Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.123/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_123/2015

Urteil vom 22. September 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Marazzi, Schöbi,
Gerichtsschreiber Traub.

Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Claudia Camastral,
Beschwerdeführer,

gegen

B.A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Barbara Wyler,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Eheschutzmassnahmen,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 10.
Dezember 2014.

Sachverhalt:

A. 
Die Eheleute B.A.________ (geb. 1963) und A.A.________ (1967) sind Eltern der
1999 geborenen Tochter C.A.________. Seit Herbst 2013 leben sie getrennt; sie
bewohnen unterschiedliche Räume des ehelichen Domizils in U.________. Die
Tochter lebt seit August 2014 bei einer Tante mütterlicherseits in
Norddeutschland. Das Bezirksgericht Münchwilen verpflichtete A.A.________,
soweit vor Bundesgericht noch relevant, an den Unterhalt von Tochter
C.A.________ rückwirkend ab 1. Oktober 2013 einen monatlichen und im Voraus
zahlbaren Unterhaltsbeitrag in der Höhe von Fr. 770.-- zuzüglich allfällig
erhältlicher Kinder- und Ausbildungszulagen zu bezahlen; er sei berechtigt,
diesen Unterhaltsbeitrag mit seiner monatlichen Mietzinsforderung gegenüber
B.A.________ von Fr. 650.-- zu verrechnen (Entscheid vom 31. Oktober 2014).

B. 
Das Obergericht des Kantons Thurgau wies die von A.A.________ ohne anwaltliche
Vertretung erhobene Berufung vom 11. November 2014 ab, soweit dieser unter
Hinweis auf ein am 28. August 2014 in Deutschland eingeleitetes
Scheidungsverfahren bestritt, dass das Bezirksgericht für die
Eheschutzmassnahmen zuständig war. Das erstinstanzliche Gericht habe zumindest
mit Wirkung für die Zeit vom 3. Oktober 2013 (Gesuchseingang beim
Bezirksgericht) bis 28. August 2014 Eheschutzmassnahmen auch dann noch erlassen
können, als die Scheidungsklage in Deutschland schon eingereicht gewesen sei.
In der Sache selbst trat das Obergericht mangels rechtsgenüglicher Anträge auf
die Beschwerde nicht ein (Dispositiv-Ziffer 1), soweit A.A.________ die
(Kindes-) Unterhaltsregelung beanstandete. Offen liess das Obergericht, ob
hinsichtlich der beanstandeten Rückwirkung der Unterhaltspflicht auf die
Berufung einzutreten sei; das Rechtsmittel sei diesbezüglich ohnehin
abzuweisen. Schliesslich lehnte es das Gesuch des Berufungsklägers um
unentgeltliche Rechtspflege ab und auferlegte ihm eine Verfahrensgebühr von Fr.
1'500.-- (Urteil vom 10. Dezember 2014).

C. 
Mit Eingabe vom 13. Februar 2015 beantragte A.A.________ (Beschwerdeführer),
Ziffer 1 des obergerichtlichen Urteils vom 10. Dezember 2014 sei aufzuheben und
es sei auf seine Berufung vom 11. November 2014 hinsichtlich des
Kindesunterhalts einzutreten. Die Sache sei zur materiellen Beurteilung an das
Obergericht zurückzuweisen. Eventuell sei er zu verpflichten, ab dem 1. Januar
2016 an den Unterhalt der Tochter C.A.________ monatlich Fr. 335.-- zuzüglich
allfälliger Kinder- und Ausbildungszulagen zu bezahlen. Ausserdem ersucht der
Beschwerdeführer um unentgeltliche Rechtspflege (Prozessführung und
Rechtsverbeiständung) für das bundesgerichtliche Verfahren.
Das Bundesgericht hat die Akten beigezogen, in der Sache aber keine
Vernehmlassungen eingeholt. Mit Eingabe vom 2. März 2015 ersuchte die
Beschwerdegegnerin das Bundesgericht, eine Vollstreckbarkeitsbescheinigung
hinsichtlich des angefochtenen Urteils auszustellen (vgl. Antwortschreiben des
Abteilungspräsidenten vom 4. März 2015).

Erwägungen:

1. 

1.1. Die Beschwerde richtet sich gegen einen verfahrensabschliessenden
Entscheid (Art. 90 BGG) in Zivilsachen (Art. 72 Abs. 1 BGG; BGE 134 III 426 E.
2.2 S. 431), mit welchem eine letzte kantonale Instanz (Art. 75 Abs. 1 BGG) auf
eine Berufung gegen gerichtliche Massnahmen zum Schutz der ehelichen
Gemeinschaft (Art. 172 ff. ZGB) im Wesentlichen nicht eintrat; im Übrigen wies
die Vorinstanz das Rechtsmittel ab. Die vor Bundesgericht gestellten Anträge
betreffen Kindesunterhaltsbeiträge. Die Angelegenheit ist vermögensrechtlicher
Natur (Urteil 5A_705/2013 vom 29. Juli 2014 E. 1.1). Die gesetzliche
Streitwertgrenze ist angesichts der Höhe und unbestimmten Dauer der
Unterhaltspflicht erreicht (Art. 51 Abs. 1 lit. a und Abs. 4 sowie Art. 74 Abs.
1 lit. b BGG). Die Beschwerde in Zivilsachen ist somit grundsätzlich zulässig.

1.2. Eheschutzentscheide sind vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Art. 98 BGG
(BGE 133 III 393 E. 5.1 und 5.2 S. 396 f.). Mit letztinstanzlicher Beschwerde
kann somit nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (BGE 133
III 585 E. 4.1 S. 588); das gilt auch, wenn die Vorinstanz mangels einer
Sachurteilsvoraussetzung auf eine Berufung gegen die vorsorgliche Massnahme
nicht eingetreten ist (Urteil 5A_380/2012 vom 27. August 2012 E. 1).
Dabei kommt das strenge Rügeprinzip zum Tragen (Art. 106 Abs. 2 BGG). Die
rechtsuchende Partei muss anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids
genau angeben, welches verfassungsmässige Recht verletzt wurde, und im
Einzelnen darlegen, worin die Verletzung besteht. Das Bundesgericht prüft nur
klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen (BGE 134 II
244 E. 2.2 S. 246; 133 II 396 E. 3.2 S. 399).

2. 

2.1. Die vor Bundesgericht erhobenen Anträge beziehen sich einzig auf die
Kindesunterhaltsbeiträge. Die Vorinstanz ist nicht auf die Berufung
eingetreten, was die Höhe des Unterhalts betrifft. Die Geltung der
Offizialmaxime (Art. 296 Abs. 3 ZPO) mache einen bezifferten Antrag nicht
überflüssig. An einem solchen fehle es; es sei nicht ersichtlich, ob und in
welcher Höhe der Berufungskläger allenfalls bereit sei,
Kindesunterhaltsbeiträge zu bezahlen. Das Obergericht fügte an, dass die
Berufung diesbezüglich ohnehin abzuweisen gewesen wäre. Das vom Bezirksgericht
mit Wirkung ab Oktober 2013 angerechnete hypothetische monatliche
Nettoeinkommen von Fr. 6'000.-- und der daraus errechnete Unterhaltsbeitrag für
die Tochter von monatlich Fr. 770.-- (vgl. E. 8-10 des Entscheids vom 31.
Oktober 2014) erschienen in ihrer Höhe angemessen. Hinzu komme, dass die
jährliche Nettounterhaltspflicht nach Verrechnung mit der Mietzinsforderung
gegenüber der Berufungsbeklagten lediglich Fr. 1'440.-- betrage. Was den
ebenfalls beanstandeten Beginn der Unterhaltspflicht betraf, legte sich die
Vorinstanz nicht fest, ob auf die Rüge einzutreten sei. Sie führte indessen
aus, das Bezirksgericht habe den Beginn auf den 1. Oktober 2013 festsetzen
dürfen, nachdem das Gesuch um Eheschutz am 3. Oktober 2013 eingereicht worden
sei.

2.2. Hinsichtlich der Anforderungen an die Bezifferung des Rechtsbegehrens
wendet der Beschwerdeführer ein, der in der Berufungsschrift vom 11. November
2014 enthaltene Antrag, "den Entscheid aufzuheben und meine nachstehenden
Tatsachen bei der Entscheidung entsprechend zu würdigen", genüge in Verbindung
mit der im Rahmen der Begründung gegebenen Erklärung, der Kindesunterhalt in
Höhe von Fr. 770.-- sei zwischen ihm und der Ehefrau zu teilen, womit auf ihn
Fr. 335.-- entfielen (Berufungsschrift vom 11. November 2014 S. 2 und 5).

2.3. Der Beschwerdeführer legt dar, das vorinstanzlich gestellte
Rechtsbegehren, welches im Lichte der dazu gegebenen Begründung, allenfalls
auch in Verbindung mit dem angefochtenen Entscheid, auszulegen ist (BGE 137 III
617 E. 6.2 S. 621), sei hinreichend konkret beziffert gewesen. Die
obergerichtliche Auslegung der Begehren kann hier indessen nur unter
verfassungsmässigen Aspekten überprüft werden (oben E. 1.2). Der Beschwerde ist
nicht zu entnehmen (Art. 106 Abs. 2 BGG; Meyer/Dormann, Basler Kommentar zum
BGG, 2. Aufl. 2011, N. 20 zu Art. 106), inwiefern das vorinstanzliche
Nichteintreten willkürlich (Art. 9 BV) gewesen sein oder in anderer Hinsicht
die verfassungsmässigen Rechte des Beschwerdeführers (z.B. das Verbot des
überspitzten Formalismus, Art. 29 Abs. 1 BV; vgl. erwähntes Urteil 5A_380/2012
E. 3.2.3) verletzt haben sollte. Daher kann die Beschwerde gegen das
vorinstanzliche Nichteintreten nicht an die Hand genommen werden (dazu auch BGE
135 II 38 E. 1.2 S. 41).

2.4. Dies gilt auch hinsichtlich der Frage, ob das Bezirksgericht die
Kindesunterhaltsbeiträge zu Recht rückwirkend ab Oktober 2013 zugesprochen hat.
Die Vorinstanz ist in diesem Punkt auf die Berufung eingetreten, obwohl sie
dies dem Wortlaut der betreffenden Erwägung nach offen zu lassen schien. Der
Beschwerdeführer rügt, das Obergericht habe mit den diesbezüglichen materiellen
Erwägungen die einschlägige Gerichtspraxis missachtet. Damit macht er letztlich
eine Verletzung von Gesetzesrecht geltend, stellt die vorinstanzliche
Festlegung jedoch nicht als verfassungswidrig dar. Insbesondere macht er nicht
deutlich, die Vorinstanz habe anwendbare Vorschriften willkürlich angewandt.

2.5. Auf die Beschwerde ist somit in allen Teilen nicht einzutreten.

3. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer für die
Gerichtskosten aufzukommen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdegegnerin ist
kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden; ihre Eingabe vom 2. März
2015 (Gesuch um Ausstellung einer Vollstreckbarkeitsbescheinigung) ist
unbeachtlich. Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege
und Verbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren ist abzuweisen; die
Rechtsbegehren erschienen aussichtslos (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der finanziellen
Lage des Beschwerdeführers sowie dem wegen der Nichtanhandnahme der Beschwerde
reduzierten Aufwand ist mit einer Herabsetzung der Gerichtskosten Rechnung zu
tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. 
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege für das
bundesgerichtliche Verfahren wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. September 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Traub

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