Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.665/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 1/2}
                   
1C_665/2015

Urteil vom 5. Oktober 2016

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Karlen, Eusebio, Chaix,
Gerichtsschreiber Misic.

Verfahrensbeteiligte
1. Irene Herzog-Feusi,
2. Albert Steinegger,
3. Theres Steinegger-Horat,
4. Daniel Rothlin,
5. Ursula Rothlin-Sidler,
Beschwerdeführer,
alle vertreten durch Rechtsanwalt Markus Joos,

gegen

Kantonsrat des Kantons Schwyz,
p.A. Sekretariat des Kantonsrates,
Postfach 1291, 6431 Schwyz.

Gegenstand
Ungültigerklärung der kantonalen Volksinitiative NEIN zum Lehrplan 21,

Beschwerde gegen den Beschluss
Ungültigerklärung der Volksinitiative NEIN zum Lehrplan des Kantonsrats des
Kantons Schwyz vom 18. November 2015.

Sachverhalt:

A. 
Am 16. Dezember 2014 reichte das Initiativkomitee "Lehrplan 21 Nein" bei der
Staatskanzlei des Kantons Schwyz die Volksinitiative "Nein zum Lehrplan 21"
ein. Der Initiativtext lautet wie folgt (Hervorhebungen im Original) :

"Die Initiative verlangt die ersatzlose Streichung des bestehenden Artikels 9
(Schulversuche) und die Ergänzung von Artikel 27, Abs. 1 und 2 im
Schwyzerischen Volksschulgesetz (...) mit folgendem Text:
§ 27 Abs. 1 (Ergänzung fett)
Unterrichtsbetrieb
Der Erziehungsrat erlässt weitere Bestimmungen zum Unterrichtsbetrieb (Lehrplan
für die Fächer  (hier Aufzählung des traditionellen, bewährten Fächerkanons)
 mit Jahrgangszielen, Lehrmittel, Lektionentafel, Beurteilung, jährliche und
wöchentliche Unterrichtsziele, Ferien, Dispenswesen, usw.)
§ 27 Abs. 2 (neu)
In grundlegenden Schulfragen entscheidet das Volk. Interkantonale
Vereinbarungen zu den Lehrplänen müssen vom Kantonsrat genehmigt werden und
unterliegen dem fakultativen Referendum. Lehrplanänderungen von grundlegender
struktureller Bedeutung unterliegen dem obligatorischen Referendum."

B.
Am 20. Januar 2015 stellte der Regierungsrat des Kantons Schwyz das formelle
Zustandekommen der Initiative mit mehr als 2'000 bescheinigten Unterschriften
fest (Beschluss Nr. 47). Am 16. Juni 2015 beantragte der Regierungsrat dem
Kantonsrat des Kantons Schwyz, die Initiative für ungültig zu erklären
(Beschluss Nr. 567/2015). Dieser Auffassung schloss sich die Rechts- und
Justizkommission des Kantonsrats an (Bericht und Antrag vom 27. Oktober 2015).
Dazu konnten sich die Initianten äussern (Stellungnahme vom 5. Oktober 2015).
Am 18. November 2015 erklärte der Kantonsrat des Kantons Schwyz die
Volksinitiative "Nein zum Lehrplan 21" für ungültig.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen die
Beschwerdeführer die Aufhebung des kantonsrätlichen Beschlusses vom 18.
November 2015 (Ziff. 1). Die Volksinitiative sei insoweit als teilgültig zu
erklären, als die damit beantragte Streichung von § 9 des Volksschulgesetzes
vom 19. Oktober 2005 (VSG; SRSZ 611.210) den Stimmberechtigten des Kantons
Schwyz vorzulegen sei (Ziff. 2). Eventualiter sei die Initiative insoweit für
teilgültig zu erklären, als die Ergänzung von § 27 Abs. 1 VSG den
Stimmberechtigten zur Abstimmung vorzulegen sei (Ziff. 3) oder die Streitsache
sei zur neuen Entscheidung an den Kantonsrat zurückzuweisen (Ziff. 4).

D. 
Der Kantonsrat stellt den Antrag auf Abweisung der Beschwerde. In weiteren
Eingaben halten die Beschwerdeführer und der Kantonsrat an ihren Rechtsbegehren
fest.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde gegen den angefochtenen Entscheid des Kantonsrats betreffend die
Ungültigkeit der Initiative ist gestützt auf Art. 82 lit. c BGG zulässig. Eine
gerichtliche Vorinstanz ist nicht erforderlich, da ein Akt des Kantonsrats
(Parlament) angefochten ist (Art. 88 Abs. 2 Satz 2 BGG). Die Beschwerdeführer
sind im Kanton Schwyz stimmberechtigt und somit zur Beschwerde legitimiert
(Art. 89 Abs. 3 BGG). Auf die Beschwerde ist grundsätzlich einzutreten.

2.

2.1. Der Bundesbeschluss vom 16. Dezember 2005 über die Neuordnung der
Verfassungsbestimmungen zur Bildung (AS 2006 3033) wurde am 21. Mai 2006 vom
Volk mit 85,6% Ja-Stimmen und allen Ständen angenommen (BBl 2005 6725). Zur
Verwirklichung des "Bildungsraums Schweiz" sieht die sog. Bildungsverfassung
(Art. 61a-68 BV) unter anderem vor, dass Bund und Kantone ihre Anstrengungen
koordinieren und ihre Zusammenarbeit durch gemeinsame Organe und andere
Vorkehren sicherstellen (Art. 61a Abs. 2 BV; PETER HÄNNI, in: Basler Kommentar
BV, 2015, N. 25 f. zu Art. 61a BV mit Hinweisen). Die in der Praxis auf dem
interkantonalen Koordinationsweg angestrebte Harmonisierung des Schulwesens ist
sachlich begrenzt und betrifft unter anderem auch die "Ziele der
Bildungsstufen" (Art. 62 Abs. 2 BV). Diesbezüglich sieht Art. 8 Abs. 1 und 2
der Interkantonalen Vereinbarung über die Harmonisierung der obligatorischen
Schule vom 14. Juni 2007 (HarmoS-Konkordat; in Kraft seit dem 1. August 2009),
der bisher 15 Kantone beigetreten sind (darunter zehn deutsch- und
mehrsprachige Kantone), vor, dass die Lehrpläne auf sprachregionaler Ebene
erfolgen und aufeinander abgestimmt werden sollen.

2.2. Nach mehrjährigen Vorbereitungsarbeiten hat die Plenarversammlung der
Konferenz der Erziehungsdirektoren der 21 deutsch- und mehrsprachigen Kantone
(D-EDK) am 31. Oktober 2014 die endgültige Fassung des gemeinsamen
sprachregionalen Lehrplans ("Lehrplan 21") für die Einführung in den Kantonen
freigegeben. Daran sind nicht nur die Kantone beteiligt, die dem
HarmoS-Konkordat beigetreten sind, sondern auch die elf Kantone, die einen
Beitritt abgelehnt haben (darunter der Kanton Schwyz), sich aber faktisch am
HarmoS-Standard ausrichten und somit die von Art. 62 Abs. 4 BV geforderte
Harmonisierung erfüllen (vgl. die zu diesem Zweck abgeschlossene
Verwaltungsvereinbarung über die Durchführung des Erarbeitungsprojekts für
einen sprachregionalen Lehrplan [Projektvereinbarung Lehrplan 21] vom 18. März
2010; BERNHARD EHRENZELLER, in: St. Galler Kommentar BV, 3. Aufl. 2014, Rz. 58
zu Art. 62 BV; GIOVANNI BIAGGINI, Schulkoordination in der Schweiz: Der
steinige Weg des "Konkordats-Föderalismus", in: Jahrbuch des Föderalismus 2009,
Europäisches Zentrum für Föderalismus-Forschung Tübingen [Hrsg.], 2009, Rz.
44). Der Lehrplan 21 ist für die Kantone nicht unmittelbar verbindlich und muss
entsprechend der jeweiligen einschlägigen kantonalen Rechtsgrundlagen umgesetzt
werden (vgl. ANDREAS GLASER/CORINA FUHRER, Der Lehrplan 21: Interkantonales
soft law mit Demokratiedefizit, in: ZSR 2015 I 513 ff., S. 518 ["ein überaus
detailliertes «Modellgesetz» für die Rechtsetzung durch die Kantone"]).

2.3. Gestützt auf national geltende Bildungsstandards und durch die Festlegung
struktureller Eckwerte soll der Lehrplan 21 eine Harmonisierung der Volksschule
in der Deutschschweiz herbeiführen und die bildungspolitischen Vorgaben der
Bundesverfassung umsetzen. Er stellt ein Planungsinstrument für Lehrpersonen,
Schulen und Bildungsbehörden dar, legt die Ziele für den Unterricht aller
Stufen der Volksschule fest und soll namentlich Eltern, Schülerinnen und
Schüler über die in der Volksschule zu erreichenden Kompetenzen orientieren.
Die elf Schuljahre werden in drei Zyklen unterteilt, die jeweils bis zum Ende
der 2., 6. und 9. Klasse dauern. Der Lehrplan 21 wurde für sechs Pflicht- und
Wahlpflichtbereiche entwickelt: 1) Sprachen, 2) Mathematik, 3) Natur, Mensch,
Gesellschaft, 4) Gestalten, 5) Musik sowie 6) Bewegung und Sport. Ebenfalls
vorgesehen sind die überfachlichen Themenbereiche "Medien und Informatik" und
"Berufliche Orientierung". Nicht erfasst sind hingegen zusätzliche kantonale
Bildungsangebote oder Freifächer (vgl. zum Ganzen D-EDK [Hrsg.], Lehrplan 21 -
Überblick, 2016, S. 3-5).

2.4. Die hier zu beurteilende Gesetzesinitiative i.S.v. § 28 Bst. c der
Verfassung des Kantons Schwyz vom 24. November 2010 (KV/SZ; SRSZ 131.215) reiht
sich in eine Vielzahl von kantonalen Volksbegehren ein, die gegen den Lehrplan
21 lanciert wurden (z.B. Bern, Graubünden, Luzern, Solothurn) oder bereits
formell zustande gekommen sind (Aargau, Schaffhausen, Thurgau und Zürich). Auch
liegen bereits erste Volksentscheide vor. Im Kanton Appenzell Innerrhoden
verwarf die Landsgemeinde am 24. April 2016 die Initiative "Für eine starke
Volksschule". Im Kanton Basel-Landschaft lehnten am 5. Juni 2016 die
Stimmbürgerinnen und Stimmbürger eine gegen den Lehrplan 21 gerichtete
Initiative ab, wonach zukünftig das Kantonsparlament den Lehrplan hätte
genehmigen müssen (38'673 Nein-Stimmen gegen 34'682 Ja-Stimmen, vgl. ABl/BL Nr.
24 vom 16. Juni 2016, S. 16 ff.). Am 26. September 2016 verwarf das St. Galler
Stimmvolk die Initiative "Ja zum Ausstieg aus dem HarmoS-Konkordat", die sich
indirekt auch gegen den Lehrplan 21 richtete, mit 69.9% Nein-Stimmen (ABl/SG
Nr. 40 vom 3. Oktober 2016, S. 2842).

3.

3.1. Aus der Begründung auf der Vorderseite des Unterschriftenbogens (zwischen
dem Initiativtext und der Unterschriftenrubrik) geht hervor, dass die
Initianten eine öffentliche, demokratische Diskussion fordern und sich dagegen
wehren, dass der Lehrplan 21 "über ihre Köpfe hinweg" realisiert werden soll.
Die Initiative verlangt mehr Mitsprache sowie Kompetenzen in wichtigen
Schulfragen zugunsten des Kantonsrats und des Volkes (vgl. auch die
entsprechenden Ausführungen in der achtseitigen Broschüre des
Initiativkomitees). Nach Auffassung der Initianten zerstöre der Lehrplan 21
"die sprichwörtlich gute Schweizer Volksschule", weshalb die Einführung des
Lehrplans 21 zu verhindern sei. Um dies zu erreichen, soll im Volksschulgesetz
ein obligatorisches und ein fakultatives Referendum eingeführt werden (vgl. §
27 Abs. 2 VSG). Wie der Kantonsrat hervorhebt (Stellungnahme vom 17. Februar
2016, S. 4), handelt es sich dabei um den eigentlichen Kern resp. das zentrale
Anliegen der Initiative, um den Lehrplan 21 zu verhindern.

3.2. Da die Kantonsverfassung das Referendumsrecht ausschliesslich und
abschliessend regelt (§§ 34 und 35 KV/SZ), verstösst jedoch § 27 Abs. 2 VSG,
der die Einführung eines Sonderreferendums im Volksschulgesetz vorgesehen
hätte, gegen übergeordnetes Recht (§ 30 Abs. 3 Bst. b KV/SZ; GLASER/FUHRER,
a.a.O., S. 529) und ist ungültig. Dies ist unter den Parteien auch
unbestritten. Dagegen sind die Beschwerdeführer der Auffassung, dass der
Kantonsrat die Initiative in Bezug auf die Abschaffung der Schulversuche
(Aufhebung von § 9 VSG) bzw. die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die
traditionellen und bewährten Schulfächer (Änderung von § 27 Abs. 1 VSG) für
teilgültig hätte erklären müssen.

3.3. Die Beschwerdeführer bringen zunächst in formeller Hinsicht vor, die Frage
der Teilgültigkeit sei von den Behörden nicht vertieft genug geprüft worden.
Diese Rüge ist jedoch unbegründet. Den Akten lässt sich ohne Weiteres
entnehmen, dass sich sowohl der Regierungsrat als auch der Kantonsrat
hinlänglich mit der Möglichkeit einer Teilgültigerklärung der Initiative
auseinandergesetzt haben (vgl. Kantonsratsprotokoll vom 18. November 2015, S.
934 f.; Bericht und Antrag der Rechts- und Justizkommission vom 27. Oktober
2015, Ziff. 2.7; Auszug aus dem Protokoll der Sitzung der Rechts- und
Justizkommission vom 10. September 2015; RRB Nr. 567 vom 16. Juni 2015 Ziff.
4.3). Die Beschwerde ist in diesem Punkt als unbegründet abzuweisen.

3.4.

3.4.1. Mit einer allgemeinen Anregung wird der gesetzgebenden Behörde der
Auftrag erteilt, eine Vorlage auszuarbeiten, welche das Anliegen der Initiative
umsetzt. Dagegen enthält der ausgearbeitete Entwurf bereits einen fertig
redigierten und behördlich unantastbaren Text (PIERRE TSCHANNEN, Die Formen der
Volksinitiative und die Einheit der Form, ZBl 103/2002 S. 8 ff.; ANDREAS AUER,
Staatsrecht der schweizerischen Kantone, 2016, Rz. 1050 ff.; HANGARTNER/KLEY,
Die demokratischen Rechte in Bund und Kantonen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft, 2000, Rz. 2051 ff.). Unter den Parteien ist unbestritten,
dass die verbliebenen Teile der Volksinitiative als ausgearbeiteter Entwurf (in
Bezug auf die Abschaffung von § 9 VSG) und als allgemeine Anregung (betreffend
die Änderung von § 27 Abs. 1 VSG) zu qualifizieren sind.

3.4.2. Gemäss § 30 Abs. 3 Bst. a KV/SZ muss eine Initiative unter anderem auch
die Einheit der Form wahren. Die Kantonsverfassung schreibt vor, dass eine
Initiative als allgemeine Anregung oder als ausgearbeiteter Entwurf eingereicht
werden kann (§ 29 Abs. 1 KV/SZ; PAUL RICHLI, Zur Schwyzer Kantonsverfassung -
Mehr als eine Kopie oder ein Verschnitt, ZBl 113/2012 S. 391 ff, 402). Dagegen
sind Mischformen unzulässig (vgl. Bericht und Vorlage der Verfassungskommission
an den Kantonsrat zur Schwyzer Kantonsverfassung vom 17. Dezember 2009, S. 60;
vgl. auch bereits, in Bezug auf die Verfassung des eidgenössischen Standes
Schwyz vom 23. Oktober 1898, PETER GANDER, Die Volksinitiative im Kanton
Schwyz, ZBl 91/1990 S. 383). Damit folgt das Schwyzer Verfassungsrecht
weiterhin einer auch in anderen Kantonen verbreiteten Regelung, die eine
Verbindung von ausgearbeiteten Entwürfen und allgemeinen Anregungen
ausschliesst (vgl., in Bezug auf den Kanton Appenzell Ausserrhoden, Urteil des
Bundesgerichts 1P.260/1989 vom 12. Dezember 1989 E. 5b, in: ZBl 92/1991 S. 164
ff.; GEROLD STEINMANN, in: St. Galler Kommentar BV, 3. Aufl. 2014, N. 13 zu
Art. 34 BV; vgl. auch die Nachweise bei AUER, a.a.O., Rz. 1069). Die ebenfalls
denkbare Rechtsfolge, bei einer Vermischung der Formen das Begehren als Ganzes
als allgemeine Anregung entgegenzunehmen (vgl. z.B. Art. 25 Abs. 3 der
Verfassung des Kantons Zürich vom 27. Februar 2005 [LS 101]; AUER, a.a.O., Rz.
1069; EHRENZELLER/NOBS, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der totalrevidierten
Kantonsverfassungen, ZBl 110/2009 S. 17 f.), sieht die Schwyzer
Kantonsverfassung nicht vor (vgl. Stellungnahme des Kantonsrats vom 2. Mai
2016, S. 2). Wird deshalb, wie vorliegend, in einer Initiative ein
ausgearbeiteter Entwurf mit einer allgemeinen Anregung verknüpft, liegt gemäss
Schwyzer Kantonsverfassung eine Verletzung der Einheit der Form vor, welche die
Ungültigerklärung der gesamten Initiative zur Folge hat. Dies geschieht in der
Praxis ausserordentlich selten (so auch AUER, a.a.O., Rz. 1068). Eine
Teilgültigerklärung bei einer Vermischung der Formen fällt ausser Betracht,
zumal nicht klar wäre, welcher Teil der Initiative als gültig zu erklären wäre
(und welcher nicht). Für den Stimmbürger, der die Initiative annehmen möchte,
bliebe ungewiss, was nach Annahme des formulierten Teils mit dem anderen Teil
geschieht und was somit aus dem Ganzen wird (BGE 114 Ia 413 E. 3c S. 416).

3.5.

3.5.1. Mit Blick auf die Wahrung der Einheit der Form räumen die
Beschwerdeführer selber ein, es sei "nachvollziehbar", dass die Initiative
"rechtlich problematisch" sei (Beschwerde, S. 9). Sie bringen jedoch vor, die
Initiative sei aus Gründen der Verhältnismässigkeit für teilgültig zu erklären.
Wie nachfolgend zu zeigen ist, fiele eine Teilgültigkeit auch ausser Betracht,
selbst wenn kein Verstoss gegen die Einheit der Form vorliegen würde.

3.5.2. Die Verfassung des Kantons Schwyz sieht die teilweise Ungültigerklärung
von Initiativen nicht ausdrücklich vor (vgl. DANIEL MOECKLI, Die
Teilgültigerklärung und Aufspaltung von Volksinitiativen, ZBl 115/2014 S. 579
ff., S. 585). Nach der Rechtsprechung gebietet der Grundsatz der
Verhältnismässigkeit aber auch ohne besondere gesetzliche Grundlage, eine
Initiative nicht als Ganzes für ungültig zu erklären, wenn nur ein Teil davon
rechtswidrig ist und vernünftigerweise anzunehmen ist, die Unterzeichner der
Initiative hätten den gültigen Teil auch unterzeichnet, wenn er ihnen allein
unterbreitet worden wäre. Dies ist dann der Fall, wenn der verbleibende Teil
der Initiative nicht von untergeordneter Bedeutung ist, sondern noch ein
sinnvolles Ganzes im Sinne der ursprünglichen Stossrichtung ergibt, sodass die
Initiative nicht ihres wesentlichen Gehaltes beraubt wird (BGE 139 I 292 E.
7.2.3 S. 298 f. mit Hinweisen; STEINMANN, a.a.O., N. 14 zu Art. 34 BV; PIERRE
TSCHANNEN, in: Basler Kommentar BV, 2015, N. 26 zu Art. 34 BV; MOECKLI, a.a.O.,
S. 586 f.; je mit weiteren Nachweisen).

3.5.3. Im Hauptantrag verlangen die Beschwerdeführer, dass die Initiative
zumindest insoweit gültig zu erklären sei, als sie die ersatzlose Streichung
von § 9 VSG vorsieht. Diese Bestimmung sieht vor, dass Schulträger im Interesse
der Weiterentwicklung der Volksschulbildung Schulversuche durchführen können.
Diese bedürfen der Bewilligung des Erziehungsrates (Abs. 1). Schulversuche, die
Strukturänderungen beinhalten oder Mehrkosten verursachen, bedürfen auf Antrag
des Erziehungsrats der Bewilligung des Regierungsrates (Abs. 2). Die
Bewilligungsbehörde kann für die Durchführung von Schulversuchen
Sonderbestimmungen erlassen (Abs. 3). Schulversuche werden befristet, fachlich
begleitet und ausgewertet (Abs. 4).
Bei den Schulversuchen nach § 9 VSG handelt es sich um ein Instrument, das im
Kanton Schwyz bereits seit 25 Jahren besteht und in der Vergangenheit lediglich
sieben Mal bewilligt wurde (z.B. Tastaturschreiben auf Primarschulebene; vgl.
Stellungnahmen des Kantonsrats vom 17. Februar 2016, S. 5; allgemein zu den
Schulversuchen: HERBERT PLOTKE, Schweizerisches Schulrecht, 2. Aufl. 2003, S.
267 ff. mit Nachweisen). Ungeachtet der zahlreichen Vorbringen der
Beschwerdeführer entsteht daher nicht der Eindruck, § 9 VSG habe zu
"unaufhörlich inszenierten" oder "permanenten" Schulversuchen geführt (vgl.
Begründung Unterschriftenbogen bzw. Broschüre, S. 7). Deshalb kann die
Abschaffung von § 9 VSG nicht als ein zentrales Anliegen oder gar als einer von
drei gleichwertigen Pfeilern der Initiative (Stellungnahme Beschwerdeführer vom
12. April 2016, S. 6) bezeichnet werden. Auch von einer Gleichrangigkeit mit
der ursprünglichen Stossrichtung - der Verhinderung des Lehrplans 21 - kann
keine Rede sein. Mit dem Lehrplan 21 wollten die 21 deutsch- und mehrsprachigen
Kantone die Harmonisierung des Schulwesens hinsichtlich der Ziele der einzelnen
Bildungsstufen (Art. 62 Abs. 2 BV) angehen. Mit dieser Thematik beschäftigt
sich § 9 VSG jedoch nicht, wie der Kantonsrat zutreffend hervorhebt. Würden die
Teile der Initiative betreffend Abschaffung der Schulversuche nach § 9 VSG
gültig erklärt, käme es zu einer Volksabstimmung über einen Teil der
Initiative, der - mit Blick auf die Zielsetzung des Begehrens ("Nein zum
Lehrplan 21") - nicht zentral ist. Damit erscheint das Anliegen der Initianten,
die gesetzliche Grundlage für Schulversuche gemäss § 9 VSG abzuschaffen, von
untergeordneter Bedeutung, zumal es in keinem direkten Zusammenhang zum
Lehrplan 21 steht und deshalb auch nicht geeignet ist, dessen Einführung zu
verhindern. Daran vermag auch die Behauptung der Beschwerdeführer nichts zu
ändern, wonach der Lehrplan 21 an und für sich ein "gigantischer Schulversuch"
darstelle (Stellungnahme vom 12. April 2016, S. 7).

3.5.4. Eventualiter verlangen die Initianten in Ziff. 3 ihres Rechtsbegehrens,
die Initiative hinsichtlich der Ergänzung von § 27 Abs. 1 VSG ("Aufzählung des
traditionellen, bewährten Fächerkanons" mit Jahrgangszielen) für teilgültig zu
erklären und den Stimmberechtigten des Kantons Schwyz zur Abstimmung
vorzulegen. Wie die Beschwerdeführer in ihrer Stellungnahme vom 12. April 2016
betonen, müsse das Volk über die Erhaltung des Klassenunterrichts in
Jahrgangsklassen direktdemokratisch entscheiden können. Dabei handle es sich
nicht um einen untergeordneten Teil der Initiative. Dagegen wendet der
Kantonsrat im Wesentlichen ein, über die Revision von § 27 VSG könne nur als
Ganzes befunden werden. Dass § 27 Abs. 2 VSG ungültig sei, werde von den
Beschwerdeführern nicht bestritten. Mit dem Wegfall des geplanten
Sonderreferendums im Volksschulgesetz ergebe das gestellte Begehren in § 27
Abs. 1 VSG keinen Sinn mehr. Wenn nicht festgelegt werde, wer über die
Gegenstände gemäss Abs. 2 zu befinden habe, könne der Erlass weiterer
Bestimmungen nicht dem Erziehungsrat überlassen werden. Damit sei das Begehren
betreffend die Änderung von § 27 VSG integral ungültig (vgl. Stellungnahme vom
2. Mai 2016, S. 3).
Die Initianten haben darauf verzichtet, das Begehren auszuformulieren und offen
gelassen, welche Unterrichtsfächer in den traditionell bewährten Fächerkanon
aufgenommen werden müssen (in der Begründung auf dem Unterschriftenbogen werden
lediglich die Fächer Mathematik und Deutsch erwähnt). Wie der Kantonsrat
zutreffend ausführt, ist somit alles andere als ersichtlich, welche
Unterrichtsfächer in das Gesetz übernommen werden müssen. Es erübrigt sich, an
dieser Stelle die Frage zu behandeln, ob Unterrichtsfächer in den Schulgesetzen
einzeln aufzuzählen sind (dagegen, mit Hinweis auf die Praxis, PLOTKE, a.a.O.,
S. 60 [die blosse Aufzählung gäbe nur "sehr beschränkt Auskunft" über Lernziele
und Inhalt des Unterrichts]; dafür WERNER A. RECHSTEINER, Die Volksschule im
Bundesstaat, 1978, S. 718 [gesetzliche Festlegung der Unterrichtsfächer als
"wesentliche[r] Inhalt des besonderen Rechtsverhältnisses zwischen Schule und
Schüler"]). Denn vorliegend kann sowohl der Stellungnahme der Beschwerdeführer
als auch derjenigen des Kantonsrats entnommen werden, dass mit der begehrten
Änderung von § 27 Abs. 1 VSG, jedenfalls für sich allein, das ursprüngliche
Ziel der Initiative, den Lehrplan 21 vor das Volk zu bringen und zu verhindern,
nicht erreicht werden kann. Es ist deshalb, entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführer, von einem Anliegen von untergeordneter Bedeutung auszugehen.

3.5.5. Nach dem Gesagten kann festgehalten werden, dass die Initiative durch
den Wegfall des ursprünglich geplanten § 27 Abs. 2 VSG ihres wesentlichen
Gehalts beraubt wurde, so dass eine Teilgültigkeit in Bezug auf die Abschaffung
von § 9 VSG oder die Änderung von § 27 Abs. 1 VSG nicht in Frage kommen kann,
selbst wenn die Einheit der Form von den Beschwerdeführern gewahrt worden wäre,
was jedoch vorliegend, wie bereits ausgeführt, nicht der Fall ist.

4. 
Damit ist die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Bei diesem Ausgang des
Verfahrens werden die Beschwerdeführer kostenpflichtig (vgl. Art. 66 Abs. 1
BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden den Beschwerdeführern unter
solidarischer Haftbarkeit auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern und dem Kantonsrat des Kantons Schwyz
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 5. Oktober 2016

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Misic

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