Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.567/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
4A_567/2015

Urteil vom 21. Januar 2016

I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Hohl, Niquille,
Gerichtsschreiber Brugger.

Verfahrensbeteiligte
A.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Carlo Häfeli,
Beschwerdeführerin,

gegen

B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Rainer Mössinger,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Arbeitsvertrag,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des
Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 9. September 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. Mit Vertrag vom 28. Juni 2010 wurde B.________ (Kläger, Beschwerdegegner)
von der A.________ AG (Beklagte, Beschwerdeführerin) als Leiter ihrer Abteilung
Organisations- und Personalentwicklung angestellt. Am 30. November 2010
unterzeichneten die Parteien per 1. Januar 2011 einen ergänzenden
Arbeitsvertrag, nach welchem die Kündigungsfrist im ersten Halbjahr einen Monat
"und nachher" sechs Monate beträgt. Ferner wurde vereinbart, dass Änderungen
und Ergänzungen des Vertrags der Schriftform bedürfen.
Ab 1. Oktober 2012 wurde der Kläger von der Beklagten anders eingesetzt. Am 19.
Dezember 2012 unterzeichnete der Kläger mit dem Vermerk "erhalten" ein an ihn
gerichtetes und mit "Vereinbarung" überschriebenes Schreiben der Beklagten vom
3. Dezember 2012, worin die folgenden "vereinbarten Punkte" festgehalten
wurden:

- "Sie [= der Kläger] werden ab dem 1. Oktober 2012 bis 31. März 2013 als
strategischer HR Projektleiter die Leiterin Group HR unterstützen."
[...]
- Bis zum 31. März 2013 liegen erste Ergebnisse des neuen Group HR
Geschäftsmodells vor.
- Sollten wir Ihnen bis zu diesem Zeitpunkt eine andere adäquate Stelle
anbieten können, sind wir gerne bereit, Ihnen per 1. April 2013 ein
entsprechendes Angebot zu unterbreiten. Die Konditionen werden dann der neuen
Funktion entsprechend neu ausgehandelt und mit Antritt der neuen Funktion
angepasst.
- Sollten wir Ihnen per April 2013 keine passende Alternative innerhalb der
[Gruppe der Beklagten] anbieten können, werden Sie per genanntem Datum
freigestellt und das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung einer 6-monatigen
Kündigungsfrist auf den 30. September 2013 aufgelöst."

A.b. Per 1. Januar 2013 trat im Betrieb der Beklagten ein von ihr erlassenes
Merkblatt betreffend "Persönlichkeitsschutz und Verfahren bei sexueller
Belästigung und Mobbing am Arbeitsplatz" in Kraft. Ziff. 8 des Merkblatts
regelt das interne Beschwerdeverfahren, das von den "betroffenen Personen" bei
der Leiterin Group Human Resources verlangt werden kann. Gemäss dem Merkblatt
obliegt die Leitung solcher internen Beschwerdeverfahren dem Kläger. Der letzte
Absatz von Ziff. 8 des Merkblatts lautet wie folgt:

"Während des internen Beschwerdeverfahrens und sechs Monate danach darf die
beschwerdeführende Person nicht entlassen werden und auch sonst keine
beruflichen Nachteile erfahren. Kündigungen aus begründetem anderen Anlass
sowie wegen Missbrauchs des Beschwerderechts bleiben jedoch vorbehalten."
Am 14. März 2013 richtete der Kläger zusammen mit zwei Mitautoren einen Bericht
an den CEO der Beklagten, worin sie schwere Vorwürfe an die Leiterin der Group
Human Resources erhoben. Der CEO dankte dem Kläger zunächst mit E-Mail vom 18.
März 2013 für den Bericht; richtete indessen wenige Stunden später eine weitere
E-Mail an den Kläger, bat ihn sowie die Mitautoren nochmals zu überlegen, ob
sie das Schreiben so abgeben wollen und gab ihnen eine Frist bis zum 19. März
2013, um den Bericht zurückzuziehen. Der Bericht wurde in der Folge von den
drei Autoren nicht zurückgezogen.

A.c. Am 3. April 2013 erhielt der Kläger zwei vom CEO unterzeichnete bzw.
mitunterzeichnete Schreiben der Beklagten. Im ersten Schreiben wurde ihm unter
anderem mitgeteilt, dass durch den erwähnten Bericht das interne
Beschwerdeverfahren "gemäss geltendem Merkblatt 'Persönlichkeitsschutz und
Verfahren bei sexueller Belästigung und Mobbing am Arbeitsplatz'" "rechtsgültig
eingeleitet" worden sei. Mit dem zweiten Schreiben wurde das Arbeitsverhältnis
mit dem Kläger "unter Einhaltung der vereinbarten 6 monatigen Kündigungsfrist
auf Ende Oktober 2013" gekündigt. Es könne dem Kläger "keine adäquate
Arbeitsstelle" im Sinne der Vereinbarung vom 3./19. Dezember 2012 "innerhalb
der [Beklagten] angeboten werden" und er werde daher bis zum Ablauf der
Kündigungsfrist freigestellt.
Mit Schreiben vom 11. Juni 2013 informierte der CEO der Beklagten den Kläger
wieder mit Verweis auf das genannte Merkblatt über das Ergebnis des internen
Beschwerdeverfahrens. Die im Bericht gegenüber der Leiterin Group Human
Resources erhobenen Mobbingvorwürfe seien nicht haltbar und das Verfahren werde
damit abgeschlossen. Weitere arbeitsrechtliche Massnahmen seien unter diesen
Umständen nicht angebracht. Wegen Arbeitsunfähigkeit des Klägers verlängerte
sich in der Folge das Arbeitsverhältnis der Parteien bis Ende November 2013.

B.
Am 23. Mai 2014 erhob der Kläger in einfacher Streitgenossenschaft mit der
Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich beim Arbeitsgericht Zürich Klage gegen die
Beklagte auf Erstattung von Fr. 27'734.85 nebst Zins zu 5 % seit 1. Januar 2014
für den Dezemberlohn 2013, bestehend aus Fr. 11'288.25 Grundlohn zuzüglich
Autokosten von Fr. 1'800.--, und Fr. 16'124.-- als Differenz zum Bonus 2013.
Die Arbeitslosenkasse klagte ihrerseits auf Erstattung von Fr. 677.40. Mit
Urteil vom 18. Mai 2015 wies das Arbeitsgericht die Klagen des Klägers
(Dispositivziffer 1) und der Arbeitslosenkasse (Dispositivziffer 2) ab und
verpflichtete den Kläger (Dispositivziffer 4) und die Arbeitslosenkasse
(Dispositivziffer 5) zur Zahlung einer Parteientschädigung.
Dagegen erhob der Kläger Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich, das
mit Urteil vom 9. September 2015 in teilweiser Gutheissung seiner Berufung die
Dispositivziffern 1 und 4 des Urteils des Arbeitsgerichts aufhob und die
Beklagte verpflichtete, dem Kläger den Betrag von Fr. 27'094.85 (brutto) nebst
Zins zu 5 % seit dem 1. Januar 2014 zu bezahlen. Im Mehrbetrag wies es die
Klage ab.

C.
Die Beschwerdeführerin verlangt mit Beschwerde in Zivilsachen, es sei das
Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Klage des Beschwerdegegners
vollumfänglich abzuweisen.
Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde sei vollumfänglich abzuweisen.
Die Vorinstanz verzichtete auf eine Vernehmlassung zur Beschwerde.
Mit Präsidialverfügung vom 25. November 2015 wurde der Beschwerde die
aufschiebende Wirkung erteilt.

Erwägungen:

1.
Die Sachurteilsvoraussetzungen der Beschwerde in Zivilsachen sind erfüllt und
geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Allerdings steht das Eintreten unter dem
Vorbehalt zulässiger und rechtsgenügend begründeter Rügen (Art. 42 Abs. 2 und
Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. Erwägung 2).

2.

2.1. Mit Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und
96 BGG gerügt werden. Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG hat die Rechtsschrift die
Begehren und deren Begründung zu enthalten; im Rahmen der Begründung ist in
gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art.
42 Abs. 2 BGG), andernfalls wird darauf nicht eingetreten (BGE 134 II 244 E.
2.1). Unerlässlich ist, dass die Beschwerde auf die Begründung des
angefochtenen Entscheids eingeht und im Einzelnen aufzeigt, worin eine
Verletzung von Bundesrecht liegt. Die beschwerdeführende Partei soll in der
Beschwerdeschrift nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die sie im kantonalen
Verfahren eingenommen hat, erneut bekräftigen, sondern mit ihrer Kritik an den
als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (BGE 140 III
86 E. 2 S. 89, 115 E. 2 S. 116).
Die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht
kann das Bundesgericht nur insofern prüfen, als eine solche Rüge in der
Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG;
BGE 138 I 171 E. 1.4; 136 I 65 E. 1.3.1; 134 II 244 E. 2.1/2.2; 133 III 439 E.
3.2 S. 444). Macht die beschwerdeführende Partei eine Verletzung des
Willkürverbots von Art. 9 BV geltend, genügt es nicht, wenn sie einfach
behauptet, der angefochtene Entscheid sei willkürlich. Sie hat vielmehr anhand
der Erwägungen des angefochtenen Urteils im Einzelnen aufzuzeigen, inwiefern
dieses offensichtlich unhaltbar ist (BGE 137 V 57 E. 1.3 S. 60; 134 II 349 E. 3
S. 352). Auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das
Bundesgericht nicht ein (BGE 136 II 489 E. 2.8; 134 V 138 E. 2.1; 133 II 396 E.
3.1. S. 399).

2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu gehören sowohl die
Feststellungen über den Lebenssachverhalt, der dem Streitgegenstand zugrunde
liegt, als auch jene über den Ablauf des vor- und erstinstanzlichen Verfahrens,
also die Feststellungen über den Prozesssachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1).
Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
"Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2
S. 117; 135 III 397 E. 1.5). Entsprechende Rügen sind überdies bloss zulässig,
wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein
kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Die Partei, welche die Sachverhaltsfeststellung der
Vorinstanz anfechten will, muss klar und substanziiert aufzeigen, inwiefern
diese Voraussetzungen erfüllt sein sollen (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 18 mit
Hinweisen). Wenn sie den Sachverhalt ergänzen will, hat sie zudem mit
Aktenhinweisen darzulegen, dass sie entsprechende rechtsrelevante Tatsachen und
taugliche Beweismittel bereits bei den Vorinstanzen prozesskonform eingebracht
hat (BGE 140 III 86 E. 2 S. 90). Auf eine Kritik an den tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz, die diesen Anforderungen nicht genügt, ist nicht
einzutreten (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 18).

3.
Die Vorinstanz kam zunächst zum Schluss, dass die Beschwerdeführerin in der
Vereinbarung vom 3./19. Dezember 2012 von ihrem Gestaltungsrecht auf Auflösung
des Arbeitsvertrags noch keinen Gebrauch gemacht habe. Vielmehr habe sie dem
Beschwerdegegner darin lediglich in Aussicht gestellt, dass sie bis Ende März
2013 über das weitere Vorgehen entscheiden werde.
Weiter erwog die Vorinstanz, dass das Merkblatt der Beschwerdeführerin
"betreffend den Persönlichkeitsschutz und das Verfahren bei sexueller
Belästigung und Mobbing am Arbeitsplatz" (nachfolgend: Merkblatt) auf den
Arbeitsvertrag der Parteien anwendbar sei. Das Merkblatt sei zwar nach dem von
den Parteien unterzeichneten Arbeitsvertrag durch die Beschwerdeführerin "in
Kraft" gesetzt worden. Da das fragliche Merkblatt ausschliesslich den
Interessen der Arbeitnehmer diene, müsse es aber im Sinne von Art. 6 OR
genügen, wenn die Beschwerdeführerin als Arbeitgeberin zum Ausdruck bringen
würde, dass sie das Merkblatt als verbindlich ansehe. Mit Schreiben vom 3.
April 2013, unterzeichnet durch den CEO, habe die Beschwerdeführerin den
Beschwerdegegner wissen lassen, dass gewisse Vorwürfe in dem von ihm
mitverfassten Bericht vom 14. März 2013 als Mobbingvorwürfe im Sinne des
genannten Merkblatts anzusehen seien und damit das "interne
Beschwerdeverfahren" im Sinne des Merkblatts "rechtsgültig eingeleitet" sei.
Sie habe in diesem Schreiben auch ausdrücklich auf Ziff. 8 des Merkblatts Bezug
gekommen, die dem Arbeitnehmer für die Dauer des internen Beschwerdeverfahrens
und sechs Monate danach einen Kündigungsschutz einräume. Damit habe die
Beschwerdeführerin anerkannt, dass die Bestimmungen des Merkblatts auf das
Vertragsverhältnis der Parteien anwendbar seien.
Sei das Merkblatt auf das Vertragsverhältnis der Parteien anwendbar, dann seien
auch die Bestimmungen über den Kündigungsschutz gemäss diesem Merkblatt
anwendbar. Im Zusammenhang mit den Mobbingvorwürfen des Beschwerdegegners habe
die Beschwerdeführerin ein Verfahren gemäss Merkblatt eingeleitet und habe im
genannten Schreiben ausdrücklich auf die Verfahrensregeln von dessen Ziff. 8
hingewiesen. Unter dem Titel des Kündigungsschutzes wolle die
Beschwerdeführerin aber diese gleichen Verfahrensregeln nicht befolgen müssen,
weil sie nicht Vertragsbestandteil geworden seien. Mit anderen Worten wolle
sich die Beschwerdeführerin nur an diejenigen Bestimmungen des Merkblatts
halten, die ihr zusagen würden. Dies sei im Sinne eines venire contra factum
proprium als rechtsmissbräuchlich anzusehen und diese Haltung könne keinen
Schutz finden. Damit stehe fest, dass sich der Beschwerdegegner grundsätzlich
auf den Kündigungsschutz gemäss Merkblatt berufen könne.
Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Beschwerdegegners sei durch die
Beschwerdeführerin während der Sperrfrist gemäss Merkblatt erfolgt.
Demgegenüber hätte die Kündigung frühestens mit dem am 11. Juni 2013 erfolgten
Abschluss des internen Beschwerdeverfahrens erfolgen dürfen. Bei der
vertraglich vereinbarten sechsmonatigen Kündigungsfrist wäre eine solche
Kündigung erst per Ende Dezember 2013 wirksam geworden. Einen begründeten
Anlass zur Aufhebung des Arbeitsverhältnisses im Sinne der Regeln des
Merkblatts habe die Beschwerdeführerin bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses
mit dem Beschwerdegegner nicht gehabt. Ebenso habe der Beschwerdegegner das
interne Beschwerdeverfahren nicht durch "Missbrauch des Beschwerderechts"
veranlasst, also rechtsmissbräuchlich gehandelt. Dementsprechend sei die
Beschwerdeführerin zu verpflichten, dem Beschwerdegegner den Dezemberlohn 2013
sowie die Differenz zu seinem bereits ausbezahlten Bonus für das Jahr 2013 als
Schadenersatz zu bezahlen.

4.

4.1. Die Beschwerdeführerin wiederholt zunächst ihre bereits vor der Vorinstanz
vorgebrachte Rüge, wonach das Merkblatt nur in verfahrensrechtlicher Hinsicht,
nicht aber für die Kündigungsbeschränkungen zur Anwendung käme, da eine
"explizite Einbindung" des Merkblatts in den Arbeitsvertrag des
Beschwerdegegners notwendig gewesen wäre.
Die Vorinstanz hat sich ausführlich mit diesem Vorbringen der
Beschwerdeführerin auseinandergesetzt und ist zum Schluss gekommen, dass das
fragliche Merkblatt zwischen den Parteien verbindlich und es weiter
rechtsmissbräuchlich sei, wenn sich die Beschwerdeführerin nur an diejenigen
Bestimmungen des Merkblatts halten möchte, die ihr zusagen würden (vgl. oben
Erwägung 3). Mit diesen überzeugenden Erwägungen der Vorinstanz setzt sich die
Beschwerdeführerin nicht auseinander, sondern wiederholt bloss ihren bereits
vor der Vorinstanz vorgebrachten Standpunkt. Darauf ist nicht einzutreten (vgl.
Erwägung 2.1).

4.2.

4.2.1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, der Beschwerdegegner habe in der
Vereinbarung vom 3./19. Dezember 2012 zugestimmt, dass sie das
Arbeitsverhältnis auflösen könne, sofern ihm keine adäquate Arbeitsstelle
angeboten werden könne. Diese Zustimmung zur Kündigungsregelung in der
Vereinbarung gehe dem Merkblatt als allgemeine Anstellungsbedingung vor,
weshalb die Kündigungsbeschränkung wegen der Initiierung eines internen
Mobbingbeschwerdeverfahrens nicht zur Anwendung gelange. Die Vorinstanz habe
mit dem gegenteiligen Entscheid Art. 18 OR verletzt.
Somit ist durch Auslegung zu ermitteln, ob die Parteien mit der Vereinbarung
vom 3./19. Dezember 2012 eine individuelle Abrede treffen wollten, die dem
Merkblatt als allgemeine Anstellungsbedingung vorgeht (vgl. zum Vorrang der
Individualabrede BGE 135 III 225 E. 1.4; Roger Rudolph, Allgemeine
Anstellungsbedingungen: Ausgewählte Rechtsfragen, in: Festschrift für
Jean-Fritz Stöckli, 2014, S. 550).

4.2.2. Gemäss Art. 18 Abs. 1 OR bestimmt sich der Inhalt des Vertrags nach dem
übereinstimmenden wirklichen Willen der Parteien. Die empirische oder
subjektive Auslegung hat gegenüber der normativen oder objektivierten
Vertragsauslegung Vorrang (BGE 138 III 659 E. 4.2.1 S. 666; 137 III 145 E.
3.2.1). Diese subjektive Vertragsauslegung beruht auf Beweiswürdigung, die
vorbehältlich der Ausnahmen von Art. 97 und 105 BGG der bundesgerichtlichen
Überprüfung entzogen ist (vgl. BGE 135 III 410 E. 3.2 S. 412 f.; 132 III 268 E.
2.3.2 S. 274). Wenn der übereinstimmende wirkliche Wille der Parteien
unbewiesen bleibt, sind zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die
Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie
nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden
werden durften und mussten (BGE 138 III 659 E. 4.2.1 S. 666; 137 III 145). Das
Bundesgericht überprüft diese objektivierte Auslegung von Willenserklärungen
als Rechtsfrage, wobei es an Feststellungen des kantonalen Gerichts über die
äusseren Umstände sowie das Wissen und Wollen der Beteiligten grundsätzlich
gebunden ist (Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 138 III 659 E. 4.2.1 S. 666 f.; 133 III
61 E. 2.2.1). Massgebend ist dabei der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.
Nachträgliches Parteiverhalten ist bei der Auslegung nach dem Vertrauensprinzip
nicht von Bedeutung; es kann höchstens - im Rahmen der Beweiswürdigung - auf
einen tatsächlichen Willen der Parteien schliessen lassen (BGE 133 III 61 E.
2.2.1; 132 III 626 E. 3.1; je mit Hinweisen).

4.2.3. Dass die Parteien im Sinne der subjektiven Vertragsauslegung
übereinstimmend davon ausgegangen wären, dass mit der Vereinbarung vom 3./19.
Dezember 2012 der Kündigungsschutz gemäss dem Merkblatt nicht anwendbar wäre,
wird von der Beschwerdeführerin nicht behauptet.
Gestützt auf den Wortlaut der Vereinbarung vom 3./19. Dezember 2012 lässt sich
sodann nicht schliessen, dass damit der Kündigungsschutz des Merkblatts auf das
Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht anwendbar sein soll, wird doch
das Merkblatt in der Vereinbarung vom 3./19. Dezember 2012 mit keinem Wort
erwähnt. Ohnehin wurde das Merkblatt erst nach Abschluss der Vereinbarung vom
3./19. Dezember 2012, nämlich per 1. Januar 2013, durch die Beschwerdeführerin
"in Kraft gesetzt". Andere Umstände, wonach die Parteien mit der genannten
Vereinbarung vom Kündigungsschutz abweichen wollten, werden von der
Beschwerdeführerin nicht dargelegt und sind im vorinstanzlich festgestellten
Sachverhalt auch nicht ersichtlich. Auch nach einer Auslegung nach dem
Vertrauensprinzip ist nicht erkennbar, dass die Parteien mit der Vereinbarung
vom 3./19. Dezember 2012 eine abweichende individuelle Abrede vom allgemeinen
Kündigungsschutz bei Einleitung eines internen Beschwerdeverfahrens nach Ziff.
8 des Merkblatts treffen wollten. Die Beschwerdeführerin vermag daher mit ihren
Ausführungen keine Verletzung von Art. 18 OR aufzuzeigen.

4.3. Weiter bringt die Beschwerdeführerin vor, die Zustimmung des
Beschwerdegegners in der Vereinbarung vom 3./19. Dezember 2012 definiere den
"begründeten Anlass" für die Arbeitgeberkündigung im Sinne des Merkblatts. Die
Vorinstanz habe dies nicht berücksichtigt und damit bei der Auslegung Art. 18
OR verletzt.
Die Vorinstanz legte zutreffend dar, dass der Kündigungsschutz nach dem
Wortlaut von Ziff. 8 des Merkblatts nicht greife, wenn die Kündigung aus
"begründetem anderen Anlass" erfolge. Einen solchen begründeten Anlass könnten
sowohl objektive, und damit namentlich auch wirtschaftliche Gründe, als auch
subjektive Gründe, d.h. das Verhalten des Arbeitnehmers, darstellen. Letzteres
liege vor, wenn der Anlass zur Kündigung eine gewisse, nicht mehr als
geringfügig zu bezeichnende Intensität aufweise, welche die Entlassung als
gerechtfertigt erscheinen lasse. Das treffe etwa zu, wenn ein Arbeitnehmer
wiederholt unentschuldigt der Arbeit fernbleibe oder wiederholt bestimmte
Weisungen nicht befolge.
In diese Kategorien fällt der in der Vereinbarung vom 3./19. Dezember 2012
erwähnte Kündigungsgrund (kein adäquates Stellenangebot) nicht. Die Vorinstanz
hat mitnichten Art. 18 OR verletzt, wenn sie entgegen der Beschwerdeführerin
nicht annahm, dort sei der "begründete andere Anlass" im Sinne des Merkblatts
definiert worden. Im Übrigen bleibt unerfindlich, wie die Parteien in der rund
einen Monat vor Inkrafttreten des Merkblatts abgeschlossenen Vereinbarung einen
Begriff des gar noch nicht vorliegenden Merkblatts hätten definieren wollen und
sollen. Die Rüge geht fehl.

4.4. Die Beschwerdeführerin rügt weiter, Art. 10 des Bundesgesetzes über die
Gleichstellung von Frau und Mann vom 24. März 1995 (Gleichstellungsgesetz, GlG;
SR 151.1) sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar, da das interne
Verfahren Mobbingtatbestände beinhalte und nicht sexuelle Belästigungen oder
Diskriminierungen. Folglich seien alle Analogien und Anlehnungen an das
Gleichstellungsgesetz durch die Vorinstanz unrichtig und die "Grenzen von Art.
18 OR" überschritten.
Zunächst ist festzuhalten, dass Art. 10 GlG, der den Kündigungsschutz nach GlG
regelt, durch die Vorinstanz nicht auf den vorliegenden Sachverhalt angewandt
wurde. Sie hat den Kündigungsschutz für den Beschwerdegegner vielmehr auf das
genannte von der Beschwerdeführerin erlassene Merkblatt gestützt.
Sodann orientierte sich die Vorinstanz für die Auslegung des Begriffs des
"begründeten anderen Anlasses" nach Ziff. 8 des Merkblatts einerseits an Art.
336 Abs. 2 lit. b OR, nach dem eine Kündigung gegenüber einem gewählten
Arbeitnehmervertreter als missbräuchlich im Sinne von Art. 336 OR gelte, wenn
der Arbeitgeber nicht beweisen könne, dass er einen "begründeten Anlass zur
Kündigung" gehabt habe. Andererseits erwog die Vorinstanz, dass sich der letzte
Absatz von Ziff. 8 des Merkblatts eng an das halte, was Art. 10 Abs. 1 und 2
GlG für den Kündigungsschutz für das GlG regle. Dadurch sei es naheliegend,
sich für den Entscheid, ob die Beschwerdeführerin für die Kündigung des
Arbeitsverhältnisses einen "begründeten Anlass" gehabt hätte, an den Regeln zu
orientieren, die gemäss Art. 10 Abs. 1 GlG für die Frage gelte, unter welchen
Umständen eine Kündigung anfechtbar sei, weil sie "ohne begründeten Anlass auf
eine innerbetriebliche Beschwerde" erfolgt sei.
Dass sich die Vorinstanz für die Auslegung des Begriffs des "begründeten
anderen Anlasses" nach Ziff. 8 des Merkblatts - neben Art. 336 Abs. 2 lit. b OR
- an dem orientierte, was nach Art. 10 Abs. 1 GlG als begründeter Anlass gelte,
und dies für die Auslegung der genannten Bestimmung in Ziff. 8 des Merkblatts
beizog, ist nicht zu beanstanden. Inwiefern damit die "Grenzen von Art. 18 OR"
überschritten wären, vermag die Beschwerdeführerin nicht aufzuzeigen.

4.5. Die Beschwerdeführerin rügt sodann, der Beschwerdegegner habe
rechtsmissbräuchlich gehandelt, da er erst kurz vor Beginn der in der
Vereinbarung vom 3./19. Dezember 2012 fixierten sechs monatigen Kündigungsfrist
ein internes Beschwerdeverfahren wegen Mobbing eingeleitet habe.
Die Vorinstanz erwog zu diesem Vorbringen, dass die Beschwerdeführerin zwar ein
rechtsmissbräuchliches Verhalten des Beschwerdegegners behaupte, aber zu dieser
vom Beschwerdegegner bestrittenen Behauptung vor Aktenschluss keine
Beweisanträge gestellt habe. Diese Erwägungen der Vorinstanz widerlegt die
Beschwerdeführerin nicht. Insbesondere legt sie nicht dar, dass sie entgegen
den Ausführungen der Vorinstanz vor Aktenschluss Beweisanträge zu ihrer
Behauptung genannt hätte. Auf den Rechtsmissbrauchsvorwurf ist daher nicht
weiter einzugehen.

4.6. Die Beschwerdeführerin bringt sodann vor, die Kündigung sei gerechtfertigt
gewesen, da für den Beschwerdegegner keine passende Arbeitsstelle vorhanden
war.
Auf dieses Vorbringen der Beschwerdeführerin ist die Vorinstanz bereits
ausführlich eingegangen. Sie kam zum Schluss, dass der Beschwerdegegner während
der durch die Sperrfrist verlängerten Kündigungsfrist im ausgesprochen grossen
Betrieb der Beschwerdeführerin mit Filialen und Mitarbeitern in der ganzen
Schweiz hätte weiterbeschäftigt werden können. Diesen tatsächlichen Schluss der
Vorinstanz weist die Beschwerdeführerin nicht als willkürlich aus, sondern
wiederholt bloss ihre bereits vor der Vorinstanz vorgebrachte Behauptung. Auch
darauf ist nicht einzutreten.

4.7. Die Beschwerdeführerin rügt schliesslich, ihr "Entlassungsbeschluss" sei
fünf Monate vor der Vereinbarung im Dezember 2012 gefasst und damit vor
Initiierung des Mobbingverfahrens durch den Beschwerdegegner. Daher sei die
Kündigung gerechtfertigt.
Die Vorinstanz hat diesen Standpunkt der Beschwerdeführerin als haltlos
verworfen. Wäre er richtig, so die Vorinstanz weiter, dann wäre die
Unterzeichnung der Vereinbarung durch die Beschwerdeführerin am 3. Dezember
2015 [recte: 2012], mit der sie dem Beschwerdegegner bestätigte, dass sie im
Frühjahr 2013 "gerne" dazu bereit sein werde, ihm "eine andere adäquate Stelle"
anzubieten, wider Treu und Glauben erfolgt. Dieser überzeugenden Erwägung setzt
die Beschwerdeführerin nichts entgegen, was eine andere Beurteilung erheischen
würde. Es hat somit dabei sein Bewenden.

5.
Nach dem Ausgeführten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit auf sie eingetreten
werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin
kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1, Art. 65 Abs. 4 lit. c und
Art. 68 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 600.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 21. Januar 2016

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Kiss

Der Gerichtsschreiber: Brugger

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