Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.145/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
4A_145/2015

Urteil vom 6. Juli 2015

I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Klett, Niquille,
Gerichtsschreiber Luczak.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Peter Niggli,
Beschwerdeführerin,

gegen

B.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Adrian Döbeli,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Arbeitsvertrag,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug, I.
Zivilabteilung, vom 16. Dezember 2014.

Sachverhalt:

A.
A.________ (Klägerin, Beschwerdeführerin) stand seit dem 1. Oktober 2007 in
einem Arbeitsverhältnis zur B.________ AG (Beklagte, Beschwerdegegnerin). Mit
Schreiben vom 26. August 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis per
Ende November 2010 unter sofortiger Freistellung. Am 17. Dezember 2010
schlossen die Parteien eine Vereinbarung, wonach sich die Beklagte zur Zahlung
von Fr. 7'000.-- netto an die Klägerin verpflichtete. Die Parteien erklärten
sich zudem mit Erfüllung dieser Vereinbarung als per Saldo aller gegenseitigen
Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis auseinandergesetzt. Mit Schreiben vom 21.
Februar 2011 bot die Klägerin der Beklagten ihre Arbeitskraft per sofort wieder
an. Sie begründete dies damit, dass sie schwanger sei, weshalb das
Arbeitsverhältnis weiterlaufe bis zur Niederkunft und 16 Wochen danach. Am 14.
Juli 2011 kam das Kind der Klägerin zur Welt.

B.

B.a. Mit Eingabe vom 11. August 2011 reichte die Klägerin beim Kantonsgericht
Zug Klage ein und verlangte im Wesentlichen, die Beklagte sei zu verpflichten,
ihr einen Betrag von Fr. 255'112.-- nebst Zins zu bezahlen. Das Kantonsgericht
beschränkte das Verfahren auf die Frage, ob das Arbeitsverhältnis zwischen den
Parteien am 30. November 2010 beendet worden sei bzw. ab diesem Datum keine
Lohnfortzahlungspflicht der Beklagten mehr bestanden habe. Mit Entscheid vom
27. November 2013 stellte es fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den
Parteien nicht per 30. November 2010 beendet worden sei.

B.b. Mit Urteil vom 16. Dezember 2014 schützte das Obergericht des Kantons Zug
die von der Beklagten erhobene Berufung und wies die Klage ab.

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Klägerin dem Bundesgericht im
Wesentlichen, das Urteil des Obergerichts aufzuheben, den Entscheid des
Kantonsgerichts zu bestätigen und die Sache an dieses zur Fortsetzung des
Verfahrens weiterzuleiten; eventualiter sei die Streitsache zur
Vervollständigung der Sachverhaltsfeststellung und Neubeurteilung an das
Obergericht zurückzuweisen.

 Die Beschwerdegegnerin trägt auf Abweisung der Beschwerde an, soweit darauf
einzutreten sei. Auch das Obergericht hat einen Antrag auf Abweisung der
Beschwerde gestellt. Schliesslich haben die Parteien unaufgefordert repliziert
und dupliziert.

Erwägungen:

1.
Die Eintretensvoraussetzungen geben keinen Anlass zu Bemerkungen. Auf die
Beschwerde ist - unter Vorbehalt einer genügenden Begründung (Art. 42 Abs. 2
BGG) - einzutreten.

2.
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu gehören sowohl die
Feststellungen über den streitgegenständlichen Lebenssachverhalt als auch jene
über den Ablauf des vor- und erstinstanzlichen Verfahrens, also die
Feststellungen über den Prozesssachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 15 f.).
Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich
unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2 S. 117, 264 E.
2.3 S. 266). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des
Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG). Die Partei, welche die
Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz anfechten will, muss klar und
substanziiert aufzeigen, inwiefern die gerügten Feststellungen bzw. die
Unterlassung von Feststellungen offensichtlich unrichtig sind oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und erheblich sind (BGE 140
III 16 E. 1.3.1 S. 18 mit Hinweisen). Soweit sie den Sachverhalt ergänzen will,
hat sie zudem mit Aktenhinweisen darzulegen, dass sie entsprechende
rechtsrelevante Tatsachen und taugliche Beweismittel bereits bei den
Vorinstanzen prozesskonform eingebracht hat (BGE 140 III 86 E. 2 S. 90 mit
Hinweisen). Auf eine Kritik am angefochtenen Urteil, die diesen Anforderungen
nicht genügt, ist nicht einzutreten.

3.

3.1. Die Beschwerdeführerin rügt, das angefochtene Urteil verletze Art. 112
Abs. 1 lit. b BGG, weil es nicht klar zwischen Tat- und Rechtsfragen
unterscheide und entscheidwesentliche Sachverhaltselemente erst im Kapitel
"Erwägungen", d.h. der rechtlichen Würdigung, festgestellt würden.

3.2. Nach Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG müssen Entscheide, die der Beschwerde an
das Bundesgericht unterliegen, die massgebenden Gründe tatsächlicher und
rechtlicher Art enthalten. Aus dem Entscheid muss klar hervorgehen, von welchem
festgestellten Sachverhalt die Vorinstanz ausgegangen ist und welche
rechtlichen Überlegungen sie angestellt hat. Nur so kann das Bundesgericht die
korrekte Rechtsanwendung im Einzelfall überprüfen. Einen Entscheid, der diesen
Anforderungen nicht genügt, kann das Bundesgericht an die kantonale Behörde zur
Verbesserung zurückweisen oder aufheben (Art. 112 Abs. 3 BGG; BGE 135 II 145 E.
8.2 S. 153 mit Hinweisen; vgl. auch Urteile des Bundesgerichts 4A_591/2011 vom
17. April 2012 E. 2.1 und 2.4; 4A_508/2010 vom 14. Februar 2011 E. 2.2 und 2.4,
publ. in: Pra 100/2011 Nr. 128 S. 938).

 Es trifft zu, dass die Vorinstanz in ihrer kurzen einleitenden Übersicht über
den Sachverhalt nur den unbestrittenen Rahmensachverhalt festhält und weitere
Sachverhaltsfeststellungen im Rahmen der rechtlichen Würdigung trifft. Indessen
stellt allein die fehlende Trennung von Sachverhalt und rechtlichen
Ausführungen noch keine ungenügende Begründung dar. Ob mit genügender Klarheit
erkennbar ist, von welchem Sachverhalt die Vorinstanz ausging und welche
rechtlichen Schlüsse sie daraus zog, was die Beschwerdeführerin ebenfalls
wiederholt bestreitet, ist nachfolgend im entsprechenden Sachzusammenhang zu
prüfen.

4.

4.1. Gemäss den Feststellungen der Vorinstanz hatte die Beschwerdeführerin
aufgrund der entsprechenden Ultraschallbilder spätestens seit dem 10. Dezember
2010 Kenntnis von ihrer Schwangerschaft. Beim Abschluss der Saldovereinbarung
vom 17. Dezember 2010 habe sie also um ihre Schwangerschaft gewusst, die
Beschwerdegegnerin ihrerseits habe aber erstmals am 21. Februar 2011 davon
erfahren. Demzufolge sei die Schwangerschaft der Klägerin nicht Thema der
Besprechung vom 17. Dezember 2010 gewesen und die Entschädigung von Fr.
7'000.-- sei nur eine solche für nicht bezogene Ferientage gewesen. Ob die
Beschwerdeführerin bei Unterzeichnung der Saldovereinbarung vom 17. Dezember
Kenntnis vom Kündigungsschutz gemäss Art. 336c OR gehabt habe, sei hinsichtlich
der Gültigkeit dieser Vereinbarung nicht von Belang. Jedenfalls habe es sich
dabei nämlich mangels gegenseitiger Zugeständnisse nicht um einen echten
Vergleich gehandelt (vgl. hierzu BGE 118 II 58 E. 2b S. 61; Urteil des
Bundesgerichts 4A_25/2014 vom 7. April 2014; je mit Hinweisen), weshalb Art.
341 Abs. 1 OR, wonach der Arbeitnehmer während der Dauer des
Arbeitsverhältnisses und eines Monats nach dessen Beendigung auf Forderungen,
die sich aus unabdingbaren Vorschriften des Gesetzes oder aus unabdingbaren
Bestimmungen eines Gesamtarbeitsvertrages ergeben, nicht verzichten kann,
"nicht von vorneherein ausgeschlossen werden" könne. In der Folge qualifizierte
die Vorinstanz die Aufhebungsvereinbarung vom 17. Dezember 2010 als nichtig.
Dies wird von den Parteien nicht in Frage gestellt; darauf ist somit nicht
weiter einzugehen (vgl. BGE 140 III 86 E. 2 S. 88 f., 115 E. 2 S. 116).

4.2. In der Folge ging die Vorinstanz zwar davon aus, die Beschwerdeführerin
habe am 17. Dezember 2010 nicht rechtsgültig auf ihre Ansprüche aus Art. 336c
OR verzichtet; ihre Berufung auf die Ungültigkeit sei aber rechtsmissbräuchlich
(Art. 2 Abs. 2 ZGB). Es seien die von Lehre und Rechtsprechung entwickelten
Fallgruppen zu beachten. Dazu gehörten nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung (BGE 135 III 349 E. 3 S. 355; 129 III 493 E. 5.1 S. 497; je mit
Hinweisen) ein fehlendes Interesse an der Rechtsausübung, zweckwidrige
Verwendung eines Rechtsinstituts, krasses Missverhältnis der auf dem Spiel
stehenden Interessen, schonungslose Rechtsausübung oder widersprüchliches
Verhalten. Hier liege einzig Rechtsmissbrauch im Sinn des widersprüchlichen
Verhaltens (vgl. hierzu BGE 125 III 257 E. 2a S. 259 mit Hinweisen) vor.
Diesbezüglich hielt die Vorinstanz fest, die Beschwerdeführerin habe am 17.
Dezember 2010 um ihre Ansprüche aus Art. 336c OR gewusst und könnte auch aus
einer allfälligen Rechtsunkenntnis, die sie nicht glaubhaft dargelegt habe,
nichts zu ihren Gunsten ableiten. Diese Ansprüche habe sie der
Beschwerdegegnerin aber erst am 21. Februar 2011 mitgeteilt, weshalb es
letzterer "nahezu verunmöglicht" gewesen sei, die längst aufgehobene
Arbeitsstelle in der ursprünglichen Form wieder anzubieten. In der Zwischenzeit
habe die Beschwerdeführerin - "im Wissen um den arbeitsrechtlichen Schutz
während einer Schwangerschaft" - zuerst ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt
ausloten wollen und sich bei der Beschwerdegegnerin erst gemeldet, als sie die
von ihr angestrebte Stelle bei einer anderen Firma (C.________) nicht bekommen
habe. Sie habe die Beschwerdegegnerin in dieser Zeit einerseits mit der
Beantragung von Arbeitslosengeldern und andererseits mit ihrer Bewerbung für
andere Arbeitsstellen im Glauben gelassen, mit der Beendigung des
Arbeitsverhältnisses einverstanden zu sein.

 Dass Rechtsmissbrauch im Sinn eines widersprüchlichen Verhaltens vorliege,
wird von der Beschwerdeführerin bestritten und ist nachfolgend zu prüfen.

5.

5.1. Der Arbeitgeber kann sich nur bei Vorliegen besonderer Umstände auf einen
Rechtsmissbrauch (Art. 2 Abs. 2 ZGB) des Arbeitnehmers berufen, der geltend
macht, eine getroffene Vereinbarung verstosse gegen zwingendes Recht; ansonsten
würde dem Arbeitnehmer der mit der zwingenden Gesetzesbestimmung gewährte
Schutz auf dem Weg über Art. 2 ZGB wieder entzogen (BGE 129 III 493 E. 5 S. 497
ff., 618 E. 5.2 S. 622; 110 II 168 E. 3c S. 171; je mit Hinweisen). Blosses
Zuwarten mit der Rechtsausübung innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfristen
allgemein begründet noch nicht Rechtsmissbrauch (BGE 116 II 428 E. 2 S. 431;
vgl. auch BGE 129 III 171 E. 2.4 S. 176; 127 III 506 E. 4a S. 513; je mit
Hinweisen). Zum blossen Zeitablauf müssen vielmehr besondere Umstände
hinzutreten, welche die Rechtsausübung mit der früheren Untätigkeit des
Berechtigten in einem unvereinbaren Widerspruch erscheinen lassen (vgl. BGE 129
III 493 E. 5.1 S. 498 mit Hinweisen). Solche können darin bestehen, dass dem
Verpflichteten aus der verzögerten Geltendmachung in erkennbarer Weise
Nachteile erwachsen sind und dem Berechtigten die Rechtsausübung zumutbar
gewesen wäre, oder darin, dass der Berechtigte mit der Geltendmachung des
Anspruchs zuwartet, um sich einen ungerechtfertigten Vorteil zu verschaffen (
BGE 131 III 439 E. 5.1 S. 443; Urteil des Bundesgerichts 4A_194/2013 vom 18.
September 2013 E. 4.4; je mit Hinweisen).

 Die Beschwerdegegnerin, die sich auf Rechtsmissbrauch beruft, ist für das
Vorliegen der besonderen Umstände, welche diesen begründen, beweispflichtig (
BGE 134 III 52 E. 2.1 S. 58 f.).

5.2. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz davon ausging, aufgrund
des Verhaltens der Beschwerdeführerin - namentlich dem Abschluss der
(nichtigen) Aufhebungsvereinbarung, der Beantragung von Arbeitslosengeldern und
vor allem der Bewerbung für andere Arbeitsstellen - habe die Beschwerdegegnerin
in guten Treuen von der definitiven Beendigung des Arbeitsverhältnisses
ausgehen dürfen. Die diesbezüglichen Ausführungen der Beschwerdeführerin gehen
an der Sache vorbei. Sie beruhen auf der unzutreffenden Annahme, die Vorinstanz
habe in diesen Verhaltensweisen als solchen ein rechtsmissbräuchliches
Verhalten erkannt. Es geht aber nur darum, ob die Beschwerdegegnerin nach Treu
und Glauben von einer Beendigung ausgehen und ihr Verhalten danach richten
durfte.

5.3. Es stellt sich aber die Frage, welche nachteiligen Dispositionen die
Beschwerdegegnerin gestützt auf diese Vertrauensgrundlage getroffen hat. Die
Nicht-Mitteilung der Schwangerschaft muss kausal gewesen sein für die der
Beschwerdegegnerin entstandenen nachteiligen Folgen. Als solchen Nachteil
erkannte die Vorinstanz, dass es der Beschwerdegegnerin wegen des Zuwartens der
Beschwerdeführerin über mehr als zwei Monate "nahezu verunmöglicht" gewesen
sei, die längst aufgehobene Arbeitsstelle der Beschwerdeführerin in der
ursprünglichen Form wieder anzubieten. Sie begründet dies indessen mit keinem
Wort, wie die Beschwerdeführerin zu Recht rügt. Es fehlen auch sonst
Ausführungen dazu, welche nachteiligen Vorkehren die Beschwerdegegnerin im
Vertrauen auf die endgültige Beendigung des Vertragsverhältnisses getroffen
hat. Diese (fehlende) Begründung erlaubt dem Bundesgericht keine Überprüfung;
die Sache ist daher zur ergänzenden Begründung an die Vorinstanz zurückzuweisen
(vgl. E. 3.2 hiervor).

5.4. Die Vorinstanz nahm zu Recht an, dass die (Rechts) kenntnis der
Beschwerdeführerin über den Schwangerschaftsschutz Voraussetzung ist, um ihr
ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorwerfen zu können (BGE 88 II 18 E. 5 S.
25; implizit auch BGE 135 III 349 E. 3 S. 356 und das zit. Urteil 4A_194/2013
E. 4, wo die Frage der Kenntnis aber offen gelassen werden konnte, weil nicht
nachgewiesen war, dass dem Arbeitgeber Nachteile aus dem Zuwarten erwachsen
wären. Vgl. auch Thomas Koller, Kündigungsschutz bei Schwangerschaft; Frage
nach Kündigungsschutz bei unterlassener Mitteilung der Schwangerschaft an den
Arbeitgeber [Besprechung von BGE 135 III 349], in: ZBJV 2011 S. 407 ff., S.
410).

5.4.1. Die Vorinstanz geht denn auch im Rahmen ihrer abschliessenden Würdigung
(E. 5.3.4 S. 15 mit Hinweis auf die Begründung in E. 4.4) davon aus, dass die
Beschwerdeführerin am 17. Dezember 2010 Kenntnis über den arbeitsrechtlichen
Schutz bei Schwangerschaft gehabt habe ("im Wissen um den arbeitsrechtlichen
Schutz während einer Schwangerschaft"). Die Begründung dieser Erkenntnis ist
indessen erneut völlig ungenügend und erlaubt dem Bundesgericht keine
Überprüfung.
Die Vorinstanz verweist einerseits auf die Ausbildung der Beschwerdeführerin
(MBA-Abschluss), weshalb bei ihr von einem Grundwissen in arbeitsrechtlichen
Angelegenheiten auszugehen sei. Zudem gehöre der Kündigungsschutz bei einer
Schwangerschaft zum Allgemeinwissen, wenn auch nicht bis ins letzte Detail. Es
wäre aber von ihr zu erwarten gewesen (sinngemäss: wenn denn die letzten
Detailkenntnisse gefehlt hätten), sich entsprechend zu informieren oder die
auch für einen juristischen Laien verständliche Bestimmung von Art. 336c OR zu
konsultieren. Nicht glaubhaft und nicht belegt sei, dass sie seitens der
Regionalen Arbeitsvermittlung dahingehend eine falsche Auskunft erhalten habe.
Es falle auch auf, dass sie kurz nach der Absage durch C.________ von ihren
Rechten Kenntnis erhalten haben will. Und "Selbst wenn die Klägerin bis zum
geltend gemachten Zeitpunkt einem Rechtsirrtum unterlegen haben sollte " - was
sie nicht habe glaubhaft darlegen können - könnte sie aus ihrer eigenen
Rechtsunkenntnis keine Vorteile ableiten.

 Entgegen der Beschwerdeführerin ist es nicht willkürlich, wenn die Vorinstanz
feststellte, es sei nicht glaubhaft und nicht belegt, dass die Regionale
Arbeitsvermittlung ihr eine falsche Auskunft erteilt habe. Im Übrigen bleibt
mit dieser Begründung aber unklar, ob die Vorinstanz nun in tatsächlicher
Hinsicht vom  Wissen um den Schwangerschaftsschutz ausgeht, worauf das Argument
hindeutet, dass sich die Beschwerdeführerin unmittelbar nach der Absage durch
C.________ mit ihren Ansprüchen meldete (Rückschluss aus dem nachträglichen
Verhalten) oder ob die Vorinstanz  Wissenmüssen genügen lässt, was aus dem
zitierten abschliessenden Satz abgeleitet werden könnte. Letzteres stünde aber
mit ihren eigenen oben einleitend (E. 5.4 hiervor) zitierten Ausführungen im
Widerspruch und würde auch nicht ausreichen, um der Beschwerdeführerin
missbräuchliches Verhalten vorzuwerfen. Die Sache ist daher auch unter diesem
Aspekt an die Vorinstanz zur genügenden Begründung zurückzuweisen.

5.4.2. Dabei wird die Vorinstanz folgendes zu berücksichtigen haben: Die
Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe vor beiden Instanzen die Einvernahme
des Zeugen D.________ beantragt, welcher bezeugen könne, dass sie erst Mitte
Februar 2011 vom Kündigungsschutz für Schwangere erfahren habe. Ohne jegliche
Begründung habe die Vorinstanz diesen Beweisantrag übergangen. Es trifft zu,
dass das Urteil sich nicht zur Nichtabnahme dieses Beweises äussert. Sollte
sich der Nachweis der Rechtskenntnis als entscheidend erweisen, kann jedenfalls
nicht einzig mit der Begründung auf die Einvernahme dieses Zeugen verzichtet
werden, dass die Beschwerdeführerin ausdrücklich nur im erstinstanzlichen
Verfahren einen entsprechenden Beweisantrag gestellt habe, wie die
Beschwerdegegnerin im Verfahren vor Bundesgericht geltend macht. Denn: Wird
eine Berufung geschützt und entscheidet die Rechtsmittelinstanz selber (statt
die Sache an die erste Instanz zurückzuweisen) muss sie, wenn Fragen
aufgeworfen werden, die sich bei der als falsch erkannten Lösung der ersten
Instanz nicht stellten, grundsätzlich alle vor erster Instanz prozesskonform
beantragten Beweismittel berücksichtigen, sofern aufgrund der Ausführungen im
Rechtsmittelverfahren oder vor erster Instanz nicht von einem Verzicht der
Parteien auf die Abnahme der Beweismittel auszugehen ist (vgl. zu letzterem BGE
138 III 374 E. 4.3.2 S. 376; zum Ganzen Urteil des Bundesgerichts 4A_588/2014
vom 6. Juli 2015 E. 3.2). An der von der Beschwerdeführerin in der Beschwerde
angegebenen Stelle in der Berufungsantwort (ad II.Materielles/Ziff. 7 lit. a)
wird der Beweisantrag zwar nicht wiederholt, jedoch auf die Stelle des
erstinstanzlichen Entscheids verwiesen, wo die diesbezüglichen Vorbringen (ohne
Beweisanträge) aus den Rechtsschriften zusammengefasst werden. Ein Verzicht
liegt offensichtlich nicht vor.

 Die Vorinstanz wird sich - sollte die Rechtskenntnis wie erwähnt
entscheidendes Kriterium sein - auch mit dem Argument der Beschwerdeführerin
auseinander zu setzen haben, sie habe sich nicht nur am 3. November 2010 (vor
Kenntnis der Schwangerschaft) bei der Arbeitslosenversicherung angemeldet,
sondern auch nach Kenntnis der Schwangerschaft an Kursen der RAV teilgenommen,
was sie wohl kaum getan hätte, wenn sie um ihre Ansprüche gegenüber der
Beschwerdegegnerin gewusst hätte.

6.
Aufgrund dieser Ausführungen ist das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug
vom 16. Dezember 2014 aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Die Beschwerdeführerin dringt mit ihrer Beschwerde nur
teilweise durch. Ob das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien per 30.
November 2010 beendet wurde, ist noch offen. Bei diesem Verfahrensausgang
erscheint es gerechtfertigt, die Gerichtskosten den Parteien je zur Hälfte
aufzuerlegen und die Parteikosten wettzuschlagen (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68
Abs. 2 BGG). Der vom Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin eingereichten
Kostennote kommt damit keine Bedeutung zu.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug wird aufgehoben und die Sache an
die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 6'000.-- werden den Parteien je zur Hälfte
auferlegt.

3.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, I.
Zivilabteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 6. Juli 2015

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Kiss

Der Gerichtsschreiber: Luczak

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