Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.129/2015
Zurück zum Index II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2015
Retour à l'indice II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2015


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_129/2015

Urteil vom 22. Juni 2016

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichterin Escher,
Bundesrichter Marazzi, Herrmann, Bovey,
Gerichtsschreiber Traub.

Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
vertreten durch Fürsprecher Luigi R. Rossi,
Beschwerdeführer,

gegen

B.A.________,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Folgen der Ehescheidung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, II. Zivilkammer,
vom 15. Januar 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.A.________ (geb. 1959) und B.A.________ (1960) heirateten im Jahr 1993. Die
gemeinsamen Kinder C.A.________ und D.A.________ wurden 1994 resp. 1998
geboren. Die Eheleute lebten seit 2007 getrennt.

B. 
Mit Urteil vom 10. April 2012 schied das Kreisgericht See-Gaster die Ehe auf
gemeinsamen Antrag der Parteien hin. Was die vor Bundesgericht noch strittigen
Punkte angeht, verpflichtete das Kreisgericht A.A.________, den Söhnen ab
Rechtskraft des Scheidungsurteils monatliche Unterhaltsbeiträge von je Fr.
1'100.-- zu bezahlen, der Ehefrau solche von Fr. 3'600.-- bis August 2014 und
danach von Fr. 1'900.-- bis zum Eintritt des Ehemanns in das ordentliche
AHV-Alter; den nachehelichen Unterhalt erklärte das erstinstanzliche Gericht im
Umfang von Fr. 500.-- für nicht abänderbar (Vorsorgeunterhalt).

C. 
Auf Berufung von A.A.________ und Anschlussberufung von B.A.________ hin
änderte das Kantonsgericht St. Gallen den kreisgerichtlichen Entscheid vom 10.
April 2012 mit Urteil vom 15. Januar 2015 ab, indem es A.A.________
verpflichtete, ab dem 1. Oktober 2014 an den Unterhalt des Sohnes D.A.________
monatlich und im Voraus Fr. 1'700.-- zuzüglich Ausbildungszulagen zu bezahlen
(Dispositiv-Ziff. 1), sowie an den Unterhalt seines volljährigen Sohnes
C.A.________ monatlich und im Voraus Fr. 500.-- zuzüglich Ausbildungszulagen
(Ziff. 2), dies jeweils bis zum ordentlichen Abschluss einer angemessenen
Erstausbildung. Ebenfalls ab dem 1. Oktober 2014 habe er an B.A.________
monatlich im Voraus nachehelichen Unterhalt von Fr. 2'200.-- und ab August 2018
bis zu seinem Eintritt ins ordentliche AHV-Alter einen solchen von Fr. 2'100.--
zu bezahlen (Ziff. 3).

D. 
A.A.________ (Beschwerdeführer) erhob am 16. Februar 2015 Beschwerde in
Zivilsachen mit den Anträgen, die Ziffern 1 und 3 des Urteils vom 15. Januar
2015 seien aufzuheben. Er sei zu verpflichten, ab dem 1. September 2014 jeweils
monatlich im Voraus an den Unterhalt von Sohn D.A.________ Fr. 1'100.--
(zuzüglich allfälliger Ausbildungszulagen) sowie an B.A.________
unabänderlichen nachehelichen Unterhalt von Fr. 500.--, befristet bis zu seinem
Eintritt ins ordentliche AHV-Alter, zu bezahlen.
B.A.________ und das Kantonsgericht schliessen auf Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in Zivilsachen richtet sich gegen den Endentscheid (Art. 90 BGG)
einer letzten kantonalen Instanz (Art. 75 Abs. 1 BGG), der die
vermögensrechtlichen Folgen einer Ehescheidung, also eine Zivilsache im Sinne
von Art. 72 Abs. 1 BGG, zum Gegenstand hat. Die Streitwertgrenze gemäss Art. 74
Abs. 1 lit. b BGG ist erreicht. Die rechtzeitig (Art. 100 Abs. 1 BGG)
eingereichte Beschwerde ist grundsätzlich zulässig.

2. 
Gegenstand des bundesgerichtlichen Verfahrens sind der nacheheliche
Unterhaltsanspruch der Beschwerdegegnerin und die Unterhaltsbeiträge zu Gunsten
des Sohnes D.A.________. Nach Auffassung des Beschwerdeführers hat die
Vorinstanz verschiedene Berechnungselemente bundesrechtswidrig festgelegt.

3. 

3.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, es sei rechtswidrig, dass die
Vorinstanz ihm einen Vermögensertrag aus einer im Jahr 2014, also nach der
Scheidung, angefallenen Erbschaft als Einkommen angerechnet habe. Unter Art.
125 Abs. 2 Ziff. 5 ZGB fallender Vermögensertrag könne nur sein, was bereits
während des Zusammenlebens zum Lebensstandard der Parteien gehört habe. Erträge
aus Vermögen, das nichts mit dem ehelichen Zusammenleben zu tun habe, dürfe
nicht berücksichtigt werden. Der Beschwerdeführer stützt sich dafür auf
Literaturstellen. Diese besagen unter anderem, dass das Ergebnis der
güterrechtlichen Auseinandersetzung für die Berechnung des nachehelichen
Unterhalts unentbehrlich sei; Erb  aussichten seien dagegen nicht in Betracht
zu ziehen. Der geltend gemachte Ausschluss von nach der Scheidung  zugefallenem
 Einkommen und Vermögen ergibt sich daraus gerade nicht. Dem Einbezug des
Vermögensertrags aus der Erbschaft steht nichts im Wege.

3.2. In diesem Zusammenhang rügt der Beschwerdeführer, eine Hinzurechnung des
Vermögensertrags aus dem Nachlass führe dazu, dass der gebührende Unterhalt der
Beschwerdegegnerin überschritten werde. Er bestreitet jedoch weder die
vorinstanzliche Feststellung, die trennungsbedingten Mehrkosten zehrten den
Mehrverdienst der Eheleute seit der Trennung auf, noch, dass das Kantonsgericht
unter den gegebenen Verhältnissen auf die Methode der Existenzminimumberechnung
mit hälftiger Überschussverteilung zurückgreifen durfte, welche den zuletzt
gemeinsam gelebten Standard konkretisiert (BGE 140 III 485 E. 3.3 S. 488; 137
III 102 E. 4.2.1 S. 106; 134 III 577 E. 3 S. 578). Bei deren Anwendung
entspricht der gebührende Unterhalt dem Ergebnis der Überschussverteilung; eine
nähere Berechnung erübrigt sich.

4. 
Weiter rügt der Beschwerdeführer als willkürlich, dass die Vorinstanz für
seinen Bedarf nur Wohnkosten in Höhe von Fr. 1'200.-- berücksichtigt habe.

4.1. Die Ehefrau bewohnt zusammen mit den beiden Söhnen ein eigenes
Einfamilienhaus; dafür setzte die Vorinstanz einen Bedarf von Fr. 1'200.-- (und
den Kindern einen solchen von je Fr. 400.--) ein. Der Beschwerdeführer
akzeptierte, dass in erster Instanz für seinen Bedarf nicht die tatsächlich
bezahlte höhere Miete, sondern ein tieferer, hypothetischer Betrag von Fr.
2'000.-- veranschlagt wurde. Das Kantonsgericht kam jedoch zum Schluss, es
könne ihm "nur der für eine Einzelperson in durchschnittlichen Verhältnissen
angemessene Mietzins von Fr. 1'200.-- angerechnet werden".

4.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz gehe für die Berechnung
seines Bedarfs von Wohnverhältnissen aus, welche ihm mit Blick auf den
bisherigen Lebensstandard sowie auf die Gleichbehandlung der Ehegatten nicht
zumutbar seien. Die durchschnittlichen Mietkosten im zutreffenden
Wohnungssegment seien bedeutend höher als die Vorinstanz annehme. Von den
tatsächlichen Feststellungen des Kantonsgerichts über den "für eine
Einzelperson in durchschnittlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins" in der
betreffenden Gegend kann das Bundesgericht nur abweichen, soweit sie mit
ausreichender Begründung als willkürlich gerügt worden sind (Art. 105 Abs. 1
und 2 BGG). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass neue Tatsachen und
Beweismittel letztinstanzlich nur so weit vorgebracht werden dürfen, als erst
der vorinstanzliche Entscheid dazu Anlass gegeben hat (Art. 99 Abs. 1 BGG).
Angesichts der Anschlussberufung der Beschwerdegegnerin durfte die Vorinstanz
den Wohnkostenbedarf des Beschwerdeführers im Einklang mit der
Dispositionsmaxime (Art. 58 Abs. 1 ZPO) grundsätzlich tiefer veranschlagen als
es die erste Instanz getan hat. Der Beschwerdeführer musste damit rechnen, dass
der anzurechnende Mietzins im Berufungsprozess zum Thema werden könnte, zumal
die Beschwerdegegnerin dieses Thema ausdrücklich eingebracht hat. Insofern
hätte der Beschwerdeführer Anlass gehabt, die erst letztinstanzlich
eingereichten Unterlagen - im Rahmen von Art. 317 Abs. 1 lit. b ZPO - bereits
vor Kantonsgericht zu den Akten zu geben. Ein Ausnahmegrund vom Novenverbot
gemäss Art. 99 Abs. 1 BGG ist somit nicht gegeben. Der Beschwerdeführer tut
nicht dar, dass es ihm nicht möglich gewesen wäre, die neuen Belege im
kantonalen Verfahren einzubringen. Es liegt keine hinreichend belegte
Willkürrüge vor, was die vorinstanzliche Feststellung des "für eine
Einzelperson in durchschnittlichen Verhältnissen" angemessenen Mietzinses
angeht. Gleichzeitig können die Beispiele für aus Sicht des Beschwerdeführers
angemessene Wohnungen und deren Kosten nicht als Referenzobjekte für eine
Gleichbehandlung der Ehegatten herangezogen werden, da sie unzulässige Noven
darstellen.

5. 
Strittig ist des Weitern, ob das kantonale Gericht Art. 125 ZGB verletzt hat,
als es dem Beschwerdeführer bei der Bestimmung seines wirtschaftlichen
Leistungsvermögens ein hypothetisches Einkommen anrechnete.

5.1. 

5.1.1. Wirtschaftlich leistungsfähig sind der unterhaltspflichtige und der
unterhaltsberechtigte Ehegatte nicht nur dann, wenn sie ein Einkommen haben,
sondern auch, wenn sie bei gutem Willen ein solches haben könnten (BGE 110 II
116 E. 2a S. 117). Bei der Festsetzung von Unterhaltsbeiträgen darf daher von
einem hypothetischen Einkommen ausgegangen werden, falls und soweit der
betreffende Ehegatte bei ihm zuzumutender Anstrengung mehr verdienen könnte als
er effektiv verdient. Wo die reale Möglichkeit einer Einkommenssteigerung
fehlt, muss eine solche jedoch ausser Betracht bleiben. Zu den
Beurteilungskriterien gehören insbesondere die berufliche Qualifikation, das
Alter und der Gesundheitszustand des betreffenden Ehegatten sowie die Lage auf
dem Arbeitsmarkt (BGE 137 III 102 E. 4.2.2.2 S. 108; 128 III 4 E. 4a S. 5).

5.1.2. Die Zumutbarkeit einer bestimmten Tätigkeit in einem bestimmten Umfang
betrifft eine frei überprüfbare Rechtsfrage (vgl. Art. 95 BGG). Ob die als
zumutbar erkannte Tätigkeit möglich und das angenommene Einkommen effektiv
erzielbar ist, ist indessen Tatfrage. Als solche sind Annahmen der Vorinstanz
über das hypothetische Einkommen, die auf der Würdigung konkreter Anhaltspunkte
beruhen, für das Bundesgericht verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG). Vorbehalten
bleiben Schlussfolgerungen, die sich ausschliesslich nach der allgemeinen
Lebenserfahrung richten, somit nach einem Erfahrungssatz, der gleichsam die
Funktion einer Norm hat (BGE 137 III 118 E. 2.3 S. 121; 128 III 4 E. 4c/bb S.
7; 126 III 10 E. 2b S. 12; 123 III 241 E. 3a S. 243).

5.2. 

5.2.1. Das Kantonsgericht hatte nach einer umfassenden Abwägung der Umstände
(Alter, gesundheitliche Situation, arbeitsmarktliche Verwertbarkeit der
Berufserfahrung in Kaderpositionen und als Projektleiter in der Assekuranz,
zahlreiche erfolglos gebliebene Arbeitsbemühungen) festgehalten, es sei für den
Beschwerdeführer nicht mehr möglich, ein Einkommen zu erzielen, welches die
zuvor ausgerichtete durchschnittliche Arbeitslosenentschädigung von Fr.
7'700.-- übertreffe. Nach der Aussteuerung per Ende Februar 2015 allerdings
müsse dem Ehemann zugemutet werden, sich auch um Stellen mit einem tieferen
Anforderungsprofil (auf unterer oder mittlerer Hierarchiestufe) zu bemühen. Bei
einer solchen Tätigkeit "dürfte er [der Beschwerdeführer] ohne weiteres ein
Einkommen erreichen, welches das bisherige Arbeitslosentaggeld nicht
unterschreitet"; die Lage auf dem Arbeitsmarkt und seine Gesundheit
ermöglichten es, weiterhin ein Einkommen von Fr. 7'700.-- zu erwirtschaften.

5.2.2. Der Beschwerdeführer hält entgegen, es werde ihm nicht mehr möglich
sein, einen Lohn in dieser Grössenordnung zu erzielen. Er sei 56 Jahre alt.
Nach allgemeiner Lebenserfahrung seien ältere Personen überdurchschnittlich oft
langzeitarbeitslos. Die im angefochtenen Urteil getroffene Feststellung, er
werde sich im angestammten Stellensegment altershalber nicht mehr in den
Arbeitsmarkt integrieren können, gelte genauso für die Suche nach Stellen auf
unterer oder mittlerer Hierarchiestufe. Notorisch sei, dass Unternehmen auch in
diesem Bereich häufig - meist junges - Fachpersonal im Ausland rekrutierten.
Des Weitern äussere sich die Vorinstanz weder dazu, welcher konkreten
Erwerbstätigkeit er nachgehen könne, noch, anhand welcher Annahmen (betreffend
Ausbildung, Anforderungsniveau, Dienstalter und Art der Tätigkeit) sie auf ein
mögliches Einkommen in Höhe von Fr. 7'700.-- komme. Somit sei der Sachverhalt
nicht richtig festgestellt und folglich Bundesrecht verletzt.

5.3. 

5.3.1. Der Sache nach beziehen sich die Einwendungen des Beschwerdeführers
nicht auf die Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit, sondern auf die Tatfrage
nach der Möglichkeit, den angerechneten konkreten Lohn effektiv zu erzielen
(vgl. in BGE 137 III 604 nicht publizierte E. 7.4.1 des Urteils 5A_99/2011 vom
26. September 2011). Die vorinstanzlichen Erwägungen sind unter dem Blickwinkel
einer vollständigen und willkürfreien Sachverhaltsfeststellung insoweit
unproblematisch, als sie den Beschwerdeführer auf ein breites Spektrum von
Stellen im angestammten Bereich des Versicherungswesens sowie in verwandten
Branchen verweisen; anders als etwa im Urteil 5A_939/2014 vom 12. August 2015
E. 4.3.3 bedurfte es unter diesen Umständen keiner näheren Festlegung der
Tätigkeitsfelder, in welchen der Beschwerdeführer über die geforderten
Kenntnisse verfügt.

5.3.2. Im Ergebnis ebensowenig unvollständig ist der rechtserhebliche
Sachverhalt, was die statistischen Daten angeht, anhand welcher das
Kantonsgericht das Einkommen beziffert hat. Für seine Annahme, eine
grundsätzlich geeignete Arbeit werde jedenfalls in Höhe der bisher bezogenen
Arbeitslosenentschädigung, also mit Fr. 7'700.--, entschädigt, stützte es sich
auf die Tabellenlöhne in der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung 2010 des
Bundesamtes für Statistik. Dabei zog es den Medianlohn für Männer im Sektor
"Versicherungen" (Tabelle A1) auf Anforderungsniveau 1 und 2 heran. Diese
kombinierte Kategorie erfasst neben der "Verrichtung selbständiger und
qualifizierter Arbeiten" auch die "Verrichtung höchst anspruchsvoller und
schwierigster Arbeiten". Zuvor hat die Vorinstanz jedoch festgestellt, gehobene
Stellungen, wie er sie in der Vergangenheit bekleidet habe, stünden dem
Beschwerdeführer realistischerweise nicht mehr offen (oben E. 5.2.1). Im
Ergebnis stellt dieser Widerspruch die Anrechnung eines hypothetischen
Einkommens von Fr. 7'700.-- für die Zeit ab dem 1. März 2015 indessen nicht in
Frage; denn selbst Tätigkeiten auf Anforderungsniveau 3 ("Berufs- und
Fachkenntnisse vorausgesetzt") führen im Mittel immer noch zu einem Einkommen
von Fr. 8'184.--.

5.4. 

5.4.1. Darüber hinaus macht der Beschwerdeführer geltend, die Vorinstanz habe
bei der Beurteilung der Tatfrage nach seinen Aussichten, eine entsprechend
entlöhnte Stelle im Arbeitsmarkt zu finden, eine wesentliche persönliche
Eigenschaft, nämlich sein relativ fortgeschrittenes Erwerbsalter von 56 Jahren,
willkürlich gewürdigt. Er begründet, weshalb er angesichts dieses Alters in
Verbindung mit der vorangegangenen längeren Arbeitslosigkeit im einschlägigen
Arbeitsmarkt nicht wieder Fuss zu fassen vermöge. Diese Rüge bezieht sich auf
einen Erfahrungssatz, der sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung ergibt, ist
mithin rechtlicher Natur (vgl. oben E. 5.1.2 a.E.).

5.4.2. Das Bundesgericht hat kürzlich festgehalten, dass die Chancen einer
Person im Arbeitsmarkt nicht (allein) nach Erfahrungswissen beurteilt werden
können (erwähntes Urteil 5A_939/2014 E. 4.3.3). Namentlich wenn die
individuellen Fähigkeiten - wie hier - ein weites erwerbliches Betätigungsfeld
eröffnen und keine persönlichen Eigenschaften eine Integration in das
Erwerbsleben augenfällig behindern, wird sich das Scheidungsgericht indessen
auf Erfahrungssätze stützen dürfen. Nun ist aber notorisch, dass ältere
Arbeitnehmer je nach Branche sowie persönlichen und fachlichen Qualifikationen
Schwierigkeiten haben können, nach einem Stellenverlust binnen nützlicher Frist
eine neue Stelle zu finden. Die betroffene Person trägt die Behauptungs- und
Begründungslast, weshalb wegen ihres fortgeschrittenen Erwerbsalters erhebliche
Zweifel an der beruflichen Integrationsfähigkeit bestehen (vgl. Art. 277 Abs.
1, jedoch auch Art. 296 Abs. 1 ZPO). Erfüllt sie diese
Substantiierungsanforderungen, muss das Gericht die tatsächliche Erzielbarkeit
eines hypothetischen Einkommens feststellen. Je fortgeschrittener das
Lebensalter, desto genauer muss das Gericht begründen, wie es sich mit dem
tatsächlichen Zugang zu Erwerbsgelegenheiten verhält. Einschlägige
Informationen stehen beispielsweise bei privaten Arbeitsvermittlungen und/oder
bei staatlichen Institutionen der Arbeitsmarktintegration (regionale
Arbeitsvermittlungszentren [RAV], Sozialdiensten etc.) zur Verfügung.
Rechnet das Scheidungsgericht nach sorgfältigen Abklärungen ein hypothetisches
Einkommen an, findet die unterhaltspflichtige Person aber keine entsprechend
entlöhnte Stelle, so kann sie eine Anpassung des Unterhaltsbeitrages erwirken,
wenn sie ernsthafte Suchbemühungen nachweist und anhand der gewonnenen
Erfahrungswerte darlegt, dass und weshalb sich die Erwartungen des Gerichts
nicht verwirklichen lassen. Eine solche Situation ist einer erheblichen und
dauernden Veränderung der Verhältnisse im Sinne von Art. 129 Abs. 1 ZGB
gleichzustellen.

5.4.3. Kein zusätzlicher Abklärungsbedarf besteht, wenn bereits solide
Erkenntnisse über die im Einzelfall bestehenden Chancen im Arbeitsmarkt
vorliegen. Hier hat die Vorinstanz unter anderem mit Blick auf die vergeblichen
Suchbemühungen während der Arbeitslosigkeit festgestellt, es sei dem
Beschwerdeführer nicht mehr möglich, ein Einkommen zu erzielen, welches die
durchschnittliche Arbeitslosenentschädigung von Fr. 7'700.-- übertreffe. Sie
ging davon aus, er habe sich während des Bezugs von Arbeitslosentaggeldern
erfolglos nur auf Kaderstellen beworben. Der Beschwerdeführer macht nicht
geltend, dass er die Stellensuche schon während der Arbeitslosigkeit breiter
angelegt habe; auch die zuhanden der Arbeitslosenversicherung dokumentierten
Suchnachweise legen dies nicht ohne Weiteres nahe. Somit ist die
vorinstanzliche Annahme, der Beschwerdeführer habe sich bisher nur für
Kaderstellen beworben, jedenfalls nicht im Sinne von Art. 105 Abs. 2 BGG
offensichtlich unrichtig. Den Aspekt des fortgeschrittenen Erwerbsalters hat
das Kantonsgericht zwar nur hinsichtlich des Kaderstellenmarktes gewürdigt und
sich nicht dazu geäussert, ob das Hindernis auch andere Anstellungen betrifft.
Dennoch ist es nicht angezeigt, die Sache zur näheren Abklärung an die
Vorinstanz zurückzuweisen: Es ist dem (vorinstanzlich festgestellten)
eingeschränkten Suchverhalten des Beschwerdeführers zuzuschreiben, wenn bisher
keine Erkenntnisse über seine Erwerbsaussichten in anderen Segmenten des
Arbeitsmarktes vorliegen. Unter diesen Umständen ist die vorinstanzliche
Feststellung des hypothetischen Einkommens nicht schon deswegen
bundesrechtswidrig, weil Ausführungen über die Auswirkungen des Alters auf die
Anstellungschancen fehlen. Die Frage kann bei Bedarf in einem
Abänderungsverfahren neu aufgeworfen werden (oben E. 5.4.2 a.E.).

6. 
Zusammengefasst ist das angefochtene Urteil im Lichte aller gerügten Punkte
rechtsbeständig.

7. 
Die Gerichtskosten sind ausgangsgemäss dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art.
66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdegegnerin ist vor Bundesgericht nicht mehr
anwaltlich vertreten. Umfang und Schwierigkeit der Sache rechtfertigen keine
Umtriebsentschädigung (Art. 68 BGG in Verbindung mit Art. 11 des Reglements
über die Parteientschädigung und die Entschädigung für die amtliche Vertretung
im Verfahren vor dem Bundesgericht vom 31. März 2006, SR 173.110.210.3; vgl.
BGE 110 V 132 E. 4d S. 134).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht St. Gallen, II.
Zivilkammer, und dem Kreisgericht See-Gaster schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. Juni 2016
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Traub

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben