Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.553/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
4A_553/2015

Urteil vom 10. März 2016

I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
Bundesrichterin Klett, Bundesrichter Kolly,
Bundesrichterinnen Hohl, Niquille,
Gerichtsschreiberin Reitze-Page.

Verfahrensbeteiligte
A.________AG,
vertreten durch Rechtsanwältin Anita Thanei,
Beschwerdeführerin,

gegen

1.       B.________,
       vertreten durch Fürsprecher Claude Monnier,
Beschwerdegegnerin,
2.       Pensionskasse C.,
       vertreten durch Fürsprecher Hans Bättig,
Streitberufene.

Gegenstand
Übergang des Mietverhältnisses, Heimfall einer im Baurecht erstellten Baute,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern,
Zivilabteilung, 1. Zivilkammer,
vom 8. September 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. Mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 24. Mai 1968 räumte der damalige
Grundeigentümer D.________ der E.________ (heute: Pensionskasse C.;
nachfolgend: Vermieterin, Streitberufene) auf dem Grundstück Köniz-Gbbl. Nr.
XXX ein selbstständiges und dauerndes Baurecht bis 30. April 2013 ein (Art. 675
und 779 ZGB). Für den Fall der Nichteinigung über eine Verlängerung des
Baurechtsvertrages wurde die Übernahme der Bauten und Anlagen durch den
Grundeigentümer gegen Vergütung zum dannzumaligen Zustandswert vereinbart. Das
Baurecht wurde als eigenes Grundstück in das Grundbuch aufgenommen (Köniz-Gbbl.
Nr. YYY). Die Grundstückbeschreibung lautete "Baurecht mit Rentenpflicht auf
Parzelle XXX bis 30.4.2013".
Die Vermieterin vermietete das im Baurecht auf dem Grundstück Köniz-Gbbl. Nr.
XXX stehende Ladenlokal mitsamt Nebenräumen und Parkplätzen an der Strasse X in
U.________ ab 29. September 1980 an die A.________AG (Mieterin, Klägerin,
Beschwerdeführerin). Nach Ablauf der vereinbarten Mietdauer und Ausübung
sämtlicher vertraglicher Optionen durch die Klägerin verlängerte sich das
Mietverhältnis ab 1. Oktober 2010 gemäss vertraglicher Vereinbarung
stillschweigend um jeweils zwei Jahre. Die vertragliche Kündigungsfrist beträgt
12 Monate. Der Mietvertrag wurde im Grundbuch vorgemerkt.
Das baurechtsbelastete Grundstück Köniz-Gbbl. Nr. XXX wurde im Jahre 2012 von
B.________ (Beklagte, Beschwerdegegnerin) erworben. Die Beklagte teilte der
Klägerin mit Schreiben vom 8. April 2013 mit, dass deren Mietverhältnis mit der
Vermieterin durch Heimfall per 30. April 2013 dahinfalle, sich die Klägerin
deshalb ab 1. Mai 2013 in einem vertragslosen Zustand befinden werde und
künftige Zahlungen direkt und als Entschädigung, ausdrücklich aber nicht als
Mietzins entgegen genommen würden.
Am 23. April 2013 kündigte die Vermieterin den Mietvertrag mit der Klägerin auf
den 30. September 2014 mittels amtlichem Formular.

B.

B.a. Mit Eingabe vom 28. August 2013 erhob die Klägerin beim Regionalgericht
Bern-Mittelland Klage gegen die Beklagte und beantragte im Wesentlichen, die
Kündigung vom 23. April 2013 sei als ungültig zu erklären, eventualiter sei das
Mietverhältnis erstmalig um zwei Jahre zu erstrecken. Gleichzeitig verkündete
sie der Vermieterin den Streit.
Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage und in prozessualer Hinsicht, das
Verfahren sei auf die Frage betreffend den Übergang des Mietverhältnisses zu
beschränken. Sie verkündete der Streitberufenen ebenfalls den Streit.
An der Hauptverhandlung vom 7. Mai 2014 wurde das Verfahren auf die Frage der
Passivlegitimation der Beklagten beschränkt und die Streitberufene für diesen
ersten Teil des Verfahrens als Intervenientin zugunsten der Klägerin
zugelassen. Mit Entscheid vom 2. Februar 2015 wies das Regionalgericht
Bern-Mittelland die Klage ab.

B.b. Dagegen erhob die Klägerin Berufung beim Obergericht des Kantons Bern und
beantragte, es sei festzustellen, dass das Mietverhältnis auf die Beklagte und
Berufungsbeklagte übergegangen und diese somit für das
Kündigungsschutzverfahren passivlegitimiert sei (Ziff. 1). Die Sache sei nach
Eintritt der Rechtskraft zum Entscheid betreffend Kündigungsanfechtung/
Erstreckung an die Vorinstanz zurückzuweisen (Ziff. 2); alles unter Kosten- und
Entschädigungsfolge (Ziff. 3). Sie verkündete der Intervenientin erneut
gestützt auf Art. 78 ZPO den Streit.
In Bestätigung des erstinstanzlichen Entscheids wies das Obergericht die Klage
mit Entscheid vom 8. September 2015 kostenfällig ab.

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beschwerdeführerin dem
Bundesgericht unter Aufrechterhaltung ihrer vorinstanzlichen Begehren die
Aufhebung des Entscheids des Obergerichts des Kantons Bern vom 8. September
2015.
Die Beschwerdegegnerin trägt auf Abweisung der Beschwerde an, soweit darauf
einzutreten sei. Die Streitberufene schliesst sich den Rechtsbegehren der
Beschwerdeführerin an. Die Beschwerdeführerin hat unaufgefordert eine Replik
eingereicht.
Die Vorinstanz hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
Die Eintretensvoraussetzungen geben keinen Anlass zu Bemerkungen. Auf die
Beschwerde ist unter Vorbehalt einer rechtsgenüglichen Begründung (Art. 42 Abs.
2 BGG) einzutreten.

2.

2.1. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Mit Blick auf die allgemeinen Begründungsanforderungen an eine Beschwerde
(Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) behandelt es aber grundsätzlich nur die geltend
gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich
sind; es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle
sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht
nicht mehr vorgetragen werden (BGE 140 III 86 E. 2 S. 88 f. mit Hinweisen).

2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu gehören sowohl die
Feststellungen über den streitgegenständlichen Lebenssachverhalt als auch jene
über den Ablauf des vor- und erstinstanzlichen Verfahrens, also die
Feststellungen über den Prozesssachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 17 f.
mit Hinweisen). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
"Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2
S. 117, 264 E. 2.3 S. 266; 135 III 397 E. 1.5 S. 401). Überdies muss die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97
Abs. 1 BGG). Wer die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz anfechten will,
muss substanziiert darlegen, inwiefern die Voraussetzungen einer Ausnahme
gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG gegeben sind und das Verfahren bei rechtskonformer
Ermittlung des Sachverhalts anders ausgegangen wäre; andernfalls kann ein
Sachverhalt, der vom im angefochtenen Entscheid festgestellten abweicht, nicht
berücksichtigt werden (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 17 f., 264 E. 2.3 S. 266; je
mit Hinweisen).

3.
Die Vorinstanz erwog, am 30. April 2013 sei das zeitlich befristete Baurecht
untergegangen. Mit Untergang des Baurechts sei der Beschwerdegegnerin das auf
ihrem Grundstück errichtete Bauwerk gemäss Art. 779c ZGB heimgefallen. Die
Beschwerdegegnerin sei somit Eigentümerin des Mietobjekts geworden. Sodann sei
unbestritten, dass die Beschwerdegegnerin nie willentlich in den zwischen der
Beschwerdeführerin und der Streitberufenen geschlossenen Mietvertrag
eingetreten sei. Die Bejahung der Passivlegitimation der Beschwerdegegnerin
setze deshalb einen Übergang des Mietverhältnisses von Gesetzes wegen voraus.
Die zu prüfende Frage sei daher, ob mit dem Heimfall gemäss Art. 779c ZGB von
Gesetzes wegen auch ein Übergang des Mietverhältnisses auf den Grundeigentümer
erfolge. Ein Übergang vertraglicher Ansprüche am heimfallenden Bauwerk an den
Grundeigentümer werde in den sachenrechtlichen Bestimmungen nicht geregelt. Ein
Übergang des Mietverhältnisses komme deshalb nur gestützt auf Art. 261 und 261a
OR in Frage, welche Bestimmungen einen gesetzlichen Übergang des
Mietverhältnisses für den Fall der Veräusserung oder der Zwangsverwertung der
Sache vorsähen bzw. analog im Falle der Einräumung eines beschränkten
dinglichen Rechts an einen Dritten, wenn dies einem Eigentümerwechsel
gleichkomme. In der Folge verneinte sie, dass gestützt auf Art. 261 Abs. 1 OR
das Mietverhältnis auf die Beschwerdegegnerin übergegangen sei.

4.
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass sich einzig die Frage stellt, ob
beim Heimfall gemäss Art. 779c ZGB der Mietvertrag von Gesetzes wegen auf die
Grundeigentümerin übergeht. Sie bringt wie bereits vor Vorinstanz vor, der
Heimfall werde unmittelbar von Art. 261 Abs. 1 OR erfasst, denn
Anknüpfungspunkt dieser Bestimmung sei der Eigentumsübergang, nicht das
zugrunde liegende Veräusserungsgeschäft. Sie geht also davon aus, sämtliche
Formen des Eigentumsübergangs würden von Art. 261 Abs. 1 OR erfasst. Sie macht
geltend, bereits der Wortlaut von Art. 261 Abs. 1 OR spreche für diese
Auslegung, indem sie den Satzteil "so geht das Mietverhältnis mit dem Eigentum
an der Sache auf den Erwerber über " hervorhebt. Damit verkennt sie aber die
Struktur der Norm. "So geht das Mietverhältnis mit dem Eigentum (...) über "
ist die Rechtsfolge,  wenn - und das ist die Voraussetzung - der Vermieter die
Sache veräussert. Besonders deutlich wird die wenn/dann-Konklusion im
französischen Text der Norm (  Si, [...] le bailleur aliène la chose louée
[...], le bail passe à l'acquéreur avec la propriété de la chose"). Nichts
anderes ergibt sich aus der von der Beschwerdeführerin zitierten Stelle (S.
1440) in der Botschaft des Bundesrats zur Revision des Miet- und Pachtrechts
vom 27. März 1985 (nachfolgend: Botschaft). Zwar heisst es dort, der bisherige
Randtitel "Kauf bricht Miete" sei ungenau, denn nicht der Kauf, sondern der
Übergang des Eigentums breche die Miete. Diese Aussage bezieht sich aber einzig
auf den Zeitpunkt. Wie bereits die Vorinstanz zutreffend ausführte, wird damit
lediglich der Umstand berücksichtigt, dass das Mietverhältnis nicht bereits mit
dem Verpflichtungsgeschäft (dem Kaufvertrag), sondern erst zum Zeitpunkt des
Verfügungsgeschäfts übergeht. In der Botschaft wird denn auch
unmissverständlich festgehalten, Art. 261 OR regle "die Auswirkungen der
Veräusserung der Mietsache" (Botschaft, a.a.O., S. 1440). Aus den Materialien
ergeben sich keine Hinweise, dass sich der Gesetzgeber bewusst gewesen wäre,
dass ein Zusammenhang der obligationenrechtlichen Regelung mit dem Sachenrecht
besteht (BETTINA HÜRLIMANN-KAUP, Grundfragen des Zusammenwirkens von Miete und
Sachenrecht, 2008, Rz. 482 ff., v.a. Rz. 499 mit umfassenden Hinweisen). Die
Vorinstanz ging somit zu Recht davon aus, dass Art. 261 Abs. 1 OR den Fall des
Untergangs des Baurechts und Heimfall gemäss Art. 779c OR nicht erfasst. Was
die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, ist offensichtlich unbehelflich.

5.
Es trifft aber zu, dass der Mieter sich in einer ähnlichen Situation befinden
kann wie bei einer Veräusserung der Mietsache, wenn der Inhaber eines Baurechts
die Sache vermietet und das Recht vor Ablauf des Mietvertrags untergeht. Zu
prüfen ist daher, ob Art. 261 Abs. 1 OR in einer solchen Situation analog
angewendet werden kann.

5.1. Das Bundesgericht hat diese Frage im Hinblick auf den Heimfall einer im
Baurecht erstellten Baute bislang nicht beantwortet. In BGE 113 II 121 (E. 3.b)
hat es die analoge Anwendung von Art. 259 Abs. 2 aOR beim Untergang der
Nutzniessung zufolge Todes des Nutzniessers bejaht. Der Untergang der
Nutzniessung wurde also gleich behandelt wie die Veräusserung des Mietobjekts.
Dies wurde begründet mit der Interessenlage des Mieters einerseits und jener
des Dritten, der zuvor nur das nackte Eigentum innehatte. Der Mieter sei
plötzlich und ohne sein Verschulden mit einem Dritten konfrontiert, der nicht
sein Vertragspartner sei. Zwar sei es möglich, dass auch der Dritte - anders
als der Erwerber im Rahmen eines Kaufvertrages - überrascht werde. Aber viel
wahrscheinlicher sei, dass der Erbe, dem zuvor nur das nackte Eigentum zustand,
sich um die Vermögenswerte der Erbschaft gekümmert habe und ihm daher das
Bestehen eines Mietvertrages betreffend einer Erbschafts-Liegenschaft bekannt
sei. Berücksichtigt wurde zudem, dass Art. 259 Abs. 2 aOR die Übernahme des
Mietvertrages nur für eine sehr begrenzte Zeit vorsah.

5.2. In der Lehre wird die Frage unterschiedlich beantwortet, ob und wenn ja
wieweit Art. 261 OR bei Erlöschen eines beschränkten dinglichen Rechts - wobei
es in der Praxis um die Nutzniessung und das Baurecht geht - analog anwendbar
ist. Eine analoge Anwendung befürworten: ROGER WEBER, in: Basler Kommentar
Obligationenrecht, 6. Aufl. 2015, N. 2 zu Art. 261a OR; SVIT-Kommentar, 3.
Aufl. 2008, N. 7 zu Art. 261-261a OR; PETER HEINRICH, in: Handkommentar zum
Schweizer Privatrecht, 2. Aufl. 2012, N. 2 zu Art. 261-261b OR; PETER ISLER/
DOMINIQUE GROSS, in: Basler Kommentar zum Zivilgesetzbuch II, 5. Aufl. 2015, N.
4 zu Art. 779c ZGB; MAX BAUMANN, in: Zürcher Kommentar zum Zivilgesetzbuch, 3.
Aufl. 1999, N. 12 zu Art. 751 ZGB und N. 21 zu Art. 758 ZGB (bezieht sich auf
die Nutzniessung); PAUL-HENRI STEINAUER, Les droits réels, tome III, 4. Aufl.
2012, Rz. 2430a und Rz. 2438c (bezogen auf die Nutzniessung, keine expliziten
Ausführungen zum Baurecht); NICOLAS SAVIAUX, Le sort du bail en cas de
changement de propriétaire, in: Cahiers du bail 2003, S. 65 ff., S. 73 Fn. 38
(bezogen auf die Nutzniessung); wohl auch DAVID LACHAT, Le bail à loyer, 2008,
Ziff. 4.1.2. Diese Autoren begründen indessen ihre Auffassung nicht weiter. Zum
Teil verweisen sie einfach auf BGE 113 II 121, womit nicht klar ist, ob bzw.
inwieweit sie auch die analoge Anwendung bei Beendigung des Baurechts zufolge
Ablauf der vertraglichen Befristung bejahen. Umgekehrt spricht sich PETER HIGI
(in: Zürcher Kommentar zum Obligationenrecht, 1994, N. 7 zu Art. 261-261a OR)
gegen eine analoge Anwendung aus - ebenfalls ohne weitere Begründung.
Jener Teil der Lehre, der sich vertieft mit dem Erlöschen des Baurechts
befasst, erachtet in Anlehnung an die Wertungen in BGE 113 II 121 als
entscheidend, ob die Beendigung des Baurechts für den Mieter voraussehbar war.
War sie nicht voraussehbar, sei eine analoge Anwendung des Art. 261 Abs. 1 OR
gerechtfertigt wie beim Untergang der Nutzniessung durch Tod. Gehe jedoch das
Baurecht unter durch Zeitablauf, sei im Grundsatz ein Übergang des
Mietvertrages abzulehnen. In diesem Fall  könne der Mieter  wissen, wann die
Rechte seines Vermieters untergingen. Auch die Interessenlage des
Grundeigentümers, dem die Bauwerke heimfallen, sei eine andere als diejenige
des Käufers einer Liegenschaft, der - wenn er sich zum Kauf entscheide - um das
Bestehen des Mietvertrages wisse. Der Grundeigentümer dürfe vielmehr davon
ausgehen, dass er sein Eigentum unbelastet zurück erhalte (PAUL-HENRI
STEINAUER, Retour anticipé et extinction du droit de superficie, in: Bénédict
Foëx [Hrsg.], Droit de superficie et leasing immobilier, 2011, S. 75).
HÜRLIMANN-KAUP erachtet die Interessenlage im Fall des Untergangs durch
Zeitablauf nicht als eindeutig, denn der Mieter  wisse unter Umständen  nicht,
dass sein Vermieter lediglich Inhaber eines beschränkten dinglichen Rechts sei,
sodass er sich nicht rechtzeitig um ein Ersatzobjekt bemühen könne. Im
Gegensatz zu STEINAUER stellt sie also auf das tatsächliche Wissen ab.
Namentlich angesichts der Wertungen des Gesetzgebers bei der Untermiete, wo der
Anspruch des Untermieters auf Realerfüllung des Untermietvertrages durch die
Dauer des Hauptmietvertrages beschränkt sei, lehnt sie aber ebenfalls eine
analoge Anwendung von Art. 261 Abs. 1 OR bei Untergang des beschränkten
dinglichen Rechts (Nutzniessung und Baurecht) durch Zeitablauf ab (BETTINA
HÜRLIMANN-KAUP, a.a.O., Rz. 695, 697 und 707 f.). Auf den Vergleich mit dem
Untermietverhältnis beziehen sich auch PIOTET und ihm folgend HENGGELER, die
eine analoge Anwendung von Art. 261 Abs. 1 OR aber vor allem aus dogmatischen
Gründen als mit der Eigentümerstellung nicht vereinbar ablehnen (DENIS PIOTET,
Le principe "la vente ne rompt pas le bail" et le système général des droits
réels, 1993, Rz. 182 i.V.m. Rz. 171 betreffend eine zeitlich vorhersehbare
Beendigung der Nutzniessung; BENNO HENGGELER, Die Beendigung der
Baurechtsdienstbarkeiten infolge Zeitablaufs und der vorzeitige Heimfall [Art.
779c ff. ZGB], 2005, S. 89 f.).

5.3. Analogie ist die teleologisch motivierte Erweiterung des
Anwendungsbereichs einer Rechtsnorm jenseits der äusseren Wortlautgrenze (SUSAN
EMMENEGGER/AXEL TSCHENTSCHER, in: Berner Kommentar zum Zivilgesetzbuch, 2012,
N. 376 zu Art. 1 ZGB). Auf den Theorienstreit, ob es sich dabei um Auslegung
(Art. 1 Abs. 1 ZGB) oder Lückenfüllung (Art. 1 Abs. 2 ZGB) handelt (vgl.
EMMENEGGER/TSCHENTSCHER, a.a.O., N. 377 ff. zu Art. 1 ZGB), muss hier nicht
weiter eingegangen werden. Eine teleologisch motivierte Erweiterung von Art.
261 OR setzt auf jeden Fall voraus, dass die Interessenlage der vom Heimfall
Betroffenen vergleichbar ist mit jener der Parteien gemäss Art. 261 OR.

5.3.1. Das Bundesgericht rechtfertigte seinen Analogieschluss in BGE 113 II 121
massgeblich damit, dass der plötzliche Tod des Nutzniessers für den Mieter
ebenso wenig voraussehbar sei wie der Eigentumswechsel zufolge Veräusserung und
daher das Schutzbedürfnis vergleichbar. Entsprechend knüpft denn auch ein Teil
der zitierten Lehre bei der Voraussehbarkeit an. Auch die Vorinstanz ging davon
aus. Für sie war in der Folge entscheidend, dass es sich um einen ordentlichen
Heimfall infolge Zeitablauf des Baurechts nach Art. 779c ZGB handelt, das
betreffende selbstständige und dauernde Baurecht als eigenes Grundstück im
Grundbuch aufgenommen und dem Grundbucheintrag die zeitliche Beschränkung bis
zum 30. April 2013 zu entnehmen war. Gestützt auf Art. 970 Abs. 4 ZGB bestehe
die Fiktion der Kenntnis des Grundbucheintrags. Auf den tatsächlichen
Kenntnisstand der Beschwerdeführerin komme es daher nicht an. Habe sie somit
jedenfalls fiktiv Kenntnis von der Befristung gehabt, bestehe keine unerwartete
Entwicklung im Sinn der bundesrechtlichen Rechtsprechung.
Die Beschwerdeführerin rügt, damit verkenne die Vorinstanz die Tragweite von
Art. 970 Abs. 4 ZGB. Auch wenn das Grundbuch öffentlich ist, könne nicht
vorausgesetzt werden, dass eine Mieterschaft im Grundbuch nachforscht, ob die
Vermieterin nur Baurechtsnehmerin oder Eigentümerin ist und wann ein
allfälliges Baurecht abläuft.

5.3.2. Die Rüge ist grundsätzlich berechtigt. Die Fiktion der Kenntnis des
Grundbuchinhalts (Art. 970 Abs. 4 ZGB) dient der Verkehrssicherheit im
Immobiliarverkehr und bewirkt, dass sich der gutgläubige Erwerber eines
dinglichen oder vormerkbaren persönlichen Rechts nicht auf die Unkenntnis der
durch das Grundbuch ausgewiesenen Rechtslage berufen kann, angesichts der
einschneidenden Rechtsfolgen des Art. 973 ZGB. Die Fiktion hat jedoch nicht die
Bedeutung, dass für jedermann der Inhalt des Grundbuchs als bekannt
vorausgesetzt werden darf (JÜRG SCHMID, in: Basler Kommentar zum
Zivilgesetzbuch II, 5. Aufl. 2015, N. 32 zu Art. 970 ZGB; ARTHUR HOMBERGER, in:
Zürcher Kommentar zum Zivilgesetzbuch, 2. Aufl. 1938, N. 21 Vorbemerkungen zu
Art. 942 ff. ZGB i.V.m. N. 1 zu Art. 970 ZGB; vgl. auch die Einschränkung der
Bedeutung im Urteil 4C.458/1996 vom 20. Februar 1997 E. 3, publ. in ZBGR 79/
1998 S. 49).
Vorliegend wurde die Beschwerdeführerin aber durch den Mietvertrag (Ziff. 17)
ermächtigt, den Mietvertrag im Grundbuch vormerken zu lassen, was zulässig ist
(PETER HIGI, a.a.O., N. 8 zu Art. 261b OR mit Hinweisen). Der Mietvertrag wurde
denn auch, wie die Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich festgestellt
hat, tatsächlich im Grundbuch vorgemerkt auf dem selbstständigen und dauernden
Baurechtsgrundstück. Mit diesem Eintrag auf dem entsprechenden Grundbuchblatt
war der Beschwerdeführerin - auch ohne Nachforschung - tatsächlich zur Kenntnis
gebracht, dass die Vermieterin lediglich Baurechtsinhaberin war. Ob sie sich
heute noch daran erinnert, ist nicht von Belang. War der Beschwerdeführerin
aber die Tatsache des Baurechts als solches bekannt, hat sie es sich selbst
zuzuschreiben, wenn sie sich nicht um die Befristung kümmerte, die aus dem
Grundbuch ersichtlich war. Im Ergebnis ging die Vorinstanz daher zu Recht davon
aus, dass der Heimfall für die Beschwerdeführerin voraussehbar gewesen wäre,
weshalb eine analoge Anwendung von Art. 261 Abs. 1 OR bereits aus diesem Grund
nicht in Frage kommt und die Passivlegitimation zu verneinen ist.
Aufgrund dieses Ergebnisses kann offen bleiben, ob eine analoge Anwendung von
Art. 261 Abs. 1 OR angesichts der übrigen in BGE 113 II 121 erwähnten
Gesichtspunkte auf den Untergang des befristeten Baurechts überhaupt
gerechtfertigt wäre.

6.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die Beschwerdeführerin kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG). Die
Parteientschädigung an die Beschwerdegegnerin wird indessen nicht nach der vom
Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin eingereichten Kostennote, sondern nach
der Praxis des Bundesgerichts auf Fr. 9'500.-- festgelegt. Die Streitberufe,
welche die gleichen Rechtsbegehren wie die Beschwerdeführerin gestellt hat,
unterliegt, weshalb ihr keine Parteientschädigung zuzusprechen ist.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 8'500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 9'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern,
Zivilabteilung, 1. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 10. März 2016

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Kiss

Die Gerichtsschreiberin: Reitze-Page

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