Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.661/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
4A_661/2015

Urteil vom 2. Mai 2016

I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
Bundesrichterin Klett, Bundesrichter Kolly,
Bundesrichterinnen Hohl, Niquille,
Gerichtsschreiber Kölz.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Wagner,
Beschwerdeführer,

gegen

Versicherung B.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Rothenbühler,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
vereinfachtes Verfahren,

Beschwerde gegen die Verfügung des
Versicherungsgerichts des Kantons Aargau,
3. Kammer, vom 12. November 2015.

Sachverhalt:

A.
Vor dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, 3. Kammer, ist ein
Klageverfahren betreffend Krankentaggeldleistungen nach dem
Versicherungsvertragsgesetz (VVG; SR 221.229.1) hängig. Mit Verfügung vom 12.
November 2015 ordnete die Instruktionsrichterin gestützt auf Art. 246 Abs. 2
ZPO einen Schriftenwechsel an und setzte dem Kläger A.________
(Beschwerdeführer) Frist zur Begründung seiner Klage an.

B.
A.________ verlangt mit Beschwerde in Zivilsachen, die Verfügung vom 12.
November 2015 sei aufzuheben, und die Vorinstanz sei anzuweisen, die Parteien
im Zusammenhang mit der Klage vom 27. Oktober 2015 zu einer Verhandlung
vorzuladen. Die Beklagte, die Versicherung B.________ AG (Beschwerdegegnerin),
schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Die Vorinstanz liess sich zur
Beschwerde vernehmen, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.

C.
Mit Schreiben vom 5. Januar 2016 zog der Beschwerdeführer das in der Beschwerde
gestellte Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und um
Bestellung eines Rechtsvertreters für das bundesgerichtliche Verfahren zurück.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein
Rechtsmittel zulässig ist (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 139 III 133 E. 1; 137 III
417 E. 1; 135 III 212 E. 1). Immerhin muss die Eingabe auch bezüglich der
Eintretensvoraussetzungen hinreichend begründet werden (Art. 42 Abs. 1 und 2
BGG; BGE 134 II 120 E. 1).

2.
Das Versicherungsgericht ist im vorliegenden Fall einzige kantonale Instanz im
Sinne von Art. 74 Abs. 2 lit. b und Art. 75 Abs. 2 lit. a BGG. Gegen seine
Entscheide steht daher unabhängig vom Streitwert grundsätzlich die Beschwerde
in Zivilsachen offen (siehe BGE 138 III 799 E. 1.1, 2 E. 1.2.2).

3.

3.1. Die angefochtene Verfügung schliesst das kantonale Verfahren nicht ab.
Gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde nach
Art. 93 Abs. 1 BGG zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden
Nachteil bewirken können (lit. a), oder wenn die Gutheissung der Beschwerde
sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an
Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b).
Die Variante nach lit. b steht vorliegend nicht zur Diskussion. Der nicht
wieder gutzumachende Nachteil im Sinne von lit. a muss nach der Rechtsprechung
ein Nachteil rechtlicher Natur sein, welcher auch durch einen späteren
günstigen Endentscheid nicht oder nicht gänzlich beseitigt werden kann. Rein
tatsächliche Nachteile wie die Verfahrensverlängerung oder -verteuerung reichen
nicht aus (BGE 141 III 80 E. 1.2 S. 80; 137 III 380 E. 1.2.1; 133 III 629 E.
2.3.1 mit weiteren Hinweisen).

3.2. Der Beschwerdeführer meint, "durch die Anordnung des schriftlichen
Verfahrens" verweigere ihm die Vorinstanz "das Recht, mit seinem Anliegen
sofort und ohne zeitraubenden vorgängigen Schriftenwechsel [...] gehört zu
werden". Dieser "verfahrensrechtliche Nachteil" könne später nicht geheilt
werden. Ausserdem beruft er sich auf BGE 138 III 190. Gemäss diesem Urteil kann
der auf Art. 36 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 24. März 2000 über den
Gerichtsstand in Zivilsachen (Gerichtsstandsgesetz, GestG; AS 2000 2355)
gestützte Sistierungsentscheid auch dann selbständig angefochten werden, wenn
er keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
bewirkt, falls die beschwerdeführende Partei geltend macht, die Sistierung
führe zu einer Verletzung des Beschleunigungsgebots und dieses Vorbringen
hinreichend begründet wird (E. 6).
Mit diesen Ausführungen gelingt es ihm nicht, die selbständige Anfechtbarkeit
des vorliegenden Vor- und Zwischenentscheides zu begründen:

3.3. Wie sich aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, handelt es sich bei der
Anordnung eines Schriftenwechsels im vereinfachten Verfahren nach Art. 246 Abs.
2 ZPO um einen Ermessensentscheid des Gerichts (in diesem Sinn etwa HAUCK, in:
Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/
Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 3. Aufl. 2016, N. 11 zu Art. 246 ZPO; KILLIAS,
in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. II, 2012, N. 11
zu Art. 246 ZPO; TAPPY, in: CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, N. 8
zu Art. 246 ZPO), so wie die Art der Verfahrensleitung nach der
Zivilprozessordnung generell weitgehend im Ermessen des Gerichts liegt (siehe
für das ordentliche Verfahren BGE 140 III 159 E. 4.2 S. 162 mit Hinweisen).
Entgegen dem Beschwerdeführer räumt das Gesetz den Parteien keinen Anspruch auf
eine mündliche Verhandlung zu Beginn des Verfahrens ein (vgl. Botschaft vom 28.
Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, BBl 2006 S. 7245, wo "die
angestrebte Mündlichkeit" des vereinfachten Verfahrens ausdrücklich als "nicht
zwingend" bezeichnet wird).
Soweit der Beschwerdeführer den drohenden nicht wieder gutzumachenden Nachteil
rechtlicher Natur damit begründen möchte, dass er unwiederbringlich daran
gehindert wird, seinen Standpunkt zu Beginn des Verfahrens anlässlich einer
mündlichen Verhandlung zu präsentieren, scheitert er somit bereits daran, dass
das Gesetz den Parteien keinen entsprechenden Anspruch gewährt. Die Verfügung
des Versicherungsgerichts, mit der ein Schriftenwechsel angeordnet wird, ist
unter diesem Aspekt nicht anfechtbar (vgl. dagegen betreffend den Entscheid
über die anwendbare Verfahrensart Urteil 5A_689/2012 vom 3. Juli 2013 E. 1.1,
nicht publ. in: BGE 139 III 368).

3.4. Damit bleibt von der Argumentation des Beschwerdeführers bloss die
Behauptung, die angefochtene Verfügung verletze das Beschleunigungsgebot, weil
das schriftliche Verfahren bei Krankentaggeldforderungen im Kanton Aargau
"erfahrungsgemäss ein bis zwei Jahre" dauere. Aufgrund dessen verliere er Zeit,
und es drohe ihm der Gang zur Fürsorge. Selbst wenn es zutreffen sollte, dass
die Anordnung eines Schriftenwechsels das Verfahren im Allgemeinen verlängert -
was der Beschwerdeführer durch den Verweis auf die Sachverhaltsdarstellungen in
zwei Urteilen des Bundesgerichts zu belegen versucht - wäre dadurch jedenfalls
eine Verletzung des verfassungs- und konventionsrechtlichen
Beschleunigungsgebots (Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK) nicht
hinreichend begründet. Eine Anfechtbarkeit der Verfügung des
Versicherungsgerichts fällt also unter diesem Rechtstitel ebenso ausser
Betracht (vgl. BGE 138 III 190 E. 6 und Urteil 4A_542/2009 vom 27. April 2010
E. 4.2) wie unter demjenigen von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG (siehe Erwägung
3.1).

4.
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. Ausgangsgemäss wird der
Beschwerdeführer kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art.
68 Abs. 2 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Versicherungsgericht des Kantons
Aargau, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 2. Mai 2016

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Kiss

Der Gerichtsschreiber: Kölz

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