Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.216/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     

{T 0/2}            
4A_216/2015

Urteil vom 21. Dezember 2015

I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
Bundesrichterin Klett, Bundesrichter Kolly, Bundesrichterin Hohl,
Bundesrichterin Niquille,
Gerichtsschreiberin Marti-Schreier.

Verfahrensbeteiligte
A.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas Rüd,
Beschwerdeführerin,

gegen

B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Silvan Hürlimann,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Berufungsantwort; Frist; Sicherheit für die Parteientschädigung,

Beschwerde gegen die Verfügung des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, vom 14. April 2015.

Sachverhalt:

A.
Mit Urteil vom 17. Dezember 2014 hiess das Bezirksgericht Zürich die Klage der
A.________ AG (Klägerin, Berufungsbeklagte, Beschwerdeführerin) gegen
B.________ (Beklagter, Berufungskläger, Beschwerdegegner) teilweise gut und
verpflichtete diesen zur Zahlung von Fr. 3'895'207.80 nebst Zins. Im Mehrbetrag
wies das Bezirksgericht Zürich die Klage ab.

B.

B.a. Gegen dieses Urteil erhob B.________ Berufung beim Obergericht des Kantons
Zürich.
Mit Verfügung vom 9. März 2015 setzte das Obergericht des Kantons Zürich der
Berufungsbeklagten die Frist von 30 Tagen nach Art. 312 Abs. 2 ZPO zur
Einreichung einer Berufungsantwort an. Diese Frist stand vom siebten Tag vor
Ostern (5. April 2015) bis und mit dem siebten Tag nach Ostern still (Art. 145
Abs. 1 lit. a ZPO). Am 13. April 2015 stellte die Berufungsbeklagte folgende
Anträge:

"1. Der Berufungskläger sei zu einer Sicherheitsleistung im Betrag von CHF
80'449 zwecks Sicherstellung der Parteientschädigung der Berufungsbeklagten zu
verpflichten.
2. Der Berufungsbeklagten sei die angesetzte Frist für die Einreichung der
Berufungsantwort sowie einer allfälligen Anschlussberufung bis zur Leistung der
beantragten Sicherheitsleistung abzunehmen und gegebenenfalls neu anzusetzen."

B.b. Mit Verfügung vom 14. April 2015 setzte das Obergericht des Kantons Zürich
dem Berufungskläger eine Frist von 5 Tagen an, um zum Antrag der
Berufungsbeklagten auf Sicherheitsleistung für deren Parteientschädigung
Stellung zu nehmen (Dispositiv-Ziffer 1). Den Antrag der Berufungsbeklagten auf
Abnahme der Frist zur Einreichung der Berufungsantwort sowie einer allfälligen
Anschlussberufung wies das Obergericht ab (Dispositiv-Ziffer 2).

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 21. April 2015 beantragt die
Berufungsbeklagte dem Bundesgericht, Ziffer 2 der Verfügung des Obergerichts
vom 14. April 2015 sei aufzuheben und dieses sei anzuweisen, das Verfahren bis
zum Entscheid über das pendente Begehren auf Sicherstellung der
Parteientschädigung zu sistieren. Die Beschwerdeführerin beantragte zudem, der
Beschwerde sei superprovisorisch die aufschiebende Wirkung zu erteilen und das
Obergericht sei umgehend anzuweisen, das Verfahren für die Dauer des
bundesgerichtlichen Verfahrens zu sistieren.
Der Beschwerdegegner beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten,
eventualiter sei sie abzuweisen. Die Vorinstanz hat auf Vernehmlassung
verzichtet.
Die Beschwerdeführerin hat eine Replik eingereicht.

D.
Mit Formularverfügung vom 24. April 2015 wurde den Verfahrensanträgen der
Beschwerdeführerin superprovisorisch stattgegeben.

E.
Mit Präsidialverfügung vom 16. Juli 2015 wurde der Beschwerde die aufschiebende
Wirkung erteilt und das Obergericht des Kantons Zürich wurde angewiesen, das
Verfahren bis zum Entscheid des Bundesgerichts über die Beschwerde zu
sistieren.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein
Rechtsmittel zulässig ist (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 141 V 206 E. 1.1 S. 208 mit
Hinweisen).

1.1. Bei der angefochtenen Verfügung des Obergerichts des Kantons Zürich vom
14. April 2015 handelt es sich um einen selbständig eröffneten
Zwischenentscheid, der weder die Zuständigkeit noch den Ausstand betrifft.
Gegen solche Zwischenentscheide ist nach Art. 93 Abs. 1 BGG die Beschwerde
zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können
(lit. a), oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid
herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein
weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b).
Die Beschwerdeführerin anerkennt zu Recht, dass die Voraussetzungen nach Art.
93 Abs. 1 lit. b BGG nicht erfüllt sind, macht aber einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG geltend.

1.2. Die selbstständige Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden bildet aus
prozessökonomischen Gründen eine Ausnahme vom Grundsatz, dass sich das
Bundesgericht mit jeder Angelegenheit nur einmal befassen soll (BGE 141 III 80
E. 1.2 S. 81; 139 IV 113 E. 1 S. 115; 138 III 94 E. 2.2 S. 95 mit Hinweisen).
Die im vorliegenden Fall relevante Ausnahme nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
durchbricht den besagten Grundsatz mit Rücksicht auf die Interessen der
beschwerdeführenden Partei. Beim nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne
dieser Bestimmung muss es sich um einen Nachteil rechtlicher Natur handeln, der
auch durch einen späteren günstigen Endentscheid nicht oder nicht gänzlich
beseitigt werden kann (BGE 141 III 80 E. 1.2 S. 80; 139 IV 113 E. 1 S. 115; 139
V 604 E. 3.2 S. 607; je mit Hinweisen). Dabei genügt die blosse Möglichkeit
eines rechtlichen Nachteils (BGE 137 III 380 E. 1.2.1 S. 382; 134 III 188 E.
2.1 S. 191; Urteil 5A_678/2014 vom 27. Juli 2015 E. 2.5, zur Publikation
vorgesehen).

1.3. Eine Berufung ist bei der Rechtsmittelinstanz innert 30 Tagen seit
Zustellung des begründeten Entscheides bzw. seit der nachträglichen Zustellung
der Entscheidbegründung schriftlich und begründet einzureichen (Art. 311 Abs. 1
ZPO). Die Rechtsmittelinstanz stellt die Berufung der Gegenpartei zur
schriftlichen Stellungnahme zu, es sei denn, die Berufung sei offensichtlich
unzulässig oder offensichtlich unbegründet (Art. 312 Abs. 1 ZPO). Die Frist für
die Berufungsantwort beträgt 30 Tage (Art. 312 Abs. 2 ZPO).
Nach Art. 99 Abs. 1 ZPO hat die klagende Partei auf Antrag der beklagten Partei
für deren Parteientschädigung Sicherheit zu leisten, wenn eine der in lit. a-d
genannten Konstellationen vorliegt. Art. 99 ZPO gilt dabei auch im
Rechtsmittelverfahren (vgl. Urteil 4A_26/2013 vom 5. September 2013 E. 2.2 mit
Hinweisen). Das Gericht setzt nach Art. 101 Abs. 1 ZPO eine Frist zur Leistung
der Sicherheit; wird die Sicherheit auch nicht innert einer Nachfrist
geleistet, so tritt das Gericht auf die Klage oder auf das Gesuch - bzw. auf
die Berufung - nicht ein (Art. 101 Abs. 3 ZPO).

1.4. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Abweisung ihres Antrags auf
Abnahme der Frist durch die Vorinstanz bewirke einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur. Denn sie müsse aufgrund dieses
Zwischenentscheids eine Berufungsantwort einreichen, bevor über ihren Antrag
auf Sicherstellung der Parteientschädigung überhaupt entschieden worden sei und
bevor das Bundesgericht eine gegen die allfällige Abweisung des Gesuchs um
Sicherstellung der Parteientschädigung gerichtete Beschwerde beurteilen könnte.
Dadurch werde ihr verfahrensrechtlicher Anspruch auf Sicherstellung der
Parteientschädigung (Art. 99 ZPO) verletzt. Dieser Nachteil sei rechtlicher
Natur und könne weder durch die spätere Gutheissung der beantragten
Sicherheitsleistung noch durch einen günstigen Endentscheid behoben werden.
Heisse die Vorinstanz das Sicherstellungsbegehren gut und leiste der
Beschwerdegegner die Sicherheit nicht, trete die Vorinstanz auf die Berufung
nicht ein. Der Beschwerdeführerin seien dann aber bereits Kosten für die
Abfassung der Berufungsantwort entstanden, welche möglicherweise uneinbringlich
seien. Bei Abweisung des Sicherstellungsbegehrens werde der Beschwerdeführerin
faktisch die Möglichkeit genommen, dagegen Beschwerde zu führen, da die Kosten
für die Abfassung der Berufungsantwort bereits entstanden seien; die
Einreichung einer Beschwerde wäre somit sinnlos, weil selbst bei deren
Gutheissung die bereits entstandenen Kosten möglicherweise uneinbringlich
wären.

1.5. Die Abweisung des Antrags auf Abnahme der Frist zur Einreichung der
Berufungsantwort sowie einer allfälligen Anschlussberufung kann einen
rechtlichen Nachteil bewirken. Will die Beschwerdeführerin zur Berufung
Stellung nehmen und fasst sie ihre Antwort und eine allfällige
Anschlussberufung daher innert Frist ab, fallen die Kosten mit grosser
Wahrscheinlichkeit (zumindest teilweise) bereits vor dem Entscheid über deren
Sicherstellung an. Dadurch riskiert die Beschwerdeführerin eine Einschränkung
ihres verfahrensrechtlichen Sicherstellungsanspruchs, die entgegen der Ansicht
des Beschwerdegegners womöglich nicht mehr (gänzlich) beseitigt werden kann.
Denn selbst bei Gutheissung des Begehrens bleibt es möglich, dass der
Beschwerdegegner eine ihm auferlegte Sicherheitsleistung nicht erbringt, auf
die Berufung in der Folge nicht eingetreten wird (vgl. Art. 101 Abs. 3 ZPO) und
die Parteikosten der Beschwerdeführerin uneinbringlich bleiben (vgl. in Bezug
auf eine Verweigerung der Sicherstellung auch Urteil 4A_290/2008 vom 4. Mai
2009 E. 3.3). Da nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung die blosse Möglichkeit
eines rechtlichen Nachteils genügt (vgl. oben E. 1.2), ist die Voraussetzung
für die Zulässigkeit der Beschwerde nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG erfüllt.

1.6. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist unter
Vorbehalt rechtsgenügend begründeter Rügen auf die Beschwerde einzutreten.

2.
Die Frist für die Einreichung der Berufungsantwort wird in Art. 312 Abs. 2 ZPO
auf 30 Tage festgesetzt. Es handelt sich mithin um eine gesetzliche Frist, die
nach Art. 144 Abs. 1 ZPO nicht erstreckt werden kann. Die Beschwerdeführerin
ist der Ansicht, dies stehe einer Abnahme der Frist vorliegend nicht entgegen;
die Vorinstanz habe Art. 99 ZPO (Sicherheit für die Parteientschädigung)
verletzt, indem sie den Antrag auf Abnahme der Frist zur Einreichung der
Berufungsantwort und einer allfälligen Anschlussberufung abgewiesen habe.

2.1. Die Vorinstanz hat ausgeführt, mit Verfügung vom 17. Februar 2015 sei der
Berufungskläger zur Leistung eines Kostenvorschusses aufgefordert worden. Mit
Verfügung vom 9. März 2015 habe das Gericht dem Berufungsbeklagten Frist zur
Einreichung der Berufungsantwort gesetzt. Am 13. April 2015 habe die
Berufungsbeklagte ein Gesuch um Sicherstellung der Parteientschädigung gestellt
und um Abnahme der Frist für die Einreichung der Berufungsantwort und einer
allfälligen Anschlussberufung ersucht. Die Berufungsantwort sei nach Art. 312
Abs. 2 ZPO innert 30 Tagen zu erstatten. Es handle sich dabei um eine
gesetzliche Frist, die im Sinne der Waffengleichheit so wenig erstreckt werden
könne wie die Berufungsfrist (Art. 311 Abs. 1 ZPO). Im Unterschied zum
erstinstanzlichen Verfahren, wo die richterliche Frist für die Klageantwort
nach Eingang eines Gesuchs um Sicherstellung der Parteikosten unterbrochen bzw.
erstreckt werden könne, sei die Abnahme und spätere Neuansetzung der Frist im
vorliegenden Fall deshalb aus Gründen der Waffengleichheit nicht möglich. Hinzu
komme, dass die Berufungsbeklagte seit Empfang der Verfügung vom 17. Februar
2015 Kenntnis vom vorliegenden Rechtsmittelverfahren habe, weshalb sie das
Gesuch um Sicherheitsleistung ohne Weiteres bereits früher hätte stellen
können. Es sei der Berufungsbeklagten zumutbar, die Berufungsantwort innert der
angesetzten gesetzlichen Frist zu erstatten.

2.2. Dagegen bringt die Beschwerdeführerin vor, der auch im
Rechtsmittelverfahren geltende Art. 99 ZPO solle die (Berufungs-) Beklagte vor
möglicherweise uneinbringlichen Auslagen schützen, wenn die
Prozessentschädigung aus den im Gesetz genannten Gründen als gefährdet
erscheine. Dieser Zweck werde vereitelt, wenn die Beschwerdeführerin gezwungen
werde, vor dem Entscheid über ihr Sicherstellungsgesuch eine Berufungsantwort
einzureichen. Die Vorinstanz führe zutreffend aus, dass ein
Sicherstellungsgesuch im erstinstanzlichen Verfahren zu einer Unterbrechung der
Frist zur Einreichung der Klageantwort führe. Im Berufungsverfahren bestehe
zwar eine gesetzliche Frist zur Einreichung der Berufungsantwort. Der von der
Vorinstanz in diesem Zusammenhang bemühte Grundsatz der Waffengleichheit werde
indessen durch das Gesetz mehrfach durchbrochen. So stünden bei einer
Sistierung oder einem Fristenstillstand nach Art. 145 ZPO auch gesetzliche
Fristen still. Die Frist für die Einreichung der Berufungsantwort könne sich
zudem wegen gesetzlicher Verfahrensstillstände etwa im Fall eines Konkurses
verlängern. Das Interesse der Beschwerdeführerin an der Vermeidung eventuell
uneinbringlicher Kosten sei höher zu gewichten als das Interesse des
Beschwerdegegners an einer Waffengleichheit. Denn der Beschwerdegegner habe die
Umstände selbst zu verantworten, welche die Beschwerdeführerin zur Einreichung
eines Sicherstellungsgesuchs veranlasst hätten.

2.3. In der Lehre wird die Ansicht vertreten, die Berufungsinstanz könne der
Berufungsbeklagten die Frist zur Beantwortung der Berufung einstweilen wieder
abnehmen, bis der Berufungskläger die Parteientschädigung sichergestellt habe,
wenn - wie vorliegend - die Berufungsbeklagte ein entsprechendes Begehren
gestellt habe (PETER REETZ, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.],
Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 56 Vorbem.
zu Art. 308-318 ZPO; BENEDIKT SEILER, Die Berufung nach ZPO, 2013, N. 1121).
OLIVER M. KUNZ weist in seiner Kommentierung auf einen kantonalen Entscheid
hin, in welchem eine Abnahme der Frist zur Einreichung der Berufungsantwort
generell abgelehnt wird (OLIVER M. KUNZ, in: Kunz/Hoffmann-Nowotny/Stauber
[Hrsg.], ZPO-Rechtsmittel, Berufung und Beschwerde, Kommentar zu den Art.
308-327a ZPO, 2013, N. 38 ff. zu Art. 312 ZPO).
Das Bundesgericht hat die Frage, ob die gesetzliche Frist zur Einreichung der
Berufungsantwort abgenommen werden kann, in einem kürzlich ergangenen Urteil
ausdrücklich offengelassen (Urteil 4A_44/2015 vom 25. Juni 2015 E. 2).

2.4. Die Rechtsmittelinstanz stellt die Berufung der Gegenpartei zur
schriftlichen Stellungnahme zu (Art. 312 Abs. 1 ZPO). Die Frist für die
Berufungsantwort beträgt 30 Tage (Art. 312 Abs. 2 ZPO) und läuft ab der
Zustellung der Berufung an die Gegenpartei (BGE 138 III 568 E. 3.1 S. 569).
Diese gesetzliche Frist von 30 Tagen soll zwecks Wahrung der Waffengleichheit
sicherstellen, dass dem Berufungsbeklagten die gleiche Dauer für die
Ausarbeitung der Berufungsantwort zur Verfügung steht wie dem Berufungskläger
nach Art. 311 Abs. 1 ZPO für dessen Berufung (DOMINIK GASSER/BRIGITTE RICKLI,
Schweizerische Zivilprozessordnung, Kurzkommentar, 2. Aufl. 2014, N. 3 zu Art.
312 ZPO; GSCHWEND/BORNATICO, a.a.O., N. 2 zu Art. 312 ZPO; IVO W. HUNGERBÜHLER,
in: Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], Schweizerische Zivilprozessordnung,
Kommentar, 2011, N. 14 zu Art. 312 ZPO; KUNZ, a.a.O., N. 39 zu Art. 312 ZPO;
SEILER, a.a.O., N. 1118; vgl. auch Botschaft vom 28. Juni 2006 zur
Schweizerischen Zivilprozessordnung, BBl 2006 7378 Art. 320 und 321 zur
Beschwerde). Der Gesetzgeber hat sich bewusst für eine solche gesetzliche (und
damit nicht erstreckbare, Art. 144 Abs. 1 ZPO) Frist entschieden, nachdem im
bundesrätlichen Entwurf der ZPO noch eine richterliche (und damit erstreckbare,
Art. 144 Abs. 2 ZPO) Frist vorgesehen war (Art. 309 Entwurf Schweizerische
Zivilprozessordnung, BBl 2006 7413 ff., 7487).

2.5.

2.5.1. Art. 99 Abs. 1 ZPO will die in den Prozess gezwungene beklagte Partei
für den Fall, dass das spätere Eintreiben einer Parteientschädigung aus
bestimmten Gründen (lit. a-d) schwierig erscheint, gegen das Risiko absichern,
dass die ihr zugesprochene Parteientschädigung uneinbringlich ist (BGE 141 III
155 E. 4.3 S. 157). Diese Bestimmung gilt auch im Rechtsmittelverfahren (vgl.
oben E. 1.3). Nach Ansicht der Beschwerdeführerin hätte die Vorinstanz trotz
Vorliegens einer gesetzlichen Frist diese abnehmen und später wieder neu
ansetzen sollen; der Anspruch auf Sicherheit für die Parteientschädigung nach
Art. 99 ZPO könne nur mittels einer Durchbrechung des Grundsatzes der
Waffengleichheit gewahrt werden. Es stellt sich damit die Frage, ob die in Art.
312 Abs. 2 ZPO vorgesehene gesetzliche Frist in einem Widerspruch zu Art. 99
ZPO steht, weil sie die Durchsetzung des verfahrensrechtlichen Anspruchs auf
Sicherheit für die Parteientschädigung geradezu vereitelt.

2.5.2. Bei der Beantwortung dieser Frage ist zu berücksichtigen, dass die
Parteien einander bereits im erstinstanzlichen Verfahren gegenüberstehen und
daher in der Regel wissen, ob ein Grund vorliegt, der sie gemäss Art. 99 Abs. 1
lit. a-d ZPO zum Beantragen einer Sicherheitsleistung berechtigt. Obsiegt eine
Partei im erstinstanzlichen Verfahren zumindest teilweise, so muss sie
grundsätzlich mit einer Berufung durch die Gegenpartei rechnen. Will sie
diesfalls eine Sicherheitsleistung beantragen, so ist es ihr - um ihren
Anspruch auf Sicherheit für die Parteikosten sicherzustellen - zumutbar, noch
vor Ablauf der Frist zur Einreichung einer Berufung der Rechtsmittelinstanz ein
Sicherstellungsgesuch einzureichen oder zumindest mitzuteilen, sie stelle im
Falle einer Berufung ein Sicherstellungsgesuch. Dass der Streitwert noch nicht
bekannt ist, steht dem nicht entgegen, da der Antrag auf Sicherstellung der
Parteientschädigung nicht beziffert werden muss (BGE 140 III 444 E. 3.2 S. 446
ff.). Geht bei der Rechtsmittelinstanz tatsächlich eine Berufung ein, so hat
diese der Berufungsbeklagten eine kurze Frist zur Begründung ihres Gesuchs zu
setzen und die Berufung der Berufungsbeklagten erst zur schriftlichen
Stellungnahme zuzustellen, wenn sie das Sicherstellungsgesuch nach Anhörung des
Berufungsklägers abgelehnt hat oder die angeordnete Sicherheit geleistet wurde.
Es ergibt sich bereits aus Art. 101 Abs. 2 ZPO, dass das Gericht zwar
vorsorgliche Massnahmen schon vor Leistung der Sicherheit anordnen kann, das
Verfahren im Übrigen aber e contrario bis zur Leistung der Sicherheit zu ruhen
hat (BGE 140 III 159 E. 4.2.3 S. 165). Auch zwischen Einreichung des Gesuchs
und Entscheid über die allfällige Leistung einer Sicherheit ist es sinnvoll,
vorläufig keine weiteren Parteikosten entstehen zu lassen, welche durch eine
Sicherheitsleistung gerade gesichert werden sollen. Zu diesem Zweck hat die
Rechtsmittelinstanz mithin die (fristauslösende) Zustellung der Berufung
einstweilen aufzuschieben (vgl. dazu im Zusammenhang mit der Klageantwort BGE
140 III 159 E. 4.2 S. 162 ff.).

2.5.3. Auf die dargelegte Weise können die mit Art. 312 Abs. 2 ZPO und mit Art.
99 Abs. 1 ZPO verfolgten Ziele in Einklang gebracht werden: Die
Berufungsbeklagte erhält die Gelegenheit, ihre Parteikosten sicherzustellen,
bevor diese anfallen, und hat gleichzeitig ab Zugang der Berufung eine Frist
von 30 Tagen zur Ausarbeitung ihrer Eingabe (wie der Berufungskläger für die
Ausarbeitung der Berufung), womit die Waffengleichheit gewahrt ist. Dem
Anspruch einer Berufungsbeklagten nach Art. 99 ZPO kann mithin auch unter
Beachtung der nicht erstreckbaren, fixen Frist von 30 Tagen ab Kenntnis der
Berufungsschrift für das Verfassen ihrer Eingabe zum Durchbruch verholfen
werden. Damit bleibt für eine Fristabnahme, die eine Durchbrechung des
Grundsatzes der Waffengleichheit darstellen und das Verbot der Erstreckung
gesetzlicher Fristen nach Art. 144 Abs. 1 ZPO unterlaufen würde, kein Raum. Die
Vorinstanz hat somit kein Bundesrecht verletzt, indem sie den Antrag der
Beschwerdeführerin auf Abnahme der (gesetzlichen) Frist zur Einreichung der
Berufungsantwort abgewiesen hat.

3.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang
wird die Beschwerdeführerin k osten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs.
1, Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 5'000.-- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 21. Dezember 2015

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Kiss

Die Gerichtsschreiberin: Marti-Schreier

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