Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.240/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
4A_240/2015

Urteil vom 15. Juni 2015

I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
Bundesrichter Kolly, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Kölz.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Meyer,
Beschwerdeführerin,

gegen

B.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Philipp Studhalter,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Mietrecht, unentgeltliche Rechtspflege,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht,
2. Kammer, vom 25. März 2015.

Sachverhalt:

A.
A.________ (Mieterin, Beschwerdeführerin) und die B.________ AG (Vermieterin,
Beschwerdegegnerin) schlossen zwischen Februar 2011 und Januar 2012 mehrere
Mietverträge über Wohnungen an der Strasse U.________ in V.________ ab.

B.
Mit Klage vom 30. Oktober 2014 unterbreitete die Mieterin dem Bezirksgericht
Zofingen das Begehren, die Vermieterin sei zu verurteilen, ihr "die seit dem 1.
März 2011 bis zum 30. September 2013 zu viel bezahlten Mietzinse in der Höhe
von insgesamt Fr. 25'630.-- zuzüglich Zins [...]" zu bezahlen. Anlässlich der
Hauptverhandlung erhöhte sie die Klageforderung auf Fr. 29'510.-- zuzüglich
Zins. Zur Begründung der Klage machte die Mieterin sinngemäss geltend, bei den
jeweiligen von den Parteien geschlossenen neuen Mietverträgen habe es sich um
blosse Mietzinserhöhungen gehandelt. Da diese nicht mit dem amtlichen Formular
angezeigt worden seien, seien sie nichtig und die zu viel bezahlten Mietzinse
von der Vermieterin zurückzuerstatten.

 Am 5. November 2014 wurde der Mieterin für das erstinstanzliche Verfahren die
unentgeltliche Rechtspflege bewilligt und Rechtsanwalt Christoph Meyer als
unentgeltlicher Rechtsvertreter bestellt.

 Mit Urteil vom 28. Januar 2015 verurteilte der Präsident des Bezirksgerichts
die Vermieterin, der Mieterin den Betrag von Fr. 7'125.-- zuzüglich Zins zu
fünf Prozent seit 21. August 2014 zu bezahlen. Im Übrigen wies er die Klage ab.

 Die dagegen gerichtete Berufung der Mieterin wies das Obergericht des Kantons
Aargau mit Urteil vom 25. März 2015 ab (Dispositiv-Ziffer 1). Das Gesuch der
Mieterin um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege (für das
Berufungsverfahren) wies es ebenfalls ab (Dispositiv-Ziffer 2). Sodann
auferlegte es der Mieterin die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- für das
Berufungsverfahren (Dispositiv-Ziffer 3).

C.
Die Mieterin verlangt mit Beschwerde in Zivilsachen, es seien die
Dispositiv-Ziffern 2 und 3 des Urteils des Obergerichts aufzuheben. Ihr sei für
das Verfahren vor dem Obergericht die unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen
und in der Person ihres Rechtsvertreters ein unentgeltlicher Rechtsbeistand
beizugeben.

 Ferner ersucht die Mieterin auch für das bundesgerichtliche Verfahren um
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege sowie um Rechtsverbeiständung.

 Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.

Erwägungen:

1.
Das angefochtene Urteil des Obergerichts ist ein Endentscheid (Art. 90 BGG)
einer letzten kantonalen Instanz im Sinne von Art. 75 BGG. Die Beschwerde
richtet sich gegen den darin enthaltenen Entscheid über das Gesuch der
Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege (Dispositiv-Ziffer 2) sowie
den Kostenspruch (Dispositiv-Ziffer 3). Der im Sinne von Art. 51 Abs. 1 lit. a
BGG zu ermittelnde Streitwert übersteigt die nach Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG in
mietrechtlichen Fällen geltende Grenze.

 Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die
Beschwerde einzutreten.

2.
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 117 und 118 ZPO sowie von
Art. 29 Abs. 3 BV.

2.1. Sie meint, die Vorinstanz habe ihr zu Unrecht wegen Aussichtslosigkeit der
Berufung die unentgeltliche Rechtspflege verwehrt und die Gerichtskosten
auferlegt. Demgegenüber lässt sie den Sachentscheid der Vorinstanz (Abweisung
der Berufung) unbeanstandet.

2.2. Gemäss Art. 117 ZPO hat eine Person Anspruch auf unentgeltliche
Rechtspflege, wenn: a. sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt; und b.
ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Sofern es zur Wahrung der
Rechte notwendig ist, umfasst die unentgeltliche Rechtspflege die Bestellung
einer Rechtsbeiständin oder eines Rechtsbeistands (Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO).

 Die vom Bundesgericht zum Begriff der Aussichtslosigkeit gemäss Art. 29 Abs. 3
BV entwickelte Praxis ist auch für die Auslegung von Art. 117 lit. b ZPO zu
berücksichtigen. Als aussichtslos sind demnach Begehren anzusehen, bei denen
die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die
deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren
nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr
die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist,
ob eine Partei, die über die nötigen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger
Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde. Eine Partei soll einen
Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht
deshalb anstrengen können, weil er sie nichts kostet. Ob im Einzelfall
genügende Erfolgsaussichten bestehen, beurteilt sich aufgrund einer vorläufigen
und summarischen Prüfung der Prozessaussichten, wobei die Verhältnisse im
Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs massgebend sind (BGE 139 III 475 E. 2.2;
138 III 217 E. 2.2.4 mit Hinweisen).

 Die Rüge einer bedürftigen Partei, ihr Anspruch auf unentgeltliche
Rechtspflege sei verletzt, prüft das Bundesgericht in rechtlicher Hinsicht
frei. Soweit es um tatsächliche Feststellungen der kantonalen Instanz geht, ist
seine Prüfungsbefugnis auf Willkür beschränkt (Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 134 I
12 E. 2.3; 129 I 129 E. 2.3.1 S. 136). Die prognostische Beurteilung der
Erfolgsaussichten eröffnet dem Sachgericht einen Beurteilungsspielraum, in den
das Bundesgericht auch bei freier Prüfung der Rechtsfragen nur mit
Zurückhaltung eingreift. Erforderlich ist, dass das Sachgericht von anerkannten
Rechtsgrundsätzen abgewichen ist, dass es Umstände berücksichtigt hat, die für
die Prognose im Einzelfall keine Rolle spielen dürfen oder umgekehrt Umstände
ausser Betracht gelassen hat, die hätten beachtet werden müssen (Urteil 4A_576/
2014 vom 25. März 2015 E. 3 mit Hinweisen).

2.3. Die Beschwerdeführerin moniert, es sei nicht nachvollziehbar, wenn die
Vorinstanz die Aussichtslosigkeit der Berufung damit begründe, darin würden
"keine neuen Argumente" vorgebracht. Sie meint, der damit gemachte Vorwurf, sie
(die Beschwerdeführerin) hätte in der Berufung "neue Argumente" vorbringen
müssen, stehe im Widerspruch zu Art. 326 ZPO, der für das Berufungsverfahren
ein grundsätzliches Novenverbot statuiere. "Darüber hinaus" habe sie in ihrer
Berufungsschrift ausführlich und umfassend dargelegt, wieso der Präsident des
Bezirksgerichts in seinem Urteil das Recht unrichtig angewendet (Art. 310 lit.
a ZPO) und den Sachverhalt unrichtig festgestellt (Art. 310 lit. b ZPO) habe.

 Die Rüge geht fehl: Die Vorinstanz setzte sich in ihrem Urteil - wie übrigens
auch die Beschwerdeführerin selber einräumt - zunächst mit der in der Berufung
erhobenen Kritik an der Sachverhaltsfeststellung und Rechtsanwendung der
Erstinstanz auseinander und befand sie für unbegründet. Der anschliessende
Hinweis, die Beschwerdeführerin bringe mit ihrer Berufung keine neuen Argumente
vor, bezog sich einzig auf die (fehlenden) Erfolgsaussichten der Beschwerde und
war in diesem Zusammenhang auch ohne weiteres verständlich: Die Vorinstanz
brachte damit zum Ausdruck, dass die Beschwerdeführerin in der Berufung (im
Wesentlichen) bloss ihren Standpunkt erneuere, den sie bereits vor der
Erstinstanz ohne Erfolg vertreten habe, wogegen darüber hinausgehende,
allenfalls erfolgsversprechendere Kritik am angefochtenen Entscheid fehle. Der
angebliche Widerspruch zur Novenregelung nach Art. 326 ZPO ist nicht erkennbar.

2.4. Die nachvollziehbare Einschätzung der Vorinstanz, die Berufung sei
aussichtslos gewesen, vermag die Beschwerdeführerin sodann auch nicht dadurch
als bundesrechtswidrig auszuweisen, dass sie in der Beschwerde - unter Verweis
auf ihre Ausführungen im Berufungsverfahren - einfach das Gegenteil behauptet.
Die Beschwerdeführerin meint, wenn sie gegen das Urteil des Präsidenten des
Bezirksgerichts, mit dem die Klage teilweise gutgeheissen worden sei, "das
Rechtsmittel ergreift und die vollumfängliche Gutheissung ihrer Klage
verlangt", könne "ein solches Vorgehen von vornherein nicht als aussichtslos
angesehen werden". Damit verkennt sie die Bedeutung der Nichtaussichtslosigkeit
als Voraussetzung der unentgeltlichen Rechtspflege (Erwägung 2.2).

2.5. Die von der Beschwerdeführerin beanstandete Gesetzes- und
Verfassungsverletzung liegt nicht vor. Ihre Rüge erweist sich als unbegründet.

3.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen.

 Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen
Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der
Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht
aussichtslos erscheint. Nötigenfalls ist der Partei ein Rechtsanwalt zu
bestellen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt
sich, dass die Beschwerde aussichtslos war. Das Gesuch der Beschwerdeführerin
um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das Verfahren vor
Bundesgericht ist daher abzuweisen.

 Die Gerichtskosten sind von der unterliegenden Beschwerdeführerin zu tragen
(Art. 66 Abs. 1 BGG). Da keine Vernehmlassung eingeholt wurde, erwuchs der
Gegenpartei kein Aufwand, der zu entschädigen wäre.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch der Beschwerdeführerin um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege
für das bundesgerichtliche Verfahren wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Zivilgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 15. Juni 2015

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Kiss

Der Gerichtsschreiber: Kölz

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