Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.151/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_151/2015

Urteil vom 13. Mai 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Herrmann,
nebenamtliche Bundesrichterin van de Graaf,
Gerichtsschreiber von Roten.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Advokat Silvan Ulrich,
Beschwerdeführerin,

gegen

Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) E.________,

B.________,
vertreten durch Advokatin Corinne Gadola,
Kindsvater.

Gegenstand
Beistandschaft,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung
Verfassungs- und Verwaltungsrecht, vom 19. November 2014.

Sachverhalt:

A.
A.________ (Beschwerdeführerin), Jahrgang 1973, ist die Mutter des Kindes
C.________, geboren 2014. B.________, Jahrgang 1968, anerkannte das Kind am 1.
Juli 2014 als seinen Sohn. Die Beschwerdeführerin wohnt in der Gemeinde
U.________, die im Zuständigkeitsbereich der Kindes- und
Erwachsenenschutzbehörde (KESB) E.________ liegt.

B.

B.a. Vor der Geburt des Kindes C.________ meldeten sich der Kindsvater und die
Hebamme bei der KESB. Sie wiesen insbesondere auf die misslichen
Wohnverhältnisse hin, in denen die Beschwerdeführerin lebe und ihr Kind zu
gebären und aufzuziehen gedenke. Eine sofortige umfassende Abklärung der
Situation war der KESB nicht möglich. Mit Entscheid vom 9. Mai 2014 hob die
KESB deshalb die Obhut der Beschwerdeführerin über ihr Kind per sofort
vorläufig auf (Dispositiv-Ziff. 1). Sie platzierte das Kind per sofort
vorläufig in der Wöchnerinnen-Station des Kantonsspitals Liestal und später in
einem Mutter-Kind-Haus (Dispositiv-Ziff. 2), errichtete eine Beistandschaft für
das Kind (Dispositiv-Ziff. 3), bezeichnete die Person des Beistandes und
umschrieb dessen Aufgaben (Dispositiv-Ziff. 4) und entzog einer allfälligen
Beschwerde die aufschiebende Wirkung (Dispositiv-Ziff. 5). Die von der
Beschwerdeführerin dagegen eingereichten Rechtsmittel blieben erfolglos
(zuletzt: Urteil 5A_579/2014 vom 18. August 2014).

B.b. Im Einvernehmen mit der Beschwerdeführerin konnte der Kindsvater seinen
Sohn ab 16. Mai 2014 regelmässig besuchen. Da die Beschwerdeführerin in der
Folge den persönlichen Kontakt zwischen dem Kindsvater und seinem Sohn durch
ein Haus- und Arealverbot zu verhindern trachtete, räumte die KESB dem
Kindsvater mit Entscheid vom 7. Juli 2014 vorsorglich ein Besuchsrecht für
seinen Sohn ein. Die von der Beschwerdeführerin dagegen eingereichten
Rechtsmittel blieben erfolglos (zuletzt: Urteil 5A_603/2014 vom 11. August
2014).

B.c. Die KESB bestätigte das Besuchsrecht und bestimmte dessen Umfang mit
Entscheid vom 18. August 2014.

C. 
Per 1. Oktober 2014 hob die KESB den Entzug des elterlichen
Aufenthaltsbestimmungsrechts gegenüber der Beschwerdeführerin wie auch die
Platzierung des Kindes C.________ auf (Dispositiv-Ziff. 1 und 2). Die KESB
bestätigte die Beistandschaft für das Kind C.________ als definitive Massnahme,
ernannte D.________ definitiv als Beistand und umschrieb dessen Aufgaben und
Kompetenzen (Dispositiv-Ziff. 3a-f). Für vorerst 6 Monate ordnete die KESB für
das Kind C.________ eine aufsuchende wöchentliche Sozialpädagogische
Familienberatung und eine vierzehntägliche Mütterberatung an (Dispositiv-Ziff.
4 und 5). Die KESB regelte das Besuchsrecht des Kindsvaters (Dispositiv-Ziff. 6
und 7) und entzog einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung
(Dispositiv-Ziff. 8 des Entscheids vom 30. September 2014).

D. 
Die Beschwerdeführerin gelangte gegen den Entscheid der KESB vom 30. September
2014 an das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit den Begehren, die
Dispositiv-Ziff. 3-8 aufzuheben. Das Kantonsgericht wies Gesuche der
Beschwerdeführerin um aufschiebende Wirkung ab, hiess die Beschwerde hingegen
gut, was die Sozialpädagogische Familienberatung (Dispositiv-Ziff. 4) sowie die
zu deren Durchsetzung dem Beistand erteilten Aufträge (Dispositiv-Ziff. 3b und
3c) angeht. Im Übrigen bestätigte das Kantonsgericht den Entscheid der KESB
(Urteil vom 19. November 2014).

E. 
Mit Eingabe vom 25. Februar 2015 beantragt die Beschwerdeführerin dem
Bundesgericht, die Errichtung der Beistandschaft für das Kind, die Einsetzung
von D.________ als Beistand und die Anordnung der Mütterberatung aufzuheben.
Sie ersucht darum, ihrer Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen und
ihr die unentgeltliche Rechtspflege, einschliesslich Rechtsverbeiständung zu
gewähren. Der Präsident der II. zivilrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts
hat das Gesuch um aufschiebende Wirkung abgewiesen (Verfügung vom 26. Februar
2015). Es sind die kantonalen Akten, hingegen keine Vernehmlassungen eingeholt
worden.

Erwägungen:

1. 
Das angefochtene Urteil betrifft Kindesschutzmassnahmen (Art. 307 ff. ZGB) und
unterliegt der Beschwerde gemäss Art. 72 ff. BGG (Urteil 5A_513/2013 vom 8. Mai
2014 E. 1.1, nicht veröffentlicht in: BGE 140 III 241). Formelle Einzelfragen
sind im Sachzusammenhang zu erörtern. Auf die Beschwerde kann grundsätzlich
eingetreten werden.

2. 
Unter den Überschriften "1. zum Sachverhalt" (S. 3 ff.) und "3. zu den
Erwägungen" (S. 9 ff.) ergänzt und berichtigt die Beschwerdeführerin die im
Beschwerdeverfahren verbindlichen Tatsachenfeststellungen des Kantonsgerichts
(Art. 105 Abs. 1 BGG), ohne ausnahmsweise zulässige Sachverhaltsrügen im Sinne
von Art. 97 Abs. 1 BGG zu erheben und zu begründen (BGE 140 III 264 E. 2.3 S.
266). Auf die von der kantonsgerichtlichen abweichende Sachverhaltsdarstellung
der Beschwerdeführerin ist nicht einzutreten (BGE 136 III 455 E. 2 S. 457).
Unter der Überschrift "4. Rechtliches" (S. 11 ff.) stellt die
Beschwerdeführerin die Prinzipien des Kindesschutzes dar, die sie in einem
Abschnitt auf das angefochtene Urteil angewendet wissen will, im Übrigen aber
mit Bezug auf frühere Entscheide der KESB als verletzt rügt. Diesbezüglich kann
auf die Beschwerde nicht eingetreten werden. Anfechtbarer Entscheid ist allein
das kantonal letztinstanzliche Urteil des Kantonsgerichts (Art. 75 BGG).

3. 
Die KESB hat die bestehende Beistandschaft gemäss Art. 308 Abs. 1 und 2 ZGB
sowie die Person des Beistandes bestätigt und dem Beistand unter anderem den
Auftrag erteilt, über den Ablauf der Besuchstage des Kindsvaters und die
Übergabe des Kindes C.________ monatlich zu berichten (Dispositiv-Ziff. 3e) und
per 30. November 2014 Antrag zu stellen, ob und wie die Besuchstage zu
verändern seien (Dispositiv-Ziff. 3f des Entscheids vom 30. September 2014).

3.1. Das Kantonsgericht hat festgestellt, anlässlich der heutigen Verhandlung
führe die Beschwerdeführerin aus, sie sei mit der errichteten Beistandschaft
nicht einverstanden. Die Geeignetheit des gewählten Beistandes werde von der
Beschwerdeführerin nicht mehr explizit in Abrede gestellt und es bestünden auch
keine Anzeichen dafür, dass der ernannte Beistand nicht geeignet sei (E. 4.2 S.
9 des angefochtenen Urteils). Entgegen der Darstellung in der Beschwerdeschrift
(S. 11) hat das Kantonsgericht sich zur Person des Beistandes damit geäussert.
Seine Feststellung, dass die Beschwerdeführerin die Person des Beistandes an
der Verhandlung nicht mehr ausdrücklich abgelehnt habe, gehört zum
Prozesssachverhalt und ist für das Bundesgericht verbindlich (BGE 140 III 16 E.
1.3.1 S. 18), zumal die Beschwerdeführerin auch in diesem Punkt keine zulässige
Sachverhaltsrüge erhebt und begründet, indem sie schlicht das Gegenteil
behauptet (S. 10 der Beschwerdeschrift; vgl. E. 2 oben). Soweit sie heute die
Eignung des Beistandes bestreitet, sind ihre Vorbringen deshalb neu und
unzulässig (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 136 III 123 E. 4.4.3 S. 129), abgesehen
davon, dass die erhobenen Vorwürfe der Parteilichkeit, der verbalen Bedrohung
und der Untätigkeit unbelegt sind und eine fehlende Eignung nicht aufzuzeigen
vermögen.

3.2. Aufgabe des Beistandes ist die Überwachung des Besuchsrechts (Art. 308
Abs. 2 ZGB). Die Beschwerdeführerin wendet dagegen ein, wesentlich sei, dass
gemäss übereinstimmenden Aussagen der Kindeseltern die Besuchstage klappten, so
dass es nichts obrigkeitlich zu regeln gebe und keine Beistandschaft
gerechtfertigt sei (S. 12 der Beschwerdeschrift). Das Kantonsgericht hat nicht
übersehen, dass dem Kindsvater das Besuchsrecht bisher im gewährten Umfang
ermöglicht wurde. Es hat festgehalten, dass das Kind an den Besuchsrechtstagen
von seiner Tante oder von seiner Grossmutter dem Kindsvater übergeben werde,
die Beschwerdeführerin daran nichts ändern wolle und ausschliesslich über die
Anwälte mit dem Kindsvater zu kommunizieren beabsichtige und diese Haltung der
Kindsmutter einen Austausch der Eltern in Kindesbelangen verunmögliche. In
Anbetracht dessen hat das Kantonsgericht eine Begleitung und Unterstützung
durch den Beistand als sinnvolle Massnahme erachtet (E. 4.4.3 S. 12 des
angefochtenen Urteils). Die Beurteilung der Beistandschaft kann nicht
beanstandet werden. Nach deren Anordnung kann stets gefragt werden, ob das
Besuchsrecht dank ihr ausgeübt werden kann oder ob es auch ohne sie ausgeübt
werden könnte. Die Vorgeschichte (Bst. B.b oben) und die bis heute ablehnende
Haltung der Beschwerdeführerin gegenüber dem Kindsvater belegen, dass das
Kantonsgericht die Beistandschaft zur Überwachung des persönlichen Verkehrs als
die verhältnismässige und geeignete Kindesschutzmassnahme anordnen durfte (vgl.
BGE 140 III 241 E. 2.1 S. 242 und E. 2.3 S. 243).

3.3. Soweit sie sich gegen die Anordnung der Beistandschaft gemäss Art. 308
Abs. 2 ZGB richtet, erweist sich die Beschwerde als erfolglos.

4. 
Die KESB hat dem Beistand den Auftrag erteilt, die Mütterberatung zu
installieren, zu koordinieren und zu kontrollieren (Dispositiv-Ziff. 3d). Die
Mütterberatung wurde für vorerst sechs Monate angeordnet (Dispositiv-Ziff. 5
des Entscheids vom 30. September 2014). Gegen die - auch vom Kantonsgericht
bejahte (E. 4.4.1 S. 10 f.) - Nützlichkeit der Mütterberatung wendet die
Beschwerdeführerin nichts ein. Sie macht vielmehr geltend, eine behördliche
Kindesschutzmassnahme sei nicht geboten, da sie die Mütterberatung freiwillig
aufsuche und hierzu keines Beistandes bedürfe (S. 10 der Beschwerdeschrift). Es
geht offenbar auch hier wieder um die Frage, ob die Beschwerdeführerin die
Mütterberatung je freiwillig in Anspruch genommen hätte, wenn sie nicht vorher
behördlich angeordnet worden wäre. Die Frage durfte das Kantonsgericht aufgrund
der bekannten Vorgeschichte (Bst. B) willkürfrei verneinen. Sie kann hier aber
letztlich unbeantwortet bleiben, hat doch das Kantonsgericht die auf eine Dauer
von sechs Monaten beschränkte Anordnung einer Mütterberatung als geeignet und
verhältnismässig anerkannt (E. 4.4.1 S. 11 des angefochtenen Urteils). Diese
sechs Monate sind, wie auch die Beschwerdeführerin das hervorhebt (S. 10 und S.
12), kurz nach Einreichung der Beschwerde abgelaufen, so dass die Beschwerde
gegenstandslos geworden ist.

5. 
Insgesamt muss die Beschwerde abgewiesen werden, soweit auf sie einzutreten ist
und soweit sie nicht gegenstandslos geworden ist. Die Beschwerdeführerin wird
damit kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die vorstehenden Erwägungen, wonach
die Rügen der Beschwerdeführerin unbegründet, zur Hauptsache aber unzulässig
sind, verdeutlichen, dass die gestellten Rechtsbegehren von Beginn an keinen
Erfolg haben konnten. Dem Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche
Rechtspflege darf deshalb nicht entsprochen werden (vgl. Art. 64 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist und soweit sie
nicht gegenstandslos geworden ist.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Kantonsgericht
Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 13. Mai 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: von Roten

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