Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.356/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
4A_356/2015

Urteil vom 4. Februar 2016

I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
Bundesrichterin Klett,
Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Hurni.

Verfahrensbeteiligte
1. A.________AG,
2. B.________AG,
beide vertreten durch Rechtsanwälte Daniel Hochstrasser, Nadja Jaisli Kull und
Simone Fuchs, Bär & Karrer,
Beschwerdeführerinnen,

gegen

1. C.________AG,
2. D.________AG,
beide vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Nicolà Barandun und Dr. Daniel Bläuer,
Barandun von Graffenried AG,
Beschwerdegegnerinnen.

Gegenstand
Interne Schiedsgerichtsbarkeit,

Beschwerde gegen den Schiedsspruch des Schiedsgerichts der Schweizer
Handelskammern mit Sitz in Zürich vom 2. Juni 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. Die C.________AG (Schiedsklägerin 1 und Beschwerdegegnerin 1) ist die
Rechtsnachfolgerin der E.________AG, die ihrerseits aus der F.________AG (im
Folgenden "G.________") hervorgegangen ist.
Die D.________AG (Schiedsklägerin 2 und Beschwerdegegnerin 2) hält 100% der
Aktien der Schiedsklägerin 1. Im Rahmen einer Reorganisation hat die
Schiedsklägerin 1 das vormals von der Schiedsklägerin 2 betriebene operative
Bahngeschäft übernommen.
Im Rahmen der Fusion der H.________AG (frühere Firmenbezeichnung
"I.________Ltd."; im Folgenden "J.________") mit der A.________AG
(Schiedsbeklagte 1 und Beschwerdeführerin 1) gingen sämtliche Aktiven und
Passiven der H.________AG durch Universalsukzession auf die Schiedsbeklagte 1
über.

A.b. Am 5. Mai 1998 schlossen die damalige G.________ (nun Schiedsklägerin 1)
mit der damaligen J.________ (nun Schiedsbeklagte 1) und der B.________AG
(Schiedsbeklagte 2 und Beschwerdeführerin 2) einen "Purchase Contract" ab.
Aufgrund dieses Vertrags erwarb die G.________ verschiedene Bahnprojekte der
J.________. Die G.________ war jedoch nicht bereit, die von J.________
eingegangenen technischen und kommerziellen Risiken für diese Projekte
vollumfänglich zu übernehmen. So vereinbarten die Schiedsklägerin 1 und die
Schiedsbeklagten in Ziff. 11.1 des "Purchase Contract", dass die
Schiedsbeklagte 1 die Verluste aus den übertragenen Projekten ("project
losses") zur Hälfte tragen soll.
Die Bahnprojekte wurden im Mai 1998 von den Schiedsbeklagten an die
Schiedsklägerinnen übertragen. Die Schiedsklägerinnen behaupteten in der Folge,
dass ihnen aus der Ausführung der übernommenen Projekte Verluste entstanden
seien, welche die Schiedsbeklagten gestützt auf die Verlusttragungsregelung
gemäss Ziff. 11.1 des "Purchase Contract" mittragen müssten.

B.
Mit Anzeige vom 14. Februar 2011 leiteten die Schiedsklägerinnen gestützt auf
die Schiedsklausel in Ziff. 19.1 des "Purchase Contract" ein Schiedsverfahren
bei der Schweizer Handelskammer in Zürich ein, worauf ein Dreierschiedsgericht
konstituiert wurde.
In den darauf folgenden Rechtsschriften stellten die Schiedsklägerinnen diverse
Rechtsbegehren, wobei die zuletzt aufrecht erhaltenen wie folgt lauteten:

"1. Die Beklagten seien - unter solidarischer Haftung - zu verurteilen, der
Klägerin 1 den Betrag von CHF 16'192'890.96 zuzüglich Zins zu 5% seit dem 9.
August 2010 zu bezahlen (DD Projekte).

2. Die Beklagten seien - unter solidarischer Haftung - zu verurteilen, der
Klägerin 1 (eventualiter der Klägerin 2) den Betrag von CHF 21'879'481.61
zuzüglich Zins zu 5% seit dem 9. August 2010 zu bezahlen (NSB EMU Class 72).

3. Die Beklagten seien - unter solidarischer Haftung - zu verurteilen, der
Klägerin 1 (eventualiter der Klägerin 2) den Betrag von EUR 22'776'215
zuzüglich Zins zu 5% seit dem 28. Februar 2013 und zuzüglich CHF 3'500 von ihr,
im Zusammenhang mit der Anerkennung und VolIstreckung des ICC Schiedsurteils
No. 13189/FM zu entrichtende Verfahrenskosten, zu bezahlen (NSB EMU Class 72).

Eventualiter: Es sei festzustellen, dass die Beklagten der Klägerin 1
(eventualiter der Klägerin 2) den Betrag von EUR 22'776'215 zuzüglich Zins zu
5% seit dem 28. Februar 2013 und zuzüglich CHF 3'500 von ihr, im Zusammenhang
mit der Anerkennung und Vollstreckung des ICC Schiedsurteils No. 13189/FM zu
entrichtende Verfahrenskosten, innerhalb von 10 Tagen seit Rechtskraft des
Endentscheides im vorliegenden Verfahren zu bezahlen haben.

4. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen, wiederum unter solidarischer
Haftung, zu Lasten der Beklagten."

Die Schiedsbeklagten beantragten die Abweisung der Klage und erhoben ihrerseits
folgende Widerklage:

"Die Klägerinnen seien widerklageweise - unter solidarischer Haftung - zu
verpflichten, der Beklagten 1 die folgenden Beträge zu bezahlen: CHF
22'119'161.-- nebst Zins zu 5% seit dem 11. Dezember 2003; CHF 9'175'890.--
nebst Zins zu 5% seit dem 1. Januar 2011; CHF 3'819'001.-- aufgelaufene
Verzugszinsen bis zum 31. Dezember 2010."

Mit Schiedsspruch vom 2. Juni 2015 hiess das Schiedsgericht die klägerischen
Rechtsbegehren Ziff. 1 und 2 teilweise gut und verurteilte die Schiedsbeklagten
unter solidarischer Haftbarkeit zur Zahlung von Fr. 16'192'890.96 bzw. Fr.
7'721'945.29, jeweils nebst Zins zu 5% seit dem 14. Februar 2014
(Dispositiv-Ziffern 1 und 2). Im Übrigen wies es Klage und Widerklage ab,
soweit es darauf eintrat (Dispositiv-Ziffern 3, 4, 5), auferlegte den Parteien
die Schiedsrichterhonorare je zur Hälfte (Dispositiv-Ziffern 6 und 7) und
schlug die Parteikosten wett (Dispositiv-Ziffer 8).

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen stellen die Schiedsbeklagten dem Bundesgericht
folgende Rechtsbegehren:

"1. Die Dispositiv-Ziffern 1 (betreffend "project losses"), 6 und 7 (betreffend
Verfahrenskosten) und 8 (betreffend Parteikosten) des zweiten Teils des
Dispositivs (Erkenntnisteil) des Schiedsspruchs vom 2. Juni 2015 des
Schiedsgerichts der Schweizer Handelskammern im Verfahren Nr. 600242-2011,
seien aufzuheben und das Verfahren sei zu erneuter Entscheidung in diesen
Punkten im Sinne der Erwägungen des Schweizerischen Bundesgerichts an das
Schiedsgericht zurückzuweisen.

2. Eventualiter sei der Schiedsspruch vom 2. Juli 2015 vollumfänglich
aufzuheben und das Verfahren sei zu erneuter Entscheidung im Sinne der
Erwägungen des Schweizerischen Bundesgerichts an das Schiedsgericht
zurückzuweisen.

3. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der
Beschwerdegegnerinnen."

Die Beschwerdegegnerinnen beantragen in ihrer Vernehmlassung, es sei auf die
Beschwerde nicht einzutreten, eventualiter sei sie abzuweisen. Das
Schiedsgericht reichte eine Stellungnahme ein, ohne Antrag zu stellen.
Die Parteien haben repliziert und dupliziert.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein
Rechtsmittel zulässig ist (BGE 139 III 249 E. 1 S. 250; 137 III 417 E. 1).

1.1. Angefochten ist ein Schiedsspruch über eine Streitigkeit zwischen
Parteien, die im Zeitpunkt des Abschlusses der Schiedsvereinbarung ihren Sitz
in der Schweiz hatten. Weder in der Schiedsvereinbarung noch später haben die
Parteien vereinbart, dass die Bestimmungen über die internationale
Schiedsgerichtsbarkeit (Art. 176 ff. IPRG) Anwendung finden sollen (vgl. Art.
353 Abs. 2 ZPO [SR 272]). Es gelten somit die Regeln über die interne
Schiedsgerichtsbarkeit gemäss dem 3. Teil der Schweizerischen
Zivilprozessordnung (Art. 353 ff. ZPO). Die Parteien haben von der ihnen durch
Art. 390 Abs. 1 ZPO eingeräumten Möglichkeit, als Rechtsmittelinstanz ein
kantonales Gericht zu bezeichnen, nicht Gebrauch gemacht. Der ergangene
Endschiedsspruch unterliegt somit der Beschwerde an das Bundesgericht (Art. 389
Abs. 1 und Art. 392 lit. a ZPO sowie Art. 77 Abs. 1 lit. b BGG).

1.2. Die Beschwerdeführerinnen sind mit ihren vorinstanzlich gestellten
Begehren um Klageabweisung unterlegen und sind damit sowohl formell wie
materiell durch den angefochtenen Schiedsspruch beschwert (Art. 76 Abs. 1 BGG).
Diese Beschwer bleibt auch dann bestehen, wenn die Beschwerdeführerinnen den
Betrag, zu dem sie verurteilt wurden, auf Betreibung hin und mangels
aufschiebender Wirkung der vorliegenden Beschwerde in Zivilsachen bereits an
die Beschwerdegegnerinnen überwiesen haben. Die Vorbringen der
Beschwerdegegnerinnen, mit denen diese den Beschwerdeführerinnen aufgrund der
erfolgten Überweisung ein Rechtsschutzinteresse am vorliegenden
Anfechtungsverfahren absprechen wollen, sind unbehelflich.

1.3. Die Beschwerdegründe gegen einen Schiedsspruch sind beschränkter als gegen
ein staatliches Urteil; sie sind im Gesetz abschliessend aufgezählt (Art. 393
ZPO). Das Bundesgericht prüft zudem nur die Beschwerdegründe, die in der
Beschwerde vorgebracht und begründet werden (Art. 77 Abs. 3 BGG). Diese
Anforderung entspricht der nach Art. 106 Abs. 2 BGG für die Verletzung von
Grundrechten vorgesehenen Rügepflicht (BGE 134 III 186 E. 5). Die
beschwerdeführende Partei muss die einzelnen Beschwerdegründe, die nach ihrem
Dafürhalten erfüllt sind, benennen; es ist nicht Aufgabe des Bundesgerichts,
danach zu forschen, welcher Beschwerdegrund nach Art. 393 ZPO mit den einzelnen
erhobenen Rügen geltend gemacht werden soll, wenn dies von der
beschwerdeführenden Partei im Zusammenhang mit diesen nicht präzisiert wird.
Sodann hat die beschwerdeführende Partei im Detail aufzuzeigen, warum die
angerufenen Beschwerdegründe erfüllt sind, wobei sie mit ihrer Kritik an den
als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen des Schiedsgerichts anzusetzen hat
(Urteil 4A_424/2011 vom 2. November 2011 E. 1.3 mit Hinweisen).

1.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den das
Schiedsgericht festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu gehören sowohl die
Feststellungen über den Lebenssachverhalt, der dem Streitgegenstand zugrunde
liegt, als auch jene über den Ablauf des vorinstanzlichen Verfahrens, also die
Feststellungen über den Prozesssachverhalt, zu dem namentlich die Anträge der
Parteien, ihre Tatsachenbehauptungen, rechtlichen Erörterungen,
Prozesserklärungen und Beweisvorbringen, der Inhalt einer Zeugenaussage, einer
Expertise oder die Feststellungen anlässlich eines Augenscheins gehören (BGE
140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Das Bundesgericht kann die
Sachverhaltsfeststellung des Schiedsgerichts weder berichtigen noch ergänzen,
selbst wenn diese offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (vgl. Art. 77 Abs. 2 BGG, der die Anwendbarkeit
von Art. 97 BGG sowie Art. 105 Abs. 2 BGG ausschliesst). Allerdings kann das
Bundesgericht die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen
Schiedsentscheids überprüfen, wenn gegenüber diesen Sachverhaltsfeststellungen
zulässige Rügen im Sinne von Art. 393 ZPO vorgebracht oder ausnahmsweise Noven
berücksichtigt werden (BGE 138 III 29 E. 2.2.1 S. 34; 134 III 565 E. 3.1 S.
567; 133 III 139 E. 5 S. 141; je mit Hinweisen). Wer sich auf eine Ausnahme von
der Bindung des Bundesgerichts an die tatsächlichen Feststellungen des
Schiedsgerichts beruft und den Sachverhalt gestützt darauf berichtigt oder
ergänzt wissen will, hat mit Aktenhinweisen darzulegen, dass entsprechende
Sachbehauptungen bereits im schiedsgerichtlichen Verfahren prozesskonform
aufgestellt worden sind (vgl. BGE 140 III 86 E. 2 S. 90 mit Hinweisen).

1.5. Diese Grundsätze verkennen die Beschwerdeführerinnen, soweit sie unter dem
Titel "I. Verfahren vor dem Schiedsgericht" die Hintergründe des Rechtsstreits
und den Ablauf des Schiedsverfahrens aus eigener Sicht schildern und dabei
teilweise von den tatsächlichen Feststellungen des Schiedsgerichts abweichen
oder diese erweitern, ohne substanziiert Ausnahmen von der Sachverhaltsbindung
geltend zu machen oder anderweitig substanziierte Rügen nach Art. 393 ZPO
vorzutragen. Die entsprechenden Ausführungen haben unbeachtet zu bleiben.
Gehörige Rügen, die im Folgenden zu untersuchen sind, erheben die
Beschwerdeführerinnen erst unter dem Titel "II. Rechtliches".

2.
Die Beschwerdeführerinnen beanstanden, das Schiedsgericht habe sich bei der
Berechnung "project losses" gemäss Ziff. 11.1 des "Purchase Contract" auf
falsche Vorkalkulationswerte gestützt.

2.1. Die entsprechende Ziffer lautet wie folgt:

"J.________ shall, notwithstanding anything to the contrary contained in any
consortium agreement concluded between J.________ and the Purchaser as listed
in Annex 4.1, and in addition to J.________'s sole liability under the
subcontracts referred to in Article 7.2, be liable for and shall bear to the
extent of an amount equal to fifty (50) per cent (except of the contract NSB
EMU Class 72 for which J.________ shall be liable for and shall bear the total
amount) of the aggregate project losses of the contracts listed in Annex 4.1,
provided however, the Purchaser will use its best efforts to perform such
contracts. Such aggregate project losses shall be calculated as the sum of the
difference between post calculation (Nachkalkulation) on the one hand and the
sum of pre-calculation plus respective provision on the other hand of the
aggregate of the contracts as listed in Annex 4.1. It is understood, that such
calculation is based on the full cost (referred to as Gesamtkosten II in Annex
7.2) of such contracts, comprising cost of goods sold (referred to as
Gesamtkosten I) plus sales, general and administrative cost (Vertriebs- und
Verwaltungskostenzuschlag) to be determined as set forth in the Annex 7.2."

In freier Übersetzung auf Deutsch:

"J.________ soll, ungeachtet gegenteiliger Bestimmungen in einem
Konsortialvertrag zwischen J.________ und der Käuferin gemäss Annex 4.1, und
zusätzlich zur alleinigen Haftung von J.________ gemäss den Unteraufträgen
gemäss Artikel 7.2, 50% (mit Ausnahme des Projekts NSB EMU Class 72, für
welches J.________ den vollen Betrag übernimmt und dafür haftet) der
aggregierten 'project losses' der Verträge gemäss Annex 4.1 übernehmen und
dafür haften, unter der Bedingung, dass die Käuferin die Vertrage unter
Anwendung höchster Sorgfalt ausführt. Diese aggregierten 'project losses'
soIlen berechnet werden als die Summe der Differenz zwischen Nachkalkulation
einerseits und der Summe der Vorkalkulation plus die Summe der jeweiligen
Rückstellungen andererseits sämtlicher Verträge, welche in Annex 4.1
aufgelistet sind. Die Parteien sind sich einig, dass diese Berechnung auf den
vollen Kosten (in Annex 7. 2 Gesamtkosten II genannt) dieser Verträge beruht,
welche sich aus Gesamtkosten I plus Vertriebs- und Verwaltungskostenzuschlag
zusammensetzen, zu berechnen gemäss Annex 7.2."

2.2. Gemäss den Feststellungen im angefochtenen Entscheid behaupteten die
Beschwerdegegnerinnen im Schiedsverfahren, dass bei der in Ziff. 11.1
vereinbarten Berechnung der "project losses" zwar auf die sog. Gesamtkosten II
abzustellen sei, dies aber nicht bedeute, dass ein blosser Kostenvergleich
anzustellen sei. Vielmehr müssten die auf den Projekten erzielten Gewinne
ebenfalls berücksichtigt werden. Wenn der zu erzielende Gewinn höher
veranschlagt worden sei, als er tatsächlich ausgefallen ist, so sei die
Differenz ebenfalls als Verlust hälftig zu entschädigen.
Diesen Berechnungsmodus bestritten die Beschwerdeführerinnen, welche dafür
hielten, dass bei der Berechnung der "project losses" allein auf die
Gesamtkosten II abzustellen sei ohne Berücksichtigung der Erlösseite. Bei der
Verlustberechnung sei einzig auf die Kosten abzustellen; eine Gewinn- oder
Verlustbeteiligung hätten die Parteien nicht vereinbart. Damit laute die
Abrechnungsformel wie folgt: Projektverluste = Gesamtkosten II gemäss
Vorkalkulationen + Rückstellungen - Gesamtkosten II gemäss Nachkalkulationen.
Das Schiedsgericht kam in Würdigung der erhobenen Beweismittel zum Schluss,
dass die Parteien grundsätzlich die von den Beschwerdeführerinnen behauptete
Berechnungsmethode vereinbart hätten.

2.3. In der Folge ermittelte das Schiedsgericht die Grundlage für die
Vorkalkulationswerte. Es stützte sich hierzu auf die Projektvorkalkulationen,
die im Rahmen einer Joint Due Diligence durch die KPMG durchgeführt worden
sind. Nach Auffassung des Schiedsgerichts sind dabei in den Tabellen in
Enclosure 6 des Due Diligence-Reports die Werte der totalen Gesamtkosten II per
30. April 1998 massgeblich und nicht die geschätzten Fertigstellungskosten
(sog. Gesamtkosten II "Cost to complete"), auf die sich die
Beschwerdeführerinnen (implizit) berufen haben. Denn die Gesamtkosten II "Cost
to complete" entsprächen dem geschätzten Wert der nachkalkulierten Gesamtkosten
II und nicht den Vorkalkulationswerten. Würde der Argumentation der
Beschwerdeführerinnen, es sei auf die Fertigstellungskosten abzustellen,
gefolgt werden, so müssten beispielsweise für das Projekt SBB Ameise 1. Serie
Fr. 34'431'761.56 im Rahmen der Vorkalkulation berücksichtigt werden, obwohl
per 30. April 1998 lediglich Kosten von Fr. 218'776.19 aufgelaufen seien. Diese
Berechnung würde mithin dazu führen, dass der Betrag von rund Fr. 34 Mio. (plus
Rückstellungen) vom Betrag der Gesamtkosten II aus der Nachkalkulation
abgezogen würde und der Beschwerdegegnerin 1 somit Kosten im Umfang von Fr. 34
Mio. im Rahmen des "Purchase Contract" nicht ersetzt würden. Eine solch
substantielle Kostenbeteiligung der Beschwerdegegnerin 1 bei der Abwicklung der
Annex 4.1-Projekten sei aber - so das Schiedsgericht - nicht im "Purchase
Contract" enthalten und werde von den Parteien auch nicht behauptet. Die
Beklagten hätten insbesondere nicht gezeigt und auch nicht behauptet, dass die
J.________ bei Offertstellung kostendeckend offeriert hatte und es deshalb dem
übereinstimmenden Willen der Parteien des "Purchase Contract" entsprochen habe,
dass nur entschädigt werden soll, was über die offerierten
Fertigstellungskosten hinausgeht.

3.
Gegen die Berücksichtigung der totalen Gesamtkosten II per 30. April 1998
anstelle der offerierten Fertigstellungskosten als Basis der
Vorkalkulationswerte bringen die Beschwerdeführerinnen vor, das Schiedsgericht
weiche damit von übereinstimmenden Behauptungen der Parteien ab, womit es gegen
das Willkürverbot (Art. 393 lit. e ZPO) und - aufgrund der damit verbundenen
"Überraschung " - auch gegen das rechtliche Gehör (Art. 393 lit. d ZPO)
verstossen habe.
Diese Rügen sind zum Vornherein unbegründet, da sie auf falschen Prämissen
beruhen: Von übereinstimmenden Parteipositionen hinsichtlich der
Vorkalkulationswerte kann - wie sowohl das Schiedsgericht als auch die
Beschwerdegegnerinnen in ihren Vernehmlassungen zutreffend ausführen - nämlich
keine Rede sein. Ausweislich des oben in E. 2.2 wiedergegebenen
Prozesssachverhalts behaupteten die Parteien im Gegenteil nämlich völlig
unterschiedliche Berechnungsmodi: Während die Beschwerdegegnerinnen den Umfang
der Verlusttragung auf der Basis der Erlöse berechnen wollten, boten die
Beschwerdeführerinnen nur für eine Berechnung auf Basis der Kosten Hand. In der
Folge nahm das Schiedsgericht bei seinen Berechnungen grundsätzlich (und
insoweit in Übereinstimmung mit den Vorbringen der Beschwerdeführerinnen) einen
Kostenvergleich vor, stellte aber nicht auf die geschätzten
Fertigstellungskosten, sondern auf die per 30. April 1998 aufgelaufenen Kosten
ab. Darin lässt sich keine Missachtung gemeinsamer Parteipositionen ausmachen,
denn selbst wenn die Beschwerdegegnerinnen in ihren Ausführungen mitunter auch
auf Fertigstellungskosten Bezug genommen haben, dann eben nur unter der
Voraussetzung, dass es letztlich auf die Erlöse ankommt. Gemeinsame
Parteipositionen im Rahmen des kostenbasierten Berechnungsmodus lagen damit
aber nicht vor, womit die entsprechenden Willkür- und Gehörsrügen ins Leere
zielen.

4.
Nebst der angeblichen Missachtung übereinstimmender Parteipositionen tragen die
Beschwerdeführerinnen weitere Willkür- bzw. Aktenwidrigkeitsrügen vor:

4.1. Gemäss Art. 393 lit. e ZPO kann gegen den Schiedsspruch vorgebracht
werden, er sei im Ergebnis willkürlich, weil er auf offensichtlich
aktenwidrigen tatsächlichen Feststellungen oder auf einer offensichtlichen
Verletzung des Rechts oder der Billigkeit beruht.
Die Umschreibung des Willkürtatbestandes in Art. 393 lit. e ZPO stimmt mit dem
Begriff der Willkür überein, den das Bundesgericht zu Art. 9 BV entwickelt hat
(BGE 131 I 45 E. 3.4 S. 48). Willkürlich ist ein Entscheid danach nicht schon
dann, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar
vorzuziehen wäre, sondern erst, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, zur
tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen
unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem
Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 137 I 1 E. 2.4 S. 5; 136 I 316 E.
2.2.2 S. 318 f.). Die Tatbestände, hinsichtlich derer Willkür im genannten
Sinne geltend gemacht werden kann, sind jedoch eingeschränkt. Eine
Einschränkung der Willkürrüge betrifft Tatsachenfeststellungen. Es kann einzig
offensichtliche Aktenwidrigkeit vorgebracht werden; diese ist nicht mit
willkürlicher Beweiswürdigung gleichzusetzen. Offensichtlich aktenwidrige
tatsächliche Feststellungen im Sinne von Art. 393 lit. e ZPO trifft das
Schiedsgericht dann, wenn es sich infolge Versehens mit den Akten in
Widerspruch gesetzt hat, sei es, dass es Aktenstellen übersehen oder ihnen
einen anderen als den wirklichen Inhalt beigemessen hat, sei es, dass es irrig
davon ausgegangen ist, eine Tatsache sei aktenmässig belegt, während die Akten
in Wirklichkeit darüber keinen Aufschluss geben. Aktenwidrigkeit liegt nur vor,
wenn der Richter bei der Beweiswürdigung von unrichtigen tatsächlichen
Prämissen ausgeht; das Ergebnis und die Art und Weise der Beweiswürdigung sowie
die darin liegenden Wertungen sind nicht Gegenstand der Willkürrüge, sondern
einzig Tatsachenfeststellungen, die von keiner weiteren Würdigung abhängen,
weil sie mit den Akten unvereinbar sind (BGE 131 I 45 E. 3.6 und 3.7 S. 49 f.;
Urteile 4A_454/2011 vom 27. Oktober 2011 E. 2.2; 4A_424/2011 vom 2. November
2011 E. 2.1; 4A_390/2014 vom 20. Februar 2015 E. 3.2).

4.2. Die Beschwerdeführerinnen rügen als willkürlich, da "in stossender Weise
dem Gerechtigkeitsgedanken" zuwiderlaufend, dass das Schiedsgericht "zugunsten"
der Beschwerdegegnerinnen eigene Berechnungen vorgenommen habe. Dieser Einwand
verfängt nicht: Das Schiedsgericht hat seinen Berechnungen grundsätzlich den
von den Beschwerdeführerinnen behaupteten Abrechnungsmodus zugrunde gelegt,
dabei aber - mit nachvollziehbarer und insoweit vertretbarer Begründung - nicht
auf die Fertigstellungskosten, sondern auf die per 30. April 1998 aufgelaufenen
Kosten abgestellt. Inwiefern damit gegen den "Gerechtigkeitsgedanken"
verstossen worden sein soll, ist nicht ersichtlich.

4.3. Weiter werfen die Beschwerdeführerinnen dem Schiedsgericht diverse
aktenwidrige Feststellungen vor. Dieses führte aus und stellte fest, dass eine
Berücksichtigung der Fertigstellungskosten eine sehr hohe Kostenbeteiligung der
Beschwerdegegnerinnen zur Folge gehabt hätte, die Parteien aber keine derart
substantielle Kostenbeteiligung behauptet hätten (oben E. 2.3). Diese
Feststellung ist nach Auffassung der Beschwerdeführerinnen aktenwidrig.
Ebenfalls aktenwidrig seien die Feststellungen, wonach die
Beschwerdeführerinnen nicht behauptet hätten, dass die Projekte kostendeckend
hätten durchgeführt werden können und es dem übereinstimmenden Parteiwillen
entsprochen habe, dass lediglich die über die offerierten Fertigstellungskosten
hinausgehenden Beträge entschädigt werden sollen. Vielmehr treffe zu, dass die
Beschwerdeführerinnen entsprechende Behauptungen aufgestellt haben.
Die Rügen gehen fehl: Bei den beanstandeten Feststellungen handelt es sich um
solche zum Prozesssachverhalt, die für das Bundesgericht verbindlich sind (oben
E. 1.4). Die Beschwerdeführerinnen zeigen nicht auf, dass das Schiedsgericht
dabei von unrichtigen tatsächlichen Prämissen ausgegangen ist, die mit den
Akten unvereinbar sind; die von ihnen genannten Stellen in ihren
Prozesseingaben vermögen dies nicht zu belegen. Die entsprechenden
Feststellungen darüber, was die Parteien (sinngemäss) behauptet bzw. nicht
behauptet haben, beruhen vielmehr auf einer wertenden Würdigung dessen, was die
Parteien in ihren Eingaben ausgeführt haben, und somit auf einer
Beweiswürdigung, die gerade nicht Gegenstand einer Willkürrüge i.S. von Art.
393 lit. e ZPO ist. Eine aktenwidrige Feststellung des Prozesssachverhalts
liegt nicht vor.

5.
In diesem Zusammenhang rügen die Beschwerdeführerinnen weiter eine Verletzung
des rechtlichen Gehörs i.S. von Art. 393 lit. d ZPO, da das Schiedsgericht die
entsprechenden Behauptungen zur Kostenbeteiligung bzw. der kostendeckenden
Durchführung der Projekte "übersehen " bzw. "missverstanden" habe.
Auch diese Rüge verfängt nicht: Das Schiedsgericht hat die entsprechenden
Behauptungen nicht übersehen, sondern vielmehr überprüft und einer Würdigung
unterzogen. Ob es sie richtig verstanden hat, ist hier nicht zu prüfen, ergibt
sich doch aus dem rechtlichen Gehör kein Anspruch auf einen richtigen
Entscheid, weshalb es auch nicht Sache des Bundesgerichts ist zu überprüfen, ob
das Schiedsgericht sämtliche Aktenstellen berücksichtigt und richtig verstanden
hat (BGE 133 III 235 E. 5.2 S. 249; 127 III 576 E. 2 S. 578).

6.
Schliesslich rügen die Beschwerdeführerinnen einen Verstoss gegen den
Dispositionsgrundsatz von Art. 393 lit. c ZPO, indem das Schiedsgericht den
Beschwerdegegnerinnen für die Projekte RhB GE 4/4 sowie SBB Ameise 2 "massiv
mehr zugesprochen " habe, als von diesen eingeklagt worden sei.

6.1. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung liegt keine Verletzung des
Grundsatzes "  ne eat iudex ultra petita partium " vor, wenn der eingeklagte
Anspruch in rechtlicher Hinsicht ganz oder teilweise abweichend von den
Begründungen der Parteien gewürdigt wird, sofern er vom Rechtsbegehren gedeckt
ist (BGE 120 II 172 E. 3a S. 175; Urteile 4A_684/2014 vom 2. Juli 2015 E.
3.2.1; 4A_440/2010 vom 7. Januar 2011 E. 3.1; 4A_428/2010 vom 9. November 2010
E. 3.1; 4P.134/2006 vom 7. September 2006 E. 4; vgl. auch BGE 130 III 35 E. 5
S. 39). Das Schiedsgericht ist aber an den Gegenstand und Umfang des Begehrens
gebunden, insbesondere wenn die Klägerin ihre Ansprüche im Rechtsbegehren
selbst qualifiziert oder beschränkt (Urteile 4A_440/2010 vom 7. Januar 2011 E.
3.1; 4A_464/2009 vom 15. Februar 2010 E. 4.1; 4A_220/2007 vom 21. September
2007 E. 7.2; vgl. auch Urteil 4A_307/2011 vom 16. Dezember 2011 E. 2.4).

6.2. Die Dispositiv-Ziffern Nr. 1 und 2 des Schiedsspruchs halten sich im
Rahmen der Klagebegehren Nr. 1 und 2. Das Schiedsgericht hat den
Beschwerdegegnerinnen mithin nicht mehr zugesprochen, als diese beantragt
haben. In den Klagebegehren wurden auch keine Beträge nach Einzelprojekten
aufgeschlüsselt, sondern lediglich Totalbeträge aufgeführt. An den Gegenstand
und den Umfang dieser Totalbeträge hat sich das Schiedsgericht gehalten. Der
Beschwerdegrund von Art. 393 lit. c ZPO ist mithin nicht gegeben.

7.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Beschwerdeführerinnen kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG und Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 55'000.-- werden den Beschwerdeführerinnen auferlegt
(unter solidarischer Haftbarkeit und intern zu gleichen Teilen).

3.
Die Beschwerdeführerinnen haben die Beschwerdegegnerinnen für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 65'000.-- zu entschädigen (unter
solidarischer Haftbarkeit und intern zu gleichen Teilen).

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Schiedsgericht der Schweizer
Handelskammern mit Sitz in Zürich schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 4. Februar 2016

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Kiss

Der Gerichtsschreiber: Hurni

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