Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.512/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
4A_512/2015

Urteil vom 14. April 2016

I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Klett, Niquille,
Gerichtsschreiberin Reitze-Page.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas Edelmann,
Beschwerdeführer,

gegen

B.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jürg Geiger,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Individualabrede, Auslegung nach dem Vertrauensprinzip,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht,
2. Kammer,
vom 19. August 2015.

Sachverhalt:

A.
A.________ (Versicherungsnehmer, Kläger, Beschwerdeführer) hatte am 10.
September 2009 bei der B.________ AG (Versicherung, Beklagte,
Beschwerdegegnerin) eine Motorfahrzeugversicherung abgeschlossen. Am 3. März
2011 erlitt er mit dem versicherten Fahrzeug einen schweren Verkehrsunfall, bei
welchem am Fahrzeug ein Totalschaden entstand. Der Versicherungsnehmer wurde
von der Versicherung im Hinblick auf die Schadenregulierung aufgefordert, den
Kaufpreis mitzuteilen, worauf er mit E-Mail vom 11. März 2011 einen Betrag von
EUR 50'000.-- angab. Die Versicherung stellte aufgrund von Abklärungen jedoch
fest, dass der Versicherungsnehmer das Fahrzeug zum Preis von EUR 25'200.--
(Fr. 38'700.--) gekauft hatte. Sie verweigerte in der Folge Leistungen, da
wegen der Angabe eines falschen Kaufpreises der Fall einer betrügerischen
Begründung eines Versicherungsanspruchs gemäss Art. 40 VVG vorliege.

B.

B.a. Mit Klage vom 24. Dezember 2012 beim Bezirksgericht Rheinfelden beantragte
der Kläger, die Beklagte sei zu verpflichten, ihm unter Kosten- und
Entschädigungsfolgen Fr. 52'975.-- zuzüglich Zins zu 5 % seit 3. März 2011 zu
bezahlen.
Das Bezirksgericht wies die Klage mit Urteil vom 14. Mai 2014 kostenfällig ab.

B.b. Die vom Kläger gegen dieses Urteil erhobene Berufung hiess das Obergericht
des Kantons Aargau mit Urteil vom 21. Januar 2015 gut, und es verpflichtete die
Beklagte, dem Kläger Fr. 52'975.-- zuzüglich Zins zu 5 % seit 7. April 2011 zu
bezahlen, unter entsprechender Kosten- und Entschädigungsfolge.

B.c. Mit Urteil vom 3. Juni 2015 (4A_119/2015) hiess das Bundesgericht eine
gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 21. Januar 2015
erhobene Beschwerde teilweise gut und wies die Sache zur Neubeurteilung an die
Vorinstanz zurück. Es kam im Wesentlichem zum Schluss, dass es sich bei der
fraglichen Bestimmung in den AVB der Beschwerdegegnerin nicht um eine
ungewöhnliche Klausel handle, weshalb diese zur Anwendung komme. Da das
Obergericht jedoch offen gelassen habe, ob eine den AVB vorgehende
Individualabrede getroffen wurde, wies es die Sache zur Prüfung dieser Frage an
die Vorinstanz zurück.

B.d. Das Obergericht des Kantons Aargau verneinte diese Frage, weshalb es mit
Urteil vom 19. August 2015 die Berufung abwies.

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt der Beschwerdeführer dem Bundesgericht,
das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 19. August 2015 sei
aufzuheben und die Klage gutzuheissen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die Vorinstanz
hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
Die Eintretensvoraussetzungen geben keinen Anlass zu Bemerkungen. Auf die
Beschwerde - ist unter Vorbehalt einer rechtsgenüglichen Begründung (Art. 42
Abs. 2 BGG) - einzutreten.

2.

2.1. Es ist nach wie vor umstritten, ob die Beschwerdegegnerin gestützt auf
Art. 40 VVG vom Versicherungsvertrag mit dem Beschwerdeführer zurücktreten
durfte, nachdem dieser ihr im Nachgang zu seinem Unfall vom 3. März 2011 mit
E-Mail vom 11. März 2011 einen zu hohen Kaufpreis des beschädigten Fahrzeuges
genannt hat.
Gemäss Ziffer C 3.321 der Allgemeinen und Ergänzenden Versicherungsbedingungen
(nachfolgend: AVB) ist der Kaufpreis für die Bestimmung der Leistungspflicht
der Beschwerdegegnerin massgebend. Der Beschwerdeführer ist jedoch der Ansicht,
dass der Kaufpreis des versicherten Fahrzeuges irrelevant sei, weil die
Versicherungsleistung im Schadensfall einzig vom vereinbarten Fahrzeugwert von
Fr. 81'500.-- und nicht vom effektiv bezahlten Kaufpreis von Fr. 38'700.--
abhänge. Er macht geltend, die Parteien hätten eine den AVB und damit auch
Ziffer C 3.321 vorgehende Individualabrede getroffen, wonach der Kaufpreis für
die Bemessung der Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin im Versicherungsfall
keine Rolle spiele.

2.2. Die Vorinstanz verneinte das Vorliegen einer solchen Individualabrede bzw.
kam zum Schluss, dem Beschwerdeführer sei der Nachweis nicht gelungen, dass er
mit der Beschwerdegegnerin eine den AVB vorgehende Individualabrede getroffen
habe. Auf dem schriftlichen, vom Beschwerdeführer unterzeichneten Antrag sei
nichts von einer Individualabrede vermerkt. Im Gegenteil, auf der letzten Seite
werde darauf hingewiesen, dass Abmachungen oder Zusagen des Verkaufsdienstes in
Abweichung von dem gedruckten Antrag oder von den AVB für die
Beschwerdegegnerin nur verbindlich seien, wenn sie von der zuständigen Stelle
schriftlich bestätigt würden. So habe auch der Versicherungsagent C.________,
der zwar vom Schnäppchenkauf des Beschwerdeführers gewusst habe, nicht
bestätigt, dass die Parteien eine Individualabrede getroffen hätten, sondern
hätte vielmehr ausgesagt, dass die übliche Kaskoversicherung mit den üblichen
Zeitwertzusatzbedingungen gemäss AVB vereinbart worden seien. Auch aus dem
Informationsblatt könne der Beschwerdeführer nichts zu seinen Gunsten ableiten;
dabei handle es sich bloss um eine Verkaufshilfe bzw. ein Informationsblatt,
welches der Versicherungsagent anlässlich des Verkaufsgesprächs dem
Beschwerdeführer abgegeben habe. Das Blatt enthalte nur eine kurze Erklärung
der versicherbaren Bausteine und der wichtigsten Ausdrücke und habe rein
informativen Charakter, was auf dem Blatt auch ausdrücklich festgehalten worden
sei. Schliesslich deute auch das Verhalten des Beschwerdeführers nach
Vertragsschluss nicht auf das Vorliegen einer Individualabrede hin. Denn obwohl
in der Police als Entschädigungsart "Zeitwertzusatz gemäss C 3.321 AVB"
vermerkt sei, habe der Beschwerdeführer gegen die Police nicht remonstriert.
Hätte er nämlich beim Versicherungsabschluss tatsächlich derart Gewicht darauf
gelegt, dass sein Schnäppchenpreis im Schadensfall höher versichert werde und
hätte dementsprechend tatsächlich die behauptete Individualabrede mit dem
Versicherungsagenten C.________ getroffen werden sollen, so wäre zu erwarten
gewesen, dass er die Police bezüglich der Entschädigungsart bei Totalschaden
genau studiere und entsprechend interveniere. Der Kaufpreis sei demnach für die
Leistungspflicht des Versicherers relevant gewesen, weshalb der
Beschwerdeführer über eine Tatsache i.S.v. Art. 40 VVG getäuscht habe.

3.

3.1. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind für das Vertragsverhältnis nur
insoweit relevant, als sie, wenn sie dem individuellen Vertragsverhältnis
inkorporiert worden sind, die Vermutung schaffen, ihr Inhalt sei insgesamt von
den Parteien gewollt. Wenn die Vertragsparteien jedoch eine von den AVB
abweichende Willenserklärung abgeben, kann dies von ihnen vernünftigerweise nur
so gedeutet werden, dass diese konkrete Erklärung den abstrakten AVB vorgehen (
BGE 125 III 263 E. 4b/bb S. 267; 123 III 35 E. 5c/bb S. 44; Urteil 5C.271/2004
vom 12. Juli 2005 E. 2; vgl. auch ERNST KRAMER, Berner Kommentar zum
Obligationenrecht, 1986, N. 210 zu Art. 1 OR). Eine Individualabrede kann auch
bloss mündlich vereinbart werden (CORINNE ZELLWEGER-GUTKNECHT/EUGEN BUCHER, in:
Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 6. Aufl. 2015, N. 54 zu Anh. Art. 1 OR).

3.2. Aus dem Versicherungsantrag vom 10. September 2009 geht hervor, dass
"Abmachungen oder Zusagen des Verkaufsaussendienstes in Abweichung von der
gedruckten Offerte, von dem gedruckten Antrag oder von den Allgemeinen und
Ergänzenden Vertragsbestimmungen (...) für die AXA (...) nur verbindlich
[sind], wenn sie von der zuständigen Stelle schriftlich bestätigt worden sind".
Eine solche schriftliche Bestätigung liegt unbestrittenermassen nicht vor,
weshalb man daraus schliessen könnte, es könne gar keine den AVB vorgehende
Individualabrede getroffen werden bzw. der Versicherungsagent sei nicht dazu
ermächtigt gewesen. Die Vorinstanz nennt diese Klausel zwar im angefochtenen
Entscheid, stützt ihre Begründung jedoch nicht darauf ab. Ebenso wenig hat sich
die Beschwerdegegnerin - weder im vorinstanzlichen noch im bundesgerichtlichen
Verfahren - darauf berufen. Zu Recht, denn auch mit einer solchen "
Sperrklausel " können abweichende mündliche Individualabreden nicht in jedem
Fall verhindert werden, da die anders lautende mündliche Vereinbarung (auch bei
Abreden mit Hilfspersonen bzw. mit einem Versicherungsagenten) zu einem
konkludenten Verzicht auf das Erfordernis der Schriftform führen kann (NADIA
WALKER, Kontrolle von Konsumenten-AGB unter besonderer Berücksichtigung der
Inhaltskontrolle nach Art. 8 UWG, 2015, S. 47; FRANZISKA MARTHA BETSCHART, Der
Grundpfandvertrag und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken, 2011, S.
79 f. Rz. 277). Es ist dabei gemäss dem Vertrauensprinzip auf die konkreten
Umstände des Einzelfalles abzustellen.

4.

4.1. Die Vorinstanz ging im angefochtenen Entscheid davon aus, dass "der Inhalt
des zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrages vom 10.
September 2009 (...) nicht sogleich nach dem Vertrauensprinzip auszulegen
[ist], vielmehr (...) der Kläger zunächst nachzuweisen [hat], dass er mit der
Beklagten überhaupt eine Individualabrede getroffen hat". Der Beschwerdeführer
rügt, diese Auffassung der Vorinstanz sei bundesrechtswidrig. Er macht geltend,
die Vorinstanz habe verkannt, dass nicht nur bezüglich dem Inhalt eines
Vertrages, sondern auch bezüglich der Frage, ob überhaupt ein Vertrag
zustandegekommen sei, das Vertrauensprinzip zur Anwendung komme. Entsprechend
habe die Vorinstanz nicht geprüft, wie die Handlungsweise des
Versicherungsagenten bzw. die Aushändigung des Informationsblattes durch
denselben mit Beschrieb der Leistung im Schadenfall nach Treu und Glauben vom
Vertragspartner habe verstanden werden dürfen und müssen. Diese Rüge ist
berechtigt. Die Vorinstanz hat für die Frage, ob eine Individualabrede
getroffen wurde, einzig nach der tatsächlichen Willensübereinstimmung
geforscht, den diesbezüglichen Nachweis verneint. Sie hat nicht weiter geprüft,
ob eine Individualabrede nach dem Vertrauensprinzip anzunehmen ist.

4.2. Der Bestand eines Vertrages ist wie dessen Inhalt durch Auslegung der
Willensäusserungen der Parteien zu bestimmen. Ziel der Vertragsauslegung ist
es, in erster Linie den übereinstimmenden wirklichen Willen der Parteien
festzustellen (vgl. Art. 18 Abs. 1 OR). Diese subjektive Vertragsauslegung
beruht auf Beweiswürdigung, die vorbehältlich der Ausnahmen von Art. 97 und 105
BGG der bundesgerichtlichen Überprüfung entzogen ist. Erst wenn eine
tatsächliche Willensübereinstimmung unbewiesen bleibt, sind zur Ermittlung des
mutmasslichen Parteiwillens die Erklärungen der Parteien aufgrund des
Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang
sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten. Massgebend
ist dabei der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Nachträgliches Parteiverhalten
ist bei der Auslegung nach dem Vertrauensprinzip nicht von Bedeutung; es kann
höchstens - im Rahmen der Beweiswürdigung - auf einen tatsächlichen Willen der
Parteien schliessen lassen. Das Bundesgericht überprüft diese objektivierte
Auslegung von Willenserklärungen als Rechtsfrage, wobei es an Feststellungen
des kantonalen Richters über die äusseren Umstände sowie das Wissen und Wollen
der Beteiligten grundsätzlich gebunden ist (Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 132 III
626 E. 3.1 S. 632 mit Hinweisen).

4.3. In tatsächlicher Hinsicht steht fest, dass der Versicherungsagent
C.________ im Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen über den sehr tiefen vom
Beschwerdeführer bezahlten Kaufpreis des Fahrzeuges informiert wurde. Er wusste
folglich vom "Schnäppchenkauf" des Beschwerdeführers, insbesondere, dass dieser
lediglich EUR 25'200.-- bzw. Fr. 38'700.-- für sein Fahrzeug bezahlt hat.
Anlässlich dieses Gesprächs und in Kenntnis dieser Tatsache hat der
Versicherungsagent dem Beschwerdeführer geraten, eine
Zeitwertzusatzversicherung für sein Fahrzeug abzuschliessen, wobei er ihm ein
Informationsblatt ausgehändigt hat, welches er nach eigenen Aussagen als
"Verkaufshilfe" beigezogen hat. In diesem Informationsblatt wird - anders als
in den AVB - kein Bezug auf den Kaufpreis genommen. Vielmehr steht unter dem
Titel "Entschädigung bei Totalschaden": "Das ist der Betrag, den Sie bei einem
Totalschaden erhalten", wobei sich die nachfolgende Berechnung der Leistungen
im Kaskofall im Rahmen der Zeitwertzusatzversicherung einzig auf den
versicherten Fahrzeugwert bezieht. Der Kaufpreis war gemäss den Vorbringen des
Beschwerdeführers auch nicht weiter Thema des Verkaufsgesprächs und auch der
Versicherungsagent hat anlässlich seiner Zeugeneinvernahme ausgesagt, dass ihm
der Kaufpreis "egal" gewesen sei. Entsprechend mag sich der Versicherungsagent
nach eigenen Aussagen auch nicht mehr daran erinnern, dem Beschwerdeführer im
Zeitpunkt des Verkaufsgesprächs gesagt zu haben, dass der Kaufpreis die
maximale Auszahlung in einem Schadensfall sein könne.
Nach Massgabe des Vertrauensgrundsatzes sind die persönlichen Vorstellungen des
Versicherungsnehmers soweit massgebend, als sie für den Versicherer erkennbar
sind (Urteile 4A_187/2007 vom 9. Mai 2008 E. 5.1 sowie 5C.220/2000 vom 11.
Dezember 2000 E. 2a). Für den Versicherungsagenten war klar erkennbar, dass der
Beschwerdeführer seinen "Schnäppchenkauf" optimal versichern wollte. Der
Beschwerdeführer durfte daher nach Treu und Glauben darauf vertrauen, dass ihm
nicht eine Zusatzversicherung angeboten wird, die dem tiefen Kaufpreis keine
Rechnung trägt und im Kaskofall bis zum sechsten Betriebsjahr kaum einen Nutzen
haben kann. Er durfte sich darauf verlassen, dass sich die Leistung im
Schadensfall wie im Informationsblatt angegeben, nach dem (höheren)
Fahrzeugwert berechnet und musste nicht damit rechnen, dass die ihm
ausgehändigte Information in wesentlicher Weise von den AVB abweicht, welche
auf den effektiv bezahlten Kaufpreis statuieren; er durfte davon ausgehen, dass
die im Informationsblatt angegebenen Angaben richtig sind und die für ihn
wesentlichen Fragen behandeln, für welche er eine Zusatzversicherung für sein
Fahrzeug abgeschlossen hat. Deshalb ändert nichts daran, dass das
Informationsblatt "rein informativen Charakter" hat, denn auch ein
Informationsblatt darf keine irreführenden Ausführungen enthalten.

4.4. Der Beschwerdeführer durfte sich folglich auf die ihm bei den
Vertragsverhandlungen vom Vertreter der Beschwerdegegnerin bzw. dem
Versicherungsagenten C.________ gegebenen Informationen über die im
Schadensfall auszurichtende Leistung bei der Zeitwertzusatzversicherung
verlassen. Nach Treu und Glauben ist diese abweichende Vereinbarung zum
Vertragsinhalt zwischen der Beschwerdegegnerin und dem Beschwerdeführer
geworden, denn die Beschwerdegegnerin hat sich das Verhalten ihres
Versicherungsagenten gemäss Art. 34 VVG anrechnen zu lassen. Daran ändert die
spätere Aushändigung der AVB mit abweichendem Inhalt an den Beschwerdeführer
nichts. Ebenso wenig der Umstand, dass der Beschwerdeführer den abweichenden
Inhalt der AVB gegenüber der vom Versicherungsagenten gegebenen Information
nicht bemerkt und der Beschwerdegegnerin in Anwendung von Art. 12 VVG nicht
gemeldet hat. Denn nach dem Gesagten musste der Beschwerdeführer nicht damit
rechnen, dass die ihm erteilte Information von den AVB abweicht, weshalb er
auch nicht verpflichtet war, die individuelle Zusicherung in diesem Punkt mit
den AVB auf Übereinstimmung zu prüfen.

5.
Da der Kaufpreis für die Entschädigung bei einem Totalschaden gemäss
individueller Abrede nicht als Obergrenze herangezogen werden darf, hat der
Beschwerdeführer die Beschwerdegegnerin auch nicht über eine Tatsache, welche
die Leistungspflicht des Versicherers ausschliessen oder mindern würde, zu
täuschen versucht. Ein Vertragsrücktritt der Beschwerdegegnerin nach Art. 40
VVG ist demnach nicht statthaft.
Aufgrund der Zeitwertzusatzversicherung hat die Beschwerdegegnerin den
Beschwerdeführer mit 65 % zu entschädigen. Bei einem versicherten Fahrzeugwert
von Fr. 81'500.-- entspricht dies dem mit der Klage geltend gemachten Betrag
von Fr. 52'975.--.

6.
Die Beschwerde erweist sich als begründet und der angefochtene Entscheid ist
aufzuheben. Die Sache ist zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen
des kantonalen Verfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 67 und Art. 68
Abs. 5 BGG).
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die Beschwerdegegnerin für das
bundesgerichtliche Verfahren kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs.
1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Obergerichts des Kantons
Aargau, Zivilgericht, 2. Kammer, vom 19. August 2015 wird aufgehoben. In
Gutheissung der Klage wird die Beschwerdegegnerin verpflichtet, dem
Beschwerdeführer Fr. 52'975.-- zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 7. April 2011 zu
bezahlen.
Die Sache wird zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des
kantonalen Verfahrens an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Zivilgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. April 2016

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Kiss

Die Gerichtsschreiberin: Reitze-Page

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