Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.161/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_161/2015

Urteil vom 6. August 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Herrmann, Schöbi,
Gerichtsschreiber Möckli.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Tonino Iadanza,
Beschwerdeführer,

gegen

B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Neff,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Absetzung Willensvollstrecker,

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Solothurn,
Zivilkammer, vom 26. Januar 2015.

Sachverhalt:

A.

 Mit Ehe- und Erbvertrag vom 15. Oktober 2008 setzten C.B.________ und
B.________ je A.________ als Willensvollstrecker ein. Am 10. Oktober 2012
verstarb C.B.________. Gesetzliche Erben sind nebst der Ehefrau B.________ die
gemeinsamen Töchter D.B.________ und E.B.________ sowie der Sohn F.B.________
aus erster Ehe.

B.

 Mit Gesuch vom 15. Juli 2013 verlangte B.________ beim Obergericht des Kantons
Solothurn die Absetzung des Willensvollstreckers.

 Mit Schreiben vom 19. Juli 2014 gab A.________ bekannt, dass die Parteien
einen Teilungsvertrag abgeschlossen hätten, und stellte sich auf den
Standpunkt, dass damit das Rechtsschutzinteresse an seiner Absetzung
dahingefallen sei. B.________ hielt an ihrem Antrag, welchem sich
zwischenzeitlich alle anderen Erben angeschlossen hatten, fest. Mit Verfügung
vom 14. Oktober 2014 stellte die Referentin fest, dass offenbar auch der
Willensvollstrecker nicht an seinem Amt festhalte, und bot den Parteien
Gelegenheit, zu den Kostenfolgen des voraussichtlich wegen Gegenstandslosigkeit
abzuschreibenden Verfahrens Stellung zu nehmen.

 Mit Beschluss vom 26. Januar 2015 stellte das Obergericht fest, dass das
Willensvollstreckermandat von A.________ beendet sei; es schrieb das Verfahren
als gegenstandslos ab, auferlegte A.________ die Verfahrenskosten von Fr.
4'000.-- und verpflichtete ihn zu einer Parteientschädigung von Fr. 28'000.--
an B.________. In der Rechtsmittelbelehrung bezeichnete es die Beschwerde in
Zivilsachen als zu erhebendes Rechtsmittel.

C.

 Gegen diesen Beschluss hat A.________ am 2. März 2015 eine Beschwerde in
Zivilsachen und subsidiäre Verfassungsbeschwerde erhoben mit dem Begehren, die
Angelegenheit an das Obergericht zurückzuweisen, damit ihm dieses ein
bundesrechtskonformes Rechtsmittel einräume; eventualiter wird die Aufhebung
des Beschlusses im Kostenpunkt verlangt, subeventualiter die diesbezügliche
Rückweisung der Sache an das Obergericht. Ferner wird die aufschiebende Wirkung
verlangt. Mit Beschwerdeantwort vom 28. April 2015 beantragt B.________, auf
die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen. Das
Obergericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.

 Die Aufsicht über die Willensvollstrecker fällt in den sachlichen
Anwendungsbereich der Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 5
BGG). Speziell zu prüfen ist im Folgenden die funktionelle Zuständigkeit des
Bundesgerichts im Rahmen des Instanzenzuges.

2.

 Der Beschwerdeführer macht geltend, die den Kantonen in Art. 130 Abs. 2 BGG
zur Anpassung an Art. 75 Abs. 2 BGG gewährte Übergangsfrist sei am 1. Januar
2011 abgelaufen und für nach diesem Zeitpunkt eröffnete Urteile gelte das
Erfordernis der double instance. Das Obergericht habe nicht als
Rechtsmittelinstanz, sondern als einzige kantonale Instanz entschieden. Indem
der Kanton Solothurn den bundesrechtlichen Vorgaben nicht nachgekommen sei,
habe man ihm eine zweite kantonale Instanz vorenthalten, was ein
organisatorischer Mangel und damit eine Rechtsverweigerung im Sinn von Art. 94
BGG sei.

 Die Beschwerdegegnerin macht geltend, weil das Obergericht nicht als
Rechtsmittelinstanz geurteilt habe, mangle es gemäss Art. 75 Abs. 2 BGG an
einer Prozessvoraussetzung und auf die Beschwerde sei nicht einzutreten. Anders
als vom Beschwerdeführer verlangt, sei die Sache aber nicht an die Vorinstanz
zurückzuweisen, weil es Sache des Kantons und nicht des Gerichtes sei, die
gehörige Rechtsmittelinstanz zu schaffen; vielmehr sei das Obergericht an die
geltenden Organisationsgesetze des Kantons Solothurn gebunden und könne deshalb
den Fall nicht an ein anderes oberes kantonales Gericht weiterleiten.

3.

 Mit Beschwerde in Zivilsachen anfechtbar sind nach Art. 75 Abs. 2 BGG nur
solche Urteile, die von einem oberen kantonalen Gericht als Rechtsmittelinstanz
entschieden wurden (sog. Prinzip der  double instance im Bereich des
Zivilrechts), soweit nicht eine der in lit. a-c genannten und vorliegend nicht
gegebenen Ausnahmen greift (BGE 137 III 424 E. 2.1 S. 426; 138 III 41 E. 1.1 S.
42; 139 III 252 E. 1.6 S. 255; Urteile 5A_266/2011 vom 24. Oktober 2011 E. 1;
5A_290/2011 vom 23. November 2011 E. 1.3.1; 4A_546/2013 vom 13. März 2014 E.
3.3.2).

 Das Prinzip der double instance bedeutet nicht zwingend, dass auf kantonaler
Stufe zwei Gerichte entschieden haben müssen. Gerade im Bereich von
Verwaltungssachen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Zivilrecht stehen,
kommt es oft vor, dass als erste Instanz eine Verwaltungsbehörde entschieden
hat (vgl. BGE 137 III 217 E. 2.4.1.5 S. 224; 139 III 252 E. 1.6 S. 256). Die
Vorschrift von Art. 75 Abs. 2 BGG fordert aber klarerweise, dass als Vorinstanz
des Bundesgerichts einerseits ein  oberes kantonales Gericht und dass dieses
andererseits als  Rechtsmittelinstanzentschieden haben muss (vgl. sämtliche im
vorangehenden Absatz zitierten Urteile).

 Mit einem übergangsrechtlichen Vorbehalt in Art. 130 Abs. 2 BGG gab der
Bundesgesetzgeber den Kantonen bis zum Inkrafttreten der schweizerischen
Zivilprozessordnung Zeit, ihr Rechtsmittelsystem den Anforderungen des seit 1.
Januar 2007 gültigen BGG anzupassen. Die ZPO/CH ist am 1. Januar 2011 in Kraft
getreten und auf diesen Zeitpunkt wurde Art. 130 Abs. 2 BGG aufgehoben. Das
bedeutet, dass Urteile einziger kantonaler Instanzen, die bis zum 31. Dezember
2010 eröffnet wurden, aufgrund des Vorbehaltes von Art. 130 Abs. 2 BGG noch
direkt beim Bundesgericht angefochten werden konnten, während für die seit dem
1. Januar 2011 eröffneten Urteile die Anforderungen gemäss Art. 75 Abs. 2 BGG
vollumfänglich gelten (BGE 137 III 127 E. 1 S. 128 f.; 137 III 424 E. 2.1 S.
426; 139 III 252 E. 1.6 S. 255; Urteile 5A_266/2011 vom 24. Oktober 2011 E. 1;
4A_546/2013 vom 13. März 2014 E. 3.1.2).

4.

 Vorliegend konnte das Obergericht des Kantons Solothurn bereits zum Zeitpunkt
der Einleitung des Aufsichtsverfahrens nicht mehr einzige kantonale Instanz
sein und erst recht gilt dies für den vorliegend massgeblichen Zeitpunkt der
Urteilseröffnung. Der eine solche Zuständigkeit vorsehende § 225 Abs. 2 EG ZGB/
SO, auf welchen sich das Obergericht stützt, ist seit 1. Januar 2011
bundesrechtswidrig.

 Der Kanton Solothurn ist mithin verpflichtet, ein kantonales Rechtsmittel zur
Verfügung zu stellen, um den Anforderungen des BGG gerecht zu werden (BGE 139
III 252 E. 1.6 S. 256; Urteil 4A_546/2013 vom 13. März 2014 E. 4), und
vorliegend kann auf die Beschwerde in Zivilsachen nicht eingetreten werden.
Nach konstanter und auch publizierter Praxis des Bundesgerichtes gehen die
Akten zur weiteren Behandlung an das Obergericht (BGE 139 III 252 E. 1.6 S.
256; Urteile 5A_266/2011 vom 24. Oktober 2011 E. 2; 4A_546/2013 vom 13. März
2014 E. 4), zumal vorliegend bereits der Schriftenwechsel durchgeführt ist, in
dessen Rahmen sich beide Parteien umfassend in der Sache geäussert haben. Zwar
ist der Kanton und nicht das Gericht selbst verpflichtet, ein Rechtsmittel zu
schaffen (Urteil 4A_546/2013 vom 13. März 2014 E. 4); praktisch lässt sich dies
aber, soweit bereits das Obergericht als Erstinstanz geurteilt hat, nicht
anders handhaben, als dass das Obergericht in anderer Besetzung die
Rechtsmitteleingabe beurteilt und einen zweitinstanzlichen Entscheid fällt.

5.

 Es rechtfertigt sich, keine Gerichtskosten zu erheben; die Parteien sind am
legislatorischen Versäumnis des Kantons unschuldig und dem Gemeinwesen werden
keine Kosten auferlegt (Art. 66 Abs. 4 BGG). Den Parteien entsteht durch die
Weiterleitung kein zusätzlicher Aufwand und die Parteikosten sind im Rahmen des
zweitinstanzlichen Entscheides zu liquidieren. Mit dem vorliegenden Entscheid
wird das Begehren um aufschiebende Wirkung vor Bundesgericht gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Auf die Beschwerde wird mangels funktioneller Zuständigkeit nicht eingetreten.

2. 
Die Beschwerde vom 2. März 2015 und die Antwort vom 28. April 2015 werden im
Sinn der Erwägungen an das Obergericht des Kantons Solothurn zur weiteren
Behandlung und Entscheidfindung überwiesen.

3. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn,
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 6. August 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Möckli

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