Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.205/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
4A_205/2015

Urteil vom 14. Oktober 2015

I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
Bundesrichterin Klett, Bundesrichter Kolly,
Bundesrichterinnen Hohl, Niquille,
Gerichtsschreiber Th. Widmer.

Verfahrensbeteiligte
A.________ SA,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christian Sager,
Beschwerdeführerin,

gegen

B.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard Blum,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Aberkennungsklage.

Beschwerde gegen den Beschluss des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 23.
Februar 2015.

Sachverhalt:

A.

 Am 26. September 2014 erhob die A.________ SA (Klägerin, Beschwerdeführerin)
beim Handelsgericht des Kantons Zürich Aberkennungsklage gegen die B.________
AG (Beklagte, Beschwerdegegnerin) mit folgendem Rechtsbegehren:

"1. Es sei festzustellen, dass die Forderung, für welche der beklagten Partei
mit Entscheid der Präsidentin des Tribunal civil de l'arrondissement de la
Broye vom 18. März 2014 provisorische Rechtsöffnung erteilt wurde, nicht
besteht.
2. Die "décision de mainlevée provisoire" [Entscheid der provisorischen
Rechtsöffnung] durch die Präsidentin des Tribunal civil de l'arrondissement de
la Broye vom 18. März 2014 sei aufzuheben.
3. (1) Die Kosten der provisorischen Rechtsöffnung im Verfahren vor der
Präsidentin des Tribunal civil de l'arrondissement de la Broye vom 18. März
2014 seien der Beklagten aufzuerlegen.
(2) Der Klägerin sei eine Kosten- und Parteientschädigung im Verfahren vor der
Präsidentin des Tribunal civil de l'arrondissement de la Broye vom 18. März
2014 zuzusprechen.
4. Die Betreibung Nr. xxx des Office des poursuites de la Broye sei zu löschen.
5. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Beklagten."

 Mit Eingabe vom 12. Januar 2015 ergänzte die Klägerin ihr Rechtsbegehren
dahingehend, dass die Aberkennungsklage eventualiter als negative
Feststellungsklage gemäss Art. 85a SchKG entgegenzunehmen sei, unter
Aufrechterhaltung ihrer Begehren vom 26. September 2014.

 Das Handelsgericht trat mit Beschluss vom 23. Februar 2015 auf die Klage nicht
ein. Es war zum Schluss gekommen, dass die Frist zur Einreichung der
Aberkennungsklage abgelaufen sei und diese bei ihm verspätet eingereicht wurde;
die Voraussetzungen von Art. 63 ZPO für einen Rückbezug (Rückdatierung) der
Rechtshängigkeit auf den Zeitpunkt der früheren Einreichung der Klage bei einem
unzuständigen Gericht (am 25. März 2014) seien nicht gegeben. Das klägerische
Begehren sei als Klage nach Art. 85a SchKG entgegenzunehmen, für die das
Handelsgericht aber weder örtlich noch sachlich zuständig sei.

B.

 Die Klägerin beantragt mit Beschwerde in Zivilsachen vom 13. April 2015,
diesen Beschluss aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der
Erwägungen an das Handelsgericht zurückzuweisen.

 Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf
einzutreten sei. Die Vorinstanz verzichtete auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

 Der angefochtene Entscheid des Handelsgerichts ist ein Endentscheid (Art. 90
BGG) in einer Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG). Gegen Entscheide der als einzige
kantonale Instanzen im Sinne von Art. 74 Abs. 2 lit. b BGG urteilenden
Handelsgerichte (Art. 6 ZPO) ist die Beschwerde an das Bundesgericht
streitwertunabhängig gegeben (BGE 139 III 67 E. 1.2).

 Hebt das Bundesgericht einen Nichteintretensentscheid auf, entscheidet es
nicht selber in der Sache, sondern weist die Sache zu neuem Entscheid an die
Vorinstanz zurück. Der gestellte Antrag auf Rückweisung der Sache an die
Vorinstanz ist genügend und einzig angebracht (Art. 42 Abs. 1 BGG; BGE 138 III
46 E. 1.2 S. 48).

 Auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt, weshalb - unter
Vorbehalt einer hinreichenden Begründung - auf die Beschwerde einzutreten ist.

2.

 Die Beschwerdeführerin lässt im vorliegenden Verfahren den Entscheid der
Vorinstanz unangefochten, soweit diese ihre Zuständigkeit zur Beurteilung der
Klage als negative Feststellungsklage gemäss Art. 85a SchKG verneinte. Strittig
ist einzig, ob die Vorinstanz die Aberkennungsklage zu Recht als verspätet bei
ihr eingereicht betrachtete.

3.

 Wird eine Eingabe, die mangels Zuständigkeit zurückgezogen oder auf die nicht
eingetreten wurde, innert eines Monates seit dem Rückzug oder dem
Nichteintretensentscheid bei der zuständigen Schlichtungsbehörde oder beim
zuständigen Gericht neu eingereicht, so gilt als Zeitpunkt der Rechtshängigkeit
das Datum der ersten Einreichung (Art. 63 Abs. 1 ZPO). Vorbehalten bleiben die
besonderen gesetzlichen Klagefristen nach dem SchKG (Art. 63 Abs. 3 ZPO). Die
Frist von 20 Tagen für die Einreichung der Aberkennungsklage nach Art. 83 Abs.
2 SchKG ist nach Massgabe von Art. 63 ZPO eingehalten, wenn die Eingabe vorerst
bei einem unzuständigen Gericht eingereicht, dann aber innert 20 Tagen nach dem
Nichteintretensentscheid desselben bei der zuständigen Behörde neu eingegeben
wird.

3.1. Diese Regel gilt - Fälle von Rechtsmissbrauch vorbehalten - auch, wenn
sich nach einem ersten Nichteintretensentscheid das als zweites angerufene
Gericht ebenfalls für unzuständig erklärt (BGE 138 III 471 E. 6 S. 481 f. mit
Hinweisen), und es bestehen keine überzeugenden Gründe dagegen, sie auch
mehrmals in der Folge anzuwenden (Isabelle Berger-Steiner, in: Berner
Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], 2012, N. 49 zu Art. 63
ZPO; François Bohnet, in: CPC, Code de procédure civile commenté, Bohnet und
andere [Hrsg.], 2011, N. 26 zu Art. 63 ZPO; Sutter-Somm/Hedinger, in: Kommentar
zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm und andere [Hrsg.],
2. Aufl. 2013, N. 19 zu Art. 63 ZPO; Markus Müller-Chen, in: Schweizerische
Zivilprozessordnung [ZPO], Kommentar, Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N. 16
zu Art. 63 ZPO; Stephen V. Berti, in: ZPO, Oberhammer und andere [Hrsg.], 2.
Aufl. 2014, N. 8 zu Art. 63 ZPO; a.M. Dominik Infanger, in: Basler Kommentar,
Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 10 f. zu Art. 63 ZPO).

 Die Vorinstanz vertritt denn auch zu Recht nicht die Auffassung, dass die
mehrfache Einreichung einer Aberkennungsklage bei unzuständigen Gerichten einer
Anwendung von Art. 63 ZPO grundsätzlich im Wege stehen würde. Tatsächliche
Feststellungen aus denen im vorliegenden Fall auf ein - von der
Beschwerdegegnerin im vorinstanzlichen Verfahren geltend gemachtes und von der
Beschwerdeführerin bestrittenes - rechtsmissbräuchliches Verhalten geschlossen
werden könnte, traf die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid nicht, da sie die
Anwendbarkeit von Art. 63 ZPO schon aus einem anderen Grund verneinte.

3.2. Die Vorinstanz erwog, Art. 63 ZPO setze voraus, dass die gleiche Eingabe,
auf die ein Gericht mangels Zuständigkeit nicht eintrat, beim zuständigen
Gericht neu eingereicht werde; Identität des Streitgegenstandes genüge nicht.
Die neu eingereichte Eingabe der Beschwerdeführerin habe indessen nur noch
wenig Gemeinsamkeiten mit der ursprünglich eingereichten Klageschrift. Damit
fehle es an einer Voraussetzung zur Anwendung von Art. 63 ZPO, weshalb eine
Rückdatierung der Rechtshängigkeit nicht erfolgen könne und die
Aberkennungsklage bezüglich des der Beschwerdeführerin am 21. März 2014
zugestellten Rechtsöffnungsentscheids bei der Vorinstanz verspätet eingereicht
worden sei.

3.2.1. Die Beschwerdeführerin rügt, Art. 63 ZPO verlange entgegen der
vorinstanzlichen Auffassung nicht, dass die  gleiche Eingabe beim zuständigen
Gericht neu eingereicht werde, sondern lasse die Identität des
Streitgegenstands genügen. Die an ihrer Eingabe vorgenommenen Änderungen
müssten ohne weiteres zulässig sein. Die Rechtsbegehren seien unstrittig gleich
geblieben. Soweit Änderungen und Ergänzungen der Klageschrift vorgenommen
worden seien, seien sie zum Grossteil aufgrund der Anrufung eines unzuständigen
Gerichts notwendig gewesen und hätten im Übrigen den gleichen Lebenssachverhalt
betroffen. Das Klagefundament sei nicht geändert worden. Eine rechtzeitig neu
eingereichte und grundsätzlich gleiche Klage wegen zulässigen Änderungen und
Ergänzungen mangels Identität mit der ersten Eingabe als verspätet zu
betrachten, widerspreche dem Schutzzweck von Art. 63 ZPO. Die Vorinstanz habe
im Übrigen offensichtlich unrichtig und willkürlich festgestellt, dass die neu
eingereichte Aberkennungsklage nur noch wenig Gemeinsamkeiten mit der
ursprünglich eingereichten Klageschrift habe.

3.2.2. Das Bundesgericht äusserte sich bislang nicht zur strittigen Frage, ob
Art. 63 ZPO die Neueinreichung der gleichen Eingabe beim zuständigen Gericht
verlangt, und in der Lehre sind die Meinungen dazu geteilt.

 Zu berücksichtigen ist dabei ausser dem Schrifttum zu Art. 63 ZPO, auch die
Literatur zu den Bestimmungen von Art. 34 des Bundesgesetzes über den
Gerichtsstand in Zivilsachen vom 24. März 2000 (AS 2000 2355;
Gerichtsstandsgesetz, GestG), von aArt. 32 Abs. 3 SchKG sowie von aArt. 139 OR,
die allesamt mit Inkrafttreten der ZPO aufgehoben wurden (AS 2010 1739 ff.,
1837, 1840, 1848). Denn sowohl die Regelung von Art. 63 ZPO wie diejenigen nach
Art. 34 GestG und nach aArt. 32 Abs. 3 SchKG gehen auf das gemeinsame "Urbild"
von aArt. 139 OR zurück (BGE 138 III 610 E. 2.6).

 Mehrere Autoren fordern, die klagende Partei, die in den Genuss des Erhalts
der Rechtshängigkeit kommen wolle, müsse die  gleiche Eingabe bzw. exakt die
gleiche Klage, die sie ursprünglich bei einem unzuständigen Gericht eingereicht
habe, neu bei der zuständigen Behörde bzw. beim zuständigen Gericht einreichen
(Müller-Chen, a.a.O., N. 16 zu Art. 63 ZPO; Mariella Orelli, in:
Gerichtsstandsgesetz, Müller/Wirth [Hrsg.], 2001, N. 52 zu Art. 34 GestG; André
Bloch, Die Prüfung der örtlichen Zuständigkeit von Amtes wegen und die Folgen
bei örtlicher Unzuständigkeit gemäss Art. 34 GestG, 2003, S. 235 f.). Ähnlich
äussern sich verschiedene weitere Autoren, welche die Ansicht vertreten, der
Kläger sei bei der Neuanbringung der Klage grundsätzlich an den bislang
vorgebrachten Prozessstoff bzw. die vorgebrachten Tatsachenbehauptungen und
seine Klagebegehren gebunden; Identität des Streitgegenstands genüge nicht
(Infanger, a.a.O., N. 12 zu Art. 63 ZPO;  derselbe, in: Bundesgesetz über den
Gerichtsstand in Zivilsachen, Kommentar, Spühler/Tenchio/Infanger [Hrsg.],
2001, N. 34 zu Art. 34 GestG; Sutter-Somm-Hedinger, a.a.O., N. 16 zu Art. 63
ZPO; Christoph Leuenberger, Rechtshängigkeit bei fehlender Zuständigkeit und
falscher Verfahrensart [Art. 63 ZPO], SZZP 2013 S. 169 ff., S. 173).

 Becker (Berner Kommentar, 1913, N. 3 zu aArt. 139 OR) und Bohnet (a.a.O., N.
27 zu Art. 63 ZPO) sprechen sich für die Bindung an das ursprünglich gestellte
Rechtsbegehren bzw. den Anspruch aus, ohne sich ausdrücklich über die
Zulässigkeit von weiteren Veränderungen des Prozessstoffes zu äussern.

 Einzig Berger-Steiner (a.a.O., N. 39 f. zu Art. 63 ZPO) will aus
prozessökonomischen Gründen Veränderungen der Eingabe (bereits) bei ihrer
erneuten Einreichung entsprechend den Regeln über die Klageänderung zulassen,
wobei erst recht solche Modifikationen zulässig sein müssten, die noch nicht
als eigentliche Klageänderungen zu qualifizieren seien.

3.2.3. Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach
dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der
Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die
Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der
Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und
konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im
normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio
legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus
und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer
hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen. Die Gesetzesmaterialien sind
zwar nicht unmittelbar entscheidend, dienen aber als Hilfsmittel, um den Sinn
der Norm zu erkennen. Bei der Auslegung neuerer Bestimmungen kommt den
Materialien eine besondere Stellung zu, weil veränderte Umstände oder ein
gewandeltes Rechtsverständnis eine andere Lösung weniger nahelegen (BGE 141 III
155 E. 4.2 mit Hinweisen).

3.2.4. Wie die Beschwerdeführerin zutreffend geltend macht, verlangt der
Wortlaut von Art. 63 Abs. 1 ZPO nicht ausdrücklich als Voraussetzung für eine
Rückdatierung der Rechtshängigkeit, dass die  gleiche Eingabe beim zuständigen
Gericht neu eingereicht werden muss. In diese Richtung deutet allerdings der
französische Gesetzestext ("Si l'acte introductif d'instance [...] est
réintroduit [...] devant le tribunal [...] compétent"), wie auch die
italienische Fassung der Bestimmung ("Se l'atto [...] è riproposto [...]
davanti al giudice o all'autorità competenti"). Dass die gleiche Eingabe
eingereicht werden muss, um eine Rückdatierung der Rechtshängigkeit zu
bewirken, könnte insoweit auch aus dem deutschen Wortlaut der Bestimmung
abgeleitet werden, als darin von der neuen Einreichung einer "Eingabe" die Rede
ist. Ob dieser Schluss aus dem deutschen Text gezogen werden kann, erscheint
immerhin vor dem Hintergrund unklar, als im VE-ZPO noch von der Neueinreichung
einer "Klage" die Rede war und das Wort "Klage" erst im bundesrätlichen Entwurf
zur ZPO durch "Eingabe" ersetzt wurde, womit lediglich bezweckt wurde, den
Anwendungsbereich der Bestimmung weit zu fassen ( BERGER-STEINER, a.a.O., N. 1
und 13 zu Art. 63 ZPO).

 Den Materialien lässt sich sodann nichts darüber entnehmen, was als
Neueinreichung der "Eingabe" zu verstehen ist (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur
Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], BBl 2006 7221 ff., S. 7277 f., Ziff.
5.4 zu Art. 61 EZPO [fortan: Botschaft ZPO]; Berger-Steiner, a.a.O., N. 39 zu
Art. 63 ZPO).

 Sinn und Zweck der Norm von Art. 63 Abs. 1 ZPO liegen darin, die als unbillig
empfundene Konsequenz zu vermeiden, dass eine unrichtige Klageeinleitung und
der daraufhin ergehende Nichteintretensentscheid oder der Klagerückzug
angebrachtermassen zu einem Rechtsverlust des Ansprechers führen, weil damit
die mit der ursprünglichen Klageanhebung eingetretene Rechtshängigkeit wieder
entfällt und dadurch Klage- oder Verjährungsfristen nicht mehr gewahrt sind
(Botschaft, a.a.O., 7277 Ziff. 5.4 zu Art. 61 E-ZPO; Berger-Steiner, a.a.O., N.
6 zu Art. 63 ZPO; Müller-Chen, a.a.O., N. 1 zu Art. 63 ZPO; Infanger, a.a.O.,
N. 1 zu Art. 63 ZPO; Sutter-Somm/Hedinger, a.a.O., N. 6 zu Art. 63 ZPO; vgl.
auch BGE 136 III 545 E. 3.1 S. 547 f. und E. 3.2 S. 550 [zu aArt. 139 OR]). Dem
Kläger darüber hinaus Gelegenheit zu geben, seine Eingabe im Hinblick auf die
Neueinreichung zu verändern bzw. zu verbessern, liegt ausserhalb der
Zweckbestimmung von Art. 63 ZPO. Dies hat die Vorinstanz zutreffend erkannt.

 Die Vorinstanz berücksichtigte darüber hinaus zu Recht, dass die Parteien im
ordentlichen Verfahren nur zweimal das Recht haben, unbeschränkt Tatsachen und
Beweise vorzutragen (BGE 140 III 312 E. 6.3.2.3 S. 314 unten). Würde im Fall
einer mehrmaligen Einreichung der Klage bei unzuständigen Behörden und einer
mehrmaligen Auslösung der Nachfrist bei jeder Neueinreichung eine Änderung der
Eingabe zugelassen, führte dies zu einer Bevorteilung der klagenden Partei. Sie
würde von den Vorzügen der Rechtshängigkeit profitieren, hätte aber auf der
anderen Seite die damit verbundenen Lasten nicht zu tragen.

 Aus diesen Gründen schliesst sich das Bundesgericht der Vorinstanz sowie den
Autoren an, die fordern, dass die identische Eingabe einzureichen ist.
Angeführte Gründe der Prozessökonomie mögen dagegen nicht aufzukommen. Soweit
Verbesserungen und Ergänzungen der ursprünglichen Eingabe erforderlich sind
oder der Ansprecher solche für notwendig erachtet, hat er dieselben im Rahmen
der Möglichkeiten vorzunehmen, die ihm das Prozessrecht nach Eintritt der
Rechtshängigkeit im weiteren Verfahren vor der zuständigen Instanz einräumt,
unter der Verfahrensleitung derselben (namentlich Mängelbehebung nach Art. 132
Abs. 2 ZPO; weitere Vorbingen gemäss den in BGE 140 III 312 E. 6.3.2.3 S. 314
fixierten Regeln, allenfalls nach Ausübung der richterlichen Fragepflicht;
Novenrecht; gegebenenfalls Klageänderung nach Art. 227 ZPO). Art. 63 ZPO
erfasst nur die fehlende Zuständigkeit und die Klageeinleitung im unrichtigen
Verfahren, also weder das Fehlen anderer Prozessvoraussetzungen noch formelle
Mängel der Eingabe. Dem Ansprecher zu erlauben, die ursprüngliche Eingabe unter
der bestehenden Rechtshängigkeit nach seinem Gutdünken zu verändern, bis er an
die zuständige Instanz gelangt, rechtfertigt sich nicht. Die Auffassung von
Berger überzeugt nicht und ist auch nicht praktikabel, da es nicht Aufgabe der
letztlich zuständigen Behörde sein kann, die neu eingereichte Eingabe auf
zulässige und unzulässige Veränderungen zu überprüfen (vgl. Berger-Steiner,
a.a.O., N. 39 zu Art. 63 ZPO).

 Die Beschwerdeführerin geht daher fehl, wenn sie vorbringt, die Vorinstanz
hätte auf die neu eingereichte Klage auch eintreten müssen, wenn diese
unzulässige Änderungen oder Ergänzungen enthalten hätte, wobei sie allenfalls
die unzulässigen Änderungen oder Ergänzungen hätte aus dem Recht weisen können.
Damit verkennt die Beschwerdeführerin überdies, dass für die Beurteilung von
Vorgängen, welche die Wahrung von Fristen beeinflussen, im Interesse der
Rechtssicherheit einfache und klare Grundsätze aufzustellen sind (vgl. Urteil
4A_374/2014 vom 26. Februar 2015 E. 3.2).

 Um der Praktikabilität willen ist daher zu verlangen, dass der Ansprecher die
gleiche Rechtsschrift, die er ursprünglich bei einem unzuständigen Gericht
eingegeben hat, im Original bei der von ihm für zuständig gehaltenen Behörde
neu einreicht; die von ihm ursprünglich angerufene, unzuständige Behörde hat
ihm zu diesem Zweck auf sein Verlangen hin die mit ihrem Eingangsstempel
versehene Originaleingabe zurückzusenden (in diesem Sinn Bloch, a.a.O., S. 235
f.; zum Verzicht des Gesetzgebers, im Rahmen des Zivilprozesses eine
Weiterleitungspflicht der Behörden an die zuständige Instanz zu statuieren:
Botschaft, a.a.O., S. 7277; s. ferner BGE 130 III 515 E. 5 [zu aArt. 32 Abs. 3
SchKG]). Im Fall, dass die ursprüngliche Eingabe, wie hier, in einer anderen
Amtssprache abgefasst wurde (Art. 129 ZPO), hat der Ansprecher der
Originaleingabe überdies eine Übersetzung derselben beizulegen.
Selbstverständlich steht es dem Ansprecher darüber hinaus frei, der neu
eingereichten Eingabe ein erklärendes Begleitschreiben beizufügen, das
namentlich Ausführungen darüber enthalten kann, dass zunächst eine unzuständige
Behörde angerufen wurde und nun eine Neueinreichung der Eingabe bei der für
zuständig erachteten Instanz erfolgt.

 Die Vorinstanz verletzte demnach Art. 63 ZPO nicht, indem sie verlangte, dass
die Beschwerdeführerin bei ihr die gleiche Eingabe hätte neu einreichen müssen,
die sie ursprünglich, am 25. März 2014, beim Tribunal civil de l'arrondissement
de la Broye eingereicht habe, und indem sie auf die veränderte Eingabe bzw. die
Klage der Beschwerdeführerin nicht eintrat.

3.3. Dabei kann offen bleiben, ob die Vorinstanz, wie die Beschwerdeführerin
rügt, willkürlich festgestellt hat, dass die neu eingereichte Aberkennungsklage
vorliegend nur noch wenig Gemeinsamkeiten mit der ursprünglichen Klageschrift
habe. Denn die Beschwerdeführerin macht mit ihrer Rüge nicht geltend, die
Vorinstanz habe zu Unrecht festgestellt, ihre ursprüngliche Eingabe sei nicht
im vorstehenden Sinn mit ihrer neuen Eingabe identisch. Sie vertritt bloss den
Standpunkt, ihre neue Eingabe enthalte nur zulässige Veränderungen der
ursprünglichen Rechtsschrift. Dies ist nach dem Gesagten indessen unbehelflich,
da die Vorinstanz die Anwendbarkeit von Art. 63 ZPO zutreffend mangels
Neueinreichung der identischen Eingabe verneinte und eine Rückdatierung der
Rechtshängigkeit zu Recht ablehnte.

4.

 Die Beschwerde ist demnach abzuweisen. Dem Verfahrensausgang entsprechend wird
die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und
Art. 68 Abs. 2 BGG).

 

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

 Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

 Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.

 Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

4.

 Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Zürich
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. Oktober 2015

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Kiss

Der Gerichtsschreiber: Widmer

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