Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.527/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
4A_527/2015

Urteil vom 20. Januar 2016

I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Hohl, Niquille,
Gerichtsschreiberin Reitze-Page.

Verfahrensbeteiligte
1. A.A.________,
2. B.A.________,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Marcel Baeriswyl,
Beschwerdeführer,

gegen

C.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Urs Marti,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Mietrechtliche Streitigkeit; Streitwert,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
des Kantons Bern, Zivilabteilung, 2. Zivilkammer,
vom 26. August 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. Zwischen den Vermietern A.A.________ und B.A.________ (Kläger,
Beschwerdeführer) und der Mieterin C.________ AG (Beklagte, Beschwerdegegnerin)
bestand eine Auseinandersetzung betreffend ihr Mietverhältnis. Mit am 21.
Februar 2014 bei der Schlichtungsbehörde Bern-Mittelland rechtshängig gemachtem
Schlichtungsgesuch stellte D.________, Tochter der Vermieter, namens ihrer
Eltern verschiedene Rechtsbegehren. Dem Schlichtungsgesuch lag eine
Generalvollmacht, datierend vom 3. September 2010, bei, gemäss welcher die
Tochter zur Vertretung ihrer Eltern in allen Angelegenheiten, in denen eine
rechtsgeschäftliche Vertretung möglich ist, insbesondere auch vor allen
Verwaltungsbehörden und Gerichten, bevollmächtigt wurde. Eine
Weitergeltungsklausel für den Fall des Eintritts der Handlungsunfähigkeit
enthielt die Vollmacht nicht.

A.b. Mit Schreiben vom 30. April 2014 stellte die Beklagte den Antrag, auf das
Schlichtungsgesuch sei mangels Prozessfähigkeit der Klägerin nicht einzutreten.
Am 12. Mai 2014 fand die Schlichtungsverhandlung statt, wobei der Kläger seine
Ehefrau gestützt auf Art. 374 Abs. 3 ZGB vertrat. Mit Entscheid vom 22. August
2014 stimmte die KESB Bern der Vertretung der Klägerin durch ihren Ehemann im
Schlichtungsverfahren und im nachfolgenden Zivilprozess zu.

B.
Am 18. September 2014 erhoben die Kläger unter Einreichung des Protokolls der
Schlichtungsverhandlung sowie des Entscheids der KESB Bern vom 22. August 2014
gegen die Beklagte Klage beim Regionalgericht Bern-Mittelland betreffend
Forderung auf Zahlung aus Miet-/Pachtrecht mit verschiedenen Rechtsbegehren.
Mit Entscheid vom 4. Mai 2015 trat das Regionalgericht auf die Klage der
Klägerin nicht ein und wies jene des Klägers ab.
Die Kläger legten gegen diesen Entscheid Berufung beim Obergericht des Kantons
Bern ein. Dieses bestätigte mit Entscheid vom 26. August 2015 den Entscheid des
Regionalgerichts Bern-Mittelland.

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragen die Beschwerdeführer dem
Bundesgericht, der Entscheid des Obergerichts vom 26. August 2015 und der
erstinstanzliche Entscheid vom 4. Mai 2015 seien aufzuheben. Es sei auf die
Klage der Klägerin einzutreten und die erste Instanz anzuweisen, die von den
Klägern eingereichte Klage materiell zu beurteilen. Eventuell sei der
angefochtene Entscheid des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur
Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin verlangt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten,
eventuell sei sie abzuweisen. Die Vorinstanz hat auf eine Vernehmlassung
verzichtet. Die Beschwerdeführer haben unaufgefordert eine Replik eingereicht,
worauf die Beschwerdegegnerin in einer Duplik Stellung nahm.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein
Rechtsmittel zulässig ist (BGE 139 III 133 E. 1 S. 133 mit Hinweisen).

2.
Die Beschwerde richtet sich gegen einen verfahrensabschliessenden Entscheid
(Art. 90 BGG) einer oberen kantonalen Instanz, die auf ein Rechtsmittel hin
kantonal letztinstanzlich in einer Zivilsache entschieden hat (Art. 75 i.V.m.
Art. 72 BGG), die Rechtsbegehren der Beschwerdeführer sind im kantonalen
Verfahren nicht geschützt worden (Art. 76 Abs. 1 BGG) und die Beschwerdefrist
ist eingehalten (Art. 100 Abs. 1 BGG).

3.
Bei der zu beurteilenden Streitsache handelt es sich um eine
vermögensrechtliche Angelegenheit in einem mietrechtlichen Fall. Erforderlich
ist ein Streitwert von Fr. 15'000.-- (Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG).

3.1. Die Vorinstanz ging in ihrer Rechtsmittelbelehrung von einem Streitwert
von über Fr. 15'000.-- aus, ohne dass sie dies näher begründete. Sie addierte
offenbar die in den sieben Klagepositionen erwähnten Beträge, nämlich: Fr.
2'000.-- für entstandene Umtriebe in verschiedenen Verfahren; Fr. 1'379.50 für
Verfahrenskosten in einem früheren Verfahren; Fr. 9'147.60 für die
Ersatzbeschaffung von Stahlmetallgestellen; Fr. 1'403.90 für die Neuanfertigung
einer Schliessplan-Anlage; Fr. 25.-- für den Ersatz von unrechtmässig
beseitigten Strassenkegeln; Fr. 1'379.50 für Verzugszinsen und Fr. 480.-- für
die Protokollführung vom 31. Oktober 2013 durch den Hauseigentümer-Verband.
Demgegenüber ermittelte das Regionalgericht Bern-Mittelland (Ziff. C/1) einen
Streitwert von Fr. 14'436.--, indem es einen in der Klageposition 6 erwähnten
Betrag von Fr. 1'379.50 nicht berücksichtigte. Die Beschwerdeführer machen in
der Beschwerdeschrift keine Ausführungen zum Streitwert. Die Beklagte
bestreitet, dass die Streitwertgrenze gemäss Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG von Fr.
15'000.-- erreicht ist. Sie macht geltend, maximal im Betrag von Fr. 10'551.50
(Fr. 9'147.90 [Ersatzanschaffung Stahlmetallgestelle] und Fr. 1'403.90
[Neuanfertigung Schliessplan-Anlage]) seien die Forderungen mietrechtlicher
Natur. Es gehe nicht an, sich auf den reduzierten Streitwert für
Mietrechtsstreitigkeiten zu berufen, dabei aber auch nicht mietrechtliche
Forderungen zu berücksichtigen; zum Teil würden die eingeklagten Beträge
ohnehin nur Nebenrechte (u.a. Zinsen, Parteientschädigungen, Gerichtskosten)
betreffen, die für die Streitwertberechnung gemäss Art. 51 Abs. 3 BGG zum
vorneherein unberücksichtigt bleiben müssten.

3.2. Unabhängig von der Qualifikation der einzelnen Positionen wird der
Streitwert von Fr. 15'000.-- gemäss Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG nicht erreicht.
Die Beschwerdeführer haben nämlich in der Position 6 nicht den Betrag von Fr.
1'379.50 als solchen eingeklagt, sondern sie verlangten 5 % Verzugszins für die
verspätete Zahlung des Mietzinses Oktober 2013 sowie Zins von 5 % auf den von
ihnen geleisteten Betrag von Fr. 1'379.50 für Verfahrens- und Parteikosten im
Verfahren CIV 13 4214.
Massgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des Streitwerts ist der Zeitpunkt
der Klageeinreichung beim Gericht (BGE 141 III 137 E. 2.2 S. 139). Die Klage
wurde am 18. September 2014 eingereicht. Die Beschwerdeführer haben nicht
dargelegt, wann sie die Prozessentschädigung im Verfahren CIV 13 4214 bezahlt
haben. Der genaue eingeklagte Betrag lässt sich daher aus den Akten nicht
eruieren. Das Gleiche gilt für das ebenfalls in Klageposition 6 enthaltene
Begehren auf Zahlung von 5 % Verzugszins für die verspätete Zahlung des
Mietzinses von Oktober 2013. Es ist nicht ersichtlich, welchen Zeitraum die
Verspätung umfasste. Es ist Aufgabe der beschwerdeführenden Partei, die
notwendigen Angaben zur Streitwertbestimmung zu liefern, andernfalls auf die
Beschwerde gestützt auf Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG nicht einzutreten ist (BGE
136 III 60 E. 1.1.1 S. 62; Urteil 5A_621/2007 vom 15. August 2008 E. 1.2;
JEAN-MAURICE FRÉSARD, in: Commentaire de la LTF, 2. Aufl. 2014, N. 6 zu Art. 51
BGG). Auf die Beschwerde ist daher bereits aus diesem Grund nicht einzutreten.
Im Übrigen können die Zinsbetreffnisse - selbst wenn die ungenügende Begründung
des Streitwerts nicht berücksichtigt würde - offensichtlich keinen Betrag von
Fr. 564.-- (Differenz zwischen Fr. 15'000.-- und der Addition der übrigen
Beträge gemäss Ziff. 1-5 und Ziff. 7 der Rechtsbegehren) ausmachen, selbst wenn
der ganze Zeitraum zwischen Oktober 2013 (verspäteter Mietzins) bzw. zwischen
dem Entscheid des Regionalgerichts im Verfahren CIV 13 4214 vom 5. September
2013 und der Klageeinreichung am 18. September 2014 berücksichtigt würde.

3.3. Aus dem in der Rechtsmittelbelehrung der Vorinstanz falsch angegebenen
Streitwert von "mehr als CHF 15'000.00" können die Beschwerdeführer nichts zu
ihren Gunsten ableiten. Zwar dürfen den Parteien aus einer unrichtigen
Rechtsmittelbelehrung keine Nachteile erwachsen (Art. 49 BGG). Eine falsche
Rechtsmittelbelehrung kann indessen keine Rechtsmittelmöglichkeit schaffen, die
es gemäss Gesetz gar nicht gibt (BGE 125 II 293 E. 1d S. 300; 113 Ib 212 E. 1
S. 213; AMSTUTZ/ARNOLD, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl.
2011, N. 11 zu Art. 49 BGG). Ein Nachteil könnte gegeben sein, wenn der
Beschwerdeführer im Vertrauen auf die Zulässigkeit der Beschwerde in
Zivilsachen unterlassen hat, die Verletzung verfassungsmässiger Rechte zu rügen
oder geltend zu machen, es stelle sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher
Bedeutung. Vertrauensschutz geniesst aber nur, wer die Unrichtigkeit der
Rechtsmittelbelehrung nicht kennt und sie auch bei gebührender Aufmerksamkeit
nicht hätte erkennen können (Urteil 4A_493/2014 vom 26. Januar 2015 E. 1.1.4
mit Hinweisen; vgl. auch Urteil 5A_111/2011 vom 20. April 2011 E. 1.1). Auf
diesen Vertrauensschutz können sich die Beschwerdeführer vorliegend nicht
berufen. Die Voraussetzungen dafür sind nicht gegeben: Nachdem bereits die
Erstinstanz von einem Streitwert von unter Fr. 15'000.-- ausgegangen ist,
hätten die anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer bei gehöriger Sorgfalt die
Unrichtigkeit der Streitwertangabe im angefochtenen Entscheid erkennen müssen,
zumal sich der erforderliche Streitwert für die Beschwerde in Zivilsachen in
mietrechtlichen Fällen aus dem Gesetz ergibt.

3.4. Erreicht die Klage den geforderten Streitwert nicht, ist die Beschwerde in
Zivilsachen - abgesehen von hier nicht gegebenen Ausnahmen (Art. 74 Abs. 2 lit.
b - d BGG) - nur zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher
Bedeutung stellt (Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG), wobei in der Beschwerdeschrift
auszuführen ist, warum diese Voraussetzung erfüllt ist (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE
136 II 489 E. 2.6 S. 494). Die Beschwerdeführer machen erst in ihrer Replik
geltend, es liege eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Dies ist
verspätet. Die Begründung hat in der Beschwerdeschrift selbst zu erfolgen. Die
beschwerdeführende Partei darf eine allfällige Replik nicht dazu verwenden,
ihre Beschwerde zu ergänzen oder zu verbessern. Zulässig sind nur Vorbringen,
zu denen erst die Ausführungen in der Vernehmlassung eines anderen
Verfahrensbeteiligten Anlass geben (vgl. BGE 135 I 19 E. 2.2 S. 21; 132 I 42 E.
3.3.4 S. 47; Urteil 4A_146/2012 vom 10. Januar 2013 E. 2.7). Die Frage des
Streitwerts stellte sich aber bereits im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung.

4.
Da auch keine Verletzung von verfassungsmässigen Rechten gerügt wird, kann die
Beschwerde auch nicht als Verfassungsbeschwerde entgegengenommen werden (Art.
113 BGG). Auf die Beschwerde ist somit nicht einzutreten. Dem Ausgang des
Verfahrens entsprechend werden die Beschwerdeführer kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden unter solidarischer Haftbarkeit den
Beschwerdeführern auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführer haben die Beschwerdegegnerin unter solidarischer
Haftbarkeit für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu
entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern,
Zivilabteilung, 2. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. Januar 2016

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Kiss

Die Gerichtsschreiberin: Reitze-Page

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