Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.190/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
4A_190/2015

Urteil vom 13. Mai 2015

I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Klett, Niquille,
Gerichtsschreiberin Reitze.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Wagner,
Beschwerdeführer,

gegen

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Rechtsverzögerung,

Beschwerde gegen das Verfahren KK.2014.00031 des Sozialversicherungsgerichts
des Kantons Zürich.

Sachverhalt:

A.
A.________ (Kläger, Beschwerdeführer) reichte am 17. Oktober 2014 beim
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich gegen die Versicherung B.________
AG eine nicht begründete Teilklage über Fr. 20'000.-- betreffend eine Forderung
aus einer Streitigkeit aus einer Zusatzversicherung zur sozialen
Krankenversicherung nach dem KVG (SR 832.10) im Sinne von Art. 7 ZPO ein und
ersuchte darum, die Parteien zur Verhandlung zu laden.

B.
Am 6. Januar 2015 erhob er Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht "gegen
die Untätigkeit des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich betr. Ladung
der Parteien zu einer Verhandlung gemäss Art. 245 Abs. 1 ZPO im Zusammenhang
mit der Klage des Beschwerdeführers vom 17. Oktober 2014". Mit Urteil vom 20.
Februar 2015 trat das Bundesgericht auf die Rechtsverzögerungsbeschwerde nicht
ein (Verfahren 4A_8/2015).

C.
Am 30. März 2015 reichte A.________ beim Bundesgericht erneut Beschwerde wegen
Rechtsverzögerung ein. Er beantragt, das Sozialversicherungsgericht sei
anzuweisen, über die Klage vom 17. Oktober 2014 ein Endurteil zu fällen.
Ausserdem ersucht er um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege für das
bundesgerichtliche Verfahren.
Das Sozialversicherungsgericht verzichtete auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Gemäss Art. 94 BGG kann gegen das unrechtmässige Verweigern oder Verzögern
eines anfechtbaren Entscheids Beschwerde geführt werden. Der Entscheid, dessen
Verweigerung oder Verzögerung geltend gemacht wird, muss demnach unmittelbar
beim Bundesgericht anfechtbar sein. Dies trifft vorliegend zu, nachdem der
angeblich verzögerte Entscheid eine Streitigkeit aus einer Zusatzversicherung
zur sozialen Krankenversicherung nach dem KVG betrifft, über welche das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich als einzige kantonale Instanz im
Sinne von Art. 7 ZPO und Art. 75 Abs. 2 lit. a BGG zu befinden hat, weshalb
hiegegen direkt die Beschwerde in Zivilsachen - streitwertunabhängig - zulässig
sein wird (BGE 138 III 799 E. 1.1 S. 800; Urteil 4A_184/2012 vom 18. September
2012 E. 1.4 und 1.5, nicht publ. in: BGE 138 III 558). Auf die
Rechtsverzögerungsbeschwerde ist demnach einzutreten.

2.
Eine Rechtsverweigerung liegt vor, wenn es eine Behörde ausdrücklich ablehnt,
eine Entscheidung zu treffen, obwohl sie dazu verpflichtet ist (BGE 124 V 130
E. 4 S. 133 mit Hinweisen). Um eine Rechtsverzögerung handelt es sich dagegen,
wenn sich die zuständige Behörde zwar bereit zeigt, einen Entscheid zu treffen,
diesen aber nicht binnen der Frist fällt, welche nach der Natur der Sache und
nach der Gesamtheit der übrigen Umstände als angemessen erscheint. Dabei ist es
für die Rechtsuchenden unerheblich, auf welche Gründe - beispielsweise auf ein
Fehlverhalten der Behörde oder auf andere Umstände - die Rechtsverzögerung
zurückzuführen ist; entscheidend ist ausschliesslich, dass die Behörde nicht
fristgerecht handelt (BGE 107 Ib 160 E. 3b S. 164; Urteile 1C_433/2008 vom 16.
März 2009 E. 1.4 und 2C_244/2007 vom 10. Oktober 2007 E. 4.2).
Art. 29 Abs. 1 BV statuiert einen allgemeinen Anspruch auf Beurteilung innert
angemessener Frist (BGE 133 I 270 E. 1.2.2 S. 274; Beschleunigungsgebot und
Verbot der Rechtsverzögerung). Art. 6 Abs. 1 EMRK gewährt in dessen
Anwendungsbereich das Beschleunigungsgebot im entsprechenden Umfang (BGE 130 I
269 E. 2.3 S. 272). Die Beurteilung der angemessenen Verfahrensdauer entzieht
sich starren Regeln. Es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob sich die Dauer
unter den konkreten Umständen als angemessen erweist. Die Rechtsprechung
berücksichtigt namentlich folgende Kriterien: Bedeutung des Verfahrens für den
Betroffenen, Komplexität des Falles (Art des Verfahrens, Umfang und Komplexität
der aufgeworfenen Sachverhalts- und Rechtsfragen), Verhalten der
Verfahrensbeteiligten und Behandlung des Falles durch die Behörden (BGE 135 I
265 E. 4.4 S. 277 mit Hinweisen). Rechtsverzögerung ist nicht allein deshalb zu
bejahen, weil ein Verfahren längere Zeit (unter Umständen mehrere Monate) in
Anspruch genommen hat. Als massgebend muss vielmehr gelten, ob das Verfahren in
Anbetracht der auf dem Spiel stehenden Interessen zügig durchgeführt worden ist
und die Gerichtsbehörden insbesondere keine unnütze Zeit haben verstreichen
lassen (BGE 137 I 23 E. 2.4.3 S. 27; 127 III 385 E. 3a S. 389).

3.

3.1. Der Beschwerdeführer moniert, dass im Nachgang zu seiner Klage vom 17.
Oktober 2014 bis heute keine Vorladung und auch keine Kontaktnahme zwecks
Vereinbarung eines Verhandlungstermins erfolgt sei. Indem die Vorinstanz diese
Schritte mehr als 5½ Monate nach Klageeinreichung unterlassen habe, verzögere
sie den Entscheid über die Klage vom 17. Oktober 2014 ungebührlich. Der
Beschwerdeführer habe im Rahmen des anwendbaren mündlichen Verfahrens das
Recht, mit seinen Anliegen sofort und ohne zeitraubenden vorgängigen
Schriftenwechsel gehört zu werden, spreche Art. 245 Abs. 1 ZPO doch davon, dass
das Gericht eine nicht begründete Klage der beklagten Partei zustelle und
"zugleich" zur Verhandlung vorlade. Das grundlose Zuwarten von mehr als 5½
Monaten verletze Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Abs. 1 EMRK.

3.2. Der Ablauf des vereinfachten Verfahrens, wie es für die vorliegend
betroffene Streitigkeit zur Anwendung gelangt (Art. 243 Abs. 1 lit. f ZPO),
hängt davon ab, ob die klagende Partei ihre Klageschrift, wenn sie ihre Klage
dem Gericht nicht mündlich einreicht (vgl. Art. 244 Abs. 1 ZPO), mit einer
Begründung versieht, die den Anforderungen an eine Klagebegründung nach Art.
221 ZPO genügt oder nicht. Enthält die Klage keine (solche) Begründung, so
stellt das Gericht sie der beklagten Partei zu und lädt die Parteien zugleich
zur Verhandlung vor (Art. 245 Abs. 1 ZPO). Enthält die Klage eine Begründung,
so setzt das Gericht der beklagten Partei zunächst eine Frist zur schriftlichen
Stellungnahme (Art. 245 Abs. 2 ZPO).
Im ersten, hier gegebenen Fall kommt es demnach direkt zur Vorladung der
Parteien, die alsdann ihre Standpunkte mündlich an der Verhandlung erläutern.
Ein vorgängiger Schriftenwechsel findet nicht statt.  Dies, mithin die direkte
Vorladung zur mündlichen Verhandlung ohne vorgängigen Schriftenwechsel, will
das Gesetz damit zum Ausdruck bringen, indem es in Art. 245 Abs. 1 ZPO davon
spricht, das Gericht stelle die unbegründete Klage der beklagten Partei zu und
lade die Parteien "zugleich" zur Verhandlung vor (vgl. Gasser/Rickli,
Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO), 2. Aufl. 2014, N. 1 ff. zu Art. 245
ZPO). Es geht mithin nicht um eine zeitliche Vorgabe, heisst es doch nicht
"unverzüglich" oder dergleichen. Dass dem Gericht lediglich das Vorgehen,
jedoch keine zeitliche Vorgabe im Sinne eines unverzüglichen Handelns
vorgeschrieben wird, zeigt deutlich der französische Text, in dem das Wort
"zugleich" (ital.: "nel contempo") überhaupt fehlt ("Si la demande n'est pas
motivée, le tribunal la notifie au défendeur et cite les parties aux débats").
Auch wenn einzelne Autoren - mit einer gewissen Berechtigung - anfügen, die
Vorladung zur mündlichen Verhandlung sollte "zeitnah zur Klageeinreichung" bzw.
"raschmöglichst" erfolgen (Christian Fraefel, in: ZPO, Oberhammer/Domej/Haas
[Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 2 zu Art. 245 ZPO; Laurent Killias, in: Berner
Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 5 zu Art. 245 ZPO),
kann allein aus einem längeren Zeitablauf nicht eo ipso auf eine unzulässige
Rechtsverzögerung geschlossen werden.
Der Beschwerdeführer kann demnach aus Art. 245 Abs. 1 ZPO nichts für seinen
Standpunkt ableiten, zumal er nicht behauptet, die Vorinstanz verzögere das
Verfahren, indem sie entgegen Art. 245 Abs. 1 ZPO dennoch einen vorgängigen
Schriftenwechsel angeordnet habe.

3.3. Die Berücksichtigung der von der Rechtsprechung zur Beurteilung der
Angemessenheit entwickelten Kriterien belegt keine Verletzung des
Beschleunigungsgebots:
Der Beschwerdeführer macht keine näheren Ausführungen zur Bedeutung des
Verfahrens für ihn sowie zur Komplexität des Falles. Es kann davon ausgegangen
werden, dass unter diesem Aspekt keine Besonderheiten für, aber auch nicht
gegen eine zügige Verfahrenserledigung sprechen.
Was sodann das Verhalten der Vorinstanz anbelangt, ist aus dem ersten
Rechtsverzögerungsverfahren (4A_8/2015) und der dort eingereichten
ausführlichen Vernehmlassung der Vorinstanz bekannt, dass diese nicht einfach
untätig blieb. Die Vorinstanz wies dort insbesondere auf eine zuvor, am 11.
August 2014, vom Beschwerdeführer eingereichte Teilklage und die dazu
stattgefundene Verhandlung hin. Dazu führte sie aus, da es sich bei den beiden
Teilklagen vom 11. August 2014 und vom 17. Oktober 2014 im Wesentlichen um
identische Klagen handle, habe sie mit Verfügung vom 6. November 2014 in
Erwägung gezogen, das Verfahren betreffend die zweite Teilklage längstens bis
zum Erlass des Endurteils im ersten Verfahren zu sistieren, und den Parteien
Gelegenheit gegeben, sich zur in Aussicht genommenen Sistierung zu äussern. Das
vorinstanzliche Bestreben, die beiden gleichgelagerten Klagen zu koordinieren,
erscheint begründet und vermag eine gewisse Verlängerung des Verfahrens zu
rechtfertigen.
Zudem scheint die Vorinstanz im vorliegenden Verfahren nicht weiter tätig
geworden zu sein, solange sich die Akten aufgrund der beiden
Rechtsverzögerungsbeschwerden beim Bundesgericht befinden. In diesem
Zusammenhang ist das Verhalten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen, der
durch seine mehrfache Beschwerdeführung selbst zur Verzögerung beitrug, wobei
auf die erste Rechtsverzögerungsbeschwerde nicht eingetreten werden konnte. Das
Verhalten der Parteien ist vor allem im Zivilverfahren zu gewichten, bei dem es
auch den Parteien obliegt, zur beförderlichen Verfahrenserledigung beizutragen
(BGE 130 I 312 E. 5.2 S. 332). Auch wenn es dem Beschwerdeführer unbenommen
ist, von seinem Recht auf Beschwerde Gebrauch zu machen, so muss er die damit
verbundene Verzögerung des vorinstanzlichen Verfahrens in Kauf nehmen. Es ist
zudem nicht dargetan, dass die Vorinstanz nicht bereit sein sollte, das
Verfahren voranzutreiben, wenn sie wieder im Besitz der Akten sein wird.
Bei einer Gesamtbetrachtung der gegebenen Umstände kann der Vorinstanz nicht
vorgeworfen werden, das Verfahren unangemessen lange hinausgezögert zu haben.
Eine Verletzung des Beschleunigungsgebots nach Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6
Abs. 1 EMRK liegt nicht vor.

4.
Da die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer stets im Einzelfall
anhand der konkreten Umstände vorzunehmen ist (vgl. E. 2 hiervor), hilft es dem
Beschwerdeführer nicht, wenn er auf ein anderes Verfahren hinweist, in welchem
die Vorinstanz die Parteien nur sieben Tage nach Klageeinreichung zur
Verhandlung vorgeladen habe. Dass und inwiefern die massgebenden Umstände in
beiden Verfahren gleich sind, ist nicht dargetan, weshalb die geltend gemachte
Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots fehl geht.

5.
Demgemäss ist die Beschwerde abzuweisen. Sie war von Anfang an aussichtslos,
weshalb dem Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege für das
bundesgerichtliche Verfahren nicht entsprochen werden kann (Art. 64 BGG). Der
unterliegende Beschwerdeführer trägt demnach die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1
BGG). Hingegen schuldet er dem Beschwerdegegner keine Parteientschädigung (Art.
68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege für das
bundesgerichtliche Verfahren wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. Mai 2015

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Kiss

Die Gerichtsschreiberin: Reitze

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