Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Subsidiäre Verfassungsbeschwerde 1D.1/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1D_1/2015

Urteil vom 1. Juli 2015

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Eusebio, Kneubühler,
Gerichtsschreiberin Pedretti.

Verfahrensbeteiligte
1. A.________,
2. B.________,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Barbara Wyler,

gegen

Politische Gemeinde Uttwil,
Zentrumsplatz 2, 8592 Uttwil,
handelnd durch den Gemeinderat der Politischen Gemeinde Uttwil,
Zentrumsplatz 2, Postfach 53, 8592 Uttwil,
und dieser vertreten durch Rechtsanwalt Markus Wydler,
Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau,
Regierungsgebäude, 8510 Frauenfeld.

Gegenstand
Ablehnung einer Einbürgerung,

Verfassungsbeschwerde gegen den Entscheid vom 3. Dezember 2014 des
Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau.

Sachverhalt:

A. 
Die Eheleute A.________ und B.________, beide kosovarische Staatsangehörige,
ersuchten mit Eingabe vom 7. Dezember 2007 um Erteilung des Bürgerrechts. Das
erste Gespräch zwischen ihnen und dem Gemeinderat Uttwil fand am 29. Juni 2010
statt. Am 3. Mai 2011 erteilte das Bundesamt für Migration den Eheleuten die
eidgenössische Einbürgerungsbewilligung.

B. 
Am 21. Mai 2013 fand aufgrund der Wahl neuer Gemeinderatsmitglieder ein zweites
Abklärungsgespräch mit A.________ und B.________ statt, bei dem sie schriftlich
geprüft wurden.

 Mit Schreiben vom 28. September 2013 ersuchten die Eheleute um Traktandierung
ihres Einbürgerungsgesuchs an der Gemeindeversammlung. Der Gemeinderat
beantragte dessen Ablehnung mit der Begründung, die Deutschkenntnisse und die
soziale Integration seien ungenügend.

 Am 12. November 2013 lehnte die Gemeindeversammlung das Einbürgerungsgesuch
mit 76 Ja- zu 153 Nein-Stimmen ab.

C. 
Den gegen diesen ablehnenden Einbürgerungsentscheid erhobenen Rekurs wies das
Departement für Justiz und Sicherheit (DJS) des Kantons Thurgau am 31. März
2014 ab. Ebenso wies das Verwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde mit
Entscheid vom 3. Dezember 2014 ab.

D. 
Mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde vom 2. Februar 2015 an das Bundesgericht
beantragen A.________ und B.________ die Aufhebung des Entscheids des
Verwaltungsgerichts und die Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung an die
verfahrensbeteiligte Gemeinde, eventualiter an das Verwaltungsgericht.
Die Politische Gemeinde Uttwil, das DJS und das Verwaltungsgericht schliessen
auf Abweisung der Beschwerde.
Die Parteien halten im weiteren Schriftenwechsel an ihren Anträgen fest.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten im Sinne von Art.
82 BGG ist gemäss Art. 83 lit. b BGG gegen Entscheide über die ordentliche
Einbürgerung ausgeschlossen. Eine andere ordentliche Beschwerde fällt nicht in
Betracht. Damit ist die subsidiäre Verfassungsbeschwerde gemäss Art. 113 ff.
BGG im Grundsatz gegeben.

1.2. Mit der subsidiären Verfassungsbeschwerde kann nach Art. 116 BGG die
Verletzung von verfassungsmässigen Rechten gerügt werden. Zur Beschwerde ist
gemäss Art. 115 BGG berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren
teilgenommen (lit. a) und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung
oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (lit. b).
Die in Art. 115 lit. a BGG genannte Voraussetzung ist erfüllt. Das nach Art.
115 lit. b BGG erforderliche rechtlich geschützte Interesse kann durch
kantonales oder eidgenössisches Gesetzesrecht oder unmittelbar durch ein
spezielles Grundrecht oder bundesverfassungsrechtliche Verfahrensgarantien
begründet sein (BGE 133 I 185 E. 4 S. 191 und E. 6.2 S. 199; 129 I 217 E. 1 S.
219; je mit Hinweisen). Die Legitimation bei der Anrufung spezieller
Verfassungsrechte ergibt sich bereits aus der Grundrechtsträgerschaft und dem
Inhalt des als verletzt gerügten Verfassungsrechts (BGE 135 I 265 E. 1.3 S.
270; 132 I 167 E. 2.1 S. 168). Insoweit können die Beschwerdeführer eine
Verletzung des Diskriminierungsverbots (Art. 8 Abs. 2 BV) geltend machen. Zur
Anrufung des Anspruchs auf freie Willensbildung und unverfälschte Stimmabgabe
nach Art. 34 Abs. 2 BV sind sie jedoch mangels Grundrechtsträgerschaft (vgl. §
18 Abs. 1 der Verfassung des Kantons Thurgau vom 16. März 1987; SR 131.228)
nicht befugt, weshalb nicht darauf einzutreten ist.
Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung können sich die Beschwerdeführer als
Partei im kantonalen Verfahren auch auf die Verletzung
bundesverfassungsrechtlicher Verfahrensgarantien berufen, deren Missachtung
eine formelle Rechtsverweigerung darstellt (BGE 138 I 305 E. 1.2 S. 308; 132 I
167 E. 2.1 S. 168). Dies trifft auf die Rügen der Verletzung des Rechts auf ein
faires Verfahren (Art. 29 Abs. 1 BV) und des Anspruchs auf rechtliches Gehör
(Art. 29 Abs. 2 BV) zu. Ausserdem verschafft Art. 14 des Bundesgesetzes über
Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts (Bürgerrechtsgesetz, BüG; SR
141.0) der einbürgerungswilligen Person vor dem Hintergrund der am 1. Januar
2009 auf Gesetzesebene eingeführten Begründungspflicht (Art. 15b BüG) eine
hinreichend klar umschriebene Rechtsposition, die es zulässt, sich im Verfahren
vor Bundesgericht auf das Willkürverbot und das Rechtsgleichheitsgebot zu
berufen (zum Ganzen: BGE 138 I 305 E. 1.2-1.4 S. 308 ff. mit Hinweisen). Die
Beschwerdeführer machen eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV) und des
Gleichheitsgebots (Art. 8 Abs. 1 BV) geltend, wozu sie legitimiert sind.

1.3. Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen
Anlass. Auf die Beschwerde ist, mit Ausnahme der Rüge der Verletzung des
Anspruchs auf freie Willensbildung und unverfälschte Stimmabgabe, einzutreten.

2.

2.1. Das Verwaltungsgericht führte im angefochtenen Entscheid aus, im Kanton
Thurgau bestehe kein Rechtsanspruch auf Einbürgerung. Deshalb seien die Rügen
der mangelhaften Begründung des Einbürgerungsentscheids sowie der Verletzung
des Willkürverbots bzw. des Rechtsgleichheitsgebots unzulässig. Dagegen könnten
sich die Beschwerdeführer auf das Diskriminierungsverbot sowie auf die
kantonalen und bundesverfassungsrechtlichen Verfahrensgarantien berufen.

2.2. Die Beschwerdeführer machen geltend, das kantonale Verfahrensrecht sei in
verfassungswidriger, insbesondere willkürlicher Weise angewendet worden, da das
Verwaltungsgericht seine Kognition nicht ausgeschöpft habe. Das Bundesgericht
habe in BGE 138 I 305 E. 1.4.1 ff. festgehalten, es könne vor dem Hintergrund
der Revision des Bürgerrechtsgesetzes von einem Anspruch auf ein willkürfreies
und rechtsgleiches ordentliches Einbürgerungsverfahren ausgegangen werden. Art.
14 BüG verschaffe einer einbürgerungswilligen Person eine hinreichend klar
umschriebene Rechtsposition, die es ihr ermögliche, sich im Verfahren der
subsidiären Verfassungsbeschwerde auf das Willkürverbot und auf den Grundsatz
der Rechtsgleichheit zu berufen.
Die Beschwerdeführer machen somit geltend, die Vorinstanz hätte wenigstens auf
diejenigen Rügen eingehen müssen, welche vor Bundesgericht vorgebracht werden
könnten.

2.3. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann eine zu Unrecht vorgenommene
Kognitionsbeschränkung eine formelle Rechtsverweigerung im Sinne von Art. 29
Abs. 1 BV bzw. eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nach Art. 29 Abs. 2 BV
darstellen (BGE 131 II 271 E. 11.7.1 S. 303 f. mit Hinweisen).
Das Verwaltungsgericht hielt zu seiner Kognition fest, als zweite
Rechtsmittelinstanz beschränke sich seine Überprüfungsbefugnis gemäss § 56 des
Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (VRG/TG; RB 170.1) auf unrichtige und
unvollständige Feststellungen des Sachverhalts und auf Rechtsverletzungen. Nach
Abs. 2 dieser Bestimmung gilt unter anderem die unrichtige Anwendung oder die
Nichtanwendung eines Rechtssatzes als Rechtsverletzung. Weshalb davon die Rügen
der Verletzung der Begründungspflicht, des Willkürverbots und der
Rechtsgleichheit ausgenommen sein sollen, ist nicht ersichtlich. Die Kognition
des Verwaltungsgerichts erstreckt sich vielmehr auf jegliche Verletzungen einer
Rechtsnorm, mithin auch auf Bestimmungen des Bundesrechts, einschliesslich der
Bundesverfassung mit ihren verfassungsmässigen Rechten.
Zum selben Ergebnis führt Art. 50 BüG, welcher die Kantone verpflichtet,
Gerichtsbehörden einzusetzen, die als letzte kantonale Instanzen Beschwerden
gegen ablehnende Entscheide über die ordentliche Einbürgerung beurteilen. Diese
Gerichtsbehörden haben gestützt auf die Rechtsweggarantie nach Art. 29a BV eine
freie Überprüfung des Sachverhalts sowie der Anwendung des kantonalen und
Bundesrechts vorzunehmen; eine Kontrolle der Angemessenheit wird dagegen nicht
verlangt. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung verpflichtet die
Rechtsweggarantie die Vorinstanz zu einer umfassenden Rechts- und
Sachverhaltsprüfung, was aber nicht ausschliesst, den Gestaltungsbereich der
unteren Instanzen und insbesondere der Gemeinden zu wahren (BGE 137 I 235 E.
2.5 S. 239 f. mit Hinweisen).
Hinzu kommt, dass die unmittelbare Vorinstanz des Bundesgerichts gemäss Art.
111 Abs. 3 BGG mindestens die Rügen nach den Art. 95-98 BGG prüfen können muss.
Diese Bestimmung verankert unter der Marginalie "Einheit des Verfahrens" den
Grundsatz, wonach die Kognition des oberen kantonalen Gerichts nicht enger sein
darf als jene des Bundesgerichts. Daraus ergibt sich, dass sich die kantonalen
Behörden mindestens mit denjenigen Rügen auseinandersetzen müssen, welche vor
Bundesgericht geltend gemacht werden können (vgl. BGE 141 II 50 E. 2.2 S. 53
mit Hinweis). Dies gilt sinngemäss auch für das Verfahren der
Verfassungsbeschwerde (Art. 117 BGG) : Die Vorinstanz des Bundesgerichtes muss
befugt sein, die Rüge der Verletzung von verfassungsmässigen Rechten zu prüfen.

2.4. Eine Kognitionsbeschränkung im Sinne eines Ausschlusses der Rügen der
Verletzung der Begründungspflicht, des Willkürverbots und der Rechtsgleichheit
ist somit vor dem Hintergrund der Rechtsweggarantie, dem kantonalen
Verfahrensrecht und dem Grundsatz der Einheit des Verfahrens unzulässig. Der
Anspruch auf Begründung bei Verweigerung der Einbürgerung (vgl. BGE 134 I 56 E.
2 S. 58; 131 I 18 E. 3 S. 20;129 I 217 E. 3.3 S. 230) hat der Gesetzgeber mit
der Revision des BüG ausdrücklich ins Bundesgesetzesrecht aufgenommen (Art. 15b
BüG; AS 2008 5911).

2.5. Das Verwaltungsgericht hat auch tatsächlich nicht alle Rügen der
Beschwerdeführer beurteilt. Insbesondere blieb die Rüge der Verletzung des
Rechtsgleichheitsgebot nach Art. 8 Abs. 1 BV ungeprüft. Das Verwaltungsgericht
befand, die Argumentation der Beschwerdeführer, wonach eine Ungleichbehandlung
gegenüber anderen Gesuchstellern vorliege, stelle ein unzulässiges Novum im
Sinne von § 58 VRG/TG dar.

2.6. Eine Unterschreitung der Kognition ist darüber hinaus auch im Bereich der
von der Vorinstanz als zulässig erachteten Vorbringen zu erkennen. Hinsichtlich
der Rüge der Verletzung des Diskriminierungsverbots prüfte das
Verwaltungsgericht zwar, ob es diskriminierend sei, den Stimmberechtigten
bekannt zu geben, dass die Beschwerdeführer kosovarischer Herkunft seien und
der Ehemann eine Invalidenrente beziehe. Es ging jedoch nicht auf den Einwand
ein, die Beschwerdeführer seien aufgrund dieser Merkmale durch die
Gemeindeversammlung diskriminiert worden. Ebenso ungeprüft blieb das
Vorbringen, die zu hohen Anforderungen an die sprachliche Integration würden zu
einer unzulässigen Diskriminierung der Beschwerdeführer aufgrund ihres
Bildungsstandes führen, dies insbesondere auch unter Berücksichtigung des
Gesundheitszustands des Beschwerdeführers.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht setzte sich das Verwaltungsgericht nur
ansatzweise mit dem Ablauf des Abklärungsgesprächs und der seitens des
Gemeinderats gestellten Fragen auseinander. Auf die Rüge der Verletzung des
Anspruchs auf rechtliches Gehör ist es insoweit nicht eingegangen, als die
Beschwerdeführer geltend gemacht hatten, die eingebrachten Beweise und
Bestätigungen von Referenzpersonen seien von der Vorinstanz nicht
berücksichtigt worden.

2.7. Die Vorinstanz hat es demnach unterlassen, eine umfassende Rechts- und
Sachverhaltsprüfung vorzunehmen. Sie hat damit gegen das Verbot der formellen
Rechtsverweigerung im Sinne von Art. 29 Abs. 1 BV und gegen den Anspruch auf
rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV verstossen. Dabei handelt es sich um
einen schwerwiegenden Verfahrensmangel. Aufgrund der formellen Natur der
festgestellten Verletzungen ist der angefochtene Entscheid unabhängig von deren
Einfluss auf den Verfahrensausgang aufzuheben (Urteil 1D_2/2014 vom 11. März
2015 E. 5.4, zur Publikation vorgesehen; BGE 140 I 99 E. 3.8 S. 106). Die Sache
ist demnach zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen.

3. Im Hinblick auf die umfassende (Neu-) Beurteilung aller Rügen durch das
Verwaltungsgericht sind folgende Bemerkungen anzufügen:

3.1. Während der Gemeinderat den ablehnenden Antrag an die Gemeindeversammlung
noch mit der ungenügenden sprachlichen und sozialen Integration der
Beschwerdeführer begründete, erachtete die Vorinstanz die Nichteinbürgerung
schon deshalb als rechtmässig, weil die IV-Stelle des Kantons Thurgau mit
Verfügung vom 5. November 2013 (also ein halbes Jahr nach dem zweiten
Abklärungsgespräch, aber eine Woche vor der Gemeindeversammlung) die
Einstellung der Invalidenrente per Ende Dezember 2013 angeordnet habe. Die
Existenzgrundlage der Beschwerdeführer sei daher bedroht gewesen, und diese
hätten in diesem Zusammenhang ihre Mitwirkungspflicht verletzt.
Die Vorinstanz hielt allerdings auch fest, dass Gesuchsteller im Zeitpunkt des
Einbürgerungsentscheids über eine ausreichende Existenzgrundlage im Sinne von §
6 Abs. 2 Ziff. 4 KBüG verfügen müssten. Der Einstellungsverfügung vom 5.
November 2013 ist dabei zu entnehmen, dass die Invalidenrente per Ende 2013
aufgehoben werden sollte und alle seit Erlass der Zwischenverfügung vom 28. Mai
2013 über die vorsorgliche Einstellung aufgelaufenen Renten nachgezahlt werden
mussten. Die Beschwerdeführer verfügten demnach sowohl anlässlich des
Abklärungsgesprächs als auch im Zeitpunkt des Einbürgerungsentscheids am 12.
November 2013 über die Leistungen aus der Invalidenrente. Zwar dürfte es
angemessen sein, auch absehbare Entwicklungen in den Einkommensverhältnissen zu
berücksichtigen. Dabei wäre aber auch abzuklären, ob die Beschwerdeführer
losgelöst von der Rente - beispielsweise durch die Aufnahme einer
Erwerbstätigkeit - über eine ausreichende wirtschaftliche Existenzgrundlage
verfügen. Die Vorinstanz wird dies im Rahmen der Rückweisung zu prüfen haben.

3.2. Bei der Handhabung des Sprachkriteriums stellt sich die Frage nach dem
erforderlichen Niveau. Das kantonale Departement für Justiz und Sicherheit hat
sich dabei von der Überlegung leiten lassen, die Kenntnis der deutschen Sprache
müsse es der einbürgerungswilligen Person ermöglichen, die mit der
Staatsbürgerschaft verliehenen politischen Rechte wahrzunehmen (vgl.
Rekursentscheid des DJS vom 31. März 2014 E. 4c; BGE 137 I 235 E. 3.1 S. 241
f.). Dieser Ansatz dürfte sinnvoll sein, erlaubt aber kaum allzu hohe
Anforderungen an die (aktive) schriftliche Ausdrucksfähigkeit, weshalb es nicht
unproblematisch erscheint, im Rahmen des Einbürgerungsverfahrens das Verfassen
von Aufsätzen zu verlangen, namentlich wenn diese - wie im vorliegenden
Verfahren - Themen von einer gewissen Komplexität beschlagen. Wird die
praktische Möglichkeit, von den Aktivbürgerrechten Gebrauch zu machen, als
massgebliches Leitkriterium betrachtet, dürfte demgegenüber das Lese- (mit
Bezug auf schriftliche Unterlagen) bzw. Hörverständnis (um politische
Diskussionen zu verfolgen) von grösserer Bedeutung sein. Darüber hinaus ist für
die gesellschaftliche Integration im Allgemeinen die mündliche
Ausdrucksfähigkeit von vorrangiger Bedeutung.
Das Bundesgericht hat im Urteil BGE 137 I 235 E. 3.4.3 S. 244 f. den von der
Gemeinde Uttwil im vorliegenden Verfahren für den Nachweis der sprachlichen
Kommunikationsfähigkeit im Hinblick auf die Einbürgerung hinzugezogenen
Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen (GER) als gut geeignet bezeichnet; die
Orientierung an diesem Rahmenkonzept ist aus rechtsstaatlicher Sicht sinnvoll,
weil damit ein objektivierbarer Massstab geschaffen wird, welcher eine
willkürfreie und rechtsgleiche Beurteilung der Sprachkenntnisse ermöglicht. Der
Autonomie der Gemeinde kann dabei insofern Rechnung getragen werden, als dass
es ihr weiterhin überlassen sein sollte, im Rahmen der festgelegten Kriterien
zu entscheiden, ob die Sprachkenntnisse im konkreten Einzelfall für eine
Einbürgerung ausreichen. Ebenso kann sie das Verfahren für Personen, welche die
sprachlichen Anforderungen aus bestimmten Gründen nicht erfüllen (z.B. wegen
einer geistigen Behinderung oder hohen Alters), individuell bestimmen (vgl. BGE
137 I 235 E. 3.4.3 S. 244 f.).
Die Frage nach dem erforderlichen Sprachniveau ist nicht nur im Zusammenhang
mit der Rüge der Beschwerdeführer, wonach ihre Sprachkenntnisse genügend seien,
sondern auch hinsichtlich der geltend gemachten Verletzung des
Diskriminierungsverbots von Bedeutung. Das Verwaltungsgericht hat sich daher im
Rückweisungsverfahren unter Berücksichtigung dieser Ausführungen damit
auseinander zu setzen.

4. 
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten gutzuheissen, soweit darauf eingetreten
werden kann. Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben und die Sache im Sinne
der Erwägungen zur umfassenden Neubeurteilung und zur Vornahme der
erforderlichen Sachverhaltsabklärungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Bei diesem Verfahrensausgang hätte die Beschwerdegegnerin grundsätzlich als
unterliegende Partei die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen
(Art. 66 Abs. 1 BGG) und den anwaltlich vertretenen Beschwerdeführern eine
Parteientschädigung zu entrichten (Art. 68 Abs. 2 BGG). Vorliegend hat indes
das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau gegen das Verbot der formellen
Rechtsverweigerung und den Anspruch auf rechtliches Gehör verstossen. Es ist
deshalb gerechtfertigt, den Kanton Thurgau zu verpflichten, den
Beschwerdeführern für das bundesgerichtliche Verfahren eine angemessene
Entschädigung auszurichten. Von der Erhebung von Gerichtskosten ist abzusehen
(Art. 66 Abs. 3 und 4 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, und der
Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 3. Dezember 2014 wird
aufgehoben. Die Sache wird zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an die
Vorinstanz zurückgewiesen.

2. 
Es werden keine Kosten erhoben.

3. 
Der Kanton Thurgau hat die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Politischen Gemeinde Uttwil, dem
Departement für Justiz und Sicherheit und dem Verwaltungsgericht des Kantons
Thurgau schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. Juli 2015

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Die Gerichtsschreiberin: Pedretti

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