Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.327/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
4A_327/2015

Urteil vom 9. Februar 2016

I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
Bundesrichterin Klett, Bundesrichter Kolly,
Bundesrichterin Hohl,
nebenamtlicher Bundesrichter Al. Brunner,
Gerichtsschreiber Leemann.

Verfahrensbeteiligte
A.________ SA,
vertreten durch Rechtsanwälte
Dr. Marco Balmelli und Philipp A. d'Hondt,
Beschwerdeführerin,

gegen

Genossenschaft B.________,
vertreten durch Fürsprecher Dr. Thomas Müller,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Mietvertrag,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
des Kantons Bern, Zivilabteilung, 1. Zivilkammer,
vom 13. Mai 2015.

Sachverhalt:

A.
Die Rechtsvorgängerin der Genossenschaft B.________ (Vermieterin, Beklagte,
Beschwerdegegnerin) schloss am 6. April 2006 mit der A.________ SA (Mieterin,
Klägerin, Beschwerdeführerin) einen Mietvertrag über ein Ladenlokal in der
Thuner Innenstadt mit folgender Klausel (Ziffer 3) ab:

"Mietdauer und Kündigung
Das Mietverhältnis wird für eine feste Dauer bis zum 31. Dezember 2011 + 5
Jahre Option abgeschlossen. Danach ist eine Kündigungsfrist von zwei Jahren
einzuhalten."
Die A.________ SA übte ihr Optionsrecht mit Schreiben vom 29. Oktober 2009 aus;
die Rechtsvorgängerin der Genossenschaft B.________ bestätigte dessen Inhalt
mit Schreiben vom 9. November 2009. Aufgrund des Erwerbs der Liegenschaft
(Kaufvertrag vom 26. März 2012) ging der Mietvertrag in der Folge auf die
Genossenschaft B.________ über.
Mit Schreiben vom 21. November 2013 bestätigte die Vermieterin der Mieterin die
Verlängerung des Mietverhältnisses bis am 31. Dezember 2016 durch erfolgte
Ausübung der Option und kündigte ihr dieses gleichzeitig mit amtlichem Formular
auf diesen Termin. Sie begründete dies damit, dass ein Architekturwettbewerb
durchgeführt werde und verschiedene Nutzungsmöglichkeiten geprüft würden, wobei
sie sich als Eigentümerin der Liegenschaft für das "umfassende Bauvorhaben"
sämtliche Optionen offenhalten wolle.

B.

B.a. Am 29. April 2014 erhob die Mieterin beim Regionalgericht Oberland Klage
mit den Rechtsbegehren, die Kündigung der Vermieterin vom 21. November 2013 sei
für nichtig zu erklären, eventualiter sei diese als missbräuchlich aufzuheben
und subeventualiter sei das Mietverhältnis um die maximale Dauer von sechs
Jahren zu erstrecken.
Mit Entscheid vom 18. November 2014 wies das Regionalgericht Oberland die Klage
ab.

B.b. Mit Urteil vom 13. Mai 2015 wies das Obergericht des Kantons Bern eine von
der Klägerin gegen den regionalgerichtlichen Entscheid vom 18. November 2014
erhobene Berufung ab.

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Klägerin dem Bundesgericht, es sei
der Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern vom 13. Mai 2015 aufzuheben und
es sei die Kündigung vom 21. November 2013 für unwirksam zu erklären,
eventualiter als missbräuchlich aufzuheben. Subeventualiter sei das
Mietverhältnis für die Dauer von sechs Jahren zu erstrecken. Subsubeventualiter
sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an
die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die Vorinstanz
hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

D.
Mit Verfügung vom 30. Juli 2015 erteilte das Bundesgericht der Beschwerde die
aufschiebende Wirkung.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein
Rechtsmittel zulässig ist (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 140 IV 57 E. 2 S. 59; 139
III 133 E. 1 S. 133; je mit Hinweisen).

1.1. Die Beschwerde richtet sich gegen einen verfahrensabschliessenden
Endentscheid (Art. 90 BGG) einer oberen kantonalen Instanz, die auf ein
Rechtsmittel hin kantonal letztinstanzlich in einer Zivilsache entschieden hat
(Art. 75 i.V.m. Art. 72 BGG), die Rechtsbegehren der Beschwerdeführerin sind im
kantonalen Verfahren nicht geschützt worden (Art. 76 Abs. 1 BGG), der
massgebende Streitwert beträgt mehr als Fr. 15'000.-- (Art. 74 Abs. 1 lit. a
BGG) und die Beschwerdefrist ist eingehalten (Art. 100 Abs. 1 BGG). Auf die
Beschwerde in Zivilsachen ist somit - unter Vorbehalt einer rechtsgenügenden
Begründung (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG) - einzutreten.

1.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente
noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus
einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen oder eine Beschwerde mit
einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen.
Mit Blick auf die Begründungspflicht der beschwerdeführenden Partei (Art. 42
Abs. 1 und 2 BGG) behandelt es aber grundsätzlich nur die geltend gemachten
Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind; es ist
jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich
stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht
nicht mehr vorgetragen werden (BGE 140 III 115 E. 2 S. 116; 137 III 580 E. 1.3;
135 III 397 E. 1.4). Eine qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der
Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht. Das
Bundesgericht prüft eine solche Rüge nur insofern, als sie in der Beschwerde
präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu gehören sowohl die
Feststellungen über den Lebenssachverhalt, der dem Streitgegenstand zugrunde
liegt, als auch jene über den Ablauf des vor- und erstinstanzlichen Verfahrens,
also die Feststellungen über den Prozesssachverhalt, namentlich die Anträge der
Parteien, ihre Tatsachenbehauptungen, rechtlichen Erörterungen,
Prozesserklärungen und Beweisvorbringen, der Inhalt einer Zeugenaussage, einer
Expertise oder die Feststellungen anlässlich eines Augenscheins (BGE 140 III 16
E. 1.3.1 mit Hinweisen). Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung
der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig
ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105
Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140
III 115 E. 2 S. 117, 264 E. 2.3 S. 266; 135 III 397 E. 1.5). Überdies muss die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97
Abs. 1 BGG).
Die Partei, welche die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz anfechten will,
muss klar und substanziiert aufzeigen, inwiefern diese Voraussetzungen erfüllt
sein sollen; andernfalls kann ein Sachverhalt, der vom im angefochtenen
Entscheid festgestellten abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 140 III 16
E. 1.3.1 S. 18, 264 E. 2.3 S. 266 mit Hinweisen). Wenn sie den Sachverhalt
ergänzen will, hat sie zudem mit Aktenhinweisen darzulegen, dass sie
entsprechende rechtsrelevante Tatsachen und taugliche Beweismittel bereits bei
den Vorinstanzen prozesskonform eingebracht hat (BGE 140 III 86 E. 2 S. 90).
Zu beachten ist, dass das Bundesgericht in die Beweiswürdigung des Sachgerichts
nur eingreift, wenn diese willkürlich ist. Willkür liegt nicht schon dann vor,
wenn eine andere Lösung ebenfalls in Betracht zu ziehen oder gar vorzuziehen
wäre, sondern nur, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar
ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm
oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender
Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 140 III 16 E. 2.1, 167 E.
2.1; 139 III 334 E. 3.2.5 S. 339; je mit Hinweisen). Dass die von Sachgerichten
gezogenen Schlüsse nicht mit der eigenen Darstellung der betreffenden Partei
übereinstimmen, belegt keine Willkür (BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266 mit
Hinweisen).

1.4. Die Beschwerdeführerin verfehlt die gesetzlichen Begründungsanforderungen
an eine hinreichende Sachverhaltsrüge, wenn sie die vorinstanzliche
Feststellung, dass ein übereinstimmender wirklicher Wille der Vertragsparteien
weder von der Beschwerdeführerin noch von der Beschwerdegegnerin behauptet
worden sei, lediglich als falsch bezeichnet. Ausserdem leuchtet nicht ein,
weshalb der von ihr ins Feld geführte Umstand, dass der unterzeichnete
Mietvertrag den Briefkopf der Rechtsvorgängerin der Beschwerdegegnerin trage,
zwingend den Schluss zulassen würde, dass eine bestimmte Vertragsklausel auch
von dieser verfasst worden ist; der Vorwurf der offensichtlich falschen bzw.
willkürlichen Sachverhaltsfeststellung geht fehl.

2.
Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz zunächst eine unrichtige Auslegung
von Ziffer 3 des Mietvertrags vom 6. April 2006 vor.

2.1. Gestritten wird über die Bedeutung des Worts "danach" in Ziffer 3 des
Mietvertrags. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin bedeutet "danach", dass der
Mietvertrag mit Verlängerungsoption bis 31. Dezember 2016 gelte und erst nach
diesem Datum eine Kündigung unter Einhaltung einer Frist von zwei Jahren
möglich sei, mithin frühestens am 1. Januar 2017 per 31. Januar 2019.
Demgegenüber macht die Beschwerdegegnerin geltend, das Wort "danach" bedeute,
dass der Mietvertrag vom 6. April 2006 zuerst um fünf Jahre verlängert und nach
Ausübung der Verlängerungsoption mit einer Frist von zwei Jahren gekündigt
werden könne. Nach dieser Auslegung, die von der Vorinstanz geteilt wurde, ist
die Kündigung des Mietvertrags (erstmals) auf den 31. Dezember 2016 kündbar.
Eine entsprechende Kündigung hat die Beschwerdegegnerin ausgesprochen, was die
Beschwerdeführerin jedoch nicht gegen sich gelten lässt.

2.2. Die Vorinstanz hat mit eingehender Begründung in Anwendung des
Vertrauensprinzips erwogen, dass die strittige Vertragsklausel so auszulegen
sei, dass der Mietvertrag zuerst um fünf Jahre verlängert und  nach Ausübung
dieser Verlängerungsoption mit einer Frist von zwei Jahren (frühestens auf den
Ablauf der Verlängerungsdauer hin) gekündigt werden könne. Die Kündigung der
Vermieterin vom 21. November 2013 per 31. Dezember 2016 sei daher rechtens.
Die Beschwerdeführerin vermag mit ihren dagegen erhobenen Vorbringen nicht
aufzuzeigen, inwiefern der Vorinstanz eine Verletzung der massgebenden
Grundsätze der Vertragsauslegung nach Treu und Glauben vorzuwerfen wäre. Ihre
Ausführungen erweisen sich grösstenteils als appellatorisch, indem sie dem
Bundesgericht unter Hinweis auf ihre eigene Sicht der Dinge hinsichtlich des
tatsächlichen Verständnisses der Parteien ihre Auslegung unterbreitet, ohne
dass sich dem angefochtenen Entscheid entsprechende Sachverhaltsfeststellungen
entnehmen liessen.

2.2.1. Wenn sich ein übereinstimmender tatsächlicher Parteiwille nicht
nachweisen lässt, sind zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die
Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie
nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden
werden durften und mussten (vgl. BGE 138 III 659 E. 4.2.1 S. 666; 136 III 186
E. 3.2.1 S. 188; 133 III 406 E. 2.2 S. 409; 132 III 626 E. 3.1 S. 632, 24 E. 4
S. 27 f.). Das Bundesgericht überprüft diese objektivierte Auslegung von
Willenserklärungen als Rechtsfrage, wobei es an Feststellungen des kantonalen
Gerichts über die äusseren Umstände sowie das Wissen und Wollen der Beteiligten
grundsätzlich gebunden ist (Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 133 III 61 E. 2.2.1 S. 67
mit Hinweisen). Die Unklarheitenregel gelangt dann zur Anwendung, wenn die
übrigen Auslegungsmittel versagen. Danach sind mehrdeutige Klauseln gegen den
Verfasser bzw. gegen jene Partei auszulegen, die als branchenkundiger als die
andere zu betrachten ist und die Verwendung der vorformulierten Bestimmungen
veranlasst hat (BGE 133 III 61 E. 2.2.2.3 S. 69, 607 E. 2.2; 124 III 155 E. 1b
S. 158; 122 III 118 E. 2a S. 121).

2.2.2. Nachdem ein übereinstimmender tatsächlicher Parteiwille nicht
festgestellt werden konnte, hat die Vorinstanz die strittige Vertragsklausel
zutreffend nach dem Vertrauensprinzip ausgelegt. Sie hat den Wortlaut (
"danach") in den  Kontext des Mietvertrags gestellt und festgehalten, dass mit
der ersten Verlängerung bzw. Option um fünf Jahre aus einem an sich befristeten
ein (unecht) unbefristeter Mietvertrag geworden sei. Sie hält denn auch bei
ihrer Auslegung zutreffend fest, dass der Mietvertrag bei echter Befristung
ohne Kündigung per 31. Dezember 2011 bzw. nach Ablauf der Verlängerung um fünf
Jahre in Anwendung von Art. 255 Abs. 2 OR geendet hätte. Die Vorinstanz weist
zu Recht darauf hin, dass der zweite Satz der Vertragsklausel ( "Danach ist
eine Kündigungsfrist von zwei Jahren einzuhalten.") gerade aufzeigt, dass das
Mietverhältnis bei Untätigkeit beider Parteien nach Ablauf von fünf Jahren
weiterläuft.
Ebenso wenig zu beanstanden ist die vorinstanzliche Erwägung, wonach Sinn und
Zweck der vorgesehenen Mindestdauer bis 31. Dezember 2011 mit Option einer
Verlängerung um fünf Jahre darin liegt, dass der Vertrag nach Ablauf der
bezeichneten Dauer beendet werden kann. Die Vorinstanz ist zutreffend davon
ausgegangen, dass die vereinbarte "feste Dauer bis zum 31. Dezember 2011 + 5
Jahre Option" auch unter Berücksichtigung der "Kündigungsfrist von zwei Jahren"
nach Treu und Glauben so zu verstehen ist, dass der Mietvertrag auf den Ablauf
der Verlängerungsdauer hin (d.h. per 31. Dezember 2016) gekündigt werden kann.
Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht leuchtet nicht ein, dass
eine Auslegung der Klausel nach dem Vertrauensprinzip dazu führen müsste, dass
der Vertrag bei Ausübung der Option trotz der ausdrücklich aufgeführten
Verlängerungsoption um fünf Jahre gleichwohl erst nach sieben Jahren und einem
Monat beendet werden könnte. Die Vorinstanz hat angesichts dieses
Auslegungsergebnisses ohne Bundesrechtsverletzung erwogen, dass für die
Anwendung der von der Beschwerdeführerin ins Feld geführten (subsidiär
anwendbaren) Unklarheitenregel kein Raum bleibt (vgl. BGE 133 III 61 E. 2.2.2.3
S. 69; 122 III 118 E. 2a).

2.2.3. Der Vorinstanz ist keine Bundesrechtsverletzung vorzuwerfen, wenn sie
die strittige Vertragsklausel dahingehend auslegte, dass der Mietvertrag unter
Beachtung einer zweijährigen Kündigungsfrist per 31. Dezember 2016 aufgelöst
werden konnte. Die Kündigung der Beschwerdegegnerin vom 21. November 2013
erweist sich insoweit als vertragskonform. Entsprechend hat die Vorinstanz das
auf Nichtigerklärung der Kündigung gerichtete Hauptbegehren der
Beschwerdeführerin zu Recht abgewiesen.

3.
Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz eine Verletzung von Art. 271 Abs. 1
OR vor. Sie macht geltend, die Kündigung vom 21. November 2013 verstosse gegen
den Grundsatz von Treu und Glauben.

3.1. Die Vorinstanz erwog, aus der Berufungsantwortbeilage (BA) 3 gehe hervor,
dass die Vermieterin plane, das Mietobjekt umfassend zu sanieren; das Gebäude
solle im Innern bis auf den Rohbau rückgebaut und die Haustechnik sowie der
Innenausbau auf dem heutigen Stand der Technik komplett neu erstellt werden.
Ein Umbau während teilweisem Betrieb sei aufgrund der Bauabläufe und der
Sicherheit problematisch und bezogen auf die Mietfläche (Ladenlokal) eine
unverhältnismässige Lösung. Der geplante tiefe Eingriff bedürfe somit einer
Räumung des Gebäudes. Für die vorliegend interessierende Zeitperiode November
2013 sei geplant gewesen, einen Architekturwettbewerb durchzuführen sowie das
Vorgehen mit der Denkmalpflege abzusprechen. Im Kündigungsschreiben vom 21.
November 2013 habe die Beschwerdegegnerin ausgeführt, dass zurzeit ein
Architekturwettbewerb durchgeführt werde, wobei verschiedene
Nutzungsmöglichkeiten geprüft würden; als Eigentümerin der Liegenschaft wolle
sie sich für das "umfassende Bauvorhaben" sämtliche Optionen offenhalten,
weshalb die Kündigung ausgesprochen werde. Im Kündigungsschreiben verweise die
Beschwerdegegnerin sodann auf die vorgängige telefonische Besprechung vom 11.
November 2013 und stelle in Aussicht, über neue Erkenntnisse betreffend das
Bauvorhaben zu informieren.
Im Lichte des damit verfolgten Zwecks (umfassende Sanierungsarbeiten) erweise
sich die Kündigung vom 21. November 2013 als nicht treuwidrig. Zu beurteilen
bleibe, ob das Umbauprojekt  bereits im Zeitpunkt der Kündigung hinreichend
konkretisiert gewesen sei und ob es der Beschwerdeführerin zu jenem Zeitpunkt
gestützt auf die ihr zur Verfügung stehenden Informationen möglich gewesen sei,
die Tragweite des Bauvorhabens und die damit einhergehenden Einschränkungen zu
erkennen. Hierzu sei zu beachten, dass die Kündigungsfrist im zu beurteilenden
Fall zwei Jahre betrage, weshalb die Rechtsprechung von BGE 140 III 496 E.
4.2.2 nicht unbesehen auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen werden könne:
Es liege in der Natur der Sache, dass bei einer zweijährigen Kündigungsfrist
nicht dieselben Anforderungen an den Konkretisierungsgrad eines Bauprojekts
gestellt werden könnten wie bei einer Frist von wenigen Monaten. Wer einen
Vertrag mit einer derart langen Kündigungsfrist abschliesse, nehme im Gegenzug
dazu in Kauf, bei einer Kündigung durch den Vermieter infolge Sanierung noch
nicht über ein vollkommen ausgereiftes Projekt informiert werden zu können.
Eine Berufung auf die Treuwidrigkeit der Kündigung erweise sich diesfalls
selbst als Verstoss gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Eine lange
Kündigungsfrist diene gerade auch dem Schutz der Mieterschaft und sei Korrelat
für einen im Falle einer Sanierung noch nicht weit gediehenen
Projektfortschritt. In diesem Sinne bestehe zwischen Konkretisierung eines
Bauprojekts und Länge der Kündigungsfrist eine Wechselwirkung, die nicht
einfach ausser Acht gelassen werden könne.
Die Vorinstanz führte weiter aus, im Zeitpunkt der Kündigung vom 21. November
2013 habe ein Architekturwettbewerb stattgefunden; es liege in der Natur der
Sache, dass bei einer Kündigung während laufendem Architekturwettbewerb noch
nicht viel über die Detailgestaltung des Endprojekts gesagt werden könne, sei
es doch gerade Aufgabe des noch zu bestimmenden Architekturbüros, ein solches
Projekt zu erstellen. Eine ungenügende Konkretisierung des Bauprojekts im
Zeitpunkt der Kündigung lasse sich daraus jedoch nicht ableiten. Aus dem
Kündigungsschreiben gehe klar hervor, dass es sich bei der Sanierung um ein 
umfassendes Bauvorhaben handle; dies ergebe sich aus dem (im fraglichen
Schreiben erwähnten) Umstand, dass ein Architekturwettbewerb durchgeführt
werde: Bei bloss geringfügigen Änderungen am Gebäude sei es nicht üblich, die
Neugestaltung eines Bauprojekts im Sinne eines Wettbewerbs auszuschreiben. Dies
habe der Beschwerdeführerin als geschäftserfahrener Vertragspartei klar sein
müssen. Zudem sei sie vorgängig zur Kündigung vom 21. November 2013 von der
Beschwerdegegnerin telefonisch über das Bauvorhaben informiert worden. Aufgrund
der im Kündigungsschreiben enthaltenen Informationen sei es der
Beschwerdeführerin daher ohne Weiteres möglich gewesen, sich über das
Bauvorhaben eine Vorstellung zu machen und abzuwägen, ob eine Anfechtung der
Kündigung erfolgversprechend sei. Unter Berücksichtigung der langen
Kündigungsfrist von zwei Jahren sei das Projekt im Zeitpunkt der Aussprechung
der Kündigung durch die Beschwerdegegnerin hinreichend konkretisiert gewesen.
In der Kündigung vom 21. November 2013 könne demnach kein Verstoss gegen Art.
271 Abs. 1 OR erblickt werden.

3.2.

3.2.1. Eine ordentliche Kündigung des Mietvertrags setzt keine besonderen
Kündigungsgründe voraus. Mieter und Vermieter sind grundsätzlich frei, das
(unbefristete) Mietverhältnis unter Einhaltung der vertraglichen oder
gesetzlichen Fristen und Termine zu kündigen (Art. 266a OR). Eine Schranke
ergibt sich einzig aus dem Grundsatz von Treu und Glauben: Bei der Miete von
Wohn- und Geschäftsräumen ist die Kündigung anfechtbar, wenn sie gegen diesen
Grundsatz verstösst (Art. 271 Abs. 1 OR; vgl. auch Art. 271a OR). Allgemein
gilt eine Kündigung als treuwidrig, wenn sie ohne objektives, ernsthaftes und
schützenswertes Interesse und damit aus reiner Schikane erfolgt oder Interessen
der Parteien tangiert, die in einem krassen Missverhältnis zueinander stehen.
Der Umstand, dass die Kündigung für den Mieter eine Härte darstellt, genügt
nicht; eine solche Härte ist nur im Hinblick auf eine Erstreckung des
Mietverhältnisses relevant (vgl. Art. 272 OR). Bei mangelnder oder fehlerhafter
Begründung der Kündigung (vgl. Art. 271 Abs. 2 OR) wird in der Regeln
angenommen, es fehle an einem schützenswerten Interesse. Ob eine Kündigung
gegen Treu und Glauben verstösst, beurteilt sich in Bezug auf den Zeitpunkt, in
dem sie ausgesprochen wird (BGE 140 III 496 E. 4.1 S. 497; 138 III 59 E. 2.1;
je mit Hinweisen).
Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung verstösst eine Kündigung des
Mietverhältnisses im Hinblick auf umfassende Umbau- oder Sanierungsarbeiten,
die eine Weiterbenutzung des Mietobjekts erheblich einschränken, nicht gegen
den Grundsatz von Treu und Glauben. Ohne schützenswerten Grund wäre eine
Kündigung des Vermieters demgegenüber, wenn die Vornahme der geplanten Arbeiten
durch das Verbleiben des Mieters im Mietobjekt nicht oder nur unerheblich
erschwert oder verzögert würde (BGE 140 III 496 E. 4.1 S. 497; 135 III 112 E.
4.2 S. 120). Die Kündigung im Hinblick auf Umbau- und Renovationsarbeiten ist
zudem missbräuchlich, wenn das Projekt des Vermieters als nicht realitätsnah
oder objektiv unmöglich erscheint, namentlich weil es ganz offensichtlich mit
den Bestimmungen des öffentlichen Rechts unvereinbar ist, so dass der Vermieter
die notwendigen Bewilligungen mit Sicherheit nicht erhalten wird (BGE 140 III
496 E. 4.1 S. 497 und E. 4.2.1 S. 499). Die Gültigkeit der Kündigung setzt
nicht voraus, dass der Vermieter bereits die nötigen Bewilligungen erhalten
oder die hierzu erforderlichen Dokumente hinterlegt hat (BGE 140 III 496 E. 4.1
a.E. mit Hinweisen).
Die Beurteilung, ob der Verbleib des Mieters im Mietobjekt geeignet wäre,
(bautechnische und organisatorische) Erschwerungen, zusätzliche Kosten oder
eine Verzögerung der Bauarbeiten nach sich zu ziehen, hängt von den ins Auge
gefassten Arbeiten ab. Die Gültigkeit der Kündigung setzt somit voraus, dass
der Vermieter im Zeitpunkt der Kündigung des Mietverhältnisses über ein
genügend ausgereiftes und ausgearbeitetes Projekt verfügt, aufgrund dessen der
Mieter abzuschätzen vermag, ob die geplanten Arbeiten eine Räumung des
Mietobjekts erforderlich machen. Fehlt es an hinreichend genauen Auskünften,
ist der Mieter nicht in der Lage, den Realitätsbezug des Projekts und die
Belastung einzuschätzen, die seine Anwesenheit für die Durchführung der
beabsichtigten Arbeiten zur Folge haben würde. Der Mieter hat das Recht, vom
Vermieter eine Begründung zu erhalten (Art. 271 Abs. 2 OR), die es ihm - innert
der gesetzlichen Frist von 30 Tagen nach Empfang der Kündigung (Art. 273 Abs. 1
OR) -erlaubt, die Chancen einer Anfechtung der Kündigung abzuschätzen (BGE 140
III 496 E. 4.2.2 mit Hinweisen).

3.2.2. Die Beschwerdeführerin rügt zu Recht, dass die von der Vorinstanz
betonte Länge der Kündigungsfrist kein wesentliches Kriterium zur Beurteilung
der Treuwidrigkeit der Kündigung darstellt. Entgegen dem angefochtenen
Entscheid kann nicht gesagt werden, die zweijährige Kündigungsfrist im
Interesse der Mieterin schliesse aus, dass sich diese gegen die Kündigung als
solche mit der Begründung wehren könne, die Sanierungsarbeiten wären auch
durchführbar, wenn sie die Räume weiter nutzt. Ebenso könnte der Vermieterin
vorgehalten werden, dass sie die lange Kündigungsfrist vertraglich vereinbart
und damit in Kauf genommen hat, entsprechend lange Zeit im Voraus ein so
konkretes Projekt vorlegen zu müssen, dass beurteilt werden kann, ob ein Auszug
der Mieterschaft notwendig ist. Die Vorinstanz verkennt zudem mit ihren
Ausführungen zur bundesgerichtlichen Rechtsprechung, dass das Bundesgericht
bereits Fälle von Kündigungsanfechtungen beurteilt hat, bei denen ebenfalls
längere Kündigungsfristen von einem Jahr und mehr zu beachten waren, ohne von
der dargelegten Praxis abzuweichen (vgl. etwa Urteile 4A_619/2014 vom 25. Juni
2015 Sachverhalt lit. A und E. 4 f.; 4A_625/2014 vom 25. Juni 2015 Sachverhalt
lit. A und E. 4 f.; 4A_425/2009 vom 11. November 2009 Sachverhalt lit. A und E.
3.2).
Die Vorinstanz hat demnach bei der Beurteilung der Treuwidrigkeit der Kündigung
vom 21. November 2013 zu Unrecht Umstände berücksichtigt, die sich erst nach
diesem Zeitpunkt ereigneten, wie etwa die Projektpläne vom 10. März 2015 in
Berufungsbeilage 3 oder die im angefochtenen Entscheid als Klageantwortbeilage
(KA) 3 (recte: KA 2) bezeichneten Pläne und Standortbestimmungen zum Projekt
"Falco" vom 29. Oktober 2014. Die entsprechenden Informationen waren in der
Begründung der Kündigung vom 21. November 2013 nicht enthalten und hatten
aufgrund der zeitlichen Abläufe von der Beschwerdeführerin bei ihrer
Einschätzung der Chancen einer Anfechtung nicht berücksichtigt werden können.
Zudem kann der Vorinstanz nicht gefolgt werden, wenn sie dafürhält, aufgrund
der im Kündigungsschreiben enthaltenen Informationen sei es der
Beschwerdeführerin ohne Weiteres möglich gewesen, sich über das Bauvorhaben
eine Vorstellung zu machen und abzuwägen, ob eine Anfechtung der Kündigung
erfolgversprechend sei. Die Beschwerdegegnerin wies im Kündigungsschreiben vom
21. November 2013 lediglich darauf hin, dass ein Architekturwettbewerb
durchgeführt werde. Auch wenn zutreffen mag, dass bei bloss geringfügigen
Änderungen am Gebäude üblicherweise kein Architekturwettbewerb ausgeschrieben
wird, wie die Vorinstanz festhält, erlaubte dieser allgemeine Hinweis im
Kündigungsschreiben der Beschwerdeführerin in keiner Weise, konkret
abzuschätzen, ob ein Auszug notwendig ist bzw. eine Anfechtung der Kündigung
erfolgversprechend wäre. Nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid lag
im Zeitpunkt der Kündigungserklärung das Projekt noch nicht vor, womit auch
nicht einleuchtet, inwiefern die mündlichen Erklärungen anlässlich eines dem
Kündigungsschreiben vorangehenden Telefongesprächs der Beschwerdeführerin eine
solche Beurteilung hätten erlauben sollen. Vielmehr wies die Beschwerdegegnerin
im Kündigungsschreiben ausdrücklich darauf hin, verschiedene
Nutzungsmöglichkeiten zu prüfen und begründete die Kündigung damit, sich als
Eigentümerin der Liegenschaft für das Bauvorhaben sämtliche Optionen
offenhalten zu wollen. Inwiefern es der Beschwerdeführerin aufgrund dieser
Infor mationen möglich gewesen wäre zu prüfen, ob sämtliche von der Vermieterin
konkret ins Auge gefassten Umbauvarianten so tiefgreifend sind, dass sie bei
bestehendem Mietverhältnis nicht ausgeführt werden könnten, ist nicht
ersichtlich. Auch der blosse Umstand, dass als Kündigungsgrund ein  umfassendes
 Bauvorhaben angeführt wird, reicht entgegen dem, was die Vorinstanz anzunehmen
scheint, hierzu nicht aus (vgl. etwa Urteile 4A_619/2014 vom 25. Juni 2015 E.
5; 4A_625/2014 vom 25. Juni 2015 E. 5).

3.2.3. Entgegen dem angefochtenen Entscheid lag demnach im Zeitpunkt der
Kündigung kein Projekt vor, aufgrund dessen hinreichend konkret beurteilt
werden konnte, ob die Umbauarbeiten mit dem Verbleib der Beschwerdeführerin im
Mietobjekt unvereinbar wären. Die Rüge der Verletzung von Art. 271 Abs. 1 OR
ist begründet und die am 21. November 2013 per 31. Dezember 2016 ausgesprochene
Kündigung ist als treuwidrig aufzuheben.

4.
Die Beschwerde ist teilweise gutzuheissen, das angefochtene Urteil des
Obergerichts des Kantons Bern vom 13. Mai 2015 ist aufzuheben und die Kündigung
vom 21. November 2013 ist in teilweiser Gutheissung der Klage als treuwidrig
aufzuheben. Im Übrigen ist die Sache zur Neuregelung der Kosten- und
Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens an die Vorinstanz
zurückzuweisen.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die Beschwerdegegnerin kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird das angefochtene Urteil des
Obergerichts des Kantons Bern vom 13. Mai 2015 aufgehoben und die Kündigung vom
21. November 2013 wird aufgehoben.

2.
Die Sache wird zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des
kantonalen Verfahrens an die Vorinstanz zurückgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 6'500.-- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

4.
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 7'500.-- zu entschädigen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern,
Zivilabteilung, 1. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. Februar 2016

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Kiss

Der Gerichtsschreiber: Leemann

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