Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.565/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
4A_565/2015

Urteil vom 14. April 2016

I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
Bundesrichterin Klett, Bundesrichter Kolly,
Bundesrichterinnen Hohl, Niquille,
Gerichtsschreiber Hurni.

Verfahrensbeteiligte
A.________AG,
vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Martin Ammann und Renato Bucher,
Beschwerdeführerin,

gegen

B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Sören Schwieterka,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Arbeitsvertrag; Bonus,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, vom 16. September 2015.

Sachverhalt:

A.
Die A.________AG in Zürich (Arbeitgeberin, Beklagte, Beschwerdeführerin) ist
eine auf Vermögensverwaltung und Anlageberatung spezialisierte Bank. Ihr
Geschäftsjahr entspricht nicht dem Kalenderjahr, sondern dauert jeweils vom 1.
April bis zum 31. März des Folgejahres.
B.________ (Arbeitnehmer, Kläger, Beschwerdegegner) war bei ihr vom 1. Oktober
2009 bis 31. März 2013 als Senior Private Banker tätig. Gemäss Arbeitsvertrag
betrug der Jahreslohn Fr. 219'240.--. Zusätzlich sah der Arbeitsvertrag
Bonuszahlungen auf freiwilliger Basis vor.

B.

B.a. Mit Klage vom 14. Juni 2014 beantragte der Arbeitnehmer dem Arbeitsgericht
Zürich, die Beklagte sei zu verurteilen, (1) ihm den Betrag von Fr. 266'000.--
nebst Zins zu 5% seit 21. Oktober 2013 zu bezahlen, (2) ihm den Betrag von Fr.
52'500.-- nebst Zins zu 5% seit 21. Oktober 2013 zu bezahlen, (3) in der
Betreibung Nr. xxx vom 21. Oktober 2013 des Betreibungsamtes Zürich 8 sei der
Rechtsvorschlag zu beseitigen und (4) die Beklagte sei zur Erstattung der
Betreibungskosten (Fr. 210.--) und der Kosten des Schlichtungsverfahrens (Fr.
950.--) zu verurteilen.
Der Arbeitnehmer forderte in Ziffer 1 seiner Klage einen Bonus für das
Geschäftsjahr 2012/2013, den er aufgrund des Durchschnitts der Boni für die
beiden Vorjahre berechnete, und in Ziffer 2 die zweite und dritte Tranche des
"Retention Awards" für das Geschäftsjahr 2011/2012.
Mit Urteil vom 26. Januar 2015 wies das Arbeitsgericht Zürich die Klage ab. Das
Gericht stellte fest, dass im Arbeitsvertrag des Klägers unmissverständlich auf
den fehlenden Rechtsanspruch des Klägers hingewiesen werde; da ein Bonus nicht
regelmässig (mindestens dreimal vorbehaltlos) ausgerichtet worden sei, habe der
Arbeitnehmer auch nicht in guten Treuen darauf vertrauen dürfen, dass der
tatsächlich ausgerichtete Bonus Lohnbestandteil bilde; schon gar nicht könne
der Freiwilligkeitsvorbehalt als leere Floskel verstanden werden, denn dies
würde eine jahrzehntelange Ausrichtung voraussetzen (S. 10 unter Verweis auf
BGE 129 III 276 E. 2.3). Als Gratifikation konnte der Bonus vom - ungekündigten
- Bestand des Arbeitsvertrags bei Fälligkeit abhängig gemacht werden.

B.b. Mit Urteil vom 16. September 2015 verurteilte das Obergericht des Kantons
Zürich die Beklagte auf Berufung des Klägers hin, dem Kläger Fr. 128'505.--
nebst 5% Zins seit 21. Oktober 2013 zu bezahlen. In diesem Umfang hob das
Gericht den Rechtsvorschlag in der Betreibung Nr. xxx des Betreibungsamtes
Zürich 8 auf. Im Übrigen wies es die Klage ab.
Das Obergericht ging davon aus, dass die ausgerichteten Boni in jedem Jahr
grösser gewesen seien als der Fixlohn und dass es daher auf die Regelmässigkeit
der Auszahlung nicht ankomme. Es hielt fest, dass der Fixlohn des Klägers für
das Geschäftsjahr 2011/2012 Fr. 239'220.-- betrug und ging davon aus, dass dies
auch für das folgende Geschäftsjahr zugetroffen habe. Unter Verweis auf den
damals noch nicht amtlich publizierten Entscheid 4A_653/2014 vom 11. August
2015 (BGE 141 III 407) setzte das Obergericht diesen Fixlohn ins Verhältnis zum
Medianlohn von monatlich Fr. 6'118.-- im Jahre 2012 und von gerundeten Fr.
6'161.-- im Jahre 2013, entsprechend einem Jahreslohn von Fr. 367'725.--. Das
Gericht gelangte zum Schluss, dass der bisher durchschnittlich ausgerichtete
jährliche Bonus im Umfang der Differenz zwischen dem Fixlohn und diesem
fünffachen Medianlohn Lohnbestandteil für das Geschäftsjahr 2012/2013 sei und
sprach dem Kläger entsprechend Fr. 128'505.-- nebst Zins zu.

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beklagte dem Bundesgericht, das
Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 16. September 2015 sei
aufzuheben und die Klage vollumfänglich abzuweisen, unter Kosten- und
Entschädigungsfolge.
Sie rügt zunächst, die Vorinstanz habe die Berufung des Beschwerdegegners
behandelt, obwohl diese verspätet eingereicht worden sei. Sie beanstandet
sodann die Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Urteil mit der
Behauptung, bei zutreffender Feststellung sei angesichts der Auszahlung der
ersten Rate des Bonus (Fr. 30'000.--) für das Geschäftsjahr 2011/2012 der
Fixlohn für dieses Geschäftsjahr höher gewesen als der Bonus. Sie rügt
schliesslich, die Vorinstanz habe die bundesgerichtliche Rechtsprechung
bezüglich sehr hoher Einkommen verkannt und daher unberücksichtigt gelassen,
dass der Beschwerdegegner während der Dauer seiner dreieinhalbjährigen
Tätigkeit insgesamt Fr. 1'432'996.-- erhalten habe, was einen Durchschnittslohn
von Fr. 409'427.45 pro Jahr ausmache und damit mehr als der fünffache
Medianlohn. In einer Eventualbegründung befürwortet die Beschwerdeführerin eine
abweichende Berechnung, weil die Bonuszahlung für das Geschäftsjahr 2011/2012
nicht berücksichtigt sei.
Der Beschwerdegegner beantragt in seiner Vernehmlassung die Abweisung der
Beschwerde, soweit Eintreten.
Die Parteien haben je ergänzende Bemerkungen eingereicht.

D.
Mit Präsidialverfügung vom 25. November 2015 wurde das Gesuch um Gewährung der
aufschiebenden Wirkung abgewiesen.

Erwägungen:

1.
Der angefochtene Endentscheid (Art. 90 BGG) betrifft eine
Zivilrechtsstreitigkeit (Art. 72 BGG) und ist von einem oberen kantonalen
Gericht ergangen, das als Rechtsmittelinstanz (Art. 75 BGG) geurteilt und den
Begehren der Beschwerdeführerin nicht vollumfänglich entsprochen hat (Art. 76
BGG). Die Beschwerde ist fristgerecht eingereicht worden (Art. 100 BGG) und der
Streitwert ist erreicht (Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG).

1.1. Mit der Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht geltend gemacht
werden (Art. 95 BGG), einschliesslich der Verletzung von Bundesverfassungsrecht
(BGE 136 I 241 E. 2.1 S. 247; 136 II 304 E. 2.4 S. 313). Das Bundesgericht
wendet dieses Recht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es
ist daher weder an die Begründung der Parteien noch an die Argumentation der
Vorinstanz gebunden, sondern kann die Beschwerde auch aus andern als den
geltend gemachten Gründen gutheissen oder den Entscheid mit einer Begründung
bestätigen, die von jener der Vorinstanz abweicht (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S.
254 mit Hinweis). Strenge Rügeanforderungen gelten für die Verletzung von
Grundrechten (Art. 106 Abs. 2 BGG, BGE 140 III 115 E. 2 S. 116, 133 II 249 E.
1.4.2 S. 254).

1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Feststellung der
Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht.
"Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 135 III 397 E.
1.5). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG, BGE 140 III 115 E. 2 S. 117 mit
Verweisen).

2.
Die Vorinstanz hat dem Beschwerdegegner einen Teil seiner Forderungen
zugesprochen, die er als Bonus beansprucht. Da der Begriff des Bonus im
Obligationenrecht nicht definiert wird, ist im Einzelfall zu prüfen, ob ein
vereinbarter Bonus als Gratifikation im Sinne von Art. 322d OR oder als Teil
des Lohnes im Sinne von Art. 322 OR zu qualifizieren ist (BGE 141 III 407 E. 4
S. 407 ff.).

2.1. Eine Gratifikation zeichnet sich gegenüber dem Lohn dadurch aus, dass sie
zum Lohn hinzutritt und immer in einem gewissen Masse vom Willen des
Arbeitgebers abhängt. Die Gratifikation wird damit ganz oder zumindest
teilweise freiwillig ausgerichtet (BGE 131 III 615 E. 5.2 S. 620; 129 III 276
E. 2 S. 278). Freiwilligkeit ist anzunehmen, wenn dem Arbeitgeber zumindest bei
der Festsetzung der Höhe des Bonus ein Ermessen zusteht. Ein solches Ermessen
ist zu bejahen, wenn die Höhe des Bonus nicht nur vom Erreichen eines
bestimmten Geschäftsergebnisses, sondern zudem auch von der subjektiven
Einschätzung der persönlichen Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber abhängig
gemacht wird (Urteil 4A_28/2009 vom 26. März 2009 E. 2.3 mit Hinweis). Ein im
Voraus festgesetzter und fest vereinbarter Betrag kann daher keine
Gratifikation sein (BGE 139 III 155 E. 3.1 S. 156 mit Hinweisen).
Aus den Feststellungen im angefochtenen Urteil ergibt sich und die Parteien
stellen nicht in Frage, dass die Ausrichtung des im Arbeitsvertrag vorgesehenen
Bonus vorliegend ins Ermessen der Beschwerdeführerin gestellt war, ohne dass
bestimmte Kriterien für die Auszahlung festgesetzt worden wären. Es ist daher
grundsätzlich davon auszugehen, dass der Bonus als freiwillige Zahlung
vereinbart wurde.

2.2. Ob eine derart ins Ermessen der Arbeitgeberin gestellte freiwillige
Vergütung eine Gratifikation i.S. von Art. 322d OR darstellt, hängt nach der
Rechtsprechung freilich weiter von der Höhe des Gesamteinkommens aus
Arbeitsvertrag und allenfalls vom Verhältnis der freiwilligen Vergütung zum
vereinbarten Lohn ab:

2.2.1. Um den Charakter einer Sondervergütung zu wahren, muss eine
Gratifikation gegenüber dem Lohn  akzessorisch bleiben und darf im Rahmen der
Entschädigung des Arbeitnehmers nur eine zweitrangige Bedeutung einnehmen. Denn
dem Arbeitgeber soll es verwehrt sein, die eigentliche Vergütung des
Arbeitnehmers in Form einer (freiwilligen) Gratifikation auszurichten (BGE 139
III 155 E. 5.3 S. 158 f.). Daher kann es sich auch bei einem Bonus, dessen
Ausrichtung nach der Vereinbarung der Parteien ins Ermessen der Arbeitgeberin
gestellt ist, um einen (variablen) Lohnbestandteil handeln, wenn sich die
entsprechende Vergütung nicht als zweitrangig und damit nicht als akzessorisch
erweist. Unter dem Blickwinkel der Akzessorietät kann bei  niedrigen
Gesamteinkommen bereits ein im Verhältnis zum Lohn geringerer Bonus den
Charakter eines (variablen) Lohnbestandteils aufweisen, da bei einem niedrigen
Einkommen ein kleiner Einkommensunterschied mehr Bedeutung hat, als bei einem
hohen Einkommen. Bei  mittleren und höheren Gesamteinkommen kann ein im
Verhältnis zum Lohn sehr hoher Bonus, ein gleich hoher oder ein den Lohn
übersteigender Bonus, der regelmässig bezahlt wird, trotz vereinbarter
Freiwilligkeit ausnahmsweise einen (variablen) Lohnbestandteil darstellen. Die
entsprechende Grenze kann nicht einfach in einer festen Verhältniszahl zwischen
dem vereinbarten Lohn und dem freiwilligen Bonus liegen. Vielmehr sind die
Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (vgl. zum Ganzen: BGE 141 III 407
E. 4.3.1 S. 408 f.; 139 III 155 E. 3.2 S. 156 f.; 131 III 615 E. 5.2 S. 621;
129 III 276 E. 2.1 S. 279 f.).

2.2.2. Wenn der Arbeitnehmer hingegen ein  sehr hohes Gesamteinkommenerzielt,
das seine wirtschaftliche Existenz bei Weitem gewährleistet bzw. die
Lebenshaltungskosten erheblich übersteigt, kann die Höhe der Gratifikation im
Verhältnis zum Lohn kein entscheidendes Kriterium mehr sein, um über den
Lohncharakter der Sondervergütung zu entscheiden (BGE 141 III 407 E. 4.3.2 S.
409 m.H.). Diesfalls entfällt die Akzessorietätsprüfung und eine ins Ermessen
der Arbeitgeberin gestellte freiwillige Vergütung ist  in je  dem Fall als
Gratifikation zu qualifizieren, auf die kein Anspruch besteht, sofern der
Arbeitnehmer auch ohne den umstrittenen Bonus ein sehr hohes Einkommen aus der
gesamten Entschädigung für seine Arbeitstätigkeit erzielt. Als sehr hohe
Entschädigung wird ein Einkommen aus Arbeitsvertrag angesehen, das den
fünffachen Medianlohn übersteigt (BGE 141 III 407 E. 5 S. 409 ff.). Um die -
tatsächliche - Entschädigung festzustellen, die ein Arbeitnehmer insgesamt aus
Arbeitsvertrag bezieht, stellt das Bundesgericht nicht darauf ab, wofür die
Zahlung erfolgt. Es kommt nicht darauf an, ob die tatsächlich erzielten Bezüge
regelmässige oder einmalige Lohnzahlungen sind, ob es sich um Zahlungen für
besondere Projekte oder Anstrengungen, (andere) Gratifikationen, Prämien zu
irgendwelchen Anlässen oder anderes handelt; es ist nicht entscheidend, unter
welchem Titel oder unter welcher Bezeichnung sie bezahlt werden. Es kommt daher
auch nicht darauf an, für welche Zeitperiode sie erfolgen bzw. für welches
Geschäftsjahr sie nach der Parteivereinbarung bestimmt sind. Für die Höhe des
Lohnes im vorliegenden Zusammenhang sind allein die tatsächlichen Einkünfte im
Zeitpunkt ihrer Realisierung massgebend. Es ist daher zur Feststellung der
Bezüge aus Arbeitsvertrag während der massgebenden Zeitspanne rein tatsächlich
zu ermitteln, welche Einnahmen dem Arbeitnehmer während dieser Zeit aus
Arbeitsvertrag zugeflossen sind (BGE 141 III 407 E. 6 S. 416 f.).

2.3. Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz festgestellt, dass das
Geschäftsjahr der Beschwerdeführerin jeweils von Ende März bis zum 1. April des
Folgejahres dauerte. Beide Parteien gehen davon aus, dass jeweils die Bezüge
einem Geschäftsjahr zuzuordnen seien, um zu ermitteln, ob die Gesamtvergütung
des Beschwerdegegners aus Arbeitsvertrag das Fünffache des Medianlohnes
erreicht oder übersteigt. Dies entspricht der Praxis nicht. Danach ist vielmehr
auf den Zeitpunkt des effektiven Geldzuflusses abzustellen zur Beurteilung, ob
in einem bestimmten Zeitraum die Grenze des sehr hohen Einkommens erreicht oder
überschritten ist. Der Rechtstitel, unter dem die Zahlung erfolgt, ist nur für
die Frage entscheidend, ob die dem Arbeitnehmer zugeflossenen Mittel aus
Arbeitsvertrag stammen. Sonst spielt keine Rolle, wofür der Arbeitnehmer die
geldwerten Leistungen erhält. Für die Ermittlung des massgebenden Einkommens
aus Arbeitsvertrag ist nicht die Zuordnung einer Zahlung zu einem
Geschäftsjahr, sondern der Zeitpunkt der Zahlung erheblich.

2.4. Der massgebliche Zeitraum zur Beurteilung, ob ein Arbeitnehmer aus dem
Arbeitsvertrag ein sehr hohes Einkommen erzielt, bestimmt sich in der Regel
nach einem Jahreslohn (BGE 141 III 407 E. 5.3.1 S. 412). Im erwähnten
publizierten Urteil vom 11. August 2015 wurde das Einkommen ermittelt, das dem
Arbeitnehmer während des letzten halben Jahres vor der Beendigung des
Arbeitsvertrages per Ende Juni zugeflossen war. Diese Einkünfte überschritten
die Grenze des sehr hohen Einkommens, während der Arbeitnehmer in diesem Fall
früher noch höhere Einkünfte erzielt hatte; es stand daher nicht in Frage, dass
auch die Einkünfte der letzten sechs Monate vor Ende des Arbeitsvertrages
aussagekräftig waren. Vorliegend fällt das Ende des Arbeitsvertrages mit dem
Ende eines Geschäftsjahres der Arbeitgeberin zusammen. Es ist daher ohne
weiteres auf die gesamten Einkünfte des Beschwerdegegners im letzten Jahr vor
Vertragsbeendigung abzustellen zur Beurteilung, ob er ein sehr hohes Einkommen
aus Arbeitsvertrag erzielte. Denn es besteht kein Grund, an der Aussagekraft
dieser Einkünfte zu zweifeln.

2.5. Die Vorinstanz stellt im angefochtenen Urteil fest, welche Boni jeweils
für ein Geschäftsjahr ausgezahlt wurden und rechnet die entsprechenden
Zahlungen dem Geschäftsjahr zu, für das sie nach der Vereinbarung bezahlt
wurden. Der Zeitpunkt der Zahlungen wird im angefochtenen Urteil nicht
festgestellt; vielmehr wird nicht unterschieden zwischen Zahlungen "für" ein
Geschäftsjahr und "in" einem Geschäftsjahr. Es kann jedoch davon abgesehen
werden, die Sache zur Neubeurteilung zurückzuweisen, denn es ergibt sich aus
den Akten und wird auch vom Beschwerdegegner in der Antwort nicht in Frage
gestellt, dass der Bonus für das Geschäftsjahr 2011/2012 erst nach Ablauf
dieses Geschäftsjahres tatsächlich bezahlt wurde - auch wenn der
Beschwerdeführer selbst zuweilen die tatsächlich erfolgten Zahlungen "in" einem
Geschäftsjahr mit den "für das Geschäftsjahr" ausgerichteten Zahlungen
gleichsetzt. Aus der der Antwort beigefügten Beilage 3 ergibt sich eindeutig,
dass die Auszahlung des Bonus "für" das Geschäftsjahr 2011/2012 am 25. Juni
2012 erfolgt ist, was mit der Feststellung im Urteil des Arbeitsgerichts
übereinstimmt, wonach dem Beschwerdegegner der Bonus "für" das Geschäftsjahr
2011/2012 im Umfang von Fr. 214'480.-- im Juni 2012 überwiesen wurde. Neben dem
unbestrittenen Grundlohn von Fr. 239'220.-- nahm der Beschwerdegegner daher in
der hier massgebenden Zeit vom 1. April 2012 bis 31. März 2013 unter dem Titel
"Bonus für das Geschäftsjahr 2011/2012" im Juni 2012 weitere Fr. 214'480.--
(sowie im Dezember 2012 Fr. 30'000.--) ein. Die tatsächlichen Einnahmen des
Beschwerdegegners im letzten Jahr vor Beendigung seines Vertrages mit der
Beschwerdeführerin beliefen sich damit auf Fr. 483'700.--. Dieser Betrag
übersteigt den fünffachen Medianlohn in der von keiner Partei in Frage
gestellten Höhe von Fr. 367'725.--.

2.6. Die Einnahmen, welche der Beschwerdegegner im letzten Jahr seiner
Tätigkeit vor Beendigung des Arbeitsvertrages tatsächlich aus dem
Arbeitsverhältnis erzielte, übersteigen das Fünffache des schweizerischen
Medianlohnes. Die Vergütung, die der Beschwerdegegner für seine
Arbeitstätigkeit bei der Beschwerdeführerin tatsächlich unabhängig vom
umstrittenen Bonus erhielt, war sehr hoch. Unter diesen Umständen hat der
Beschwerdegegner keinen Anspruch auf die im Arbeitsvertrag in Aussicht
gestellte freiwillige Leistung. Die Frage nach der Akzessorietät, also ob der
als freiwillige Leistung vereinbarte Bonus aufgrund der Gestaltung und
Handhabung der Entlöhnung (namentlich wegen dessen verhältnismässiger Höhe zum
Grundlohn) als (variabler) Lohnbestandteil zu qualifizieren ist, stellt sich
nicht.

2.7. Der Beschwerdegegner hat aufgrund seiner sehr hohen Einkünfte aus dem
Arbeitsvertrag mit der Beschwerdeführerin keinen Anspruch auf die Bezahlung des
als freiwillige Leistung der Arbeitgeberin vereinbarten Bonus. Die Klage ist
abzuweisen.

3.
Die Beschwerde erweist sich als begründet. Der angefochtene Entscheid ist
aufzuheben und die Klage ist in Bestätigung des erstinstanzlichen Entscheids
abzuweisen. Bei diesem Ergebnis kann die von der Beschwerdeführerin
aufgeworfene Frage, ob die Vorinstanz überhaupt auf die Berufung hätte
eintreten dürfen, offen bleiben.
Die Sache ist zur Neuverlegung der Kosten des kantonalen Verfahren an die
Vorinstanz zurückzuweisen.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdegegner zu
auferlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG); dieser hat der Beschwerdeführerin überdies
deren Parteikosten für das Verfahren vor Bundesgericht zu ersetzen (Art. 68
Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons
Zürich vom 16. September 2015 wird aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.

2.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des kantonalen Verfahrens an die
Vorinstanz zurückgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.

4.
Der Beschwerdegegner hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 6'000.-- zu entschädigen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. April 2016

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Kiss

Der Gerichtsschreiber: Hurni

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