Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.178/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
4A_178/2015

Urteil vom 11. September 2015

I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
Bundesrichterin Klett, Bundesrichter Kolly, Bundesrichterin Hohl,
Bundesrichterin Niquille,
Gerichtsschreiberin Marti-Schreier.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. André Largier,
Beschwerdeführer,

gegen

Versicherung B.________ AG,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Taggeldversicherung; Privatgutachten,

Beschwerde gegen das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau, 3.
Kammer, vom 17. Februar 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. Der 1980 geborene A.________ (Kläger, Beschwerdeführer) hat mit der
Versicherung B.________ AG (Beklagte, Beschwerdegegnerin) eine
Einzel-Krankentaggeldversicherung nach VVG abgeschlossen.

A.b. Am 25. Dezember 2009 erlitt A.________ bei einer tätlichen
Auseinandersetzung Kopf- und Gesichtsverletzungen. In der Folge wurde ihm eine
Arbeitsunfähigkeit zu 100 % attestiert. Die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) erbrachte die gesetzlichen
Versicherungsleistungen (Übernahme der Heilbehandlungskosten, Taggelder).

A.c. Am 21. September 2010 meldete sich A.________ bei der Eidgenössischen
Invalidenversicherung (IV) zum Leistungsbezug an. Mit Verfügung vom 27. Januar
2014 verneinte die IV-Stelle Aargau einen invalidisierenden Gesundheitsschaden
und entschied, A.________ habe keinen Anspruch auf Leistungen der
Invalidenversicherung. Die dagegen erhobene Beschwerde von A.________ wies das
Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Urteil vom 16. Oktober 2014 ab.

A.d. Mit Verfügung vom 31. August 2011 stellte die SUVA ihre Leistungen per 30.
September 2011 ein mit der Begründung, die aktuell noch geltend gemachten
Beschwerden seien organisch als Folge des Unfalls nicht erklärbar, weshalb die
adäquate Kausalität zu verneinen sei. Mit Einspracheentscheid vom 12. Oktober
2011 hielt die SUVA an der Leistungseinstellung fest. Dagegen erhob A.________
Beschwerde, woraufhin sowohl das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit
Urteil vom 16. August 2012 als auch das Bundesgericht mit Urteil 8C_833/2012
vom 29. November 2012 die Leistungseinstellung bestätigten. Beide Instanzen
kamen zum Schluss, bei A.________ lägen keine organisch objektiv ausgewiesenen
Unfallfolgen mehr vor, welche die über den 30. September 2011 hinaus beklagten
Beschwerden erklären würden.

A.e. Mit Schadenanzeige vom 14. Oktober 2011 meldete sich A.________ bei der
Versicherung B.________ AG zum Bezug von Leistungen aus der
Einzel-Krankentaggeldversicherung an. Im Auftrag der Versicherung B.________ AG
verfasste Dr. med. C.________, Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie,
auf der Grundlage der medizinischen Vorakten und einer Untersuchung von
A.________ ein psychiatrisch-psychotherapeutisches Gutachten vom 1. Februar
2012. Gestützt auf dieses Gutachten verneinte die Versicherung B.________ AG
mit Schreiben vom 21. Februar 2012 und vom 19. Juni 2012 einen
Leistungsanspruch von A.________.

A.f. Am 26. November 2013 verlangte A.________ von der Versicherung B.________
AG erneut die Zahlung von Krankentaggeldern und verwies dabei auf ein
interdisziplinäres Gutachten des Zentrums D.________ vom 1. August 2013. Die
Versicherung B.________ AG hielt mit Stellungnahme vom 13. Februar 2014 daran
fest, dass kein Leistungsanspruch bestehe.

B.
Am 14. März 2014 erhob A.________ Klage beim Versicherungsgericht des Kantons
Aargau und beantragte, die Versicherung B.________ AG sei zur Zahlung von Fr.
91'000.-- an ihn (bzw. an die Gemeinde Wettingen im Rahmen der
Drittauszahlungsermächtigung) zu verurteilen.
Mit Urteil vom 17. Februar 2015 wies das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau die Klage ab.

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 25. März 2015 beantragt A.________ dem
Bundesgericht, das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau sei
aufzuheben und die Versicherung B.________ AG sei zur Zahlung von Fr. 91'000.--
an ihn (bzw. an die Gemeinde Wettingen im Rahmen der
Drittauszahlungsermächtigung) zu verurteilen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
einzutreten ist. Die Vorinstanz hat auf Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
Zu beurteilen ist die Leistungspflicht aus einer Zusatzversicherung zur
sozialen Krankenversicherung. Derartige Zusatzversicherungen unterstehen gemäss
Art. 12 Abs. 2 und 3 des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die
Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) dem Bundesgesetz vom 2. April 1908 über
den Versicherungsvertrag (VVG; SR 221.229.1). Streitigkeiten aus solchen
Versicherungen sind privatrechtlicher Natur, womit als Rechtsmittel an das
Bundesgericht die Beschwerde in Zivilsachen gemäss Art. 72 ff. BGG in Betracht
kommt (BGE 138 III 2 E. 1.1 S. 3; 133 III 439 E. 2.1 S. 441 f. mit Hinweis).

 Die Beschwerde richtet sich gegen einen Endentscheid (Art. 90 BGG). Das
Versicherungsgericht des Kantons Aargau hat als einzige kantonale Instanz im
Sinne von Art. 7 ZPO und Art. 75 Abs. 2 lit. a BGG entschieden, weshalb die
Beschwerde in vermögensrechtlichen Angelegenheiten gemäss Art. 74 Abs. 2 lit. b
BGG unabhängig vom Erreichen der Streitwertgrenze nach Art. 74 Abs. 1 BGG
zulässig ist (vgl. BGE 138 III 2 E. 1.2.2 S. 4 ff., 799 E. 1.1 S. 800). Die
Beschwerdefrist ist eingehalten (Art. 100 Abs. 1 BGG). Da auch die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist unter Vorbehalt rechtsgenügend
begründeter Rügen auf die Beschwerde einzutreten.

2.
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe zu Unrecht auf das von Dr. med.
C.________ erstellte Parteigutachten der Beschwerdegegnerin abgestellt und
gestützt darauf als überwiegend wahrscheinlich erachtet, dass ab 1. Oktober
2011 keine relevante Arbeitsunfähigkeit mehr bestanden habe.

2.1. Der Vorinstanz lagen vier ärztliche Beurteilungen des gesundheitlichen
Zustands des Beschwerdeführers und dessen Arbeits (un) fähigkeit vor. Dr. med.
C.________ verfasste ein Gutachten im Auftrag der Beschwerdegegnerin. Darin kam
er zum Schluss, eine relevante Arbeitsunfähigkeit lasse sich aus rein
psychiatrisch-psychotherapeutischer Sicht nicht begründen. Pract. med.
E.________ behandelte den Beschwerdeführer ab dem 17. Mai 2011 und hielt in
einem Bericht vom 16. Mai 2012 fest, es sei dem Beschwerdeführer zumutbar, mit
einem Arbeitsversuch von ein bis zwei Stunden in einer angepassten Tätigkeit im
geschützten, ruhigen Rahmen zu beginnen und den zeitlichen Umfang langsam zu
steigern. Das Zentrum D.________ verfasste ein interdisziplinäres Gutachten vom
1. August 2013. Darin attestiert der psychiatrische Gutachter Dr. med.
F.________ aufgrund einer posttraumatischen Belastungsstörung seit Dezember
2009 eine vollständige Arbeitsunfähigkeit. Die IV-Stelle Aargau unterbreitete
die Akten Dr. med. G.________. Dieser kam in einer konsiliarischen
Aktenbeurteilung vom 13. November 2013 zum Schluss, der Beschwerdeführer weise
eine Arbeitsfähigkeit von rund 40-50 % auf.

 Die Vorinstanz würdigte die vorliegenden Gutachten und den Bericht. Sie
erachtete als nachvollziehbar, dass Dr. med. C.________ beim Beschwerdeführer
keine relevante Arbeitsunfähigkeit für gegeben erachtet habe. Darauf sei
abzustützen; dies auch in Würdigung des Umstands, dass es sich dabei um ein
Parteigutachten handle. In dieser Hinsicht stützte sich die Vorinstanz auf BGE
125 V 351 E. 3b/dd S. 353, wonach der Umstand allein, dass eine ärztliche
Stellungnahme von einer Partei eingeholt und in das Verfahren eingebracht
werde, nicht Zweifel an ihrem Beweiswert rechtfertige. Die Vorinstanz stellte
somit auf das Gutachten von Dr. med. C.________ ab und erachtete es als
überwiegend wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer ab 1. Oktober 2011 keine
relevante Arbeitsunfähigkeit aufgewiesen habe. Damit habe dieser keinen
Anspruch auf Leistung von Krankentaggeldern.

2.2. Dagegen bringt der Beschwerdeführer vor, beim Gutachten von Dr. med.
C.________ handle es sich nicht um ein neutrales Gutachten, sondern um ein
Parteigutachten. Ein solches gelte zivilprozessual als blosse Parteibehauptung,
nicht aber als Beweismittel, was das Bundesgericht in BGE 132 III 83 E. 3.4
festgehalten habe. Die von der Vorinstanz zitierte
sozialversicherungsrechtliche Rechtsprechung sei weder direkt noch analog
anwendbar, weil die Beschwerdegegnerin nicht als eine mit hoheitlicher Gewalt
ausgestattete Verwaltungsbehörde zur Neutralität verpflichtet sei und den
notwendigen Sachverhalt auch nicht von Amtes wegen abzuklären habe. Vielmehr
nehme sie als Privatversicherin schon bei der Sachverhaltsermittlung ihre
Parteiinteressen wahr. Es sei offensichtlich unhaltbar, dass sich die
Vorinstanz auf eine blosse Parteibehauptung ohne Beweiswert stütze.

 Die Beschwerdegegnerin macht demgegenüber geltend, die Vorinstanz habe richtig
festgehalten, dass am Beweiswert des Privatgutachtens nicht allein deshalb zu
zweifeln sei, weil es von einer Partei eingeholt worden sei. Die
Beschwerdegegnerin verweist auf das Urteil des Bundesgerichts 4A_505/2012 vom
6. Dezember 2012, das auch auf (den vorinstanzlich zitierten) BGE 125 V 351
hinweise.

2.3. In BGE 125 V 351 hat das Bundesgericht was folgt ausgeführt: Was
Parteigutachten anbelangt, rechtfertigt der Umstand allein, dass eine ärztliche
Stellungnahme von einer Partei eingeholt und in das Verfahren eingebracht wird,
nicht Zweifel an ihrem Beweiswert (E. 3b/dd S. 353). Auch ein Parteigutachten
enthält mithin Äusserungen eines Sachverständigen, welche zur Feststellung
eines medizinischen Sachverhalts beweismässig beitragen können (E. 3c S. 354).
Daraus folgt indessen nicht, dass ein solches Gutachten den gleichen Rang wie
ein vom Gericht oder von einem Unfallversicherer nach dem vorgegebenen
Verfahrensrecht eingeholtes Gutachten besitzt. Es verpflichtet indessen - wie
jede substanziiert vorgetragene Einwendung gegen ein solches Gutachten - den
Richter, den von der Rechtsprechung aufgestellten Richtlinien für die
Beweiswürdigung folgend, zu prüfen, ob es in rechtserheblichen Fragen die
Auffassungen und Schlussfolgerungen des vom Gericht oder vom Unfallversicherer
förmlich bestellten Gutachters derart zu erschüttern vermag, dass davon
abzuweichen ist.

 Diese Rechtsprechung hat ihren Ursprung beim (damaligen) Eidgenössischen
Versicherungsgericht (vgl. Lucrezia Glanzmann, Der Beweiswert medizinischer
Erhebungen im Zivil-, Straf- und Sozialversicherungsprozess, AJP 2005 S. 77).
Die in BGE 125 V 351 enthaltenen Erwägungen wurden bis heute denn auch primär
in Urteilen der beiden sozialversicherungsrechtlichen Abteilungen bestätigt
(vgl. etwa Urteile 9C_49/2014 vom 29. Oktober 2014 E. 4.1; 8C_892/2013 vom 27.
März 2014 E. 5.3.2), fanden aber auch Eingang in Urteile anderer Abteilungen
(vgl. etwa BGE 137 II 266 E. 3.2 S. 270 f.; Urteil 4A_505/2012 vom 6. Dezember
2012 E. 3.6).

 Gleichzeitig hat das Bundesgericht immer wieder bestätigt, dass
Parteigutachten nicht die Qualität von Beweismitteln, sondern von blossen
Parteibehauptungen beizumessen ist (BGE 140 III 24 E. 3.3.3 S. 29; 140 III 16
E. 2.5 S. 24; 139 III 305 E. 5.2.5 S. 319; 135 III 670 E. 3.3.1 S. 677; 132 III
83 E. 3.6 S. 88 f.).

2.4. Die Vorinstanz und die Beschwerdegegnerin stützen sich auf BGE 125 V 351
und erachten das Abstützen auf das von der Beschwerdegegnerin eingeholte
Privatgutachten von Dr. med. C.________ als zulässig, während der
Beschwerdeführer mit Hinweis auf die ebenfalls publizierte Rechtsprechung,
wonach Parteigutachten blosse Parteibehauptungen seien, das Vorgehen der
Vorinstanz als unzulässig erachtet. Es besteht daher Anlass zur Klarstellung,
was in Verfahren nach der ZPO gilt, die für Streitigkeiten aus der
Zusatzversicherung zur sozialen Krankenversicherung (auch vor den
Versicherungsgerichten) die massgebliche Verfahrensordnung bildet (BGE 138 III
558 E. 3.2 S. 561).

2.5.

2.5.1. Nach Art. 168 Abs. 1 ZPO sind als Beweismittel zulässig: Zeugnis (lit.
a), Urkunde (lit. b), Augenschein (lit. c), Gutachten (lit. d), schriftliche
Auskunft (lit. e) sowie Parteibefragung und Beweisaussage (lit. f). Diese
Aufzählung ist abschliessend; im Zivilprozessrecht besteht insofern ein 
numerus clausus der Beweismittel (Urteil 5A_957/2012 vom 28. Mai 2013 E. 2;
Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, BBl 2006
7320 Ziff. 5.10.3). Vorbehalten bleiben nach Art. 168 Abs. 2 ZPO lediglich die
Bestimmungen über Kinderbelange in familienrechtlichen Angelegenheiten. In
seiner Botschaft zur ZPO gesteht der Bundesrat zu, dass eine abschliessende
Aufzählung zulässiger Beweismittel auf den ersten Blick den Kernprinzipien des
Beweisrechts (Recht auf Beweis, freie Beweiswürdigung nach Art. 157 ZPO) zu
widersprechen scheint; die Rechtssicherheit und das Gebot eines fairen
Verfahrens gebieten jedoch eine klare Aussage des Gesetzes darüber, wie, wann
und mit welchen Mitteln Beweis zu führen sei (Botschaft zur ZPO, BBl 2006 7320
Ziff. 5.10.3).

2.5.2. Aus dem Begriff "Gutachten" (Art. 168 Abs. 1 lit. d ZPO) alleine lässt
sich noch nicht ableiten, ob darunter auch ein Privatgutachten zu subsumieren
ist. Systematisch sind indessen Art. 183 ff. ZPO zu berücksichtigen, die das
Gutachten als Beweismittel näher regeln. Nach Art. 183 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann 
das Gericht auf Antrag einer Partei oder von Amtes wegen bei einer oder
mehreren sachverständigen Personen ein Gutachten einholen (Hervorhebung
hinzugefügt). Aus der Gesetzessystematik wird mithin klar, dass Art. 168 Abs. 1
lit. d ZPO einzig vom Gericht eingeholte Gutachten als Beweismittel zulässt.

 Diese Auslegung wird gestützt von den Materialien. Neben dem gerichtlich
bestellten Gutachten (Art. 168 Abs. 1 lit. d ZPO) sah der Vorentwurf explizit
auch das Privatgutachten vor (Art. 182 des Vorentwurfs von 2003 zur
Schweizerischen Zivilprozessordnung). Aufgrund der Kritik in der Vernehmlassung
wurde in der Folge auf dieses Beweismittel verzichtet; Privatgutachten bleiben
nach der Botschaft zwar zulässig, aber nicht als Beweismittel, sondern nur als
Parteibehauptungen (Botschaft zur ZPO, BBl 2006 7325 Art. 180-185).

2.5.3. Nach einem Teil der Lehre sollen Privatgutachten dem Gericht als
Urkunden i.S.v. Art. 168 Abs. 1 lit. b und Art. 177 ff. ZPO eingereicht werden
dürfen (Andreas Binder/Roman S. Gutzwiler, Das Privatgutachten - eine Urkunde
gemäss Art. 177 ZPO, ZZZ 2013 S. 171 ff.; David Hofmann/Christian Lüscher, Le
Code de procédure civile, 2. Aufl. 2015, S. 149; Thomas Weibel, in: Kommentar
zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 3 f. zu Art. 177
ZPO; wohl auch Hans Schmid, Kurzkommentar ZPO, 2. Aufl. 2014, N. 18 zu Art. 183
ZPO). Entgegen dieser Ansicht ist es nicht möglich, ein Privatgutachten unter
dem Titel der Urkunde doch noch als Beweismittel für die inhaltliche
Richtigkeit der im Gutachten enthaltenen Aussagen in das Verfahren
einzubringen. Denn der Gesetzgeber lehnte das Privatgutachten als Beweismittel
i.S.v. Art. 168 Abs. 1 ZPO allgemein und nicht nur als Gutachten i.S.v. Art.
168 Abs. 1 lit. d ZPO ab (in diesem Sinn auch DAVID RÜETSCHI, Das
Parteigutachten unter der neuen ZPO, Unter Berücksichtigung der geografischen
Marke, in: Festschrift für J. David Meisser zum 65. Geburtstag, 2012, S. 16 f.;
SVEN RÜETSCHI, in: Berner Kommentar, 2012, N. 35 zu Art. 183 ZPO; FRANZ MÜLLER/
SIMON ZINGG, Der Beizug von Sachverständigen im Zivilprozess aus anwaltlicher
Sicht, in: ZBJV 2009, S. 651 Fn. 87; vgl. auch ANNETTE DOLGE, in: Basler
Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 12 zu Art. 177
ZPO; KILIAN PERROULAZ, in: Schweizerische Zivilprozessordnung, 2010, N. 4 zu
Art. 183 ZPO; differenzierend PHILIPPE SCHWEIZER, in: Code de procédure civile
commenté, 2011, N. 4 zu Art. 177 ZPO).

2.6. Im Zivilprozess stellt ein Privatgutachten somit kein Beweismittel dar.
Entgegen der Ansicht der Vorinstanz und der Beschwerdegegnerin gilt mithin die
sozialversicherungsrechtliche Rechtsprechung nach BGE 125 V 351 unter dem
Anwendungsbereich der ZPO nicht. Vielmehr ist die vom Beschwerdeführer
angerufene Rechtsprechung anwendbar, wonach Parteigutachten nicht die Qualität
von Beweismitteln, sondern von blossen Parteibehauptungen beizumessen ist (BGE
140 III 24 E. 3.3.3 S. 29; 140 III 16 E. 2.5 S. 24; 139 III 305 E. 5.2.5 S.
319; 135 III 670 E. 3.3.1 S. 677; 132 III 83 E. 3.6 S. 88 f.). Allerdings ist
zu beachten, dass nur Tatsachenbehauptungen bewiesen werden müssen, die
ausdrücklich bestritten sind. Bestreitungen sind so konkret zu halten, dass
sich bestimmen lässt, welche einzelnen Behauptungen des Klägers damit
bestritten werden (BGE 117 II 113 E. 2 S. 113); die Bestreitung muss ihrem
Zweck entsprechend so konkret sein, dass die Gegenpartei weiss, welche einzelne
Tatsachenbehauptung sie beweisen muss (BGE 115 II 1 E. 4 S. 2). Der Grad der
Substanziierung einer Behauptung beeinflusst insofern den erforderlichen Grad
an Substanziierung einer Bestreitung; je detaillierter einzelne Tatsachen eines
gesamten Sachverhalts behauptet werden, desto konkreter muss die Gegenpartei
erklären, welche dieser einzelnen Tatsachen sie bestreitet. Je detaillierter
mithin ein Parteivortrag ist, desto höher sind die Anforderungen an eine
substanziierte Bestreitung. Diese sind zwar tiefer als die Anforderungen an die
Substanziierung einer Behauptung (vgl. BGE 117 II 113 E. 2 S. 113 f.; Hans
Peter Walter, in: Berner Kommentar, 2012, N. 204 zu Art. 8 ZGB; Jürgen
Brönnimann, in: Berner Kommentar, 2012, N. 15 zu Art. 150 ZPO); pauschale
Bestreitungen reichen indessen nicht aus. Erforderlich ist eine klare
Äusserung, dass der Wahrheitsgehalt einer bestimmten und konkreten gegnerischen
Behauptung infrage gestellt wird (Hans Peter Walter, a.a.O., N. 191 zu Art. 8
ZGB).
Parteibehauptungen, denen ein Privatgutachten zugrunde liegt, werden meist
besonders substanziiert sein. Entsprechend genügt eine pauschale Bestreitung
nicht; die Gegenpartei ist vielmehr gehalten zu substanziieren, welche
einzelnen Tatsachen sie konkret bestreitet. Wird jedoch eine
Tatsachenbehauptung von der Gegenpartei substanziiert bestritten, so vermögen
Parteigutachten als reine Parteibehauptungen diese allein nicht zu beweisen
(vgl. BGE 132 III 83 E. 3.5 S. 88). Als Parteibehauptungen mögen sie allenfalls
zusammen mit - durch Beweismittel nachgewiesenen - Indizien den Beweis zu
erbringen. Werden sie aber nicht durch Indizien gestützt, so dürfen sie als
bestrittene Behauptungen nicht als erwiesen erachtet werden. Dies hat die
Vorinstanz verkannt, wenn sie vorliegend ein Privatgutachten als Beweismittel
zugelassen und einzig gestützt auf dieses Gutachten als bewiesen erachtet hat,
dass der Beschwerdeführer im zu beurteilenden Zeitraum arbeitsfähig gewesen
sei. Damit hat sie nach dem Gesagten Art. 168 Abs. 1 ZPO verletzt. Die Rüge des
Beschwerdeführers erweist sich mithin als begründet.

3.
Das vorinstanzliche Urteil enthält auch eine Eventualbegründung. Nachdem die
Hauptbegründung der Überprüfung nicht standhält, ist nachfolgend daher auf die
Rügen einzugehen, die der Beschwerdeführer gegen die Eventualbegründung
vorbringt. Die Vorinstanz hat im Rahmen dieser Eventualbegründung ausgeführt,
der Beschwerdeführer hätte auch bei Bejahung einer weiterhin bestehenden
Arbeitsunfähigkeit keinen Anspruch auf Taggeldleistungen, weil er seine
Schadenminderungspflicht nach Ziff. 3.7 der Allgemeinen
Versicherungsbedingungen und Art. 61 VVG verletzt habe.

3.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs. Er
habe nicht ahnen können, dass die Vorinstanz die Klage schliesslich mit dem
Vorwurf der Verletzung der Schadenminderungspflicht abweisen würde. Gerade weil
die Beschwerdegegnerin in der Duplik keine konkreten Vorwürfe hinsichtlich der
Mitwirkung an der Behandlung erhoben habe, sei es für den Beschwerdeführer auch
nach Erhalt der Duplik nicht vorhersehbar gewesen, dass sich die Vorinstanz auf
diesen Standpunkt stellen könnte. Die Vorinstanz begründe mithin die
Klageabweisung gestützt auf einen Sachverhalt, der im vorangegangenen Verfahren
nicht zur Sprache gekommen sei, auf den sich keine Partei berufen habe und
dessen Erheblichkeit die Parteien im konkreten Fall auch nicht hätten
voraussehen können. Deshalb wäre die Vorinstanz verpflichtet gewesen, vor
Erlass des Urteils den Parteien Gelegenheit zu geben, zum Vorwurf, der
Beschwerdeführer habe sich der zumutbaren Behandlung entzogen und habe dadurch
seine Heilung verzögert, Stellung zu nehmen.

3.2. Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 53 Abs. 1 ZPO).
Dieser Anspruch ist auch grundrechtlich gewährleistet (Art. 29 Abs. 2 BV, Art.
6 Ziff. 1 EMRK); er dient der Sachaufklärung und garantiert den
Verfahrensbeteiligten ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht (BGE 140 I
99 E. 3.4 S. 102; 137 II 266 E. 3.2 S. 270). Sie haben insbesondere Anspruch
auf Äusserung zur Sache vor Fällung des Entscheids, auf Abnahme ihrer
erheblichen, rechtzeitig und formrichtig angebotenen Beweise und auf Mitwirkung
an der Erhebung von Beweisen oder zumindest auf Stellungnahme zum
Beweisergebnis (BGE 140 I 99 E. 3.4 S. 102 f.; 135 II 286 E. 5.1 S. 293; 134 I
140 E. 5.3 S. 148). Voraussetzung dafür sind genügende Kenntnisse über den
Verfahrensverlauf, weshalb die Parteien in geeigneter Weise über die
entscheidwesentlichen Vorgänge und Grundlagen vorweg orientiert werden müssen (
BGE 140 I 99 E. 3.4 S. 103). Die Parteien eines Verfahrens haben das Recht,
sich zu rechtserheblichen Sachverhaltsvorbringen zu äussern, auf welche zu
ihrem Nachteil abgestellt wird (BGE 139 II 489 E. 3.3 S. 496; 137 IV 33 E. 9.2
S. 48 f.; 136 V 351 E. 4.4 S. 355 f.).

3.3. Die Beschwerdegegnerin hat - erst in der Duplik - Art. 61 VVG und das
(theoretische) Bestehen einer Schadenminderungspflicht zwar erwähnt. Dies
geschah indes unter dem Titel "Zum Begriff der Arbeitsunfähigkeit" und diente
der Begründung dafür, dass die Praxis zur Überwindbarkeit chronischer
Schmerzstörungen vorliegend anwendbar sei. Wie der Beschwerdeführer zu Recht
vorbringt, hat die Beschwerdegegnerin keine konkreten Vorwürfe hinsichtlich der
Mitwirkung an der Behandlung erhoben. Selbst die Beschwerdegegnerin gibt in
ihrer Vernehmlassung sinngemäss an, dass die Schadenminderungspflicht insofern
kein Thema gewesen sei, als sie einen Leistungsanspruch mangels
Arbeitsunfähigkeit verneint habe. Es habe für sie folglich keine Veranlassung
gegeben, den Beschwerdeführer zur Einhaltung seiner Schadenminderungspflicht
anzuhalten. Da eine Verletzung der Schadenminderungspflicht des
Beschwerdeführers somit im vorinstanzlichen Verfahren nicht erwogen wurde und
die Parteien keinen Anlass hatten, sich dazu zu äussern, wäre vor der Abweisung
der Klage mit dieser (Eventual-) Begründung eine vorgängige Anhörung der
Parteien und insbesondere des Beschwerdeführers angezeigt gewesen. Indem die
Vorinstanz dies unterliess, verletzte sie das rechtliche Gehör des
Beschwerdeführers. Eine Heilung dieser Gehörsverletzung kommt im
bundesgerichtlichen Verfahren nicht in Betracht (vgl. BGE 137 I 195 E. 2.3.2 S.
197 f. und E. 2.7 S. 199 mit Hinweisen).

4.
Nach dem Dargelegten ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen, das Urteil des
Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 17. Februar 2015aufzuheben und die
Sache zur Ergänzung des Sachverhalts und neuer Entscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Die Vorinstanz hat dabei entweder die Beweiswürdigung erneut
vorzunehmen unter Berücksichtigung der zum Privatgutachten dargelegten
Grundsätze (Hauptbegründung) oder sie hat den Parteien das rechtliche Gehör zur
Frage der Verletzung der Schadenminderungspflicht zu gewähren
(Eventualbegründung).

 Der Beschwerdeführer dringt mit seinen Begehren nur teilweise durch. Da zum
jetzigen Zeitpunkt zudem noch ungewiss ist, in welchem Umfang er in der Sache
obsiegen wird, erscheint es gerechtfertigt, die Kosten für das
bundesgerichtliche Verfahren den Parteien je zur Hälfte aufzuerlegen (Art. 66
Abs. 1 BGG). Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer eine reduzierte
Parteientschädigung auszurichten; da die Beschwerdegegnerin nicht anwaltlich
vertreten ist, hat sie keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1
und 2 BGG; BGE 133 III 439 E. 4 S. 446 mit Hinweis).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und das Urteil des
Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 17. Februar 2015 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur Ergänzung des Sachverhalts und neuer Entscheidung an die
Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'500.-- werden den Parteien je zur Hälfte
auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Versicherungsgericht des Kantons
Aargau, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. September 2015

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Kiss

Die Gerichtsschreiberin: Marti-Schreier

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