Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.310/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
4A_310/2015

Urteil vom 29. Oktober 2015

I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
Bundesrichterin Klett,
Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Hurni.

Verfahrensbeteiligte
A.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwälte
Patrik Odermatt und Sandro E. Obrist,
Beschwerdeführerin,

gegen

B.________,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Schuldbeitritt,

Beschwerde gegen das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Aargau, 1. Kammer,
vom 27. April 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. Die A.________ AG ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in U.________,
welche die Überlassung von Fahrzeugen an Dritte, insbesondere auf Grundlage von
Leasinggeschäften, sowie alle damit zusammenhängenden Geschäfte bezweckt.
Die C.________ AG war eine Aktiengesellschaft mit Sitz in V.________, die
Versicherungs-, Steuer-, Vorsorge-, Finanz- und Unternehmensberatung anbot. Sie
wurde am 26. Oktober 2011 gegründet und am 28. Oktober 2013 gestützt auf Art.
731b OR richterlich aufgelöst. Das Konkursverfahren wurde mit Entscheid des
zuständigen Einzelgerichts vom 25. Februar 2014 mangels Aktiven eingestellt. Am
5. Juni 2014 wurde die Gesellschaft in Anwendung von Art. 159 Abs. 5 lit. a
HRegV von Amtes wegen im Handelsregister gelöscht.
B.________ ist Inhaber des im Handelsregister eingetragenen Einzelunternehmens
"D.________" mit Sitz in W.________, welches das Coaching im Bereich der Aus-
und Weiterbildung, das Anbieten von Workshops sowie Vermittlungen von
Verkaufsmandaten und -aufträgen bezweckt. B.________ war zudem
einzelzeichnungsberechtigtes Verwaltungsratsmitglied der C.________ AG.

A.b. Am 25. Mai 2012 schloss die C.________ AG mit der A.________ AG u.a. den
Leasingvertrag Nr. xxx ab.
B.________ unterzeichnete dabei in eigenem Namen eine Solidaritätserklärung,
die sich auf den genannten Leasingvertrag bezieht und wie folgt lautet:

"Der/die Unterzeichnete, B.________, bestätigt hiermit der A.________ AG, dass
er/sie sich neben dem nachstehend genannten Leasingnehmer als Solidarschuldner
zu folgenden Bedingungen erklärt.

[···]

Die vorliegende Erklärung beinhaltet ausdrücklich die Begründung eines
Solidarschuldnerverhältnisses mit selbständiger Schuldpflicht des Erklärenden
und stellt nicht bloss eine Bürgschaft dar."

Am 19. Februar 2013 zedierte die A.________ AG Forderungen an die E.________
AG, darunter auch eine Forderung aus dem Leasingvertrag Nr. xxx über Fr.
41'125.--. Diese Forderung stand im Zusammenhang mit der Solidaritätserklärung
von B.________ gegenüber der A.________ AG vom 25. Mai 2012. Mit Retrozession
vom 6. November 2013 zedierte die E.________ AG diese Forderung wieder an die
A.________ AG zurück.

B.

B.a. Mit Klage vom 2. April 2011 beantragte die A.________ AG dem
Handelsgericht des Kantons Aargau, B.________ sei zur Zahlung von Fr. 41'125.00
nebst Zins zu 12 % seit dem 1. Juli 2012 zu verurteilen.
Zur Begründung führte die Klägerin im Wesentlichen aus, der Beklagte habe eine
Solidaritätserklärung unterzeichnet, aufgrund derer er für die ausstehenden
Raten des Leasingfahrzeugs solidarisch hafte. 47 von insgesamt 48 Leasingraten
seien durch die C.________ AG nicht mehr beglichen worden, weshalb nunmehr der
Beklagte dafür aufzukommen habe.
Der Beklagte beantragte in seiner Klageantwort die Abweisung der Klage. Zur
Begründung führte er im Wesentlichen aus, er habe nicht einen Schuldbeitritt,
sondern eine Solidarbürgschaftserklärung unterzeichnet, die jedoch mangels
öffentlicher Beurkundung ungültig sei.

B.b. Mit Urteil vom 27. April 2015 wies das Handelsgericht die Klage ab.
Zur Begründung führte es aus, dass sich ein übereinstimmender tatsächlicher
Parteiwille hinsichtlich des Inhalts der Solidaritätserklärung nicht ermitteln
liesse, weshalb diese objektiviert nach dem Vertrauensprinzip auszulegen sei.
Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte im Umgang mit
Sicherungsgeschäften nicht geschäftserfahren und von der Klägerin auch nicht
hinreichend über die in der Solidaritätserklärung verwendeten Fachbegriffe und
deren Tragweite aufgeklärt worden sei. Es könne daher nicht einfach auf den
Wortlaut dieser Erklärung abgestellt, sondern es müsse vielmehr aufgrund des
rechtlichen und wirtschaftlichen Zwecks des Sicherungsgeschäfts untersucht
werden, ob eine Schuldübernahme oder eine Solidarbürgschaft vereinbart worden
sei. Da die Klägerin ein die Schuldübernahme kennzeichnendes Eigeninteresse des
Beklagten am Leasingvertrag nicht substanziiert habe, stelle die
Solidaritätserklärung keine Solidarschuld, sondern eine Solidarbürgschaft dar.
Diese sei aber mangels öffentlicher Beurkundung (Art. 493 Abs. 2 OR) sowie
mangels schriftlicher Zustimmung der Ehegattin des Beklagten (Art. 494 Abs. 1
OR) nichtig, weshalb die Klage abzuweisen sei.

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die A.________ AG dem Bundesgericht,
das Urteil des Handelsgerichts sei aufzuheben und B.________ sei zur Zahlung
von Fr. 41'125.00 nebst Zins zu 12 % seit dem 1. Juli 2012 zu verurteilen;
eventualiter sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.
Der Beschwerdegegner und die Vorinstanz beantragen in ihren Vernehmlassungen
die Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1.
Das angefochtene Urteil betrifft eine Zivilsache (Art. 72 BGG) und ist von
einem oberen kantonalen Gericht erlassen worden, das als Fachgericht für
handelsrechtliche Streitigkeiten als einzige kantonale Instanz eingesetzt ist
(Art. 75 Abs. 1 lit. b BGG). Die Beschwerdeführerin ist mit ihren Begehren
unterlegen (Art. 76 BGG), die Beschwerde richtet sich gegen einen Endentscheid
(Art. 90 BGG) und ist innert der Beschwerdefrist eingereicht worden (Art. 100
BGG). Auf die Beschwerde in Zivilsachen ist unter Vorbehalt einer gehörigen
Begründung (Art. 42 Abs. 2 BGG und Art. 106 Abs. 2 BGG) einzutreten.

2.
Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, die Vorinstanz habe zu Unrecht
keinen subjektiv übereinstimmenden Parteiwillen hinsichtlich des Inhalts der
Solidaritätserklärung festgestellt.

2.1. Der Inhalt eines Vertrags bestimmt sich in erster Linie durch subjektive
Auslegung, das heisst nach dem übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen,
während die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise, die von den Parteien
aus Irrtum oder in Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des
Vertrages zu verbergen, unbeachtlich ist (Art. 18 Abs. 1 OR). Diese subjektive
Vertragsauslegung beruht auf Beweiswürdigung (BGE 132 III 626 E. 3.1 S. 632
m.H.). Stellt die Vorinstanz einen von einem übereinstimmenden wirklichen
Parteiwillen getragenen Vertragsinhalt fest, so handelt es sich dabei um eine
Sachverhaltsfeststellung, welche für das Bundesgericht grundsätzlich
verbindlich ist (Art. 105 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht kann eine subjektive
Vertragsauslegung lediglich unter dem Blickwinkel der willkürlichen
Beweiswürdigung überprüfen (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 135 III
410 E. 3.2 S. 413, 133 III 675 E. 3.3 S. 681; vgl. BGE 131 III 606 E. 4.1 S.
611; 129 III 118 E. 2.5 S. 122).
Willkür im Sinne von Art. 9 BV liegt nach der Rechtsprechung nicht schon dann
vor, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar
vorzuziehen wäre. Das Bundesgericht hebt einen kantonalen Entscheid wegen
Willkür nur auf, wenn er im Ergebnis unhaltbar ist (BGE 136 I 316 E. 2.2.2 S.
318 f.; 129 I 8 E. 2.1 S. 9; je mit Hinweisen). Zudem steht dem Sachgericht im
Bereich der Beweiswürdigung ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Die
Beweiswürdigung ist daher nur willkürlich, wenn das Sachgericht sein Ermessen
missbraucht, indem es zum Beispiel offensichtlich unhaltbare Schlüsse zieht
oder erhebliche Beweise übersieht (BGE 137 III 226 E. 4.2 S. 234 mit
Hinweisen).
Wer die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz anfechten will, kann sich
demnach nicht damit begnügen, den bestrittenen Feststellungen eigene
tatsächliche Behauptungen gegenüberzustellen oder darzulegen, wie die Beweise
seiner Ansicht nach zu würdigen gewesen wären. Vielmehr hat er klar und
substanziiert aufzuzeigen, inwiefern die gerügten Feststellungen bzw. die
Unterlassung von Feststellungen offensichtlich unrichtig sind oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen. Auf eine Kritik an den
tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, die diesen Anforderungen nicht
genügt, ist nicht einzutreten (BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254 f.; 133 III 462
E. 2.4 S. 466 f.).

2.2. Die Vorinstanz kam zum Schluss, dass sich hinsichtlich des Inhalts der
Solidaritätserklärung kein tatsächlich übereinstimmender Parteiwille nachweisen
lasse.
Mit den Vorbringen in ihrer Beschwerdeschrift vermag die Beschwerdeführerin
diese Feststellung nicht als willkürlich auszuweisen: In ihrer Begründung
beschränkt sie sich darauf, einige Zitate aus den Protokollen der
Parteibefragung herauszugreifen. Daraus soll hervorgehen, dass sich der
Beschwerdegegner vor der Unterzeichnung der Solidaritätserklärung von einem
befreundeten Versicherungsberater über deren Risiken habe beraten lassen.
Weiter sollen die Zitate belegen, dass der Beschwerdegegner selber von einer
Haftung ausgegangen sei, falls die Zahlungen der Leasingnehmerin ausbleiben.
Aus den angeführten Zitaten geht indessen lediglich hervor, dass der
Beschwerdegegner in dem für ihn "dümmsten Fall ", d.h. bei Nichtzahlung einer
Leasingrate, damit rechnete, dass das Auto wieder der Leasinggeberin
zurückzugeben sei. Aus den zitierten Protokollauszügen lässt sich gerade kein
tatsächlicher Wille des Beschwerdegegners nachweisen, eine unbeschränkte
solidarische Haftung für mehr als eine Leasingrate einzugehen. Eine
willkürliche Beweiswürdigung vermag die Beschwerdeführerin nicht zu belegen;
die Rüge, die Vorinstanz habe eine offensichtlich unrichtige
Tatsachenfeststellung getroffen, ist unbegründet.

3.
Die Beschwerdeführerin macht sodann geltend, dass auch die objektivierte
Auslegung der Vorinstanz unrichtig sei. Bei zutreffender Auslegung nach dem
Vertrauensprinzip handle es sich bei der Solidaritätserklärung nicht um eine
Bürgschaft, sondern um einen Schuldbeitritt.

3.1. Bürgschaft wie kumulative Schuldübernahme (auch Schuldbeitritt oder
Schuldmitübernahme genannt) bewirken eine Verstärkung der Position des
Gläubigers. Sie unterscheiden sich indes namentlich in den Formerfordernissen.
Während die Schuldübernahme formfrei gültig ist, gelten für die Bürgschaft zum
Schutz der sich verpflichtenden Partei strenge Formvorschriften (BGE 129 III
702 E. 2.2. S. 705 mit Hinweisen). Mit der Bürgschaft übernimmt der Interzedent
gegenüber dem Gläubiger die Pflicht, für die Erfüllung der Schuld eines
Dritten, des Hauptschuldners, einzustehen (Art. 492 Abs. 1 OR). Die
Bürgschaftsverpflichtung setzt den Bestand einer anderen (der
sicherzustellenden) Verpflichtung voraus. Sie ist dieser beigeordnet und hängt
in Bestand und Inhalt notwendigerweise von ihr ab; die Bürgschaft ist
akzessorisch. Sie sichert die Zahlungsfähigkeit des Schuldners oder die
Erfüllung eines Vertrages (BGE 129 III 702 E. 2.1; 125 III 305 E. 2b S. 307;
113 II 334 E. 2a; 111 II 279 E. 2b).
Die kumulative Schuldübernahme ist dadurch gekennzeichnet, dass der
Schuldübernehmer eine eigene, zur Verpflichtung eines Schuldners hinzutretende,
selbständige Verpflichtung begründet, somit die Drittschuld persönlich und
direkt mitübernimmt. Die kumulative Schuldübernahme hängt zwar ebenfalls vom
Bestand der mitübernommenen Schuld ab, ist aber insofern nicht akzessorisch,
als nicht jeder Wegfall der Verpflichtung des Hauptschuldners diejenige des
Mitschuldners untergehen lässt. Ob die Solidarverpflichtung bei Wegfall der
Primärschuld dahinfällt, beurteilt sich nach den Regeln der Solidarität (Art.
147 OR; BGE 129 III 702 E. 2.1 S. 704 mit Hinweisen).
Im Gegensatz zur Bürgschaft darf bei der Schuldübernahme die Sicherung des
Gläubigers nicht das wesentliche Element im Rechtsgrund der Schuld aus
Mitübernahme darstellen, wenngleich in jeder Schuldmitübernahme ein gewisser
Sicherungseffekt liegt (BGE 129 III 702 E. 2.2 S. 705 mit Hinweisen). Die
akzessorische Bürgschaft unterscheidet sich von der kumulativen Schuldübernahme
als selbständiger Verpflichtung indiziell darin, dass der sich Verpflichtende
bei der Schuldübernahme, nicht aber bei der Bürgschaft regelmässig ein
erkennbares eigenes Interesse am Geschäft hat, das zwischen dem Hauptschuldner
und dem Gläubiger geschlossen wurde. Darin, dass bei der Bürgschaft ein solches
Eigeninteresse fehlt und es sich um ein uneigennütziges Geschäft handelt, das
typischerweise zur Sicherstellung einer Verpflichtung von Familienangehörigen
oder engen Freunden eingegangen wird, liegt denn auch der Grund, dass sie
besonderen Formvorschriften unterstellt wurde, und damit ein zentrales
Unterscheidungsmerkmal (BGE 129 III 702 E. 2.6. S. 710 f. mit Hinweisen; Urteil
4A_420/2007 vom 19. Dezember 2007 E. 2.4.2).

3.2. Wenn sich - wie hier - ein übereinstimmender tatsächlicher Parteiwille
nicht nachweisen lässt, so ist für die Bestimmung des Inhalts des
Sicherungsvertrags der mutmassliche Parteiwille relevant, zu dessen Ermittlung
die Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips auszulegen sind
(vgl. BGE 136 III 186 E. 3.2.1 S. 188; 132 III 24 E. 4 S. 27 f.; 131 III 606 E.
4.1 S. 611; 130 III 66 E. 3.2). Diese sind so auszulegen, wie sie nach ihrem
Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden
durften und mussten (BGE 136 III 186 E. 3.2.1 S. 188; 132 III 24 E. 4 S. 27 f.;
131 III 606 E. 4.1 S. 611; 130 III 66 E. 3.2).
Das Bundesgericht überprüft diese objektivierte Auslegung von
Willenserklärungen als Rechtsfrage, wobei es an Feststellungen des kantonalen
Richters über die äusseren Umstände sowie das Wissen und Wollen der Beteiligten
grundsätzlich gebunden ist (Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 133 III 61 E. 2.2.1 S. 67
mit Hinweisen).
Davon ausgehend, dass die gewählten Bezeichnungen von den Vertragsparteien
gewöhnlich in ihrer objektiven Bedeutung verwendet werden und den korrekten
Sinn der Erklärung wiedergeben, hat ein klarer Wortlaut bei der Auslegung nach
dem Vertrauensprinzip Vorrang vor weiteren Auslegungsmitteln. Auch wenn der
Wortlaut auf den ersten Blick klar erscheint, darf es allerdings nicht bei
einer reinen Wortauslegung sein Bewenden haben (Art. 18 Abs. 1 OR). So kann
sich aus den anderen Vertragsbestimmungen, aus dem von den Parteien verfolgten
Zweck und aus weiteren Umständen ergeben, dass der Wortlaut der strittigen
Bestimmung nicht genau den Sinn der Vereinbarung unter den Parteien wiedergibt.
Sofern keine ernsthaften Gründe für eine solche Annahme bestehen, ist aber im
Allgemeinen vom klaren Wortlaut einer Vertragsbestimmung nicht abzuweichen (BGE
135 III 295 E. 5.2 S. 302; 131 III 606 E. 4.2 S. 611 f.; 129 III 702 E. 2.4.1,
je mit Hinweisen). Insbesondere müssen nach der Rechtsprechung
geschäftsgewandte Vertragsparteien einen klaren Wortlaut eines Vertrages über
ein Sicherungsgeschäft, in dem präzise juristische Bezeichnungen verwendet
wurden, gegen sich gelten lassen (BGE 129 III 702 E. 2.4.1/2 S. 707 f.).

3.3. Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe den Beschwerdegegner zu
Unrecht nicht als geschäftsgewandt im Sinne der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung qualifiziert.

3.3.1. Als mit Blick auf die Eingehung einer Sicherungsverpflichtung
geschäftsgewandt gilt nach der Rechtsprechung, wer sich in der täglichen Praxis
mit Sicherungsgeschäften befasst, z.B. international tätige Firmengruppen oder
schweizerische Bankinstitute, Verwaltungsräte oder Direktoren, die oft mit
Sicherungsverträgen gekoppelte Geschäfte behandeln, und die von ihnen
vertretene Gesellschaft. Den objektiven juristischen Sinn der verwendeten
Ausdrücke muss sich sodann auch entgegenhalten lassen, wer über eine in der
Schweiz erworbene juristische Ausbildung verfügt oder beim Vertragsabschluss
von einer solchen Person beraten wird, sofern feststeht, dass diese den Sinn
der verwendeten Begriffe klar gemacht hat (BGE 129 III 702 E. 2.4.2 S. 708 mit
Hinweisen). Ebenfalls wurde ein Geschäftsmann als geschäftserfahren angesehen,
der Verwaltungsratspräsident einer Gesellschaft war, die sich mit der Beratung
und der Beschaffung von finanziellen Mitteln für ihre Kunden befasste, und der
erklärt hatte, "persönlich, kumulativ neben" der Gesellschaft haften zur wollen
(Urteil 4C.154/2002 vom 10./17. Dezember 2002, E. 3.3). Keine
Geschäftsgewandtheit wurde dagegen aufgrund des blossen Umstandes angenommen,
dass eine Privatperson für eine kleine Einzelfirma, die im täglichen Geschäft
nichts mit Sicherungsgeschäften zu tun hatte, als einzelzeichnungsberechtigt im
Handelsregister eingetragen war (BGE 129 III 702 E. 2.4.2 S. 708).

3.3.2. Der Beschwerdegegner war im Moment der Unterzeichnung der
Solidaritätserklärung einzelzeichnungsberechtigtes Verwaltungsrats-mitglied der
C.________ AG. Die Vorinstanz will aus diesem Umstand allerdings noch keine
Geschäftsgewandtheit in Bezug auf Sicherungsgeschäfte ableiten. Anders wäre es
ihrer Auffassung nach nur, wenn die betreffende Gesellschaft z.B. als Bank oder
Kreditunternehmen in einem entsprechenden Geschäftsbereich tätig wäre. Aus dem
Zweck der C.________ AG lasse sich gemäss der Vorinstanz aber nicht darauf
schliessen, dass der Beschwerdegegner regelmässig mit Verträgen zu tun habe,
die eine Sicherungskomponente enthalten. Er könne daher nicht als
geschäftsgewandt im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung betrachtet
werden.
Diese Erwägungen überzeugen nicht. Die C.________ AG bot ausweislich des
Handelsregisterauszugs u.a. Versicherungs-, Steuer-, Vorsorge-, Finanz- und
Unternehmensberatung an. Bei dieser Umschreibung des Geschäftsportfolios durfte
die Beschwerdeführerin nach Treu und Glauben davon ausgehen, dass es sich beim
Beschwerdegegner um eine Person handelt, die sich u.a. auch mit Finanz- und
Kreditgeschäften auskennt. Denn von einem Verwaltungsrat einer Gesellschaft,
die u.a.  Finanzberatung anbietet, darf im Geschäftsverkehr erwartet werden,
dass er sich wenigstens in den Grundzügen mit gängigen Instrumenten der
Kreditsicherung auskennt. Ob dies auch tatsächlich zutrifft, ist irrelevant, da
es bei der objektivierten Vertragsauslegung nur auf die berechtigten
Erwartungen der Vertragsparteien ankommt. Die Beschwerdeführerin durfte sich
darauf verlassen, dass der Beschwerdegegner als Verwaltungsrat eines
Finanzberatungsunternehmens die Bedeutung von Begriffen wie "Solidarschuldner"
und "selbständige Schuldpflicht" zutreffend einordnen kann. Ebenfalls durfte
sie von ihm erwarten, dass er die Wendung, wonach es sich bei der vorliegenden
Erklärung eben gerade "nicht bloss um eine Bürgschaft" handle, richtig deuten
kann, bzw. davon ausgehen, dass er die Bedeutung solcher Begriffe und
Formulierungen zumindest zur Diskussion stellen würde, sollten sie ihm nicht
klar sein. Dies hat der Beschwerdegegner indessen gerade nicht getan. Der
Vorinstanz kann mithin nicht gefolgt werden, wenn sie den Beschwerdegegner
hinsichtlich der Bedeutung der Solidaritätserklärung als nicht geschäftsgewandt
qualifiziert. Unter den erwähnten Umständen durfte die Beschwerdeführerin
vielmehr von einer Geschäftsgewandtheit des Beschwerdegegners ausgehen.

3.4. Damit muss sich der Beschwerdegegner nach Treu und Glauben beim klaren
Wortlaut der Solidaritätserklärung, der grammatikalisch keinen Spielraum
zugunsten einer Bürgschaft offen lässt, behaften lassen. Die entsprechende
Klausel enthält nicht nur den Begriff der Solidarschuldnerschaft, sondern führt
auch erklärend aus, dass der Unterzeichnende eine "selbständige Schuldpflicht"
bzw. eben gerade "nicht bloss eine Bürgschaft" eingehe. Unterzeichnet eine als
geschäftsgewandt anzusehende Person eine solche Erklärung, muss sie sich einen
derart klaren Wortlaut entgegen halten lassen. Alles andere liefe der
Rechtssicherheit im Geschäftsverkehr entgegen und wäre unvereinbar mit einer
auf dem Grundsatz der Privatautonomie fussenden Vertragsrechtsordnung.

3.5. Dies gilt vorliegend umso mehr, als beim Beschwerdegegner entgegen der
Auffassung der Vorinstanz durchaus ein potentielles Eigeninteresse am durch die
Solidaritätserklärung abgesicherten Leasinggeschäft erkennbar war. Denn wie
erwähnt, war der Beschwerdegegner im Zeitpunkt des Vertragsschlusses - zusammen
mit einer weiteren Person - Mitglied des Verwaltungsrats der C.________ AG, die
sich damals im Aufbau befand. Unter diesen Umständen durfte die
Beschwerdeführerin nach Treu und Glauben und ohne weitere Abklärungen davon
ausgehen, dass der Beschwerdegegner auch persönlich am Zustandekommen eines für
den Betrieb der Gesellschaft möglicherweise wichtigen Leasinggeschäfts
interessiert ist. Angesichts dessen, dass die Beschwerdeführerin von einer
Geschäftsgewandtheit des Beschwerdegegners ausgehen durfte, musste sie -
entgegen der Auffassung der Vorinstanz - ein entsprechendes Eigeninteresse
nicht etwa dahingehend näher abklären, ob die Statuten der C.________ AG die
Ausrichtung von Tantiemen an ihre Verwaltungsräte vorsah. Allein die Stellung
als einzelzeichnungsberechtigtes Verwaltungsratsmitglied musste unter den
gegebenen Umständen genügen, damit die Leasinggeberin auf ein gewisses
Eigeninteresse des Beschwerdegegners schliessen durfte.
Die Beschwerdeführerin durfte mithin davon ausgehen, dass der Beschwerdegegner
einen (form) gültigen Schuldbeitritt erklärt hatte und nicht lediglich eine
Bürgschaft eingehen wollte, welche ohne notarielle Beurkundung ungültig wäre.
Daran ändert auch nichts, dass der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin, der
die Solidaritätserklärung mit dem Beschwerdegegner besprach, die rechtlichen
Unterschiede zwischen Bürgschaft und Schuldbeitritt ausweislich der
vorinstanzlichen Feststellungen wohl selber nicht im Einzelnen kannte. Denn
gemäss der im angefochtenen Entscheid zitierten Aussage hat der Geschäftsführer
die Solidaritätserklärung jedenfalls so verstanden, dass der Beschwerdegegner
die ausstehenden Raten bezahlen müsse, wenn die C.________ AG nicht mehr zahle.
Nach dem Gesagten durfte er von diesem Verständnis auch nach Treu und Glauben
ausgehen.

3.6. Die Rüge, die Vorinstanz habe die Solidaritätserklärung zu Unrecht nicht
als Schuldbeitritt ausgelegt, erweist sich als begründet und der angefochtene
Entscheid ist aufzuheben. Bei zutreffender vertrauenstheoretischer Auslegung
muss sich der Beschwerdegegner beim klaren Wortlaut der Solidaritätserklärung
behaften lassen. Diese ist mithin als Schuldbeitritt zu qualifizieren.

4.
Gemäss Art. 107 Abs. 2 BGG entscheidet das Bundesgericht bei Gutheissung der
Beschwerde in der Sache selbst oder weist diese zu neuer Beurteilung an die
Vorinstanz zurück.
Die Vorinstanz durfte vorliegend die Klage der Beschwerdeführerin nicht mit der
Begründung abweisen, bei der Solidaritätserklärung handle es sich um eine
formnichtige Bürgschaft. Ob die Klage damit begründet ist, lässt sich gestützt
auf die Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Entscheid freilich nicht
abschliessend beurteilen. Es fehlen die notwendigen Feststellungen dazu, aus
denen sich der Bestand der eingeklagten Forderung, namentlich deren Fälligkeit
und Höhe, bestimmen liessen. Die Sache ist damit zur Ergänzung der
Sachverhaltsfeststellungen und neuer Entscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdegegner kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG und Art. 68 Abs. 2 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, der angefochtene Entscheid wird
aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.

3.
Der Beschwerdegegner hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Aargau, 1.
Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 29. Oktober 2015

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Kiss

Der Gerichtsschreiber: Hurni

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