Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.54/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
4A_54/2015

Urteil vom 17. August 2015

I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterinnen Hohl, Niquille,
Gerichtsschreiber Leemann.

Verfahrensbeteiligte
A.________ AS,
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Hochstrasser
und Rechtsanwältin Simone Fuchs,
Beschwerdeführerin,

gegen

B.________ SAL,
vertreten durch Rechtsanwältinnen
Dominique Brown-Berset und Béatrice Castellane,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Internationales Schiedsgericht,

Beschwerde gegen den Schiedsentscheid des ICC Schiedsgerichts mit Sitz in
Zürich
vom 18. Dezember 2014.

Sachverhalt:

A.
A.________ AS mit Sitz in U.________ (Beklagte, Beschwerdeführerin) schloss am
16. Februar 2011 mit B.________ SAL, in V.________, (Klägerin,
Beschwerdegegnerin) eine als "Consultancy Services Agreement" (nachfolgend:
CSA) bezeichnete Vereinbarung ab.

 Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses hatte die Beklagte bereits den Zuschlag für
den Bau einer Phosphat-Schlamm-Pipeline erhalten und die Arbeiten für das
Projekt waren seit dem 29. Oktober 2010 im Gang. Zudem hatten die Parteien
bereits am 26. Oktober 2010 zwei Beratungsverträge abgeschlossen; beide wurden
mit Auflösungsvereinbarung vom 16. Februar 2011 aufgehoben und durch das CSA
vom gleichen Tag ersetzt.

 Im CSA verpflichtete sich die Klägerin, bestimmte Dienstleistungen im
Zusammenhang mit dem Bauprojekt zu erbringen. Hinsichtlich der von der
Beklagten geschuldeten Entschädigung sieht Ziffer 4.1 CSA Folgendes vor:

"In compensation for all SERVICES rendered and for all costs and expenses
incurred by the CONSULTANT, A.________ shall pay the CONSULTANT a fee
(hereinafter the "Fee") of 2% (two percent) of the CONTRACT price.
The Fee will be paid in the following manner:

- 50% (fifty percent) of the Fee shall be paid as follows:

30% (thirty percent) of this portion as will be calculated based on the
CONTRACT Price [i.e. an amount equal to 0.3% (zero point three percent) of the
CONTRACT Price] shall be paid after A.________ actually receives 10% Advance
Payment from the Client.
70% (seventy percent) of this portion shall be paid pro-rata to the payments
actually received by A.________ under the CONTRACT [i.e. 0.7% (zero point seven
percent) of each payment received].
The subject payments will be made in the same currency that A.________ shall be
paid by the CLIENT and within 30 (thirty) days from the date A.________
actually receives all the relevant payments from the OWNER, and against
eligible invoices of the CONSULTANT.
- Remaining 50% (fifty percent) of the Fee shall be due by way of "quarterly"
instalments to be calculated pro-rata to the payments actually received by
A.________ under the CONTRACT [i.e. 1% (one percent) of each quarterly payments
received] and after all pending issues or problems with the PROJECT as of end
of such quarterly period are resolved. The subject payments will be made in the
same currency that A.________ shall have been paid by the owner, after
A.________ having resolved all pending issues or problems with the PROJECT and
actually having received all the relevant payments under the CONTRACT as of end
of the respective instalment period, then within 30 (thirty) days and against
eligible invoices of the CONSULTANT.
- The CONTRACT Price referred to above shall be the Contract Price as signed by
A.________ excluding any VAT (Value Added Tax) corresponding thereto as the
case may be."

 Den von der Klägerin am 23. Mai 2011 in Rechnung gestellten Betrag von EUR
980'454.-- (Rechnung A-1) bezahlte die Beklagte am 25. Juni 2011. Die weiteren
sechs ausgestellten Rechnungen (A-2 bis A-7) blieben hingegen unbeglichen, da
sich die Beklagte auf den Standpunkt stellte, die darin aufgeführten Beträge
seien unter dem CSA nicht geschuldet.

 Das CSA enthält eine Schiedsklausel zugunsten eines Schiedsgerichts mit Sitz
in Zürich. In der Sache wurde Schweizer Recht für anwendbar erklärt.

B.
In der Folge leitete die Klägerin ein Schiedsverfahren nach den Bestimmungen
der Internationalen Handelskammer (ICC) gegen die Beklagte ein, im Wesentlichen
mit dem (im Laufe des Schiedsverfahrens ergänzten) Rechtsbegehren, die Beklagte
sei zur Zahlung von insgesamt EUR 5'632'549.67 zu verpflichten (entsprechend
den unbezahlten Rechnungen Nr. A-2 bis A-7 über EUR 866'651, EUR 1'683'772, EUR
1'573'584, EUR 943'855.45, EUR 448'017.-- und EUR 116'670.22), zuzüglich Zins
zu 5 %.

 Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und verlangte widerklageweise
die Rückzahlung des mit der ersten Rechnung bezahlten Betrags von EUR
980'454.--, zuzüglich Zins.

 Mit Entscheid vom 13. Juni 2013 ernannte der ICC-Gerichtshof einen
Einzelschiedsrichter.

 Am 9. und 10. Juli 2014 fand in Genf eine mündliche Verhandlung statt, an der
unter anderem verschiedene Zeugen angehört wurden.

 Mit Schiedsentscheid vom 18. Dezember 2014 hiess der Einzelschiedsrichter die
Klage grösstenteils gut und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung der
folgenden Beträge an die Klägerin (Dispositiv-Ziffer I.) :

- EUR 866'651.-- zuzüglich Zins zu 5 % seit 18. März 2012;
- EUR 1'683'772.-- zuzüglich Zins zu 5 % seit 10. Januar 2013;
- EUR 1'573'584.-- zuzüglich Zins zu 5 % seit 1. September 2013;
- EUR 943'855.45 zuzüglich Zins zu 5 % seit 7. April 2014;
- EUR 448'017.-- zuzüglich Zins zu 5 % seit 14. August 2014.

 Hinsichtlich des Betrags von EUR 116'670.22 (Rechnung A-7) wies der
Einzelschiedsrichter die Klage ab; die Widerklage wie auch alle übrigen
Rechtsbegehren der Parteien wies er ebenfalls ab (Dispositiv-Ziffer V.).

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beklagte dem Bundesgericht, es sei
das Schiedsurteil des ICC Schiedsgerichts mit Sitz in Zürich vom 18. Dezember
2014 aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an das Schiedsgericht
zurückzuweisen.

 Die Beschwerdegegnerin beantragt, es sei auf die Beschwerde nicht einzutreten;
eventualiter sei diese abzuweisen. Der Einzelschiedsrichter beantragt
sinngemäss die Abweisung der Beschwerde.

 Die Beschwerdeführerin hat dem Bundesgericht eine Stellungnahme zur
Vernehmlassung des Einzelschiedsrichters und eine Replik eingereicht, zu der
sich die Beschwerdegegnerin mit Duplik äusserte.

D.
Mit Verfügung vom 24. März 2015 erteilte das Bundesgericht der Beschwerde die
aufschiebende Wirkung.

Erwägungen:

1.
Nach Art. 54 Abs. 1 BGG ergeht der Entscheid des Bundesgerichts in einer
Amtssprache, in der Regel derjenigen des angefochtenen Entscheids. Wurde dieser
Entscheid in einer anderen Sprache abgefasst, bedient sich das Bundesgericht
der von den Parteien verwendeten Amtssprache. Der angefochtene Entscheid ist in
englischer Sprache abgefasst. Da es sich dabei nicht um eine Amtssprache
handelt und sich die Parteien vor Bundesgericht verschiedener Sprachen
bedienen, ergeht der Entscheid des Bundesgerichts praxisgemäss in der Sprache
der Beschwerde.

2.
Im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit ist die Beschwerde in
Zivilsachen unter den Voraussetzungen der Art. 190-192 IPRG (SR 291) zulässig
(Art. 77 Abs. 1 lit. a BGG).

2.1. Der Sitz des Schiedsgerichts befindet sich vorliegend in Zürich. Beide
Parteien hatten im massgebenden Zeitpunkt ihren Sitz ausserhalb der Schweiz
(Art. 176 Abs. 1 IPRG). Da die Parteien die Geltung des 12. Kapitels des IPRG
nicht ausdrücklich ausgeschlossen haben, gelangen die Bestimmungen dieses
Kapitels zur Anwendung (Art. 176 Abs. 2 IPRG).

2.2. Zulässig sind allein die Rügen, die in Art. 190 Abs. 2 IPRG abschliessend
aufgezählt sind (BGE 134 III 186 E. 5 S. 187; 128 III 50 E. 1a S. 53; 127 III
279 E. 1a S. 282). Nach Art. 77 Abs. 3 BGG prüft das Bundesgericht nur die
Rügen, die in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden sind; dies
entspricht der in Art. 106 Abs. 2 BGG für die Verletzung von Grundrechten und
von kantonalem und interkantonalem Recht vorgesehenen Rügepflicht (BGE 134 III
186 E. 5 S. 187 mit Hinweis). Appellatorische Kritik ist unzulässig (BGE 134
III 565 E. 3.1 S. 567; 119 II 380 E. 3b S. 382).

2.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den das
Schiedsgericht festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu gehören sowohl die
Feststellungen über den Lebenssachverhalt, der dem Streitgegenstand zugrunde
liegt, als auch jene über den Ablauf des vorinstanzlichen Verfahrens, also die
Feststellungen über den Prozesssachverhalt, zu dem namentlich die Anträge der
Parteien, ihre Tatsachenbehauptungen, rechtlichen Erörterungen,
Prozesserklärungen und Beweisvorbringen, der Inhalt einer Zeugenaussage, einer
Expertise oder die Feststellungen anlässlich eines Augenscheins gehören (BGE
140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen).

 Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung des Schiedsgerichts weder
berichtigen noch ergänzen, selbst wenn diese offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (vgl. Art. 77 Abs. 2
BGG, der die Anwendbarkeit von Art. 97 BGG sowie Art. 105 Abs. 2 BGG
ausschliesst). Allerdings kann das Bundesgericht die tatsächlichen
Feststellungen des angefochtenen Schiedsentscheids überprüfen, wenn gegenüber
diesen Sachverhaltsfeststellungen zulässige Rügen im Sinne von Art. 190 Abs. 2
IPRG vorgebracht oder ausnahmsweise Noven berücksichtigt werden (BGE 138 III 29
E. 2.2.1 S. 34; 134 III 565 E. 3.1 S. 567; 133 III 139 E. 5 S. 141; je mit
Hinweisen). Wer sich auf eine Ausnahme von der Bindung des Bundesgerichts an
die tatsächlichen Feststellungen des Schiedsgerichts beruft und den Sachverhalt
gestützt darauf berichtigt oder ergänzt wissen will, hat mit Aktenhinweisen
darzulegen, dass entsprechende Sachbehauptungen bereits im schiedsgerichtlichen
Verfahren prozesskonform aufgestellt worden sind (vgl. BGE 140 III 86 E. 2 S.
90 mit Hinweisen).

3.
Die Beschwerdeführerin wirft dem Einzelschiedsrichter vor, er habe durch die
Art und Weise, wie er die Hauptverhandlung geführt habe, das Recht auf einen
unabhängigen und unbefangenen Schiedsrichter (Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG)
sowie den Anspruch auf rechtliches Gehör und Gleichbehandlung (Art. 190 Abs. 2
lit. d IPRG) verletzt.

3.1. Die Partei, die einen Schiedsrichter ablehnen will (vgl. Art. 180 Abs. 2
Satz 2 IPRG), das Schiedsgericht für unzuständig (vgl. Art. 186 Abs. 2 IPRG)
oder sich durch einen anderen nach Art. 190 Abs. 2 IPRG relevanten
Verfahrensmangel für benachteiligt hält, verwirkt ihre Rügen, wenn sie diese
nicht rechtzeitig im Schiedsverfahren vorbringt und nicht alle zumutbaren
Anstrengungen unternimmt, um den Mangel - soweit möglich - zu beseitigen (BGE
130 III 66 E. 4.3 S. 75; 126 III 249 E. 3c S. 253 f.; 119 II 386 E. 1a S. 388;
je mit Hinweisen). Es widerspricht Treu und Glauben, einen Verfahrensmangel
erst im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens zu rügen, obwohl im
Schiedsverfahren die Möglichkeit bestanden hätte, dem Schiedsgericht die
Gelegenheit zur Behebung des angeblichen Mangels zu geben (BGE 119 II 386 E. 1a
S. 388). Treuwidrig und rechtsmissbräuchlich handelt insbesondere die Partei,
die Rügegründe gleichsam in Reserve hält, um diese bei ungünstigem
Prozessverlauf und voraussehbarem Prozessverlust nachzuschieben (vgl. BGE 136
III 605 E. 3.2.2 S. 609; 129 III 445 E. 3.1 S. 449; 126 III 249 E. 3c S. 254).
Beteiligt sich eine Partei an einem Schiedsverfahren, ohne die Besetzung bzw.
die Zuständigkeit des Schiedsgerichts in Frage zu stellen, obschon sie die
Möglichkeit zur Klärung dieser Frage vor der Fällung des Schiedsentscheids hat,
ist sie mit der entsprechenden Rüge im bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahren
wegen Verwirkung ausgeschlossen (BGE 130 III 66 E. 4.3 mit Hinweisen).

3.2.

3.2.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, aus der Art und Weise der
Verhandlungsführung ergebe sich, dass der Einzelschiedsrichter nicht unabhängig
und unbefangen sei. Sie habe den Einzelschiedsrichter gegen sich gehabt, der
ihr entweder nicht die Gelegenheit gegeben habe, sich zu prozessrelevanten
Themen zu äussern oder der Beschwerdegegnerin "unter die Arme gegriffen" habe,
indem er deren Zeugen regelmässig so befragt habe, als sei er Parteivertreter
der Beschwerdegegnerin, und indem er deren Zeugen oft gleich mehrere
Antwortmöglichkeiten zur Auswahl gegeben habe und/oder die Aussage der Zeugen
der Beschwerdegegnerin ungefragt interpretiert oder wiederholt habe.

3.2.2. Die Beschwerdeführerin hat die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des
ernannten Einzelschiedsrichters im Schiedsverfahren nicht in Frage gestellt.
Sie vermag in der Beschwerde auch nicht darzulegen, inwiefern sie die
schiedsrichterliche Verhandlungsführung beanstandet und dem
Einzelschiedsrichter Gelegenheit gegeben hätte, entsprechende Mängel zu
beheben. Weder mit ihrem blossen Hinweis darauf, gegen eine einzelne an einen
Zeugen gerichtete Frage protestiert zu haben (" I object to this question "),
noch mit den zwei von ihr ins Feld geführten - isolierten - Zitaten ( "With all
due respect, Mr [Schiedsrichter]" bzw. "Mr [Schiedsrichter], I am really
surprised [...]" ), zeigt sie auf, dass sie im Schiedsverfahren eine
hinreichend deutliche Rüge erhoben hätte, das Schiedsverfahren leide an einem
Verfahrensmangel im Sinne von Art. 190 Abs. 2 lit. a und d IPRG, weil der
Einzelschiedsrichter sich nicht neutral verhalten und die beiden Parteien
ungleich behandelt hätte (vgl. etwa Urteil 4A_407/2012 vom 20. Februar 2013 E.
3.4).

 Die Beschwerdeführerin verwirkte damit das Recht, sich im bundesgerichtlichen
Beschwerdeverfahren auf die nunmehr geltend gemachten Mängel zu berufen.

4.
Die Beschwerdeführerin rügt, aus der Begründung des Schiedsspruchs ergebe sich,
dass dem Einzelschiedsrichter in verschiedener Hinsicht eine Verletzung des
rechtlichen Gehörs und des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Parteien
vorzuwerfen sei (Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG).

4.1. Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG lässt die Anfechtung allein wegen der
zwingenden Verfahrensregeln gemäss Art. 182 Abs. 3 IPRG zu. Danach muss das
Schiedsgericht insbesondere den Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör
wahren. Dieser entspricht - mit Ausnahme des Anspruchs auf Begründung - dem in
Art. 29 Abs. 2 BV gewährleisteten Verfassungsrecht (BGE 130 III 35 E. 5 S. 37
f.; 128 III 234 E. 4b S. 243; 127 III 576 E. 2c S. 578 f.). Die Rechtsprechung
leitet daraus insbesondere das Recht der Parteien ab, sich über alle für das
Urteil wesentlichen Tatsachen zu äussern, ihren Rechtsstandpunkt zu vertreten,
ihre entscheidwesentlichen Sachvorbringen mit tauglichen sowie rechtzeitig und
formrichtig offerierten Mitteln zu beweisen, sich an den Verhandlungen zu
beteiligen und in die Akten Einsicht zu nehmen (BGE 130 III 35 E. 5 S. 38; 127
III 576 E. 2c S. 578 f.; je mit Hinweisen).

 Obwohl der Anspruch auf rechtliches Gehör in einem kontradiktorischen
Verfahren nach Art. 182 Abs. 3 und Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG nach ständiger
Rechtsprechung nicht auch den Anspruch auf Begründung eines internationalen
Schiedsentscheids umfasst (BGE 134 III 186 E. 6.1 mit Hinweisen), ergibt sich
daraus immerhin eine minimale Pflicht der Schiedsrichter, die
entscheiderheblichen Fragen zu prüfen und zu behandeln. Diese Pflicht verletzt
das Schiedsgericht, wenn es aufgrund eines Versehens oder eines
Missverständnisses rechtserhebliche Behauptungen, Argumente, Beweise oder
Beweisanträge einer Partei unberücksichtigt lässt. Das bedeutet jedoch nicht,
dass sich das Schiedsgericht ausdrücklich mit jedem einzelnen Vorbringen der
Parteien auseinandersetzen muss (BGE 133 III 235 E. 5.2 mit Hinweisen).

 Der Grundsatz der Gleichbehandlung gebietet zudem, dass die Parteien während
des gesamten Schiedsverfahrens gleich behandelt werden (vgl. BGE 133 III 139 E.
6.1 S. 143).

4.2.

4.2.1. Anlässlich der mündlichen Verhandlung verlangte die Beschwerdegegnerin
gestützt auf das CSA erstmals eine Entschädigung von 2 % der gesamthaft von der
Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit dem Bau der Pipeline erhaltenen
Zahlungen des Bestellers, mithin nicht nur 2 % des ursprünglichen
Vertragspreises, sondern auch einen entsprechenden Anteil an erhaltenen
Mehrvergütungen aufgrund von Bestellungsänderungen.

 Die Beschwerdeführerin, die der Auffassung war, dass der Beschwerdegegnerin
nach Ziffer 4.1 CSA kein Anspruch auf 2 % von allfälligen Mehrvergütungen
infolge Bestellungsänderungen zustehe, habe sich dagegen gewehrt, dass dieses
neue Begehren, das bis dahin nie Thema gewesen sei, anlässlich der mündlichen
Verhandlung behandelt werde. Dennoch habe der Einzelschiedsrichter der
Beschwerdegegnerin an der Verhandlung die Gelegenheit gegeben, sich zu den
neuen Vorbringen im Zusammenhang mit den fraglichen Mehrvergütungen zu äussern
und habe Zeugen dazu befragt; dies, obwohl er erst am Ende der Verhandlung
formell entschieden habe, die neuen Vorbringen zuzulassen. In diesem Vorgehen
des Einzelschiedsrichters sei eine Gehörsverletzung und eine Verletzung des
Gleichbehandlungsgebots zu erblicken.

4.2.2. Der Beschwerdeführerin kann nicht gefolgt werden. Sie weist in der
Beschwerdeschrift selber darauf hin, dass der Einzelschiedsrichter ihre
Ansicht, wonach die Beschwerdegegnerin keinen Anspruch auf eine Entschädigung
von 2 % auf allfälligen Mehrvergütungen aufgrund von Bestellungsänderungen
habe, geteilt hat. Entsprechend wies er die Klage ab, soweit die
Beschwerdegegnerin aufgrund allfälliger Mehrvergütungen eine Zahlung von EUR
116'670.22 (Rechnung A-7) verlangt hatte (Dispositiv-Ziffern I. und V.). Wie
die Beschwerdegegnerin in ihrer Antwort zutreffend einwendet, liegt insoweit
kein Rechtsschutzinteresse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids (Art.
76 Abs. 1 BGG) vor.

 Abgesehen davon ist unerfindlich, inwiefern im Vorgehen des
Einzelschiedsrichters eine Gehörsverletzung oder eine Ungleichbehandlung liegen
soll. Die Beschwerdeführerin vermag weder darzulegen, inwiefern ihr die
schiedsgerichtliche Verfahrensleitung verunmöglicht hätte, ihren Standpunkt in
das Verfahren einzubringen, noch zeigt sie auf, dass der Einzelschiedsrichter
der Gegenpartei im Rahmen des Schiedsverfahrens etwas gewährt hätte, was ihr
verweigert wurde.

4.3.

4.3.1. Die Beschwerdeführerin bringt weiter vor, die "Art und Weise der
Beurteilung des Einzelschiedsrichters hinsichtlich Umfang der Vertragspflichten
der Beschwerdegegnerin unter dem CSA" verletze Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG.

 Der Einzelschiedsrichter sei im angefochtenen Entscheid mit der
Beschwerdegegnerin zum Schluss gekommen, dass das CSA hauptsächlich
abgeschlossen worden sei für von der Beschwerdegegnerin während der
Submissionsphase ("tender phase") zu erbringende Dienstleistungen: Die im CSA
vorgesehene Entschädigung sei somit in erster Linie für Leistungen der
Beschwerdegegnerin während dieser Phase geschuldet sowie den Umstand, dass die
Beschwerdeführerin anschliessend den Zuschlag für das Projekt erhielt. Das CSA,
so die Beschwerdeführerin weiter, sei aber am 16. Februar 2011 abgeschlossen
worden; den Zuschlag für das Projekt habe sie hingegen bereits im Oktober 2010
erhalten, weshalb es "aus rein logischen Gründen" schleierhaft bleibe, wie der
Einzelschiedsrichter den Hauptzweck des CSA darin habe erblicken können, den
Zuschlag des Projekts zu sichern.

 In seiner Begründung habe sich der Einzelschiedsrichter in wesentlichen Teilen
auf die zwei vor Unterzeichnung des CSA zwischen den Parteien abgeschlossenen
Beratungsverträge vom 26. Oktober 2010 abgestützt, die zu einem Zeitpunkt
abgeschlossen worden seien, in dem der Zuschlag für das Projekt noch nicht
erfolgt war und die am 16. Februar 2011 aufgelöst wurden. Die Auslegung eines
geltenden Vertrags grossmehrheitlich mit Hilfe von alten, aufgehobenen
Verträgen sei im konkreten Fall unzulässig. Der Einzelschiedsrichter habe es
zudem unterlassen, auf die ausführlichen Argumente der Beschwerdeführerin
(insbesondere in der Beschwerdeantwort) einzugehen, weshalb für den Umfang der
Vertragspflichten unter dem CSA nicht auf die beiden Beratungsverträge vom 26.
Oktober 2010 abgestellt werden dürfe. Die Erwägungen des Einzelschiedsrichters
hinsichtlich Umfang der Vertragspflichten der Beschwerdegegnerin drängten den
Schluss auf, dass der Einzelschiedsrichter zuerst für sich entschieden habe,
dass das CSA hauptsächlich für die Zeit vor dem Zuschlag des Projekts
abgeschlossen worden sei und er dann nach einer Begründung für seine Ansicht
gesucht habe. Dies zeige sich insbesondere auch daran, dass der
Einzelschiedsrichter aus verschiedenen eindeutigen Zeugenaussagen unvertretbare
und willkürliche Schlüsse gezogen habe, wie sich etwa aus den Aussagen des
Zeugen Birgili ergebe.

4.3.2. Die Beschwerdeführerin zeigt mit ihren Ausführungen weder eine
Gehörsverletzung noch eine Ungleichbehandlung auf, sondern übt lediglich
unzulässige Kritik am angefochtenen Schiedsentscheid. Dem Schiedsrichter war
der zeitliche Ablauf der Vertragsschlüsse bekannt und es ist ihm auch nicht
etwa entgangen, dass die beiden Beratungsverträge vom 26. Oktober 2010 am 16.
Februar 2011 durch das CSA ersetzt wurden. Er hat unter Hinweis auf Art. 18 OR
und die bundesgerichtliche Rechtsprechung den tatsächlichen Willen der Parteien
ermittelt und hierzu unter anderem die beiden Beratungsverträge vom 26. Oktober
2010, die bereits bezahlte Rechnung A-1 sowie verschiedene Zeugenaussagen
berücksichtigt. Dabei gelangte er zum Ergebnis, dass die Parteien das CSA
hauptsächlich im Hinblick auf den Zuschlag abschlossen, wobei nach ihrem Willen
die Beschwerdegegnerin auch nach der Submissionsphase noch gewisse
Dienstleistungen zu erbringen hatte. Indem sich die Beschwerdeführerin vor
Bundesgericht auf den Standpunkt stellt, der Einzelschiedsrichter habe aus den
beiden Beratungsverträgen und den Zeugenaussagen falsche bzw. willkürliche
Schlüsse gezogen, kritisiert sie in unzulässiger Weise die schiedsgerichtliche
Beweiswürdigung. Zudem verkennt sie, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör
nach Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG nach ständiger Rechtsprechung nicht auch den
Anspruch auf Begründung eines internationalen Schiedsentscheids umfasst (BGE
134 III 186 E. 6.1 mit Hinweisen); entgegen dem, was sie anzunehmen scheint,
musste sich der Einzelrichter daher nicht ausdrücklich mit jedem einzelnen
ihrer Vorbringen auseinandersetzen. Inwiefern dieser seine minimale Pflicht
verletzt hätte, die entscheiderheblichen Fragen zu prüfen und zu behandeln (BGE
133 III 235 E. 5.2 mit Hinweisen), legt die Beschwerdeführerin nicht dar.

 Die Beschwerdeführerin vermag nicht aufzuzeigen, inwiefern es ihr in
Verletzung des Gehörsanspruchs verunmöglicht worden wäre, ihren Standpunkt
hinsichtlich des Umfangs der Vertragspflichten der Beschwerdegegnerin unter dem
CSA in das Schiedsverfahren einzubringen, geschweige denn, inwiefern der
Einzelschiedsrichter sie diesbezüglich im Verfahren ungleich behandelt haben
soll.

4.4. Auch im Zusammenhang mit den von der Beschwerdeführerin im
Schiedsverfahren ins Feld geführten Problemen mit dem Zugang zum Baugelände (
"Acess to Site" ), mit der Sicherheit ( "Security issues" ) wie auch mit den
Subunternehmern ( "Subcontractors" ) verkennt die Beschwerdeführerin, dass der
Anspruch auf rechtliches Gehör keinen Anspruch auf einen materiell richtigen
Entscheid enthält, weshalb es nicht Sache des Bundesgerichts ist zu überprüfen,
ob das Schiedsgericht sämtliche Aktenstellen berücksichtigt und richtig
verstanden hat. Nach der gesetzlichen Regelung ist die materiellrechtliche
Überprüfung eines internationalen Schiedsentscheids durch das Bundesgericht auf
die Frage beschränkt, ob ein Schiedsspruch mit dem Ordre public vereinbar ist
(Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG; BGE 127 III 576 E. 2b S. 578; 121 III 331 E. 3a
S. 333).

 Mit ihren Vorbringen, der Einzelschiedsrichter habe die nach ihrer Auffassung
rechtlich relevanten Fragen nicht erkannt, er habe eine "willkürliche
Argumentationslinie" bzw. einen "sehr eigenartigen Umgang [...] mit
Zeugenaussagen und sich stellenden Rechtsfragen" offenbart bzw. seine
Begründung gehe "völlig am Punkt vorbei", übt die Beschwerdeführerin in
unzulässiger Weise inhaltliche Kritik am angefochtenen Entscheid. Auch mit dem
Vorwurf, der Einzelschiedsrichter habe verschiedene Beweisurkunden und
Zeugenaussagen willkürlich gewürdigt, zeigt sie keinen Beschwerdegrund nach
Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG auf. Dass der angefochtene Entscheid mit dem Ordre
public (Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG) unvereinbar wäre, bringt sie zu Recht
nicht vor.

4.5. Mit ihren Ausführungen zu den nach ihrer Auffassung massgebenden
Voraussetzungen der Entschädigung nach Ziffer 4.1 CSA vermag die
Beschwerdeführerin ebenfalls keinen Verfahrensmangel nach Art. 190 Abs. 2 lit.
d IPRG aufzuzeigen. Sie unterbreitet dem Bundesgericht lediglich unter Hinweis
auf den Wortlaut der Vertragsbestimmung die nach ihrer Auffassung zutreffende
Auslegung und wirft dem Einzelschiedsrichter vor, aus dem von ihm
berücksichtigten E-Mail vom 27. September 2010 unzutreffende Schlüsse gezogen
zu haben.

 Der in der Beschwerde vertretenen Ansicht, wonach der Schiedsrichter
ausdrücklich hätte erklären müssen, weshalb das E-Mail, das sich auf die beiden
Beratungsverträge vom 26. Oktober 2010 bezogen habe, für die Auslegung von
Ziffer 4.1 CSA bedeutsam sei, kann im Übrigen nicht gefolgt werden. Der
Einzelschiedsrichter hat in seinem Entscheid berücksichtigt, dass die
Beschwerdeführerin im Schiedsverfahren die Ansicht vertrat, die Entschädigung
nach Ziffer 4.1 CSA sei geschuldet, wenn zwei Bedingungen (tatsächlicher
Zahlungseingang bei der Beschwerdeführerin und Behebung sämtlicher bestehender
Probleme im Zusammenhang mit dem Projekt) erfüllt seien. Dass er - wie bereits
in anderem Zusammenhang - die beiden Beratungsverträge vom 26. Oktober 2010
mitsamt Begleitdokumenten wie dem E-Mail vom 27. September 2010 zur Ermittlung
des übereinstimmenden Parteiwillens beizog, ergibt sich aus dem angefochtenen
Entscheid ohne Weiteres und bedurfte unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen
Gehörs keiner besonderen Erklärung. Ob der Einzelschiedsrichter aus dem
fraglichen E-Mail im Hinblick auf die Auslegung von Ziffer 4.1 CSA die
richtigen Schlüsse zog, kann vom Bundesgericht im Rahmen der Schiedsbeschwerde
nicht überprüft werden.

 Mit ihrem nicht weiter begründeten Vorbringen, der Einzelschiedsrichter habe
die von ihr in der Klageantwort vorgebrachten Argumente zur Auslegung von
Ziffer 4.1 CSA "schlicht und einfach übersehen", verkennt die
Beschwerdeführerin überdies, dass die Begründung in der Beschwerdeschrift
selbst zu erfolgen hat und der blosse Verweis auf die Akten nicht ausreicht (
BGE 140 III 115 E. 2 S. 116; 133 II 396 E. 3.1 S. 399 f.; 131 III 384 E. 2.3 S.
387 f.; je mit Hinweisen).

 Auch im Zusammenhang mit der Auslegung von Ziffer 4.1 CSA liegt keine
Verletzung des Gehörsanspruchs vor.

5.
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf
eingetreten werden kann. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die
Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art.
68 Abs. 2 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 25'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 30'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. August 2015

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Klett

Der Gerichtsschreiber: Leemann

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