, dass dieser
auch nach seinem 18. Geburtstag Unterhalt fordern könnte. Soweit der
Beschwerdegegner zur damaligen Zeit tatsächlich kein eigenes Einkommen mehr
erzielte, kann er angesichts der geschilderten evidenten Sachlage nicht für
sich in Anspruch nehmen, auf eine Anpassungs- oder Übergangsfrist angewiesen zu
sein, um eine Erwerbstätigkeit (wieder) aufzunehmen oder auszudehnen. Nachdem
er bis zur Volljährigkeit des Beschwerdeführers tatsächlich über genügende
Einkünfte verfügte, um seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen, musste
er auch mit Blick auf die Zeit nach der Volljährigkeit des Beschwerdeführers
alle Anstrengungen unternehmen, um seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
jedenfalls so weit auszuschöpfen, als die Unterhaltspflicht gegenüber seinem
Sohn es erforderte. Schliesslich ist für den Ausgang des vorliegenden
Verfahrens auch nicht von Belang, dass die Unterhaltspflicht des
Beschwerdegegners im Urteil vom 17. Mai 2011 (s. Sachverhalt Bst. A.b)
lediglich bis zur Volljährigkeit des Beschwerdeführers festgesetzt wurde, wie
das Obergericht im angefochtenen Entscheid andeutet. Ebenso wenig kommt es
darauf an, dass der Beschwerdeführer mit einer ersten Klage vom 28. August 2012
beim Gerichtspräsidium Baden nicht zugelassen wurde, weil kein
Schlichtungsverfahren stattgefunden hatte. Diese prozessualen Umstände ändern
nichts daran, dass der Beschwerdegegner von der Sache her nach Treu und Glauben
(Art. 2 Abs. 1 ZGB) zu keiner Zeit darauf vertrauen durfte, dem
Beschwerdeführer nach dessen 18. Geburtstag keinen Unterhalt mehr zahlen zu
müssen. Soweit der Beschwerdegegner schliesslich argumentiert, sein Sohn sei
auf die väterlichen Zahlungen gar nicht angewiesen, ist dem Beschwerdegegner
der angefochtene Entscheid entgegenzuhalten, den er nicht angefochten hat und
den das Bundesgericht deshalb auch nicht zu Ungunsten des Beschwerdeführers
abändern kann. Das Obergericht kommt zum Schluss, der monatliche Barbedarf des
Beschwerdeführers nach Erreichen der Volljährigkeit belaufe sich auf ca. Fr.
1'750.--, selbst wenn er die Mittelschule bis zum Schluss in der Schweiz
absolviert hätte. Auch für die Zeit nach Aufnahme des Studiums erscheint dem
Obergericht ein Unterhaltsbeitrag von Fr. 1'500.-- nicht unangemessen. Damit
muss es vor Bundesgericht sein Bewenden haben.

4.3. Laut Gesetz kann das Kind den Unterhalt für ein Jahr vor Klageerhebung
verlangen (E. 3.3). Geht dem Entscheidverfahren - wie hier - ein
Schlichtungsversuch vor einer Schlichtungsbehörde voraus, fällt die
Klageanhebung mit der Rechtshängigkeit zusammen, die gemäss Art. 62 Abs. 1 ZPO
durch die Einreichung des Schlichtungsgesuchs begründet wird (ISABELLE
BERGER-STEINER, in: Berner Kommentar, 2012, Vorbemerkungen zu Art. 62 ff. ZPO,
N 30 f.; FRANÇOIS BOHNET, in: Code de procédure civile commenté, 2011, N 5 zu
Art. 62 ZPO; DOMINIK INFANGER, in: Basler Kommentar, 2. Aufl. 2013, N 10 zu
Art. 62 ZPO; MARKUS MÜLLER-CHEN, in: Brunner/Gasser/Schwander, Schweizerische
Zivilprozessordnung, Kommentar, 2011, N 1 zu Art. 62 ZPO; FRANCESCO TREZZINI,
in: Commentario al Codice di diritto processuale civile svizzero, 2011, S. 212
f.; THOMAS SUTTER-SOMM/MARTIN HEDINGER, in: Sutter-Somm/ Hasenböhler/
Leuenberger, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013,
N 7 zu Art. 62 ZPO). Wollte man anders entscheiden und die Klage erst mit ihrer
Einreichung bei Gericht als im Sinne von Art. 279 Abs. 1 ZGB angehoben
betrachten, so hinge von den Zufälligkeiten des Terminkalenders der
Gerichtsbehörden ab, wie viel der Kläger letztendlich maximal erstreiten kann.
Der Beschwerdeführer machte das Schlichtungsverfahren am 4. Februar 2013
anhängig (s. Sachverhalt Bst. B). Dem Begehren des Beschwerdeführers folgend
ist der Beschwerdegegner deshalb zu verurteilen, dem Beschwerdeführer ab 1.
März 2012 bis zum ordentlichen Abschluss des Studiums monatliche Alimente von
Fr. 1'500.-- zu bezahlen. Der Beschwerdegegner selbst gibt an, unter
Ausschöpfung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durchaus ein Mehrfaches
dessen verdienen zu können, was zur Bezahlung der vom 1. Januar 2015 an
geschuldeten Alimente erforderlich ist (E. 4.1). Der Beschwerdegegner ist also
in der Lage, seinem Sohn binnen absehbarer Frist aus eigener Kraft auch die
monatlichen Alimente für die streitige Zeitspanne vom 1. März 2012 bis 31.
Dezember 2014 nachzuzahlen.

5. 
Die Beschwerde erweist sich als begründet. Sie ist gutzuheissen. Der
angefochtene Entscheid ist aufzuheben und das erstinstanzliche Urteil ist zu
bestätigen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens unterliegt der Beschwerdegegner.
Er hat daher für die Gerichtskosten aufzukommen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und den
Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 68
Abs. 1 und 2 BGG). Das Armenrechtsgesuch des Beschwerdeführers für das
bundesgerichtliche Verfahren wird damit gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

1.1. Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Kantons Aargau,
Zivilgericht, 1. Kammer, vom 13. Januar 2015 wird aufgehoben.

1.2. Der Beschwerdegegner wird verpflichtet, dem Beschwerdeführer ab 1. März
2012 bis zum ordentlichen Abschluss des Studiums monatlich vorschüssig einen
Unterhaltsbeitrag von Fr. 1'500.-- zuzüglich allfällig bezogener
Ausbildungszulagen zu bezahlen.

1.3. Der Unterhaltsbeitrag gemäss Ziff. 1.2 basiert auf dem Landesindex der
Konsumentenpreise des Bundesamtes für Statistik von 99.0 Punkten (Stand April
2014; Basis Dezember 2010 = 100.0 Punkte). Er wird jährlich auf den 1. Januar,
erstmals auf den 1. Januar 2015, gemäss dem Indexstand per November des
Vorjahres nach folgender Formel der Teuerung angepasst:
Neuer Unterhaltsbeitrag = ursprünglicher Unterhaltsbeitrag x neuer Index vom
November des Vorjahres / 99.0

2. 
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege für das
bundesgerichtliche Verfahren wird als gegenstandslos abgeschrieben.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.

4. 
Der Beschwerdegegner hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 5'000.-- zu entschädigen.

5. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an die Vorinstanz zurückgewiesen.

6. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Zivilgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. Januar 2016
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: V. Monn

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