Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.4/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
4A_4/2015

Urteil vom 9. März 2015

I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
Bundesrichterin Klett, Bundesrichter Kolly,
Gerichtsschreiber Brugger.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Lars Dubach,
Beschwerdeführerin,

gegen

B.________ GmbH,
vertreten durch Rechtsanwalt Othmar Gabriel,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Örtliche Zuständigkeit,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Obwalden vom 12.
November 2014.

Sachverhalt:

A.
A.________ (Beklagte, Beschwerdeführerin) und die B.________ GmbH (Klägerin,
Beschwerdegegnerin) schlossen am 25. März 2011 einen Werkvertrag betreffend den
Bau eines Ferienbungalows in U.________ ab.

B.
Am 31. August 2012 erhob die Klägerin beim Kantonsgericht Obwalden Klage mit
dem Begehren, die Beklagte sei zur Zahlung von Fr. 85'595.50 nebst
Verzugszinsen zu verpflichten. Ferner sei der in der entsprechenden Betreibung
erhobene Rechtsvorschlag zu beseitigen. Die Beklagte beantragte die Abweisung
der Klage und bestritt die örtliche Zuständigkeit des Kantonsgerichts Obwalden.
Das Kantonsgericht beschränkte das Verfahren vorerst auf die Frage der
örtlichen Zuständigkeit. Mit Zwischenentscheid vom 20. März 2014 erklärte sich
das Kantonsgericht Obwalden für zuständig.
Eine dagegen von der Beklagten erhobene Berufung wies das Obergericht des
Kantons Obwalden am 12. November 2014 ab und bestätigte den Entscheid des
Kantonsgerichts.

C.
Die Beschwerdeführerin beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in
Zivilsachen, den Entscheid des Obergerichts vollumfänglich aufzuheben und
festzustellen, dass das Kantonsgericht Obwalden für das Hauptverfahren
(Forderung aus Werkvertrag) örtlich nicht zuständig sei. Eventualiter sei die
Sache zur Neubeurteilung an das Obergericht, subeventualiter an das
Kantonsgericht zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
einzutreten sei. Die Vorinstanz beantragt, auf die appellatorische Kritik am
angefochtenen Urteil nicht einzutreten, eventualiter sei die Beschwerde
abzuweisen.

Erwägungen:

1.
Beim angefochtenen Entscheid des Obergerichts, mit dem dieses die örtliche
Zuständigkeit des Kantonsgerichts Obwalden zur Beurteilung der Forderungsklage
der Beschwerdegegnerin gegen die Beschwerdeführerin bejaht hat, handelt es sich
um einen selbständig eröffneten Zwischenentscheid eines oberen kantonalen
Gerichts, das als letzte kantonale Instanz in einem Rechtsmittelverfahren über
die Zuständigkeit geurteilt hat. Dagegen ist die Beschwerde in Zivilsachen
zulässig (Art. 92 Abs. 1 i.V.m. Art. 75 BGG). Nach dem Grundsatz der Einheit
des Verfahrens ist der Zwischenentscheid aber nur mit Beschwerde anfechtbar,
wenn es auch der Endentscheid ist (BGE 137 III 380 E. 1.1 S. 382; 134 V 138 E.
3 S. 144; 133 III 645 E. 2.2 S. 647 f.). Dies trifft vorliegend zu, handelt es
sich in der Hauptsache doch um eine vermögensrechtliche Angelegenheit mit einem
Fr. 30'000.-- übersteigenden Streitwert (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG).

2.
Die Gültigkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung bestimmt sich nach Art. 406 ZPO
nach dem Recht, das zur Zeit ihres Abschlusses gegolten hat. Die
Beschwerdeführerin beruft sich für die behauptete Gerichtsstandsvereinbarung
auf eine Klausel im Werkvertrag vom 25. März 2011. Die ZPO ist am 1. Januar
2011 in Kraft getreten und hat daher bereits zur Zeit des Abschlusses der
Werkvertrags gegolten. Die Gültigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung beurteilt
sich demnach nach der ZPO.
Art. 17 ZPO regelt die Gerichtsstandsvereinbarung. Danach können die Parteien
für einen bestehenden oder für einen künftigen Rechtsstreit über Ansprüche aus
einem bestimmten Rechtsverhältnis einen Gerichtsstand vereinbaren, soweit das
Gesetz nichts anderes vorsieht (Art. 17 Abs. 1 ZPO). Die Vereinbarung muss
schriftlich oder in einer anderen Form erfolgen, die den Nachweis durch Text
ermöglicht (Art. 17 Abs. 2 ZPO).
Bei einer Gerichtsstandsvereinbarung handelt es sich um einen Prozessvertrag.
Steht kein tatsächlich übereinstimmender Wille der Parteien fest, so ist diese
nach dem Vertrauensprinzip auszulegen (BGE 132 III 268 E. 2.3.2). Ob ein
gültiger Verzicht auf den Wohnsitzrichter vorliegt, hängt davon ab, ob der
Vertragspartner des Verzichtenden in guten Treuen annehmen durfte, sein
Kontrahent habe mit dem Akzept zum Vertrag auch der Gerichtsstandsvereinbarung
zugestimmt (BGE 109 Ia 55 E. 3a; 104 Ia 280 E. 3 S. 280; zuletzt Urteil 4A_247/
2013 vom 14. Oktober 2013 E. 2.1.2; je mit Hinweisen).
Für das Zustandekommen einer Prorogation ist erforderlich, dass die Parteien
hinreichend klar bestimmen, welches Gericht sie als zuständig erklären, damit
das angerufene Gericht zweifelsfrei seine Zuständigkeit feststellen kann (BGE
132 III 268 E. 2.3.3).

3.
Die vorliegend zu beurteilende Vertragsklausel lautet wie folgt:

"9 Gerichtsstand bzw. Sitz des Schiedsgerichts
Gerichtsstand bzw. Sitz des Schiedsgerichtes ist der Wohnsitz/Sitz der
beklagten Partei (ordentlicher Gerichtsstand)
LUZERN".

3.1. Die Vorinstanz führte dazu aus, der Wortlaut, der neben dem ordentlichen
Gerichtsstand auch Luzern nenne, sei widersprüchlich und zweideutig. Damit
mangle es der Gerichtsstandsklausel sowohl an einer klaren Bezeichnung des
zuständigen Gerichts als auch an einer unmissverständlichen Willenserklärung,
auf den ordentlichen Gerichtsstand verzichten zu wollen. Zwischen den Parteien
sei demnach keine gültige Gerichtsstandsvereinbarung zustande gekommen.

3.2. Dieser vorinstanzlichen Beurteilung ist ohne Weiteres zu folgen. Die
zitierte Klausel ist widersprüchlich, indem sie einerseits gerade ausdrücklich
den ordentlichen Gerichtsstand ("Wohnsitz/Sitz der beklagten Partei") festhält,
dann aber doch auch "LUZERN" erwähnt. Angesichts der widersprüchlichen
vertraglichen Bestimmung im Werkvertrag kommt darin nach dem Vertrauensprinzip
kein hinreichend klarer Wille der Parteien zum Ausdruck, auf den ordentlichen
Gerichtsstand zu verzichten. Zufolge Widersprüchlichkeit liegt keine gültige
Gerichtsstandvereinbarung vor.

3.3. Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, ändert nichts an dieser
Beurteilung:
Sie ist der Meinung, die Einfügung des Wortes "LUZERN" gehe dem "klausulierten,
vorformulierten Text" vor. Ebenso sei zu berücksichtigen, dass bereits unter
Ziffer 8 des Werkvertrags "LUZERN" eingefügt worden sei. Dass eine
Gerichtsstandsvereinbarung zweideutig sein solle, obwohl an zwei Stellen die
Stadt Luzern ausdrücklich genannt werde, erscheine mehr als zweifelhaft.
Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Parteien Luzern als Gerichtsstand
hätten vereinbaren wollen, es dabei aber unterlassen hätten, den
vorformulierten Text zu streichen. Zudem hätte die Vorinstanz sich damit
auseinander setzen müssen, dass die Beschwerdegegnerin als geschäftserfahrene
Unternehmerin gerade dieser speziellen Gerichtsstandsvereinbarung hätte
widersprechen und allfällige Widersprüchlichkeiten rügen müssen.
Mit diesen Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin die Widersprüchlichkeit der
vertraglichen Bestimmung nicht auszuräumen, sondern anerkennt sie im Grunde
gerade an, indem sie versucht, die Verantwortung für die widersprüchliche
Formulierung der Beschwerdegegnerin zuzuschieben, bzw. postuliert, es dürfe nur
der eine Teil, nämlich die Erwähnung des Wortes "LUZERN", berücksichtigt
werden. Beides kann nicht zielführend sein. Entscheidend ist, dass eine
widersprüchlich formulierte Bestimmung vorliegt, die als solche keine materiell
gültige Gerichtsstandsvereinbarung bilden kann.

3.4. Damit erübrigt sich, auf die Kritik der Beschwerdeführerin gegen die
Eventualbegründung der Vorinstanz einzugehen, wonach, selbst wenn von einer
gültig zustande gekommenen Gerichtsstandsklausel auszugehen wäre, diese
dahingehend zu interpretieren wäre, dass die Parteien Luzern nicht als
ausschliesslichen Gerichtsstand hätten vereinbaren wollen.

3.5. Die Vorinstanz folgerte zutreffend, dass mangels gültiger
Gerichtsstandsvereinbarung der gesetzliche Gerichtsstand zur Anwendung gelangt,
hier gemäss Art. 31 ZPO mithin das Gericht am Wohnsitz der beklagten Partei
oder an dem Ort, an dem die charakteristische Leistung zu erbringen ist. Nach
den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz befindet sich der Wohnsitz der
beklagten Beschwerdeführerin in V.________ (U.________), und der Erfüllungsort,
konkret der Standort des Ferienbungalows, ist gemäss Werkvertrag U.________.
Die örtliche Zuständigkeit des Kantonsgerichts Obwalden wurde demnach zu Recht
bejaht.

4.
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen. Dem Ausgang des
Verfahrens entsprechend wird die Beschwerdeführerin kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 5'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Obwalden
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. März 2015

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Kiss

Der Gerichtsschreiber: Brugger

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