Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.103/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
4A_103/2015

Urteil vom 3. Juli 2015

I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Klett, Hohl,
Gerichtsschreiber Brugger.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Advokat Andreas Béguin,
Beschwerdeführerin,

gegen

Erbengemeinschaft B.________, bestehend aus:

1. C.C.________,
2. D.C.________,
3. E.C.________,
4. F.C.________,
alle vertreten durch Advokat Lukas Polivka,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Miete; Kündigung; Erstreckung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Appellationsgerichts des Kantons
Basel-Stadt, Ausschuss, vom 22. Dezember 2014.

Sachverhalt:

A.
C.C.________, D.C.________, E.C.________ und F.C.________ (Erben der "
B.________; Vermieter, Beschwerdegegner) vermieteten A.________ (Mieterin,
Beschwerdeführerin) mit Vertrag vom 18. Oktober 2002 eine 5-Zimmerwohnung an
der Strasse U.________ in Basel. Die Vermieter kündigten dieses Mietverhältnis
am 6. November 2012 per 28. Februar 2013 wegen Eigenbedarfs für die drei Kinder
von F.C.________.

B.
Die Mieterin focht die Kündigung am 5. Dezember 2012 bei der Staatlichen
Schlichtungsstelle für Mietstreitigkeiten Basel-Stadt als missbräuchlich an. An
der Schlichtungsverhandlung erliess die Schlichtungsstelle einen
Urteilsvorschlag (Aufhebung der Kündigung), den die Vermieter ablehnten, worauf
ihnen die Klagebewilligung ausgestellt wurde.
Am 29. April 2013 erhoben die Vermieter beim Zivilgericht Basel-Stadt Klage mit
den Begehren, die Anträge der Mieterin in deren Kündigungsanfechtung abzuweisen
und die Gültigkeit der Kündigung vom 6. November 2012 festzustellen. Mit
Entscheid vom 16. Januar 2014 hob der ausserordentliche Zivilgerichtspräsident
die Kündigung als missbräuchlich auf.
Dagegen gelangten die Vermieter mit Berufung an das Appellationsgericht des
Kantons Basel-Stadt und beantragten die Gutheissung ihrer Klage, mithin die
Abweisung der Anträge der Mieterin und die Feststellung der Gültigkeit der
Kündigung vom 6. November 2012. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung
an das Zivilgericht zurückzuweisen. Die Mieterin trug auf Abweisung der
Berufung an, eventualiter auf angemessene Erstreckung des Mietverhältnisses,
erstmals mindestens um drei Jahre bis Ende Februar 2016. Mit Entscheid vom 22.
Dezember 2014 hiess das Appellationsgericht die Berufung gut und hob den
Entscheid des Zivilgerichts vom 16. Januar 2014 auf. Gleichzeitig erstreckte es
das Mietverhältnis einmalig bis zum 31. Januar 2016.

C.
Die Beschwerdeführerin beantragt mit Beschwerde in Zivilsachen, der Entscheid
des Appellationsgerichts sei mit Bezug auf die als gültig erachtete Kündigung
aufzuheben. Demgemäss sei die am 6. November 2012 per 28. Februar 2013
ausgesprochene Kündigung als missbräuchlich aufzuheben. Eventualiter sei die
Angelegenheit an die Vorinstanz zurückzuweisen mit der Massgabe, die Sache
unter Neuregelung der kantonalen Kosten zur Beurteilung der Erstreckung an das
Zivilgericht zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegner beantragen, es sei die Beschwerde vollumfänglich
abzuweisen, sofern und soweit darauf eingetreten werden kann. Die Vorinstanz
verzichtete auf eine Vernehmlassung und beantragt gestützt auf den
angefochtenen Entscheid die Abweisung der Beschwerde.
Die Parteien reichten Replik und Duplik ein.

Erwägungen:

1.
Das angefochtene Urteil des Appellationsgerichts ist ein
verfahrensabschliessender Endentscheid (Art. 90 BGG) einer letzten kantonalen
Instanz im Sinne von Art. 75 Abs. 1 und 2 BGG. Sodann übersteigt der Streitwert
bei einem Monatsmietzins von Fr. 1'270.-- die Grenze nach Art. 74 Abs. 1 lit. a
BGG in mietrechtlichen Fällen (vgl. BGE 137 III 389 E. 1.1 mit Hinweisen). Die
Beschwerde in Zivilsachen ist demnach zulässig.

2.
Streitig ist, ob die Kündigung vom 6. November 2012 missbräuchlich ist, weil
ihr die dreijährige Sperrfrist nach Art. 271a Abs. 1 lit. e OR entgegensteht,
die durch eine angebliche (aussergerichtliche) Einigung über ein
Mietzinsherabsetzungsbegehren der Beschwerdeführerin ausgelöst worden sein
soll.

2.1. Die Kündigung eines Mietverhältnisses ist anfechtbar, wenn sie gegen den
Grundsatz von Treu und Glauben verstösst (Art. 271 Abs. 1 OR). Die Kündigung
durch den Vermieter ist insbesondere missbräuchlich und anfechtbar, wenn sie
innert drei Jahren nach einer aussergerichtlichen Einigung der Parteien über
eine Forderung aus dem Mietverhältnis ausgesprochen wird (Art. 271a Abs. 1 lit.
e in Verbindung mit Abs. 2 OR). Diese gesetzliche Vermutung der
Missbräuchlichkeit wird durchbrochen und die dreijährige Sperrfrist kommt nicht
zur Anwendung bei Kündigungen wegen dringenden Eigenbedarfs des Vermieters für
sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte (Art. 271a Abs. 3 lit. a OR). Der
Vermieter muss den dringenden Eigenbedarf nachweisen. Bei der Beurteilung, ob
aufgrund der Umstände des Einzelfalls ein dringender Eigenbedarf anzunehmen
ist, kommt dem kantonalen Gericht ein weitgehender Ermessensspielraum zu, den
das Bundesgericht nur mit Zurückhaltung überprüft (BGE 118 II 50 E. 4 S. 55 f.;
Urteil 4A_52/2015 vom 9. Juni 2015 E. 2.3).

2.2. Die Vorinstanz verneinte die Missbräuchlichkeit der Kündigung. Nach
eingehender Würdigung der Vorbringen vermochte sie im Zusammenhang mit dem
Herabsetzungsbegehren der Beschwerdeführerin keinen eigentlichen Streit
zwischen den Parteien auszumachen, der durch eine einvernehmliche Regelung
beigelegt worden wäre. Sie verneinte mithin eine aussergerichtliche Einigung im
Sinne von Art. 271a Abs. 2 OR.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen diese Beurteilung und rügt eine
Verletzung von Art. 271a Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 lit. e OR. Sie ist der
Meinung, es müsse von einer Einigung im Sinne von Art. 271a Abs. 2 OR
ausgegangen werden, so dass die Kündigung vom 6. November 2012 in die
dreijährige Sperrfrist nach Art. 271a Abs. 1 lit. e OR falle und daher
missbräuchlich sei.

2.3. Auf die diesbezüglichen Ausführungen braucht nicht eingegangen zu werden.
Die Beschwerdeführerin übersieht und lässt unangefochten, dass die Vorinstanz
an anderer Stelle, in ihren Erwägungen zur Frage der Erstreckung des
Mietverhältnisses, überdies festhielt, die Vermieter hätten einen dringenden
Eigenbedarf nachgewiesen. Dagegen formuliert die Beschwerdeführerin keinerlei
Rüge. Für das Bundesgericht besteht daher kein Anlass, in den diesbezüglichen
Ermessensentscheid der Vorinstanz einzugreifen. Ist aber von einem
nachgewiesenen dringenden Eigenbedarf des Vermieters auszugehen, gelangt die
dreijährige Sperrfrist nach Art. 271a Abs. 1 lit. e OR von vornherein nicht zur
Anwendung (Art. 271a Abs. 3 lit. a OR) und es braucht nicht geprüft zu werden,
ob die Vorinstanz zu Recht eine Einigung im Sinne von Art. 271a Abs. 2 OR
verneinte.

2.4. Die Vorinstanz beurteilte demnach die Kündigung vom 6. November 2012
zutreffend für gültig.

3.
In der Folge prüfte die Vorinstanz eine Erstreckung des Mietverhältnisses und
gewährte eine solche einmalig bis zum 31. Januar 2016.

3.1. Die Beschwerdeführerin beanstandet weder die Gewährung einer bloss
einmaligen Erstreckung noch die Dauer der zugesprochenen Erstreckung. Sie
wendet sich einzig dagegen, dass die Vorinstanz selbst über die Erstreckung
entschieden hat, anstatt die Sache - wie vermieterseits im Eventualbegehren
beantragt - zur Beurteilung der Erstreckung an die erste Instanz
zurückzuweisen. Die Frage der Erstreckung sei vom Zivilgericht nicht beurteilt
worden, weshalb nach Art. 318 Abs. 1 lit. c ZPO der Rückweisungsantrag zu Recht
gestellt worden sei. Mit ihrem Vorgehen habe die Vorinstanz den Instanzenzug
nicht gewahrt. Da zudem betreffend Erstreckung keine Parteiverhandlung
durchgeführt und keine Beweise abgenommen worden seien, komme dies einer
Verletzung des rechtlichen Gehörs gleich.

3.2. Die Rüge ist unbegründet. Die Rechtsmittelinstanz kann im
Berufungsverfahren neu entscheiden (Art. 318 Abs. 1 lit. b ZPO) oder die Sache
an die erste Instanz zurückweisen, wenn ein wesentlicher Teil der Klage nicht
beurteilt wurde, oder der Sachverhalt in wesentlichen Teilen zu
vervollständigen ist (Art. 318 Abs. 1 lit. c ZPO).
Die Bestimmung ist als Kann-Vorschrift formuliert und überlässt demnach den
Entscheid dem pflichtgemässen Ermessen der Rechtsmittelinstanz (Urteil 4A_615/
2013 vom 4. April 2014 E. 6.1; siehe dazu auch die zutreffende Erwägung 3.1 der
Vorinstanz, auf die verwiesen werden kann, Art. 109 Abs. 3 BGG). Davon hat die
Vorinstanz unter den vorliegenden Umständen (insb. dringender Eigenbedarf) mit
überzeugenden Gründen der Verfahrensbeschleunigung und der Prozessökonomie
korrekten Gebrauch gemacht, indem sie selbst über das von der
Beschwerdeführerin schon vor erster Instanz gestellte Eventualbegehren um
Erstreckung entschied. Die Beschwerdegegner haben im Übrigen im
Berufungsverfahren in erster Linie die Abweisung der Anträge der
Beschwerdeführerin verlangt. Diese beruft sich daher zu Unrecht darauf, dass
vermieterseits bloss die Rückweisung verlangt worden wäre. Ohnehin stellte laut
dem angefochtenen Urteil jedenfalls die Beschwerdeführerin mit der
Berufungsantwort das Eventualbegehren um angemessene Erstreckung des
Mietverhältnisses.
Die Vorinstanz verstiess demnach weder gegen Art. 318 ZPO noch verletzte sie
durch ihren Erstreckungsentscheid den Gehörsanspruch der Parteien, zumal die
Beschwerdeführerin schon vor dem Zivilgericht (eventualiter) angemessene
Erstreckung beantragt und zur Begründung die aus ihrer Sicht wesentlichen
Umstände dargelegt hatte. Beide Parteien konnten sich sowohl im
erstinstanzlichen als auch im Berufungsverfahren zur Erstreckung äussern. Die
Beschwerdeführerin führt sodann nicht näher aus, zu welchen konkreten
Behauptungen sie welche Beweise beantragt hätte, die in Verletzung ihres
Beweisführungsanspruchs nicht abgenommen worden wären. Ihr allzu allgemeiner
Hinweis auf "Beweise wie Parteikonfrontation und Zeugenbefragung" genügt nicht,
um eine Gehörsverletzung aufzuzeigen (Art. 106 Abs. 2 BGG).

4.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde abzuweisen. Dem Ausgang des Verfahrens
entsprechend wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig
(Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren insgesamt mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt, Ausschuss, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 3. Juli 2015

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Kiss

Der Gerichtsschreiber: Brugger

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