Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.1000/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_1000/2015

Urteil vom 19. Februar 2016

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Schöbi, Bovey,
Gerichtsschreiber Zbinden.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Benedikt Schneider-Koch,
Beschwerdeführerin,

gegen

Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde KESB Region Entlebuch, Wolhusen und
Ruswil.

Gegenstand
Kostenverlegung, Parteikostenentschädigung (Kindesschutzmassnahmen),

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 2. Abteilung, vom 26.
Oktober 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________ ist die Mutter des aus einer nicht ehelichen Beziehung mit
D.________ hervorgegangenen Sohnes C.________ (geb. 2006). Dieser steht unter
ihrer alleinigen elterlichen Sorge und lebt bei ihr in U.________. Aus einer
anderen Beziehung stammt der Sohn B.________ (geb. 2000), der ebenfalls unter
ihrer elterlichen Sorge steht und bei ihr lebt, jedoch während der Woche ein
Internat besucht.

B. 

B.a. Aufgrund einer Gefährdungsmeldung des Kinderspitals Luzern vom 17. August
2013 traf die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Region Entlebuch Wolhusen
und Ruswil (KESB) Abklärungen im Hinblick auf den Erlass von
Kindesschutzmassnahmen betreffend die Söhne B.________ und C.________.

B.b. Am 9. Oktober 2014 ordnete die KESB gestützt auf Art. 307 Abs. 3 ZGB eine
sozialpädagogische Familienbegleitung der Mutter im Umgang mit dem Sohn
C.________ an. Ferner erliess sie verschiedene Weisungen zuhanden der
Familienbegleiterin und erteilte ihr Aufträge (Ziff. 1-3). Ferner wurde ein
Beweisantrag der Mutter abgewiesen (Ziff. 4). Schliesslich entzog die KESB
D.________ das Recht auf persönlichen Verkehr mit C.________ (Ziff. 5).

B.c. Gegen die Ziffern 1 bis 4 dieses Entscheides gelangten die Mutter sowie
der Sohn C.________ je mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Kantonsgericht
des Kantons Luzern, welches für jede Beschwerde eine Verfahrensakte eröffnete
(3H 14 105 [Mutter] und 3H 14 106 [Sohn]). Mit Urteil vom 26. Oktober 2015
hiess das Kantonsgericht die Verwaltungsgerichtsbeschwerden teilweise gut, und
hob Ziff. 1 bis 3 des Entscheides der KESB vom 9. Oktober 2015 auf. Es
formulierte Ziff. 1 des angefochtenen erstinstanzlichen Entscheides neu, indem
es für C.________ eine Beistandschaft nach Art. 308 Abs. 2 ZGB errichtete, die
KESB mit der Ernennung eines Beistandes betraute und diesem auftrug, für
Kontaktfragen und den Austausch von Informationen zwischen Vater und Sohn -
wenn auch vorerst im Hintergrund - zur Verfügung zu stehen und nach Bedarf
tätig zu werden. Die amtlichen Kosten von Fr. 1'500.-- (Fr. 800.--
Gerichtsgebühr und Fr. 700.-- Kosten für die Kindesvertretung) wurden im Betrag
von Fr. 700.-- der Beschwerdeführerin auferlegt. Dieser Betrag wurde im Umfang
von Fr. 500.-- aus dem Kostenvorschuss der Mutter entnommen und im Umfang von
Fr. 200.-- aus ihrem in den Paralellverfahren 3H 14 104 und 3H 14 107
geleisteten Kostenvorschuss bezogen. Auf die Erhebung der Gerichtskosten von
Fr. 800.-- wurde verzichtet.

C. 
Die Mutter (Beschwerdeführerin) hat gegen Ziffer 2 (Kosten- und
Entschädigungsregelung) des kantonsgerichtlichen Urteils beim Bundesgericht
Beschwerde in Zivilsachen sowie subsidiäre Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie
beantragt, die angefochtene Ziffer aufzuheben. Ferner sei festzustellen, dass
die Vorinstanz Bundesrecht bzw. kantonales Recht verletzt habe; die Kosten
seien entsprechend dem Verfahrensausgang neu zu verteilen und ihr (der
Beschwerdeführerin) sowohl für das Vorverfahren und das Verfahren vor
Kantonsgericht eine angemessene Parteientschädigung auszurichten. Eventuell sei
die Sache zwecks Neuverlegung der Kosten und Festsetzung einer angemessenen
Parteientschädigung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

Erwägungen:

1. 

1.1. Angefochten ist der Entscheid einer oberen kantonalen Instanz als
Rechtsmittelinstanz (Art. 75 Abs. 2 BGG) betreffend Regelung der Gerichtskosten
und der Parteientschädigung in einem Kindesschutzverfahren; der Entscheid
schliesst das Verfahren ab (Art. 90 BGG). Vor der letzten kantonalen Instanz
war nicht ausschliesslich die Kosten- und Entschädigungsfrage strittig, sodass
sich das Rechtsmittel nach der Hauptsache richtet (vgl. BGE 137 III 47 E. 1.2).
Dabei handelt es sich um einen Entscheid betreffend Kindesschutz und damit um
eine Streitsache nicht vermögensrechtlicher Natur (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff.
6 BGG). Die übrigen Eintretensvoraussetzungen (Art. 76 Abs. 1 und Art. 100 BGG)
geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Die Beschwerde in Zivilsachen ist
grundsätzlich gegeben. Die Verfassungsbeschwerde ist damit unzulässig (Art. 113
BGG).

1.2. Die Beschwerdeführerin ersucht um Feststellung, dass die Vorinstanz
Bundesrecht bzw. kantonales Recht verletzt habe. Nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichts ist die Feststellungsklage zuzulassen, wenn der Kläger an der
sofortigen Feststellung ein erhebliches schutzwürdiges Interesse hat, das kein
rechtliches zu sein braucht, sondern auch bloss tatsächlicher Natur sein kann (
BGE 136 III 102 E. 3.1; 135 III 378 E. 2.2 S. 380; 129 III 295 E. 2.2, je mit
Hinweisen). Ein Feststellungsinteresse fehlt in der Regel, wenn eine
Leistungsklage zur Verfügung steht, mit der ein vollstreckbares Urteil erwirkt
werden kann (BGE 135 III 378 E. 2.2 S. 380; 123 III 49 E. 1a S. 52). Ein
schützenswertes Interesse ist vorliegend zu verneinen: Das Kantonsgericht hat
die umstrittene Kindesschutzmassnahme aufgehoben und hat damit dem ersten
Hauptantrag entsprochen. Heisst das Bundesgericht die Beschwerde gegen die
Kosten- und Entschädigungsregelung gut, wird die entsprechende Regelung durch
das Bundesgericht neu gefasst oder die Sache zu entsprechender Neuregelung der
Kostenfrage an die Vorinstanz zurückgewiesen. Die Beschwerdeführerin verfügt
daher über kein schützenswertes aktuelles Interesse an der beantragten
Feststellung. Auf das entsprechende Begehren ist nicht einzutreten.

2. 
In der Beschwerde ist in Auseinandersetzung mit den Erwägungen des
angefochtenen Entscheides darzulegen, welche Rechte der Beschwerde führenden
Partei durch das kantonale Gericht verletzt worden sind (Art. 42 Abs. 2 BGG;
BGE 134 II 244 E. 2.1 S. 245), wobei eine allfällige Verletzung
verfassungsmässiger Rechte vom Bundesgericht nicht von Amtes wegen, sondern nur
dann geprüft wird, wenn solche Rügen in der Beschwerdeschrift ausdrücklich
erhoben und begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 135 III 232 E. 1.2 S.
234). Wird eine Sachverhaltsfeststellung beanstandet, muss in der
Beschwerdeschrift dargelegt werden, inwiefern diese Feststellung willkürlich
oder durch eine andere Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG (z.B. Art. 29
Abs. 2 BV oder Art. 8 ZGB) zustande gekommen ist (vgl. BGE 133 II 249 E. 1.2.2
und 1.4.3 S. 255) und inwiefern die Behebung des Mangels für den Ausgang des
Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 in fine BGG; BGE 135 I 19 E.
2.2.2 S. 22). Auf rein appellatorische Kritik am Sachverhalt tritt das
Bundesgericht nicht ein. Neue Tatsachen sind unzulässig (Art. 99 Abs. 1 BGG).

3. 
Das Bundesrecht äussert sich nicht zur Frage, wie die Gerichtskosten und
Parteientschädigungen des kantonalen Verfahrens betreffend Erlass von
Kindesschutzmassnahmen zu verlegen sind. Diese Frage beantwortet sich aufgrund
des in Art. 450f ZGB enthaltenen Verweises nach dem in der Sache anwendbaren
kantonalen Recht (BGE 140 III 167 E. 2.3 S. 169; 140 III 385 E. 2.3 S. 386 f.),
dessen Anwendung das Bundesgericht nur auf Willkür prüft (BGE 140 III 385 E.
2.3 S. 387; 138 IV 13 E. 2; 134 III 379 E. 1.2 S. 382/383). Die
Beschwerdeführerin hat somit in der Beschwerde klar und detailliert
aufzuzeigen, inwiefern die Anwendung des einschlägigen kantonalen Rechts durch
die Vorinstanz im konkreten Fall geradezu willkürlich sein soll.

4. 

4.1. Das Kantonsgericht ging davon aus, die Beschwerdeführerin sei mit ihrer
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mehrheitlich durchgedrungen. Es hat daher auf
eine Gerichtsgebühr verzichtet und der Beschwerdeführerin lediglich die
Bestandteil der Gerichtskosten bildenden Auslagen für die Kindesvertretung von
Fr. 700.-- auferlegt.

4.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe in der Hauptsache
vollumfänglich obsiegt. Die Vorinstanz habe mit der Anordnung der
Beistandschaft nach Art. 308 Abs. 2 ZGB den Streitgegenstand erweitert. Es sei
willkürlich, die vorgenommene Erweiterung des Streitgegenstandes zum Anlass zu
nehmen, die Kosten trotz Obsiegens in der Hauptsache anders zu verlegen.

4.3. Nach § 198 Abs. 1 lit. c des luzernischen Gesetzes über die
Verwaltungsrechtspflege vom 3. Juli 1972 (SRL Nr. 40; VRG/LU) hat
grundsätzliche diejenige Partei die amtlichen Kosten zu tragen, die im
Rechtsmittelverfahren unterliegt oder auf deren Rechtsmittel nicht eingetreten
wird.

4.4. Es trifft zu, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem hauptsächlichen
Anträgen betreffend Aufhebung der Familienbegleitung bzw. der angeordneten
Kindesschutzmassnahmen durchgedrungen ist. Nicht zu übersehen gilt es indes,
dass sie in ihrem Antrag 2 ebenso beantragt hat, es sei festzustellen, dass
keine Kindesgefährdung bestanden habe und bestehe, die Erziehungsfähigkeit der
Kindesmutter vollumfänglich gegeben sei und die selbst freiwillig getroffenen
Massnahmen genügten und verhältnismässig seien. Dabei handelt es sich entgegen
den Ausführungen der Beschwerdeführerin wie beim Antrag 1 um einen Haupt- und
nicht um einen Eventualantrag. Das Kantonsgericht hat dieses
Feststellungsbegehren behandelt und ist darauf nicht eingetreten. Damit kann
ohne Willkür (zum Willkürbegriff: BGE 140 III 16 E. 2.1 S. 18 f.) angenommen
werden, die Beschwerdeführerin habe nur teilweise obsiegt. Die Beschwerde
erweist sich insofern als unbegründet.

5. 

5.1. Sodann hat das Kantonsgericht der obsiegenden Beschwerdeführerin keine
Parteientschädigung zugesprochen mit der Begründung, die KESB habe zu Recht den
Ersatz von Kindesschutzmassnahmen geprüft und ein entsprechendes
Beweisverfahren durchgeführt. Die Gutheissung der Beschwerde erfolge vorab
wegen neuer Beurteilung im heutigen Zeitpunkt, weshalb der Vorinstanz keine
groben Verfahrensfehler oder eine offenbare Rechtsverletzung im Sinne von § 201
Abs. 2 VRG/LU vorgeworfen werden könnten.

5.2. Nach § 201 Abs. 2 VRG/LU wird der obsiegenden Partei zu Lasten des
Gemeinwesens, dem die Vorinstanz angehört, eine angemessene Vergütung für ihre
Vertretungskosten zugesprochen, wenn der Vorinstanz grobe Verfahrensfehler oder
offenbare Rechtsverletzungen zur Last fallen.

5.3. Die Beschwerdeführerin beanstandet zwar eine Verletzung des rechtlichen
Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) sowie eine Verletzung von Art. 6 BV und des in § 4
der luzernischen Verfassung enthaltenen Grundsatzes der Subsidiarität. Sie rügt
aber bezüglich der nicht entrichteten Parteientschädigung keine willkürliche
Anwendung kantonalen Rechts (Art. 9 BV) und bezeichnet den angefochtenen
Entscheid mit Bezug auf die Frage der Entschädigung auch nicht als willkürlich.
Soweit sie überhaupt auf die Erwägung des vorinstanzlichen Entscheides eingeht,
wonach die Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vor allem aufgrund
neuer Beurteilung im heutigen Zeitpunkt erfolgt sei, handelt es sich
ausschliesslich um eine gegenteilige Behauptung, mithin um rein appellatorische
und damit unzulässige Kritik am angefochtenen Entscheid. Insgesamt zeigt sie
somit nicht der bundesgerichtlichen Rechtsprechung folgend auf, inwiefern die
Vorinstanz bei der Anwendung von § 201 Abs. 2 VRG/LU in Willkür verfallen sein
soll.

5.4. Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art.
29 Abs. 2 BV) behauptet, gilt es darauf hinzuweisen, dass das Kantonsgericht
eine entsprechende Verletzung verneint hat. Im Übrigen kommt dieser Rüge sowie
jener der Verletzung von Art. 6 BV und des Subsidiaritätsgrundsatzes gemäss § 4
der Kantonsverfassung keine selbstständige Bedeutung zu, zumal es hier nur noch
um die Kosten- und Entschädigungsfrage und nicht mehr um die Sache selbst geht.

6. 
Damit ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art.
66 Abs. 1 BGG). Die verfügende Behörde, welche nicht Partei ist (BGE 140 III
353 E. 4.2), hat kein Anrecht auf Parteientschädigung.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Kindes- und
Erwachsenenschutzbehörde KESB Region Entlebuch, Wolhusen und Ruswil, und dem
Kantonsgericht Luzern, 2. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. Februar 2016
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Zbinden

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